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IMI/594: Ukraine - Ringen um die Machtgeometrie


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.
IMI-Studie 2014/02b vom 26. März 2014

Ukraine: Ringen um die Machtgeometrie
Neoliberales Assoziationsabkommen und europäisch-russische Machtkonflikte

von Jürgen Wagner



Einleitung

Im November 2013 fällte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch die Entscheidung, die Verhandlungen seines Landes über die Unterzeichnung eines Assoziationsabkommens mit der Europäischen Union auf Eis zu legen. Für die daraufhin erfolgte gewaltsame Eskalation, die zum Sturz des Präsidenten sowie zu einer der schwersten Krisen zwischen dem Westen und Russland seit Ende des Kalten Krieges führte, sind eine Reihe von Faktoren verantwortlich. Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass solche Assoziationsabkommen das zentrale Expansionsinstrument der Europäischen Union in den erweiterten Nachbarschaftsraum darstellen. Sie zielen darauf ab, die angrenzenden Länder als Investitions- und Absatzmärkte, als Niedrigsteuerländer und verlängerte Werkbänke dauerhaft in den großeuropäischen Wirtschaftsraum und damit in die EU-Einflusszone zu integrieren. Allein deshalb war es aus westlicher Sicht hochgradig ärgerlich, dass sich die Ukraine diesem Bestreben verweigerte.

Hinzu kam aber noch, dass es sich bei der Ukraine um ein Land von herausragender geopolitischer Bedeutung in den Auseinandersetzungen zwischen zwei sich zunehmend feindlich gegenüberstehenden Blöcken handelt, der Europäischen Union und der von Moskau initiierten Zollunion. Auffällig ist dabei, dass Deutschland hier buchstäblich an vorderster Front agiert: "Der Kampf um die Ukraine ist einer zwischen dem russischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin. [...] Fast 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges geht es darum, wer es schafft, die früheren Sowjetrepubliken der Region in seinen Einflussbereich zu ziehen. Es geht um Geopolitik, um das 'Grand Design', wie es die Experten gern nennen." (Spiegel 50/2013)

Die Ukraine ist somit auch zu einer Art Testlauf für den seit Anfang des Jahres vollmundig erklärten Anspruch geworden, Deutschland müsse künftig eine ambitioniertere und stärker an der Durchsetzung eigener Interessen orientierte Weltmachtpolitik betreiben. Neu ist dabei allerdings vor allem, dass nun offen ausgesprochen und aggressiver betrieben werden soll, was ohnehin seit Jahren stattfindet. Denn was die Ukraine anbelangt, haben dort nicht nur die USA, sondern auch die Europäische Union und vor allem Deutschland über viele Jahre hinweg beträchtliche Summen in den Aufbau und die Stärkung pro-westlicher Oppositionsparteien investiert.

Diese "Vorarbeiten" stießen angesichts der problematischen sozialen Situation auf einen fruchtbaren Boden.[1] Doch auch wenn es vollkommen nachvollziehbar war, dass zahlreiche Menschen gegen die hochgradig korrupte Janukowitsch-Regierung auf die Straße gegangen sind[2], repräsentierten die Parteien, die als Dreierbündnis die Führung der Proteste an sich rissen, weder die Mehrheit der Bevölkerung und noch weniger deren Interessen. Dazu gehört einmal die faschistische Partei "Swoboda" ("Freiheit") mit Oleg Tjagnibok an der Spitze. Sie sorgte während der Proteste mit ihren Schlägertrupps unter anderem dafür, dass linke Studenten und Gewerkschafter regelrecht vom zentralen Protestplatz, dem Maidan in Kiew, weggeprügelt wurden und stellt mittlerweile mehrere Minister in der neuen "Regierung" (siehe Kasten "Braune Revolution"). Washington setzt vor allem auf die Partei "Batkiwschtschina" ("Vaterland"), die Teile der Oligarchie repräsentiert und von der ebenfalls korrupten Julia Timoschenko angeführt wird. Deutschland machte sich wiederum vor allem um "Udar" ("Schlag") mit dem Aushängeschild Witali Klitschko "verdient". Vor diesem Hintergrund kam es bereits während der Proteste zu heftigen innerimperialistischen Reibereien, wessen Protegé künftig in der Ukraine das Sagen haben soll. Diese endeten vorläufig mit einem Punktsieg für Washington, nachdem die Timoschenko-Partei alle wesentlichen Posten besetzte und nun - unter maßgeblicher Beteiligung der Faschisten - faktisch die Kontrolle übernommen hat, während "Udar" weitgehend außen vor blieb. Wichtiger als diese innerimperialistischen Auseinandersetzungen sind jedoch die nahezu deckungsgleichen Ziele, die von der neuen "Regierung" in Kiew pflichtschuldig kurz nach ihrer Machtübernahme in Angriff genommen wurden: Schnellstmöglich sollen "schmerzhafte" Sozialkürzungen vorgenommen, der Ausverkauf des Landes auf den Weg gebracht, das Assoziationsabkommen schnellstmöglich komplett unter Dach und Fach gebracht und die Mitgliedschaft in der NATO angestrebt werden.

