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LICHTBLICK/190: Folter, eine philosophische Betrachtung über Strafe, Geständnis und Zweck


der lichtblick - Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 350 - 1/2012

Folter, eine philosophische Betrachtung über Strafe, Geständnis und Zweck

Ein Redaktionsmitglied



Folter, ein Begriff aus dem Mittelalter, aus einer vergangen Zeit? Oder ist Folter gegenwärtig? Ist Folter erlaubt und wenn ja, wann? Ein bisschen vielleicht?

Das Sprichwort "Jemanden auf die Folter spannen", also im ungewissen lassen, wurde von der körperlichen und seelischen Misshandlung von Gefangenen, um sie zu einem Geständnis zu zwingen, hergeleitet.


Geschichtlicher Hintergrund der Folter

Die Folter ist gar nicht so weit weg in dieser Welt. Sie ist in weiten Teilen der Länder und in gegenwärtiger Zeitgeschichte präsent, sie ist gar heutzutage noch eine übliche Verhörmethode in Ländern wie zum Beispiel den USA, China, Russland, Türkei, dem Iran, Afghanistan, Irak, Syrien, Sri Lanka, Tibet oder Kongo, um nur einige zu nennen. Kaum vorstellbar.

Die Geschichte hat gezeigt, dass die Qualität der Informationen, die unter Folter gewonnen werden, nahezu Null ist. Tatsächlich ist es auch so, dass es bis heute keinen Beweis dafür gibt, dass Informationen, die unter Folter gewonnen wurden, nicht auch auf andere Art und Weise hätten gefunden werden können. Der arme Junge Jacob Metzler konnte durch die Folterandrohung - wobei die Androhung selbst schon eine Folter darstellt - nicht gerettet werden und sicherlich hätte man diese Erkenntnis, früher oder später, auch ohne eine solche Androhung herausgefunden.

Dabei wird die Anwendung von Folter auch eine Art von ausgedrückter Hilflosigkeit sein. Folter kann der verzweifelte Versuch sein, ein größeres Übel abwenden zu wollen. Wenn alle legalen Methoden fehlschlagen und scheinbar nicht zum Ziel führen, kann der Wunsch mittels Folter zum Ergebnis zu gelangen, ein Zeichen von Ohnmacht sein. In solchen Fällen ist der Wunsch, eine Information notfalls mittels Gewaltandrohung zu erhalten, groß und vielleicht verständlich. In den Ländern, in denen heute die Folter ein übliches Instrument um scheinbare Wahrheiten herauszufinden ist, ist es aber keineswegs die Hilflosigkeit und die verzweifelte Todesangst um das eigene oder fremde Kind, welche die Folter zumindest moralisch rechtfertigt. Es ist vielmehr die gewohnte Praxis und eine perverse, für unsere Wertevorstellung nicht nachvollziehbare, Legitimation des Staates, seine Macht zu präsentieren.


Historische und Sprachliche Betrachtung

Soweit die Theorie. Fraglich ist, wann Folter als Folter gilt. So kann man der Auffassung sein, dass Folter nur dann als Folter gelte, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen, in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Wenn dem so wäre, könnte Folter nur von einem Staat ausgehen. Die Folter in einem Bürgerkrieg, ohne faktischen Staat, würde dann nicht mehr darunter und somit auch nicht unter die UN-Konvention fallen. Uns interessiert an dieser Stelle aber zunächst die Folter, die vom Staat ausgeht, genauer die Frage: Gibt es in der heutigen Zeit Folter in Deutschland oder in Europa?

Die Gefahr der Folter ist an den Orten besonders groß, wo Menschen gegen ihren Willen verwahrt werden. Das ist insbesondere in Gefängnissen, in Polizeigewahrsam, in der Abschiebehaft oder in geschlossenen Psychiatrien der Fall. Sie ist nicht nur auf Deutschland begrenzt, sondern ist ein weltweites Problem.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Bevölkerung nicht sonderlich für die Inhaftierten interessiert. Ein Interesse ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn sie aus familiären Gründen betroffen sind oder ein "Skandal" die Öffentlichkeit in den Medien aufschreckt. Insofern ist die Öffentlichkeit nur bedingt Wächter über das Folterverbot. Es ist in erster Linie die Regierung gefragt, eine Art Selbstkontrolle auszuüben. Diese Selbstkontrolle findet durchaus auch statt. So unterstehen die Justizvollzugsanstalten in Deutschland den Landesjustizverwaltungen (Senatsverwaltung), während geschlossene psychiatrische Krankenhäuser zumeist den Gesundheitsbehörden und polizeiliche Verwahrräume und Abschiebeeinrichtungen zumeist den Innenministerien unterstehen.

