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IMI/972: Kritik am Werbefeldzug der Bundeswehr


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.
IMI-Standpunkt 2019/042 vom 20. September 2019

"Gas - Wasser - Schießen" oder "Folge deiner Berufung"
Kritik am Werbefeldzug der Bundeswehr

von Markus Pflüger


Die Bundeswehr rekrutiert seit einigen Jahren verstärkt Minderjährige, so sind 2018 in Deutschland 1.679 Minderjährige als Soldatinnen und Soldaten angeheuert worden.[1] Der Rekrutenmangel treibt interessante Blüten, so auch die aktuelle Werbekampagne der Bundeswehr. Selbst der Handwerksverband kritisierte den im Sommer 2019 verwendeten Werbespruch "Gas - Wasser - Schießen" als niveaulos, bei anderen weckte er Assoziationen mit dem Holocaust und verbotenen Foltertechniken.[2] Aktuell geht es in der neuen millionenteuren Camouflage-Kampagne[3] weiter mit Berufsmöglichkeiten wie "#Handwerk" und "#Science" sowie Tätigkeiten wie "#Kämpfen" und "#Fliegen". "Folge deiner Berufung" heißt, es, ein Taucher wird mit "#extrem" betitelt. Die aktuellen gerne um Schulen platzierten Großplakate zeigen gestylte v.a. junge Menschen, die ihrer Inhaltsleeren "Berufung" folgen. Cool sollen sie sein, die marktgerechten Hashtags, um junge Menschen in die Arme des Militärs zu locken. Dazu wird alles angepriesen was helfen könnte die Zielgruppe auf das Karriereportal zu locken: "#Studieren", "#Handwerk", "#Office", "#IT" "#Tech", es geht ums "#Führen" "#Sichern", "#Retten", "#Löschen" - wen oder was, ist für das verharmlosende Abenteuer-Image nicht entscheidend. Mehr als die Hälfte der Werbefiguren sind dabei weiblich - dass es 2018 tatsächlich nur 12,1% Soldatinnen sind[4] und mehr als die Hälfte der Soldatinnen schon einmal sexuelle Belästigung in der Truppe erlebt haben, kein Thema. Denn es geht nicht darum, was die Bundeswehr tatsächlich sichert oder rettet und es geht nicht darum für welche machtpolitischen Ziele und Wirtschaftsinteressen die sich auf Jahrzehnte verpflichteten Bundeswehrsoldat*innen ihren Kopf hinhalten sollen. Auch die teuren Rückforderungen bei Ausbildungsabbruch oder wenn es um die fragwürdigen Auslandseinsätze geht, sind ebenso wenig Thema, wie die möglichen negativen psychischen und physischen Folgeschäden. Die dazugehörigen aufwendig produzierten Kino- und Fernsehspots kosten laut SPIEGEL Millionen. Die Bundeswehr war im zurückliegenden Jahr auf 43 Messen präsent und die Werber steuern gezielt Arbeitsämter und Schulen an. Die Bundeswehr ist mit ihrer Werbekampagne auf allen Kanälen präsent, als laufe der letzte Ausverkauf.

Doch das hilft alles nicht viel: trotzt Armutsrekrutierung vor allem im Osten der Republik und flächendeckender Werbeoffensive mit der Zielgruppe Jugendliche, geht die Zahl der Freiwilligen trotz Absenkung der Eingangsvoraussetzungen seit Jahren zurück. Das schon immer schwierige und aktuell besonders angeschlagene Image des auf Befehl und Gehorsam beruhenden Militärs und die Verpflichtung zu fragwürdigen Auslandseinsätzen schrecken wohl viele ab. Hinzukommt, dass die Mehrheit der Deutschen weder Auslandseinsätze noch Rüstungsexporte befürwortet. Auch aktuelle Informationen über rechte Netzwerke, sowie Geldverschwendung z.B. durch Beraterverträge und die Gorch Fock sowie Umweltverschmutzung - wie zuletzt durch einen von der Bundeswehr ausgelösten Moorbrand belasten - das Image und das Klima.

Zu wenig bekannt sind Alternativen zum Militär trotzdem. Gewaltfreie Konzepte zur Bekämpfung von Kriegsursachen und die Zivile Konfliktbearbeitung mit konkreten Projekte finden sich beispielsweise hier: Peace Brigades (https://pbideutschland.de/), Ziviler Friedensdienst (http://www.ziviler-friedensdienst.org/), oder Carea Menschenrechtsbeobachtung (https://carea-menschenrechte.de/). Für junge Menschen auf der Suche nach wirklich sinnvollen Berufen bieten Friedensorganisationen zudem wichtige Argumente und Hinweise: bevor-du-unterschreibst.de (https://bevor-du-unterschreibst.de/argumente.html) und www.agf-trier.de/frieden (https://www.agf-trier.de/frieden/)

Übrigens, die Anträge von Linken und Grünen gegen die Rekrutierung Minderjähriger in der Bundeswehr wurden am 14.2.2019 von CDU und SPD sowie FDP und AfD abgelehnt.[5] Aufklärung und Protest gegen den Werbefeldzug der Bundeswehr und die eigentlichen Ziele der Angriffsarmee sowie die dahinterstehende Kriegspolitik bleiben aktuell.


Quellen:

[1] www.evangelisch.de/inhalte/155037/11-02-2019/kritik-bundeswehr-wegen-rekrutierung-minderjaehriger-soldaten

[2] www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/empoerung-ueber-bundeswehr-slogan-gas-wasser-schiessen-a-1273935.html

[3] www.spiegel.de/lebenundlernen/job/werbefeldzug-der-bundeswehr-muss-ich-da-an-die-front-a-595164-2.html

[4] de.statista.com/statistik/daten/studie/809135/umfrage/anteil-der-soldatinnen-in-der-bundeswehr/

[5] www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw07-de-rekrutierung-minderjaehriger-590720


Link zur IMI-Mitgliederkampagne
http://www.imi-online.de/2019/01/01/imi-mitgliederkampagne/

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Quelle:
IMI-Standpunkt 2019/042 vom 20. September 2019
"Gas - Wasser - Schießen" oder "Folge deiner Berufung"
https://www.imi-online.de/2019/09/20/gas-wasser-schiessen-oder-folge-deiner-berufung/
Herausgeber: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Hechinger Str. 203, 72072 Tübingen
Tel.: 07071/49154, Fax: 07071/49159
E-Mail: imi@imi-online.de
Internet: www.imi-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2019

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