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MARXISTISCHE BLÄTTER/398: Afghanistan im Rahmen der Geostrategie der VR China


Marxistische Blätter Heft 3-09

Afghanistan im Rahmen der Geostrategie der VR China

Von Dr. Matin Baraki, Lehrbeauftragter


Die Wahrheit ist so wenig bescheiden als das Licht [...] Bildet die Bescheidenheit den Charakter der Untersuchung, so ist sie eher ein Kennzeichen der Scheu vor der Wahrheit als vor der Unwahrheit. Sie ist eine der Untersuchung vorgeschriebene Angst, das Resultat zu finden, ein Präservativmittel vor der Wahrheit.
Marx, Karl / Engels, Friedrich: Werke (MEW), Bd. 1, Berlin/DDR 1978, S. 6.

Ja, die Wahrheit ist manchmal bitter, sehr bitter, dennoch dürfen wir davor die Augen nicht verschließen. Ansonsten sind wir dazu verdammt, die Fehler zu wiederholen. Sie bewusst zu begehen, wurde einmal von Lenin als Verbrechen eingestuft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Afghanistan allgemein als Einflussbereich der Sowjetunion akzeptiert. Sowohl die westlichen Länder als auch China hatten ihre Versuche, das Land an sich zu binden, aufgegeben. Erst nach dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) vom 14.-25.2.1956, auf dem Nikita Chruschschtow mit den Verbrechen Josef Stalins abgerechnet hatte, warf Mao Tse-Tung der sowjetischen Führung Revisionismus vor.

Auf der internationalen Beratung der kommunistischen Parteien der sozialistischen Länder in Moskau im Jahre 1960 kam es dann zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der Delegation der Kommunistischen Partei Chinas und den Vertretern der KPdSU. Als die Führung der KP China im Jahre 1963 ihren Standpunkt konkretisierte, wobei sie den Weltfrieden nur durch den Kampf der Völker zu sichern dachte, kam es 1963/64 zum endgültigen Bruch, der dann 1969 wegen Grenzstreitigkeiten am Fluß Ussuri sogar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung führte.

Auf Grund dieser Faktoren leitete die VR China eine eigenständige Außenpolitik ein, infolgedessen auch eine aktivere Afghanistan-Politik betrieben wurde. China und Afghanistan hatten schon am 12. Januar 1955 diplomatische Beziehungen aufgenommen. Im Jahre 1960 folgte dann ein Freundschaftsvertrag, der die Erweiterung der afghanisch-chinesischen Beziehungen u. a. auch auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik zur Folge hatte. Dazu gehörten z. B. Landwirtschaftsprojekte, und als Gastgeschenk des Staatspräsidenten Liu Shao-tschi anläßlich seines Afghanistanbesuches 1965, die Errichtung eines Textilkombinates in Bagrami östlich von Kabul. Erst 1963 war in einem Grenzabkommen die 80 km bis dahin offene gemeinsame Grenze am Wakhanzipfel festgelegt worden.


China als Verbündeter der Islamisten

Als 1978 die "Demokratische Volkspartei Afghanistan" unter Nur Mohammad Taraki die Macht übernahm, kühlten sich die afghanisch-chinesischen Beziehungen ab. China gehörte zu den letzten Staaten, die die neue Regierung anerkannten. Peking unterstützte gleichwohl die islamistische Opposition, die später als Mudschahedin bzw. Taliban bekannt wurden. In einem Artikel des kanadischen Magazins "McLeans" vom 30. April 1979 wurde auf die Beteiligung Chinas an der Ausbildung und Ausrüstung der afghanischen Mudschahedin hingewiesen. Amerikanische Agenten der Behörde für Rauschgiftbekämpfung in Pakistan hätten an der afghanisch-pakistanischen Grenze Chinesen entdeckt, die zunächst für Rauschgifthändler aus Hongkong gehalten, später als chinesische Offiziere und Instrukteure identifiziert wurden. Die japanische Nachrichtenagentur "Kyodo" berichtete, dass "1000 von Chinesen ausgebildete pakistanische Guerillaexperten für ultrasubversive Aktivitäten abkommandiert wurden, um Blitzaktionen gegen afghanische Truppen durchzuführen, welche die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan bewachen". Kyodo stellte weiter fest, dass "die Guerillas von ihren Ausbildungsbasen bei Kashgar in der Provinz Xingjiang" (in China) in die durchdringbaren Grenzgebiete Afghanistans geschickt werden.

