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LICHTBLICK/240: Gefangenenzeitungen


der lichtblick - Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 378 - 1/2019

Gefangenenzeitungen

Eine bunte Mischung oder muss letztendlich alles nur
von der Anstaltsleitung abgesegnet werden ?


Ein Besuchsübersteller aus Bayern brachte uns auf die Idee, einen Überblick über die verschiedenen Gefangenenzeitungen zu erstellen. Er äußerte diesen Wunsch und wir waren dann gerne behilflich, damit der Lesende sieht was für ein vielfältiges Spektrum hier vorhanden ist. So entwickelte sich das Thema und wir haben sofort recherchiert und wollten wissen, wie die Anfänge waren. Die erste Gefangenenzeitung ("Forlorn Hope") wurde 1880 in New York City gegründet. Sie fand viele Nachahmer, so dass 1967 bereits weit über 200 Titel gezählt wurden. In Deutschland war "Der Leuchtturm"(1925) die erste Gefangenenzeitung und wurde vom preußischen Justizministerium für die Strafanstalt Görlitz genehmigt.

Mittlerweile sind die Bilder und die Netzwerke von Gefangenenzeitungen sehr viel differenzierter geworden. Das Niveau hat sich ständig verbessert, wir erhalten Probe-Exemplare aus verschiedenen deutschen Vollzugsanstalten und haben dementsprechend einen guten Überblick, was so läuft oder wo der Schuh drückt. Die Probleme in den einzelnen Bundesländern sind doch recht unterschiedlich, was sich schließlich auch immer wieder in einem gesteigerten Vollzugstourismus ausdrückt.

Wenn wir hier bei der Auflistung eine Zeitung vergessen oder übersehen haben sollten, so teilt uns das mit und wir können unsere Dokumentation ergänzen. Es ist schwer eine aktuelle Übersicht zu erstellen und sämtliche zurzeit erscheinenden Zeitungen zu erwähnen. Wir erheben auch keinen Anspruch, dass unsere Tabelle vollständig ist und selbstverständlich nehmen wir auch keine Bewertungen vor. Viele Zeitungen machen im Impressum keine Angaben zur Erscheinungsweise deutlich, weil sie vermutlich auch vom Wohlwollen und der Unterstützung der Anstalt abhängig sind.

Bei einer echten Gefangenenzeitung sollten unserer Meinung nach auch die Gefangenen die Inhalte, Texte und das Layout bestimmen dürfen. Der Zusatz "zensiert" oder "vorlagepflichtig" sagt noch nichts darüber aus, wie rigide ein Anstaltsleiter Einfluss auf eine Zeitung nimmt. Insofern kann auch eine vorlagepflichtige Zeitung, die ausschließlich von Inhaftierten verfasst wird, eine gute Gefangenenzeitung darstellen. In erster Linie sollen aber die Inhaftierten informiert werden.

Auch wenn sich jetzt nicht die genaue Anzahl der Gazetten bestimmen lässt, so ist es doch sehr beachtlich, dass es in Deutschland derart viele Gefangenenzeitungen gibt. Das ist einerseits lobenswert für die jeweiligen Anstalten, aber andererseits noch viel aussagekräftiger für das Interesse und das Engagement der Inhaftierten.

Das einige Zeitungen manchmal etwas derber oder polemischer daher kommen, liegt in der Natur der Justiz, die bei der Beseitigung von Missständen und der Verbesserungen der Haftbedingungen nicht viel Entgegenkommen erkennen lassen. Erwähnenswert ist, dass die auflagenstärkste Zeitung sich bei den Artikeln kaum von einer kleineren Zeitung unterscheidet. Alle Gazetten bieten eine breit gefächerte Themenauswahl. Manche werden nur Anstaltsintern verteilt andere wiederum erlangen einen weitaus größeren Radius. Gefangenenzeitungen sind Produkte in der deutschen Presselandschaft, die trotz ihrer langen Tradition nur einen Bruchteil der Gesellschaft überhaupt bekannt sind. Sie werden als Randerscheinungen behandelt. Trotzdem sind die Gefangenenzeitungen aus dem Vollzugsalltag nicht mehr wegzudenken. Allerdings sind die Kostenfaktoren von Druck, Papier und Versand sicherzustellen, was vielfach schon bei einigen Zeitungen größere Probleme auslöst. Die meisten Gefangenenzeitungen werden in den jeweiligen Anstaltsdruckereien hergestellt, das ist schon einmal positiv anzumerken, dass solche Betriebe zahlreich vorhanden sind.

Die inhaltliche Ausrichtung einer Gefangenenzeitung speist sich vornehmlich aus dem Haftalltag und den damit verbundenen Erschwernissen und Missgeschicken. Dabei ist es nicht immer einfach den Überblick zu behalten und nicht in subjektive Wahrnehmungen abzurutschen. Es sei hervorzuheben, dass ein reger Austausch über vollzugliche Belange immer von Vorteil ist. Er erlaubt es den Gefangenen über den Tellerrand hinaus zu schauen und versteht sich selbstverständlich auch als Sprachrohr der Inhaftierten.

Die Knastwelt den Menschen draußen näher zu bringen und zu beleuchten ist schwierig, wenn sie noch nie mit der Institution Gefängnis in Berührung gekommen sind. Die Redaktion kann beispielsweise die Berichterstattung der etablierten Medien aus einer speziellen Sichtweise ergänzen. Eine Sichtweise, die die Redakteure nur vermitteln können, weil sie mitten drin sind und wissen wovon sie reden und schreiben. Das ist aus redaktioneller Sicht natürlich ein unschätzbarer Vorteil.

Das die Gesellschaft von Sicherheitsdenken bestimmt ist und von einem latenten Angstdiskurs geprägt ist, sollte die Redakteure nicht davon abhalten, ein Gefangenen-Magazin interessant zu gestalten. Dabei dürfen sie denn auch darauf hinweisen, dass nach den bei uns geltenden Strafvollzugsgesetzen die Zeit in der Haft die Möglichkeit zu positiver Veränderung beinhalten soll. Einem straffällig gewordenen Menschen darf folglich nicht nur strafend und mit Misstrauen begegnet werden, bzw. es darf sich kein über die Strafe hinausreichendes "Rachebedürfnis" oder auch nur Diziplinierungsbedürfnis in der Vollzugspraxis niederschlagen. Insofern sind ausreichende Supervisionen für den verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz zu fördern.

Interessierte Insassen sind somit jederzeit am Puls des Vollzusgsgeschehens beteiligt, was unter Umständen auch für die Angehörigen von Bedeutung sein kann, da Transparenz nicht zur Normalität der Justiz gehört. Aber wenn niemand seine Stimme erhebt, kann auch kein Dialog stattfinden. Wir meinen aber, dass es zum Behandlungsportfolio des modernen Strafvollzuges gehört und es somit noch viele Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Justiz gibt. Der Vollzug muss sich der Gesellschaft öffnen, nur so erreichen wir möglichst viele interessierte Menschen.

N. K.



Tabelle der Gefangenenzeitungen - © Lichtblick

© Lichtblick

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Quelle:
der lichtblick, 51. Jahrgang, Heft Nr. 378 - 1/2019, Seite 18-19
Unzensierte Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Herausgeber: Redaktionsgemeinschaft der lichtblick
(bestehend aus Insassen der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel)
Seidelstraße 39, 13507 Berlin
Telefon: 030/90 147-23 29
Fax: 030/90 147-21 17
E-Mail: gefangenenzeitung-lichtblick@jva-tegel.de
Internet: www.lichtblick-zeitung.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2019

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