Bei der Kontrolle des Justizvollzugs spielen Anstaltsbeiräte eine gewichtige Rolle. Sie sind das Auge der Öffentlichkeit in der Anstalt. So können sie Missstände aufgreifen, dokumentieren, aber auch zwischen den Leiter der Anstalt und den Gefangenen besprechen. Tatsächlich sind Anstaltsbeiräte aber keine offiziellen Kontrollorgane. Dies ist vom Gesetzgeber auch gar nicht gewollt.

Eine wohl der gewichtigsten Säulen der Demokratie und der Kontrolle stellen die Medien dar. Zwar haben diese regelmäßig und in erster Linie an Skandalen ein Interesse und sind eher an langfristigen Berichterstattungen zum ein und demselben Thema uninteressiert, aber dennoch darf die Wirkung auch von Skandalberichten nicht verkannt werden. Der Erfolg oder der Misserfolg von Politiker und Behördenleitern ist im direkten Zusammenhang mit den Berichterstattungen in den Medien zu sehen.


Historische Herkunft des Wortes

Der Ursprung liegt wohl im Verbum "peinen". Im mittelalterlichen Strafrecht hat peinen (wofür jetzt peinigen gesagt wird) ursprünglich martern, quälen bedeutete. Das Wort "strafen" (früher straffen) ist ein verhältnismäßig neues Wort, das im Althochdeutschen noch nicht vorkommt, die Herkunft wird als dunkel bezeichnet. Dort liegt die Vermutung, dass strafen von straff herzuleiten ist und das Straffen, das Straffanziehen, also eine Art der Folter bedeutete. Nach dem "Gesetz" des Bedeutungswandels kann also Strafen für alle Arten der Folter gebraucht werden. Für das Mittelalter bestand das Strafverfahren aus Folter und aus Marter. Man beachte auch, dass bis in die neue Zeit hinein "peinliches Gericht" und "peinliche Frage" das Strafverfahren unter Anwendung der Folter bezeichneten. Hatte sich das Verbum strafen erst über peinen hinweg, für lateinisch "punire" eingebürgert, so konnte das abgeleitete Substantiv Strafe leicht für alle Bedeutungen von poena eintreten. Als die christelnde (nicht jüdische und nicht christliche) Vergeltungstheorie und das neuzeitliche Strafrecht erst das Wort Strafe verwandte, glaubte man, es müsse etwas Rechtes bedeuten. Zugrunde lag aber immer nur der Begriff strafen aus der verbalen Welt, was in diesem Sinne immer eine Art von Folter ist und somit der vernünftig oder unvernünftig gewollte Zweck der Maßregelung.

Versucht man nun das Strafrecht zu begründen, also das Recht der Gesellschaft ihre Verbrecher zu bestrafen und dieses Strafrecht mit dem übrigen Recht im begrifflichen Zusammenhang zu stellen, wird dies wohl auf einen Widerspruch hinauslaufen. Die Gesellschaft, der Staat nimmt das Recht in Anspruch, bestimmten Menschen straffrei ein Übel zuzufügen, sie an Leben, Freiheit, Vermögen oder Ehre straffrei zu verletzen. Ob die Strafe den Verbrecher unschädlich machen, abschrecken oder bessern will sei dahingestellt, in jedem Fall aber widerspricht die Theorie der Moral Kants, welche ja den einzelnen Menschen immer nur als Selbstzweck, niemals als Mittel betrachtet. Auch dem Naturrecht widerspricht die kaltblütige Hinzufügung solcher Übel, wenn man nicht uralte Begriffe des Rechts zu Hilfe nimmt, wie das Notrecht, den Notstand, besonders die Notwehr, die heute im Gesetz verankert ist und ein straffreies Handeln von einem Übel legitimiert.

Diese sprachkritischen Ausführungen führen vielfach zu den gleichen Ergebnissen wie die Arbeiten der modernen Strafrechtslehre und lehnen die Vergeltungslehre entschieden ab, weiter gedacht also auch die Folter.


