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KAZ/149: Krise des Kapitalismus und seine Lösung - Sozialismus des 21. Jahrhunderts


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 331, Juli 2010
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Erklärung des fünften WAPE Forums
Endgültige Version vom 30. Mai 2010

Die Krise des Kapitalismus und seine Lösung: Sozialismus des 21. Jahrhunderts


Vom 29. bis 30. Mai 2010 fand in Suzhou in der Volksrepublik China das 5. Forum der World Association for Political Economy (WAPE) mit etwa 170 Teilnehmern aus 18 Ländern statt. Das Thema: Die Krise des Kapitalismus und ihre Lösung: Sozialismus des 21. Jahrhunderts.
Wir veröffentlichen das bemerkenswerte Abschlussdokument dieses Forums. Informationen zur WAPE, die 2004 gegründet wurde, und ihren jährlichen Foren, sind im Internet auf Englisch unter "wrpe.org" abrufbar.
Weitere an Fortschritten der Politischen Ökonomie interessierte Teilnehmer auch in Deutschland sind von der WAPE erwünscht. Der Aufbau einer deutschen Sektion der WAPE ist in Planung. Aus unserer Sicht ein unterstützenswertes Vorhaben. Interessenten können sich gerne an uns wenden (siehe Quelle unten).


Die Welt sieht sich mit drei globalen Prozessen konfrontiert, die entscheidend sind, nicht nur für das tägliche Leben und in der Tat für das Überleben aller Bürger der modernen Zivilisation, sondern auch für die wissenschaftliche Arbeit der marxistischen Ökonomen und nahe stehender Gruppen in der ganzen Welt. Diese Prozesse beinhalten die fortschreitende Entwicklung der kapitalistischen und ökologischen Krisen, das Erstarken von China, Indien und vielleicht von Lateinamerika, sowie Fortschritte in der Theorie der postkapitalistischen Welt des Sozialismus des 21. Jahrhunderts.

Als Erstes ergeben sich für uns als Politökonomen und von einem politischen Standpunkt aus eine Anzahl von Fragen angesichts der anhaltenden weltweiten Krise des Kapitalismus und dem damit einhergehenden Anwachsen von Klassenkämpfen und sozialen Konflikten in der Europäischen Union, besonders an deren südlicher und östlicher Peripherie:

Wird das Volk in der Lage sein, Regierungen zu zwingen, Reformen von Bedeutung gegen den Willen der herrschenden Oligarchie durchzusetzen?
Wie werden die Arbeiterklasse und andere Bevölkerungsgruppen auf die laufenden Versuche reagieren, dass ihnen die Kosten der kapitalistischen Krise aufgebürdet werden?
Kann die kapitalistische Krise zum Aufzwingen von terroristischen Staatsformen in Europa führen, wie in Griechenland 1967, Honduras 2009 oder gegenwärtig in Thailand?
Worin besteht heute das Verhältnis zwischen Macht, Politik und Staat?
Wie nahe kommt der Kapitalismus im Weltmaßstab an die Grenzen seiner Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund seiner Verdrängung der handwerklichen und bäuerlichen Produktion? Anders ausgedrückt, wie nahe ist der Kapitalismus international daran, die latente Reservearmee an Arbeitskräften aufzubrauchen, was ein Hindernis für die kontinuierliche Akkumulation von Kapital darstellen würde?
Welche Wechselbeziehungen bestehen zwischen den Fraktionen der Eliten, speziell in den Industrie- und Finanzsektoren?
Was sollte die Produktionsweise des Sozialismus des 21. Jahrhunderts sein, seiner regionalen Konkretisierungen (in Europa, Lateinamerika, Nordamerika, Afrika, Asien, Australien), und seiner Übergangsprogramme?
Worin besteht der Zusammenhang zwischen weltweiter Mobilität der Arbeit, multikultureller Gesellschaft und der Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsteile?

Die sozio-ökonomische Krise in Ländern wie Griechenland könnte sich in eine politische Krise mit sehr repressiven und autoritären Reaktionen der Bourgeoisie entwickeln. Sie verschärft sich auch durch die anhaltende ökologische und klimatische Krise. Die jüngsten Kopenhagener Gespräche zeigen deutlich das Unvermögen multilateraler Körperschaften, den Widerstand der etablierten Industrien und Regierungen zu überwinden und wirksame neue Regelungen einzuführen, um den technologischen Wandel zur Abwendung einer Klimakatastrophe zu nutzen. Bürgerlich-autoritäre Antworten auf die kapitalistische Weltwirtschaftskrise und Umwelt- und Naturkatastrophen werden bei der fortschreitenden Umstrukturierung der Weltwirtschaftsordnung zu berücksichtigen sein.

