iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 340 - Januar/Februar 2014
Von Kubas Energierevolution lernen
von Edgar Göll
Als das Global Footprint Network im Jahr 2005 »The Living Planet« veröffentlichte, wurde belegt, dass in Sachen Nachhaltigkeitspolitik mit Kuba zu rechnen ist. Denn darin wurde die Lebensqualität von 150 Ländern ins Verhältnis zum jeweiligen »ökologischen Fußabdruck« (Umweltverschmutzung und -verbrauch) gesetzt. Kuba war das erste und einzige Land, das den Zielbereich zur Nachhaltigkeit überschritten hatte. Ein solcher Erfolg, der indes weltweit ignoriert wurde, ist selbstverständlich nur mit umfangreichen Maßnahmen zu erreichen. Ein zentraler Bestandteil der zukunftsorientierten Politik in Kuba sind die Energieprogramme, die schon seit Jahren, ab 2006 dann als »Energierevolution« systematisch und mit Nachdruck umgesetzt wurden. Während zeitgleich in Deutschland Umweltminister Trittin vor der Lobby der Getränkekonzerne einknickte und seine Reform des Mehrwegsystems bis zur Unwirksamkeit beschneiden musste, wurde im »konzernfreien Kuba« eine umfassende Nachhaltigkeitspolitik praktiziert.
Diese Energierevolution, ihre Effekte sowie ihre Relevanz für die deutsche Energiepolitik werden in einer vom Freiburger Büro Ö-Quadrat veröffentlichten Studie beschrieben. Fidel Castro rief die Energierevolution 2005 aus, weil Einsparpotenziale als lukrative Energiequelle begriffen wurden: »Wir warten nicht, bis Treibstoffe vom Himmel fallen, denn wir haben zum Glück etwas sehr viel Wichtigeres entdeckt: Energieeinsparung - was so viel wert ist wie große neue Ölvorkommen zu entdecken.« Die Energierevolution war eine Herkulesaufgabe. Im Zuge der Umsetzung wurden beispielsweise 2,5 Millionen meist alte US-Kühlschränke durch ein staatliches Programm gegen effizientere, meist chinesische Kühlgeräte ausgetauscht. Die Umstellung von Glüh- auf Sparlampen wurde vollständig vorgenommen.
Diese Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz waren eine von sechs Komponenten der Energierevolution. So wurde das Stromsparprogramm sozial vorbildhaft abgesichert: Die ehemals hohe Subventionierung des Stromverbrauchs wurde abgebaut, zugleich Sozialkredite gewährt und die Stromverbrauchstarife geändert: Haushalte mit hohem Stromverbrauch zahlen nun deutlich höhere Preise. Zudem wurde die Energieerzeugung flächendeckend dezentralisiert und modernisiert, und die bereits übliche Bewusstseinsbildung noch weiter verstärkt (z.B. durch »Energy Advocates«, Medienkampagnen, Festivals). Regenerative Energien wurden ausgebaut, eigene fossile Vorkommen erschlossen und internationale Kooperation verstärkt.
Autor Seifried resümiert: Angesichts des notwendigen weiteren Ausbaus der regenerativen Energiequellen und der Strompreissteigerungen in Deutschland wäre dies sozial gerecht abzufedern. Eine gezielte Förderpolitik, flankiert durch tarifpolitische Maßnahmen sowie durch kostenlose Energiesparchecks und Sozialkredite könnten zur Energiewende und gleichzeitig zur Kostenentlastung von Stromkunden beitragen. In der weltweiten Suche nach zukunftsfähigen Entwicklungspfaden und alternativen Strategien stellt seine Studie ein interessantes Beispiel dafür dar, inwiefern der »Norden« vom »Süden« lernen kann und sollte.
Dieter Seifried:
Energierevolution in Kuba
Ein Modell für den Klimaschutz?
Büro Ö-quadrat, Freiburg 2013.
Kostenloser Download:
www.oe2.de/referenzprojekte/energierevolution-in-kuba/
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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 340 - Januar/Februar 2014
Eigentor Brasilien
vom Elend eines Global Players
Mit der Ausrichtung der Männer-Fußball-WM im Juni 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016 unterstreicht Brasilien seinen Anspruch, künftig ein Global Player zu sein. Doch hinter den Erfolgsmeldungen vom Aufstieg Brasiliens zur sechstgrößten Wirtschaftsnation der Welt geraten die sozialen Kosten aus dem Blick. Die Spaltung zwischen Arm und Reich wächst, Umweltprobleme verschärfen sich, und Minderheiten bekommen nicht die Rechte, die ihnen zustehen.
