iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 336 - Mai/Juni 2013
Editorial zum Dossier
In weiter Ferne - die Abschaffung der Armut
Die Weltspitze der Superreichen wird von dem 73-maligen Dollar-Milliardär Carlos Slim aus Mexiko angeführt. Der Hongkong-Chinese Li Ka-shing hält sich mit einem Vermögen von 31 Milliarden US-Dollar ebenfalls in den Top Ten der Superreichen. Auch wenn die Forbes-Liste nach wie vor von den USA, Kanada und Westeuropa dominiert wird: Der Reichtum erreicht auch den geografischen Süden.
Mit der Globalisierung des Reichtums globalisiert sich jedoch auch die Armut. Für sie gibt es keine Forbes-Listen, nur selten erhält auch eine/r der Armen ein Gesicht, zum Beispiel in der Belletristik. Der Roman »Der Jakubijân-Bau« des ägyptischen Schriftstellers Alaa al-Aswani beschreibt eine Szene, in der sich Armut und Reichtum begegnen, so: »Das waren die kleinen Alltäglichkeiten: die warme, weiche Hand, die ein Hausbewohner lässig ausstreckte, um ihm ein Trinkgeld zu reichen; worauf er die Hand zum Gruß zu erheben hatte, um dem Wohltäter heiß und ergeben zu danken«.
Die Rollen sind klar verteilt, ein Ausstieg aus der Armut erscheint für den Bettler nicht wahrscheinlich. Obwohl die Welt längst die Mittel zur Beseitigung der Armut bereithält und Armut angesichts der steigenden Kluft zwischen Arm und Reich als Skandal betrachtet wird, ist ihr Fortbestehen gesichert. Trotz des verkündeten »Aufstiegs des Südens«, wie der Titel des jüngsten UN-Entwicklungsberichtes verheißt, und trotz großer Empörung über verharmlosende Armutsberichte, wie jüngst in Deutschland, wird die Existenz von Armut nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Immer wieder fallen uns gewaltförmige Prozesse und die Schaffung neuer Armut auf. Sie verbirgt sich oft hinter dem wirtschaftlichen Wachstum einiger Länder, die ihre Armutszahlen tatsächlich unter den Optimismus vom »Aufstieg des Südens« zurück. Die Vermessung der Armut wird als ebenso zweifelhaft bewertet wie der Hype um den breiter werdenden Wohlstand Chinas. Rohstoffreichtum, der Systemwechsel ehemals sozialistischer Regimes im Osten, globale Sozialstaatlichkeit, karitative Ansätze der islamischen Charity oder die Wunderwaffe Bildung: Überall haben wir Einwände gegen die gängigen Rezepte und Hoffnungsträger. Armut hat eigentlich nur noch Feinde. Aber trotzdem hat sie eine Zukunft. Um sie zu durchkreuzen, wird es mehr brauchen, als milde Gaben, Sozialstaatlichkeit und Wirtschaftsaufschwung.
die redaktion
Filmstills...
Viele Dokumentar- und Spielfilme haben sich mit den Gesichtern der Armut, mit ihren Ursachen und Ausdrucksformen beschäftigt. Sie sind das Gegenteil von Statistiken, denn sie legen nahe, wie Armut in jeden Aspekt des Lebens dringt, wie sie sich anfühlt - und nicht nur, wie sie vielleicht aussieht. Daher haben wir uns entschieden, den Themenschwerpunkt mit Filmstills aus einer Auswahl dieser Filme zu bebildern. Die Stills stehen hier als Platzhalter für die vielen Facetten eines Lebens in Armut - die sich kaum in einem Bild festhalten lassen - und für die Würde derjenigen, die sich gegen sie auflehnen. Angesichts der Schwierigkeit, Armut sachlich zu erfassen haben wir die Beiträge mit Zitaten aus der Belletristik ergänzt.
Dieses Dossier entstand mit finanzieller Förderung des BMZ und des EED bzw. der Evangelischen Landeskirche Baden. Herzlichen Dank!