Der zweite globale Trend ist die Umstrukturierung der Weltwirtschaft und der globalen Machtverteilung durch das Erstarken von China und Indien als zunehmend wichtige, unabhängige Teilnehmer im Weltgeschehen. Ihnen wird potentiell eine von Brasilien geführte Gruppe lateinamerikanischer Länder folgen. Das Erstarken Chinas ist bisher von den entwickelten kapitalistischen Ländern nicht akzeptiert worden, die keine Signale erkennen lassen, ihre alten Weltherrschaftspläne aufzugeben. Unter Obama und den sozialen Kräften, die in den USA herrschen, nimmt dieses Land zunehmend eine Haltung des Kalten Kriegs oder schon warmen Krieges gegenüber China ein. Diese Haltung bringt die Menschheit näher an eine weitere Runde der Konfrontation. Im Gegensatz dazu wächst mehr und mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung für sozialistische Wirtschafts-, Politik- und Kulturformen, die zeigen, dass Alternativen zu kapitalistischen Formen vielfältig und machbar sind.

Der dritte größere Faktor, der von marxistischen Ökonomen in Betracht zu ziehen ist, ebenso wie von jedem anderen, der eine nachhaltige, partizipative und demokratische Gesellschaft anstrebt, sind Fortschritte in der Theorie der nachkapitalistischen Weltgesellschaft. Während die Analyse der Wurzeln und der Dynamik der gegenwärtigen Weltkrise und das Verständnis der gesetzmäßigen Entwicklung des Kapitalismus zu einem besseren Verstehen des Systems beigetragen haben, ist es die krisenbedingte Unzufriedenheit und Verzweiflung der einfachen Menschen, die die marxistische Theorie mehr denn je zur Ausarbeitung einer strukturellen Alternative zum Kapitalismus antreibt.

Diese Alternative wurde mit verschiedenen Namen belegt, unter anderen Sozialismus des 21. Jahrhunderts, lateinamerikanischer Sozialismus des 21. Jahrhunderts und partizipatorische Demokratie oder partizipative Wirtschaft. Als Prüfsteine für eine solche Alternative dienen könnten auch die Geschlechterprobleme, die unter der herrschenden Sozialordnung so schwierig zu lösen sind, wie marxistische FeministInnen seit langem aufzeigen, und die Idee, wirkliche Freiheit für alle zu realisieren, wie es mit Argumenten für ein Grundeinkommen vorgeschlagen wird.

Dieses Drängen zur Entwicklung eines brauchbaren, wissenschaftlich fundierten Neuen Historischen Projekts der postkapitalistischen Zivilisation hat in vielen Beiträgen, die auf diesem wichtigen internationalen Forum vorgetragen wurden, ihren Niederschlag gefunden. Unter diesen sind folgende: Phänomene und Wurzeln der westlichen Finanz- und Wirtschaftskrise; der Entwicklungstrend der Weltwirtschaft in der Zeit nach der Krise; die Charakteristika und Auswirkungen von Gegenmaßnahmen, die verschiedene Regierungen angesichts der Krise ergreifen; die Schaffung einer Weltwährung und die Erarbeitung der Übergangsmodalitäten; die ökonomische Theorie und das politische System des wissenschaftlichen Sozialismus; die wissenschaftlich-philosophische Untermauerung des Sozialismus des 21. Jahrhunderts; das Experiment eines neuen Sozialismus für das 21. Jahrhundert in Lateinamerika, usw.

Angesichts der bisherigen Ausführungen sind die marxistischen Ökonomen, genauso wie alle anderen, die den ethischen Anspruch haben, eine gerechte, demokratische, freie, friedliche und nachhaltige zukünftige Gesellschaft aufzubauen, verpflichtet zu helfen, eine Architektur für eine zukünftige Weltgesellschaft in folgender Weise zu entwickeln:

1. Verstärkung der Solidarität, Zusammenarbeit und Kommunikation unter den Marxisten und Linken, um die verschiedenen liberalen und keynesianischen ökonomischen Theorien zu überprüfen und zu überwinden durch eine kontinuierliche Entwicklung und Erneuerung des Marxismus und seiner ökonomischen Theorien. Hierdurch wird es möglich werden, die Verbreitung und Wirkung des Marxismus weltweit zu vergrößern.

2. Dabei muss der Weg im Auge behalten werden, den Marx gezeigt hat, dass soziale Widersprüche durch die Entwicklung der Widersprüche gelöst werden müssen. Begleitend zur laufenden Forschungsarbeit müssen wir die wissenschaftlichen und ethischen Ressourcen der Menschheit mobilisieren und auf konkrete Übergangsstrategien zum Sozialismus fokussieren. Diese können in nationale und regionale Übergangsprogramme eingebettet sein, die zu einer nachkapitalistischen Gesellschaft führen. Da nur Mehrheiten die Macht haben, die Geschichte zu verändern und weil es notwendig ist, eine revolutionäre öffentliche Meinung zu schaffen (Mao), um eine Revolution durchzuführen, werden wir die Menschen mit diesen Mitteln des Übergangs vertraut machen müssen - nationale und regionale Übergangsprogramme - so dass sie sehen können, dass es Alternativen gibt und dass sich das Volk auf programmatischer Grundlage organisieren kann, um Macht zu gewinnen und der kapitalistischen Ausbeutung und Herrschaft ein Ende zu setzen.

3. Durch die Internationalisierung von Aktivitäten, womit gemeint ist, einen Beitrag zur Organisation sozialer Bewegungen im Weltmaßstab zu leisten.


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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 331, Juli 2010, S. 18-19
Herausgeber und Verlag: Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung,
Selbstverlag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2010