Die staatsrechtliche Betrachtung

Die Folter wurde in Deutschland erst im Laufe des 18. Jahrhunderts abgeschafft. Eine Entwicklung des Bewusstseins, dass Folter nicht den gewünschten Erfolg erbringt, vielmehr menschenunwürdig ist, fand also erst relativ spät statt. Die UN-Antifolterkonvention (United Nations Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment) ist das von den Vereinten Nationen beschlossene Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche Behandlungen oder Strafe. Diese Konvention trat am 26.06.1987 in Kraft und wurde mittlerweile von 146 Staaten, darunter auch Deutschland, ratifiziert. Ein UN-Ausschuss überwacht die Einhaltung der darin festgeschriebenen Vereinbarungen. Da es sich um eine UN-Konvention handelt, ist diese auch völkerrechtlich verbindlich und ergänzt die allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte von 1948 und die Genfer Konvention aus dem Jahre 1949. 1977 wurde der Begriff "Folter" genau definiert und gleichwohl Maßnahmen zu ihrer Verhinderung und Bestrafung geregelt.

Am 23.05.2006 wurde weiter festgeschrieben, dass ein internationales Gremium eingerichtet wird, welches dem UN-Ausschuss gegen Folter untersteht und Untersuchungen in Gefängnissen oder anderen Orten, an denen Gefangene festgehalten werden, durchführen kann. Das "Optional Protocol to the Convention against Torture and Other Cruel", also das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, wurde von 46 Staaten ratifiziert, bedauerlicherweise nicht von den USA, China, Russland, dem Iran und Israel. Die Bundesregierung hat das Fakultativprotokoll am 20. September 2006 unterzeichnet.


Die Definition

Folter ist jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, um zum Beispiel von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen. Folter dient dazu, eine tatsächlich oder mutmaßliche Tat, oder die Tat eines Dritten, zu bestrafen, die Person einzuschüchtern, zu nötigen oder auf eine andere Art und Weise zu diskriminieren.


Die Einhaltung und Überwachung

Die Einhaltung der Bestimmungen der Konvention überwacht das zuständige UN-Vertragsorgan, der UN-Ausschuss gegen Folter (Committee against Torture, CAT), der periodisch die Berichte der Unterzeichnerstaaten entgegennimmt und auswertet.


Der Fall Magnus Gäfgen

Uns allen ist der Fall Magnus Gäfgen noch gut in Erinnerung. Dieser hatte den Bankierssohn Jacob Metzler entführt und umgebracht. Nachdem er den kleinen Jungen getötet hatte, versuchte er von der Familie Geld für die angebliche Entführung und Freilassung zu erpressen. Er wurde schließlich gefasst und durch die Polizei verhört. Da Gäfgen nicht gestehen wollte und sowohl die Eltern, die Polizei, aber auch die Öffentlichkeit um das Leben des kleinen Jungen bangten, griffen sie zu einem Mittel, was hierzulande unter Strafe steht, nämlich der Androhung von Folter. Aus Angst gestand Gäfgen, genutzt hat es nichts, der Junge blieb tot.

Was wäre gewesen, wenn durch die Androhung der Folter das Leben des Jungen gerettet worden wäre? Was würde ein jeder tun, wenn sein Kind entführt und bedroht würde? Würde dann nicht jeder, jedes Mittel in Betracht ziehen, um es zu retten? Natürlich! Natürlich würde keiner objektiv über Sinn und Zweck von Folter und deren Gefahren nachdenken. Natürlich würde vermutlich jeder sich alle möglichen sadistischen Handlungen ausmahlen, nur um das Leben des Kindes zu retten. Ich auch! Ja, ich würde foltern um das Leben meines Sohnes zu retten!

Aber wo führt es hin? Ab wann darf man foltern und sind die Grenzen klar einzuhalten? Was ist mit demjenigen, der gefoltert wird und aus Angst etwas gesteht, was er gar nicht getan hat, nur um keine Schmerzen zu erleiden? Cui bono?


Die Bundesstelle zur Verhütung von Folter

Herr Klaus Lange-Lehngut ist ehemaliger Leiter der JVA Tegel und Vorsitzender der Bundesstelle zur Verhütung von Folter in Wiesbaden. In dieser Funktion ist er ehrenamtlich tätig. Ihm steht zur Unterstützung lediglich eine wissenschaftliche Mitarbeiterin und eine in Teilzeit beschäftigte Bürofachangestellte zur Seite. Eigentlich sollte die Stelle über 300 Gewahrsam-Einrichtungen des Bundes, nach dem völkerrechtlichen Regelwerk, präventiv inspizieren. Das ist natürlich mit einer solchen Besetzung nicht einmal ansatzweise zu bewältigen. Obschon die Bundesstelle erst seit einem Jahr besteht, sieht sie sich dennoch in allen Ebenen unterstützt und ernst genommen, was auf eine positive Zukunft hoffen lässt.