Von den gewaltigen Problemen wollte bis vor kurzem weder die fußballbesoffene Weltöffentlichkeit noch der politische Mainstream Brasiliens etwas wissen. Das änderte sich erst, als im Juni 2013 lang angestauter Unmut aufbrach und bei Massenprotesten kritische Stimmen laut wurden. Hunderttausende gingen auf die Straßen, sie forderten mehr Ausgaben für Bildung und Gesundheit, bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr und die Bekämpfung der Korruption. Das gemeinsam mit KoBra (Kooperation Brasilien e.V.) herausgegebene Dossier will dazu motivieren, einen Blick hinter die Kulissen der glamourösen Großevents zu werfen.
BEITRÄGE IM DOSSIER:
Editorial zum Dossier
Traum oder Alptraum?
Brasiliens Metamorphose vom sozialen Vorzeigeland zum Polizeistaat
von Verena Glass
»Das Neue ist immer schwierig«
Interview mit Eduardo Pereira über die Proteste in Brasilien
Alles Ninja, oder was?
Brasiliens alternative Medienlandschaft im Umbruch
von Nils Brock
Grobes Foulspiel
Die WM unterhöhlt die Rechte der Stadtbevölkerung
von Adrian Mengay und Maike Pricelius
»40 Jahre sind genug!«
Deutsch-brasilianische Kooperation zwischen Solidarität und Atomgeschäften
von Christian Russau
Schönfärbendes Weißwaschen.
Das postkoloniale Brasilien ist keineswegs eine egalitäre Regenbogennation
von Sarah Lempp
Latinos, das sind die anderen
Brasilien hat ein kompliziertes Verhältnis zu Lateinamerika
von Dawid Danilo Bartelt
Konflikte exportieren
Das Agrarprojekt ProSavana in Mosambik wiederholt brasilianische Fehlentwicklungen
von Fátima Melio
Dumping mit Hühnerfleisch
Brasilien bedrängt Agrarmärkte im südlichen Afrika
von Stefan und Andreas Brocza
Brasilien, Land des Fußballs
Debatten über einen identitätsstiftenden Mythos
von Thomas Fatheuer
Einfach Spitze!
Eine kleine Polemik über das Bedürfnis nach Brasilienbildern
von Simon Brüggemann
Luiz Ruffatos Romane über die Marginalisierten
Rezensionen
von Anne Reyers und Judith Felizita Säger
Zeitschriften - Bücher - Multimedia
WEITERE THEMEN IM HEFT:
Hefteditorial
Politik und Ökonomie:
Südsudan: Rückkehr oder Vertreibung?
Die "Returnees" in Juba
von Ulrike Schutz
Mexiko: »Sie schenkten uns dieses Haus«
Modelldörfer in Chiapas stoßen auf Kritik
von Anne Haas
Erster Weltkrieg: »Die Front ist die Hölle«
Im Ersten Weltkrieg wurden Millionen Kolonialsoldaten eingesetzt (Teil 1)
von Karl Rössel
Umfangreiche Literaturliste zum Thema Afrika im Ersten Weltkrieg
von Oliver Schulten
Indien: Nicht still halten, nicht schweigen
Frauenproteste in Indien
von Maya Subrahmanian
»Das dominante Konzept von Sexualität in Frage stellen«
Interview mit Vibhurti Patel
Gesundheit: Weibliche Genitalverstümmelung...
ist kein "afrikanisches" Problem
von Oliver M. Piecha
Antiziganismus: Zum Davonlaufen
Roma in Serbien und im Kosovo
Langfassung mit Bilderstrecke
von Albert Scherr und Elke Scherr
KULTUR UND DEBATTE:
Musik: Fuerte, rapido, duro
Wie Punk zu einer globalen Jugend- und Protestkultur wurde
von Ingo Rohrer
Buch & Film: Von Freunden und Feinden
Schlaglichter auf Israel
von Gaston Kirsche
Literatur: Klagelied für Teheran
Amir Hassan Cheheltans Roman über die "Stadt ohne Himmel"
von Azadeh Hatami
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Quelle:
iz3w Nr. 340 - Januar/Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2014