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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 336 - Mai/Juni 2013
In weiter Ferne -
das Ende der Armut
Die Formen, Vermessungen und Darstellungen der Armut ändern sich, aber die Armut bleibt. Rund drei Milliarden Menschen gelten als arm, rund eine Milliarde als extrem arm. Armut ist nicht nur ein Problem des globalen Südens - die Ursachen sind vielfältig. Sie findet sich in der Stadt wie auf dem Land, trotz Rohstoffreichtum und Bildung, trotz oder gerade wegen bestimmter Formen von Lohnarbeit. Doch anstatt der Armut werden oftmals die Armen bekämpft und ihr Armsein gerechtfertigt.
Der Analyse der Armut in ihren verschiedenen Dimensionen widmet sich dieser Themenschwerpunkt. Wie ergeht es den Menschen in ehemals sozialistischen Staaten? Ist Armut dem siegreichen kapitalistischen Vergesellschaftungsmodell immanent? Ist Arbeit im informellen Sektor Teil des Problems oder Teil der Lösung? Gibt es globale Antworten auf diese transnationale Herausforderung?
BEITRÄGE ZUM DOSSIER
Editorial - In weiter Ferne
Abolish Poverty
Die Erzählweisen über Armut ändern sich, die Armut bleibt
von Winfried Rust
Wer Armut definiert, hat Macht
Die Vermessung der Armut dient auch der Kontrolle
von Reinhart Kößler
»Lasst einige zuerst reich werden«
Von der sozialistischen zur kapitalistischen Armut in China
von Uwe Hoering
Kommt die Eine Wohlfahrtswelt?
Rezension von Friedemann Köngeter
Nichts Neues aus Afrika
Der Zusammenhang von Rohstoffreichtum und Armut
von Henning Melber
Misere und Millionenstädte
Wird die Armut städtisch?
von Christoph Parnreiter
Wirtschaftswunder der Armut
Der informelle Sektor wächst weltweit
von Martina Backes
Harte Wende
Mongolei: Aus dem Sozialismus in die Armut?
von Friederike Enssle
Universal sozial
Transnationale Armut und »globale Sozialpolitik«
von Wolfgang Hein
'Warum Allah Arme und Reiche schuf...'
Islamische Wohlfahrt und soziale Fürsorge in der Türkei
von Anne Steckner
Keine Wunderwaffe
Bildung im Kampf gegen Armut
von Christoph Butterwegge
Bildung als Baldrian
von Martina Backes
AUSSERDEM IM HEFT:
Hefteditorial - Ein Auslaufmodell
POLITIK UND ÖKONOMIE
Mali I: Ein Ende mit Schrecken
Die malische Version der Demokratie ist vorerst gescheitert
von Ruben Eberlein
Mali II: Aufs falsche Kamel gesetzt
Die Konflikte um Tuareg und Islamisten haben eine lange Vorgeschichte
von Claus-Dieter König
Kenia: Wer mit der Macht spielt
Nach den Wahlen
von Isabel Rodde
Postkolonialismus: »Verräter« oder »Opfer«?
Die Diskussion über algerische Hilfssoldaten an der Seite des kolonialen Frankreich
von Anna Laiß
Tourismus I: Begegnungen auf der Deponie
Tourismus, Müll und Armutsbekämpfung in Mexiko
von Eveline Dürr
Tourismus II: Nah am Geschehen
Das Slumming ist eine umstrittene Form des Tourismus
von Till Schmidt
KULTUR UND DEBATTE
Digitales I: Die »Nigeria Connection«
Vorschussbetrug per Email greift oft auf westliche Stereotype über Afrika zurück
von Sebastian Prothmann
Digitales II: Am virtuellen Pranger
Scambaiting als rassistische Form der Kriminalitätsbekämpfung im Internet
von Matthias Krings
Film: Immun gegen Reue
»The Act of Killing« zeigt die indonesischen Massenmörder der 1960er Jahre
von Isabel Rodde
Debatte: Wie aus dem Lehrbuch
Eine rassismuskritische Broschüre tendiert zum Schwarz-Weiß-Denken
von Christian Stock
Rezensionen
Szene/Tagungen
Impressum
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Quelle:
iz3w Nr. 336 - Mai/Juni 2013, S. 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2013