Mitte Januar 1980 berichtete die Neue Zürcher Zeitung über einen "großen Plan" zum Sturz der afghanischen Regierung sowie über Trainingslager und Finanz-, Ausbildungs- und Waffenhilfe unter Beteiligung der VR China. Der "große Plan" konnte wegen der sowjetischen Intervention am 27. Dezember 1979 nicht mehr realisiert werden, jedoch die afghanisch-chinesischen Beziehungen sanken auf einen Tiefpunkt.

Für den Widerstand wurden bis dahin nicht nur aus den über 40 islamischen Staaten, sondern auch aus Ländern mit islamischer Bevölkerung Kämpfer rekrutiert. Auch die VR China mit rund 20 Millionen Muslimen, darunter ca. 9 Millionen Hui und etwa 8 Millionen Uiguren aus der Provinz Xingjiang in Nord-West-China, gehörte dazu. Dort wurden auch afghanische Mudschahedin in fünf Lagern an chinesischen Waffen ausgebildet.

Die afghanischen Sicherheitskräfte nahmen mehrfach die illegalen chinesischen Kämpfer auf dem afghanischen Territorium fest und wiesen die Machthaber in Peking darauf hin mit der Bitte, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistan zu beenden, was keinerlei Folge zeitigte.


Afghanistan als Objekt sowjetisch-chinesischer Rivalitäten

Durch die Stationierung sowjetischer Truppen in Afghanistan fühlte sich China in seiner Sicherheit bedroht und verlangte deren sofortigen Abzug. Dem sowjetischen Botschafter in Peking, J. S. Schtscherbakow, wurde diesbezüglich eine Protesterklärung übergeben, berichtete die Frankfurter Rundschau am 2. Januar 1980. In einer von der chinesischen Botschaft in Bonn verbreiteten Erklärung Pekings vom 30. Dezember 1979 war die Intervention als "schamlos" bezeichnet worden, die "böswillig alle Normen der internationalen Beziehungen" verletze. Die Regierung in Peking hat völlig außer Acht gelassen, daß die sowjetische Intervention auf der Grundlage der sowjetisch-afghanischen Freundschaftsvertrag von 5. Dezember 1978 erfolgte. Dies entspricht Artikel 51 der UNO-Charta, dass jeder Staat legitimiert ist, im Falle einer Bedrohung sich individuell oder kollektiv zu verteidigen. Die afghanische Regierung hat die Sowjetunion insgesamt 21 Mal um Militärhilfe gebeten.

Infolge der sowjetischen Intervention in Afghanistan kam es zwischen den USA und China zu einer Vereinbarung einer engen militärischen Kooperation. Zu diesem Zweck war US-Verteidigungsminister Harold Brown am 8. Januar 1980 nach China gereist, wo er eine siebenstündige Unterredung mit dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten Geng Giao und Außenminister Huang Hua geführt hatte. Beim Besuch der sechsten Panzerdivision der Volksbefreiungsarmee im Peking sagte er: "Ich freue mich auf verstärkte Zusammenarbeit des amerikanischen Militärs und des chinesischen Militärs." Brown hatte dem starken Mann Chinas, Deng Hsiaoping, eine koordinierte Politik bezüglich Afghanistans vorgeschlagen. Beobachter sprachen von einer "faktischen Allianz" zwischen China und USA.

Die VR China unterhielt seit langem enge Beziehungen zu Pakistan und leistete dem Land großzügige Entwicklung- und Militärhilfe. Infolge der sowjetischen Intervention in Afghanistan wurde die Zusammenarbeit intensiviert. Eine hochrangige chinesische Militärdelegation besuchte im März 1980 Pakistan. Anfang Mai 1980 reiste der pakistanische Präsident General Zia-ul Haq nach Peking, wo er sich mit Partei- und Regierungschef Hua Kuo-feng und weiteren führenden Politikern traf. Daraufhin hat China die Lieferung von Infanteriewaffen und Artillerie an Pakistan verstärkt. Anfang Juni 1981 besuchte der chinesische Ministerpräsident Zhao Ziyang Pakistan, wo er auch die Führer der afghanischen Mudschahedin traf und weitere Waffenlieferungen zusagte.