Im Jahr 2010 fanden lediglich vier Inspektionen bei der Bundespolizei und zwei bei der Bundeswehr statt.

Dabei ist auffallend, dass offensichtlich bei den Inspektionen zwar mit den Behördenleiter, den Sozialarbeiter und den Seelsorgern gesprochen wurde, jedoch wird nur dann mit Betroffenen gesprochen, wenn diese auch zufällig in einem Gewahrsam angetroffen werden. Der Bericht gibt keine Auskunft darüber, ob solche Gespräche auch tatsächlich stattgefunden haben und was das Ergebnis eines solchen Gesprächs war. Viel Energie mit denjenigen zu sprechen die es angeht, wurde offensichtlich nicht verwendet. Fraglich ist, was für einen Sinn diese Inspektionen denn dann haben? Es ist nur allzu gut nachzuvollziehen, dass für den Leiter einer Gewahrsamstelle alles in Ordnung ist.

Die Bundesstelle hat zwar nur 100.000,00 EUR und zusätzlich 50.000,00 EUR auf einem Sonderkonto zur Verfügung, wobei 10.000,00 EUR Reisekosten abgerechnet werden dürfen und zudem noch wenig Personal, aber eine zielgerichtete Befragung von Betroffenen sollte doch Vorrang haben. Weiterhin ist uns bekannt, dass es einen Bericht über den Besuch in der JVA Burg (wir berichteten in unserer Ausgabe 02/2011 durch einen Gastbeitrag von den dortigen Umständen) gibt. Auf telefonische Nachfrage zu den dort festgestellten Missständen wurde uns mitgeteilt, dass der Bericht nur für interne Zwecke sei und allenfalls über das Ergebnis allgemein im kommenden Jahresbericht zu lesen ist. Wir sind gespannt und werden den Bericht sicherlich abfordern und darüber berichten.

An dieser Stelle danken wir Herrn Lange-Lehngut für das zur Verfügung gestellte Material. Zwar hätten wir uns über ein persönliches Statement gefreut, dies war für Herrn Lange-Lehngut zeitlich offenbar leider nicht zu vereinbaren.


Die USA und die Folter

Zudem bleibt die Frage, wohin Folter führen kann und wie auch angeblich führende Nationen wie die USA damit umgehen. Die oft selbstherrliche Darstellung der USA als "Weltpolizei" und das selbstverständliche Vorhalten des Kerkers auf der Guantanamo Base, Camp Delta / Kuba spricht Bände. Völlig rechtsstaatsfrei in Gutsherrenmanier wird dort munter und lustig gequält und drauf los gefoltert. Die ganze Welt schaut zu und allenfalls wird - möglichst sehr leise und nur am Anfang des Wahlkampfes bei passender Stelle - darauf hingewiesen, dass wir "Deutschen" das ja eigentlich gar nicht so gut finden. Super!

Oh Wunder! Bin Laden ist Tod! Dead or Alife, so schallte es ein Jahrzehnt durch alle Äther und durch's World Wide Web. Wen wundert es dann, dass ein nachweislich unbewaffneter Bin Laden, weil er sich nachts gewährt hat als man ihn festnehmen wollte, sich einen Kopfschuss eingefangen hat. Wenn's denn so war. Bei der Pressekonferenz wird die Welt verarscht und reumütig behauptet: Die USA sei nicht so "reißerisch" und würde die Menschenrechte und die Würde der Toten missachten und deshalb keine Bilder des toten Bin Laden veröffentlichen. Wie in der Pressekonferenz verlautet, wurde der Leichnam - aus angeblich humanitär einwandfreien Gründen - in einem Bleisarg auf See beerdigt. GRUSELIG! Eine Nation, die darauf gedrängt hat die Hinrichtung von Sadam Hussein LIVE und in FARBE zu übertragen, macht jetzt auf einmal auf ethischen Verzicht und das bei einem Bin Laden, der die Nation jahrzehntelang verarscht hat?!

Fest steht jedenfalls, dass auf Kuba gequält wird und die Nation schaut zu. God bless America!

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die einzige humanitäre Organisation welche befugt ist, das Lager regelmäßig aufzusuchen, hat nach Berichten der New York Times bereits im Juli 2004‍ ‍in einem vertraulichen Bericht an die US-Regierung die angewandten Verhörmethoden als Folter bezeichnet und die Haftbedingungen scharf kritisiert. Danach haben sie ein Verbot von der US-Regierung erhalten, über die Zustände in dem Gefangenenlager zu berichten. Dennoch ist in vielen Medienberichten von Folter und unmenschlicher Behandlung die Rede.