Wie auf dem bekannten Bild des Sicherheitsberaters des US-Präsidenten Carter, Zbigniew Brzezinski, wie er mit dem Maschinengewehr in der Hand zusammen mit pakistanischen Offizieren und afghanischen Mudschahedin-Kommandanten am Khaiberpass an der afghanisch-pakistanischen Grenze steht, so posierte auch der chinesische Außenminister bzw. Ministerpräsident an der gleichen Stelle mit den Islamisten.

Da neben China und den USA sich auch weitere Länder wie Ägypten, Saudi-Arabien und Pakistan an den Waffenlieferungen für die Mudschahedin beteiligten, übernahm der US-Geheimdienst CIA die Koordinierung, meldete die Fernsehgesellschaft ABC unter Berufung auf Interviews mit 30 hochrangigen Beamten der Carter-Administration. Diejenigen Widerstandgruppen, die am stärksten und am motiviertesten kämpften, erhielten auch die meisten Waffen und Geldzuwendungen. Der Lieblings-Mudschahed der CIA war der radikalste Islamist und Führer der Islamischen Partei Afghanistans, Gulbudin Hekmatyar. Die Experten gehen davon aus, daß er schon seit Mitte der 60er Jahre Kontakte zur CIA unterhalten hatte, als er die von den USA geförderte Ingenieur-Fakultät der Universität Kabul besuchte.


Afghanistan - Gorbatschows erstes Geschenk an den Imperialismus

Zur Verwunderung des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, der auf den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan orientierte, erhielten die Gruppe von Hekmatyar und die vom palästinensischen Prof. Abdullah Asam organisierte internationale Einheit nicht nur tausend der extrem handlichen, mobilen und treffsicheren US-Stinger-Luftabwehrraketen, sondern auch die tragfähige sogenannte Stalin-Orgel aus chinesischer Produktion. In einem geheimen Brief schreibt Hekmatyar am 10.1.1363 [30.3.1985] an Faroq Mansur, Kommandant seiner Partei in der südlich von Kabul gelegenen Provinz Logar: "Sie wissen, daß unsere internationalen Freunde kürzlich einen große Anzahl Waffen wie [...] Tret- und Sprengminen sowie Granaten mit Giftgas an die Islamische Partei sandten. Damit unsere Mudschahedin sie ordnungsgemäß bedienen können, ist eine Einweisung notwendig, [...] die gegeben wird mit der Hilfe von Experten aus den befreundeten Ländern USA und China."

Im Afghanistan-Konflikt ging es eigentlich nicht um Afghanistan und die Afghanen an sich, sondern das Land wurde Objekt der rivalisierenden Großmächte. Die Regierung Chinas rief "die friedlichen Staaten und Völker" der Welt dazu auf, die afghanischen Mudschahedin im Kampf gegen die Interventionstruppen zu unterstützen. In allen internationalen Gremien, u. a. auf UN-Vollversammlungen, forderte China stets den Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan. Neben vielen kapitalistischen Ländern und deren internationalen Verbündeten hat auch die VR China die Olympischen Spiele 1980 in Moskau boykottiert.

Als zwischen 1982 und 1988 die Genfer Afghanistan-Verhandlungen zur politischen Lösung des Konfliktes stattfanden, beteiligte sich China daran allerdings nicht. Diese führten am 14. April 1988 zu einem Abkommen zwischen Afghanistan und Pakistan, wobei die USA und die Sowjetunion als Garantiemächte fungierten. Demnach sollten die sowjetischen Truppen aus Afghanistan abgezogen und die internationale militärische Unterstützung aller Kriegsparteien aufhören. Am 15. Februar 1989 verließen die letzten sowjetischen Soldaten am Amu-Daria an der afghanisch-tadschikischen Grenze das Land. Sowohl die USA als auch China sahen sich am Ziel und glaubten, jetzt sei die Stunde gekommen, um die nun lediglich auf sich allein angewiesene afghanische Regierung hinwegzufegen. Im Widerspruch zum Abkommen von Genf haben sie ihre Rüstungshilfe an die Mudschahedin sogar verdoppelt. Es wurden 1989 mehrere Großoffensiven der Mudschahedin gegen die in der östlichen Provinz Nangrahar gelegene Stadt Djalal-Abad, 1990 gegen Kabul und 1991 in der südlichen Provinz Paktia durchgeführt, wobei pakistanische und chinesische Berater die Operationen leiteten. Die Städte Khost in Paktia und Djalal-Abad wurden dabei größtenteils zerstört.