Die zuständigen US-Behörden bestreiten natürlich alles und verweisen auf die Visiten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, die aber nichts sagen dürfen. Anfang 2004 waren noch immer 510 Personen im Lager gefangen, denen sowohl der Kriegsgefangenenstatus als auch jeglicher Rechtsbeistand verweigert wird, bis heute! Diese Menschen werden auch weiterhin gefoltert und bedroht. Schon Busch hat angekündigt das Lager schließen zu wollen und der Schwarze Bruder Obama, hat es gar zum Wahlkampfthema gemacht und - versagt!

Im Bericht der UN-Menschenrechtskommission heißt es, dass die Gefangenen unter Einsatz von Hunden gefoltert würden. Zudem wird die Zwangsernährung von in Hungerstreik befindlichen Häftlingen vorgenommen. Trotz der Zurückweisung der Foltervorwürfe verweigerten die US-Behörden jeder internationalen und Menschenrechtsorganisation Zugang zum Gefangenenlager. Dafür haben sie aber Bin Laden humanitär auf den tiefsten Meeresgrund begraben. Die Amerikaner sind in Guantanamo so schmerzfrei, dass sie sogar 13-jährige Kinder inhaftiert und erst nach mehreren Jahren mit der Begründung freiließen, dass sie nunmehr keine Bedrohung für Amerika darstellen.

I'm proud to be an American!

Damit ist nicht gesagt, dass fast wehleidig die Humanisierung aller Strafen befürwortet werden soll und das jede Strafe gleich Folter ist. Der offizielle Wegfall der Folter hat aber auch nicht dazu geführt, dass unsere Gefängnisse für die schlimmsten Verbrecher ihren Schrecken fast verloren haben. Zumindest wurde die Todesstrafe als "Folter und Strafzweck" in Deutschland abgeschafft. Obschon auch so ein großer Geist wie Goethe sich für die Beibehaltung der Todesstrafe ausgesprochen hat, ist dies wohl eher dem damaligen, aber doch nicht so weit entfernten, Zeitgeist geschuldet.


Schlusswort

Egal, ob der Polizeichef in Hessen, das Gefangenenlager Guantanamo der USA oder die Foltermethoden der Al Quaida. Jede Gewaltanwendung sollte in der zivilisierten Welt ein NO GO sein! Dabei spielt auch die nicht physische Gewalt eine große Rolle. Egal ob Schikanen, Mobbing oder das Anwenden des § 84 Abs. 2 StVollzG, nämlich wahllos das komplette Entkleiden und Durchsuchen von Gefangenen anzuordnen, ist auch eine Art Folter. Wie uns berichtet, werden Gefangene, gerade im Haus II, täglich von Beamten "herausgepickt" und nach § 84 Abs. 2 StVollzG durchsucht. Nicht um sonst hat der Gesetzgeber hier einen Unterschied zwischen einer Durchsuchung nach § 84 Abs. 1 StVollzG und § 84‍ ‍Abs. 2 StVollzG gemacht. Die Durchsuchung von Gefangenen und Hafträumen nach § 84 Abs. 1 StVollzG können Beamte des Einfachen Vollzugsdienst, also Stationsbeamte, ohne Anordnung vornehme. "Das Schamgefühl ist zu schonen", so der Gesetzestext. Durchsuchungen nach §84 Abs. 2 StVollzG dürfen nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall vorgenommen werden. Keinesfalls sind aber nahezu 20 Durchsuchungen nach § 84 Abs. 2 StVollzG am Tag, wie uns von der GIV berichtet wurde, zu rechtfertigen. Das ist auch eine Art Folter.

Die Verbrechen der Al Quaida sind ganz sicher zu verurteilen. Die vielen Menschen, die durch Anschläge umgekommen sind, sind mit nichts zu entschuldigen. Genauso wenig ist das straffreie Töten von Bin Laden nicht akzeptabel, oder das Quälen von Menschen in den Gefangenenlagern der USA. Auch ein Gäfgen kann und darf man nicht foltern, so nachvollziehbar die Beweggründe auch sein mögen. Jede Art von Folter ist weder menschlich, noch völkerrechtlich noch auf irgendeine andere Art und Weise adäquat und darf keinen Platz in der zivilisierten Welt haben.

Währet den Anfängen!

*

Quelle:
der lichtblick, 45. Jahrgang, Heft Nr. 350, 1/2012, Seite 39-43
Unzensiertes Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2012