China torpedierte eine politische Lösung

Als im November 1986 Babrak Karmal durch den Minister für Staatssicherheit Nadjibullah abgelöst worden war, leitete dieser eine Politik der "Nationalen Versöhnung" ein, wobei er den Mudschahedin und dem im römischen Exil lebenden, bereits 1973 gestürzten Monarchen Mohammad Saher eine Regierungsbeteiligung anbot, was jedoch von beiden Parteien abgelehnt wurde. Schon 1989 hatte Nadjibullah den SPD-Vorsitzenden und Präsidenten der Sozialistischen Internationale, Willy Brandt, gebeten, im Rahmen einer internationalen Konferenz zu vermitteln. "Wir sind davon überzeugt, dass Sie in der Lage sind, unter den verfeindeten Afghanen zu vermitteln", hob Nadjibullah in seinem Schreiben an Willy Brandt hervor. Im Sommer 1990 lud Willy Brandt die Vertreter der afghanischen Regierung und der Mudschahedin zu einem Gespräch nach Bad Neuenahr ein. Die Mudschahedin wurden jedoch von ihren Verbündeten, u. a. China, Pakistan und USA, vor allen auf dringenden Rat der CIA hin, daran gehindert, an diesem Gespräch teilzunehmen - so der ehemalige Botschafter der BRD in Pakistan, Alfred Vestring, in einem Gespräch am 12. Dezember 2002.

Als 1992 die afghanische Regierung kapitulierte und die Macht an die gemäßigten Mudschahedin unter Sebgatullah Modjadedi (dem jetzigen Präsidenten des Oberhauses) übertrug, war auch die historische Mission Chinas erfüllt.


Das Dilemma der chinesischen Politik

Wie sich zeigen sollte, begann das eigentliche Problem für China aber erst jetzt. Die Geister, die man gerufen hatte, wurde man jetzt nicht mehr los. Die seit 1979 in Afghanistan an der Seite der Mudschahedin kämpfenden radikalen Moslems der Uiguren kehrten nun als gut ausgebildete, erfahrene Kämpfer nach China zurück. Sie riefen zur Einheit "aller Völker der türkischen Nation" auf und ließen das große Ostturkestan hochleben. In der Provinz Xingjiang kam es zur Rebellion. Die Studenten führten Protestaktionen durch. Als die Pekinger Regierung die Koranschulen schließen ließ und den Bau weiterer Moscheen nur noch mit staatlicher Genehmigung bewilligte, breitete sich der Aufruhr in Xingjiang weiter aus. Anfang April 1990 versuchten 200 bewaffnete Islamisten das Rathaus im kirgisischen Baren zu stürmen. Die Menge wurde von bewaffneten Männern mit Gewehren und Handgranaten unter der Führung der "Islamischen Partei Ostturkestan" angeführt. Sie riefen zum "Heiligen Krieg" auf, in dem alle Moslems, einschließlich Frauen, zu den Waffen greifen und die "Heiden töten" sollten.

Auch für die afghanischen Mudschahedin war der "Heilige Krieg" längst nicht beendet. Sie wollten nach dem Sieg über Nadjibullah den "Djihad" auch nach Mittelasien, in den Kaukasus und vor allem nach China, wo die Kommunisten noch an der Macht waren, exportieren.

Die radikalislamischen Taliban waren ein Horror für China. Dennoch oder gerade deswegen kam es zu einer offensichtlichen Annäherung zwischen Peking und den Taliban. Die chinesische Regierung wollte verhindern, dass sich uigurische Islamisten und Separatisten in Afghanistan weiter auf ihren Untergrundkampf in Xingjiang vorbereiten. Im Januar 1999 kam eine Delegation aus Peking unter Leitung des Direktors der Asienabteilung im Außenministerium zu Gesprächen mit dem Taliban-Regime nach Afghanistan. Dabei wurde eine Vereinbarung über wirtschaftliche und sogar militärische Zusammenarbeit unterzeichnet.

Als der UNO-Sicherheitsrat am 15.10.1999 eine von den USA entworfene Resolution (Nr. 1267) verabschiedete, in der den Taliban eine Frist von einem Monat zur Auslieferung des Al-Kaida-Chefs Bin Laden eingeräumt wurde, hatte auch China dafür votiert.

Die Pekinger Führung war froh, dass sie den 11. September 2001 zum Anlass nehmen konnte, um auch in ihrem Hinterhof für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die islamistischen Uiguren wurden gnadenlos verfolgt. Als die USA einige von ihnen als Al-Kaida-Kämpfer identifiziert und nach Guantánamo gebracht hatten, blieb jegliche Reaktion aus Peking aus.

Nach der Vertreibung des Taliban-Regimes musste China sich mit den neuen Gegebenheiten abfinden. Denn angesichts der Übermacht der USA haben sich die Kräfteverhältnisse in einer unmittelbaren Nachbarschaft zuungunsten Chinas verschoben. Peking hat heute in Afghanistan nichts zu melden. Selbst als die Chinesen das günstigste Angebot für die Wiederherstellung des Kabuler Telefonnetzes gemacht hatten, haben sie den Auftrag nicht erhalten. 99 Prozent sämtlicher Waren auf dem afghanischen Markt werden importiert, wie Wirtschaftsminister Mohammad Amin Farhang angab. Durch ihre Billigprodukte haben die Chinesen beim afghanischen Import die Spitzenposition erringen können, 2005/06 stehen sie mit einem Anteil von 18 Prozent an erster Stelle. Dahinter rangieren Japan und Pakistan, als vierter Deutschland, so die aktuellen Zahlen des Auswärtigen Amtes in Berlin.


"Wer nicht hören will, muss fühlen!"

Die kurzsichtige Außenpolitik der Pekinger Führung, verdeckt und offen mit den Vereinigten Staaten und weiteren NATO-Ländern gegen Afghanistan zu kooperieren, sollte die Position der Sowjetunion in Afghanistan nachhaltig schwächen und längerfristig die UdSSR aus dem Land hinausdrängen. Daraus erfolgte zwar zunächst eine Stärkung der chinesischen Position in Asien. Nach dem Wegfall der Sowjetunion fühlte sich die VR China als Gewinnerin und als die Nummer eins in Asien. Dass dies eine Fehlkalkulation war, zeitigt jetzt für die VR China unabsehbare Folgen mit langfristiger Wirkung. Dringt doch das westliche Militärbündnis durch die Besetzung Afghanistans direkt bis an die Grenze Chinas vor. Noch gravierender werden die Konsequenzen sein, wenn demnächst eine dauerhafte Militärkooperation zwischen der NATO einerseits und Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea andererseits etabliert wird.

Dies wird zu einer militärischen Umzingelung der VR China führen. Ein Albtraum für die chinesische Regierung.

Um die chinesische Führung zu beruhigen, empfahl die NATO, dem chinesischen Botschafter in Kabul einen "offiziellen Kontakt" mit der westlichen Militärallianz zu genehmigen. Man wolle nach einer "Phase der gegenseitige Erkundung" nun zu einer "normalen Arbeitsbeziehung" kommen, charakterisiert ein hoher Diplomat die Situation. Am 9. Januar 2007 traf eine hochrangige chinesische Delegation unter der Leitung des Europadirektors des Außenministeriums zu Konsultationen im Brüsseler Hauptquartier der NATO ein. Eine Delegation der NATO wird ihrerseits im Juni 2007 nach China reisen.

Die Pekinger Führung muss jetzt gute Miene zum bösen Spiel machen. Sie unterstützt auf internationaler Ebene die Kriegsführung von USA und NATO, um in Afghanistan beim sogenannten Wiederaufbau Aufträge zu erhalten. Gleichzeitig instrumentalisiert sie den Slogan der Bush-Administration "Krieg gegen den Terror" für sich, um die "separatistischen" und islamischen Bewegungen im eigenen Land niederzuhalten. In der westlichen Provinz Xinjiang führt China seinen eigenen unerbittlichen "Krieg gegen den Terror", wobei es "schwere Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren" mit dem Antiterrorkampf rechtfertigt.

Das Engagement der VR China in und um Afghanistan kann ohne die brisante geostrategische Lage Afghanistans, aber auch ohne die Rivalität zwischen China-Indien und China-Sowjetunion nicht verstanden werden. Afghanistan wurde zuvor Opfer der chauvinistischen Außenpolitik Pekings und ist jetzt Objekt der ökonomischen und innenpolitischen Interessen Chinas. Ob dieses Kalkül für China zu einem Verhängnis werden wird, kann nur die Zukunft zeigen.


Matin Baraki, Dr., Marburg, Lehrbeauftragter


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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 3-09, 47. Jahrgang, S. 76-80
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2009