Wie spätestens die Reaktion auf der Krim-Halbinsel zeigte, ist Russland offensichtlich nicht gewillt, dem Westen das Feld zu überlassen. So droht im schlimmsten Fall eine weitere Eskalation, zumindest aber dürfte die Ukraine und ihre Bevölkerung auf absehbare Zeit als Spielball und Schauplatz der Konflikte zwischen dem Westen und Russland zu leiden haben. Die einzig andere gangbare Option wäre, wenn sich die interessierten Großmächte auf eine kategorische Blockfreiheit der Ukraine verständigen würden, auch wenn dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher unrealistisch erscheint.

Die komplette im PDF-Format Studie gibt's hier:
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf


Inhaltsverzeichnis

1. Neoliberales Assoziationsabkommen
2. Geopolitisches Filetstück: Heute die Ukraine
3. Testlauf für die neue deutsche Weltmachtpolitik
4. Innerimperialistische Reibereien
5. Eskalation oder Politik der Äquidistanz

Kästen:
Militärisches Assoziationsabkommen
Ukrainische "Zivilgesellschaft" - Ein Praxisbeispiel
Ukraine: Braune Revolution

Anmerkungen


Im November 2013 fällte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch die Entscheidung, die Verhandlungen seines Landes über die Unterzeichnung eines Assoziationsabkommens mit der Europäischen Union auf Eis zu legen. Für die daraufhin erfolgte gewaltsame Eskalation, die zum Sturz des Präsidenten sowie zu einer der schwersten Krisen zwischen dem Westen und Russland seit Ende des Kalten Krieges führte, sind eine Reihe von Faktoren verantwortlich. Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass solche Assoziationsabkommen das zentrale Expansionsinstrument der Europäischen Union in den erweiterten Nachbarschaftsraum darstellen. Sie zielen darauf ab, die angrenzenden Länder als Investitions- und Absatzmärkte, als Niedrigsteuerländer und verlängerte Werkbänke dauerhaft in den großeuropäischen Wirtschaftsraum und damit in die EU-Einflusszone zu integrieren. Allein deshalb war es aus westlicher Sicht hochgradig ärgerlich, dass sich die Ukraine diesem Bestreben verweigerte.

Hinzu kam aber noch, dass es sich bei der Ukraine um ein Land von herausragender geopolitischer Bedeutung in den Auseinandersetzungen zwischen zwei sich zunehmend feindlich gegenüberstehenden Blöcken handelt, der Europäischen Union und der von Moskau initiierten Zollunion. Auffällig ist dabei, dass Deutschland hier buchstäblich an vorderster Front agiert: "Der Kampf um die Ukraine ist einer zwischen dem russischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin. [...] Fast 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges geht es darum, wer es schafft, die früheren Sowjetrepubliken der Region in seinen Einflussbereich zu ziehen. Es geht um Geopolitik, um das 'Grand Design', wie es die Experten gern nennen." (Spiegel 50/2013)

Die Ukraine ist somit auch zu einer Art Testlauf für den seit Anfang des Jahres vollmundig erklärten Anspruch geworden, Deutschland müsse künftig eine ambitioniertere und stärker an der Durchsetzung eigener Interessen orientierte Weltmachtpolitik betreiben. Neu ist dabei allerdings vor allem, dass nun offen ausgesprochen und aggressiver betrieben werden soll, was ohnehin seit Jahren stattfindet. Denn was die Ukraine anbelangt, haben dort nicht nur die USA, sondern auch die Europäische Union und vor allem Deutschland über viele Jahre hinweg beträchtliche Summen in den Aufbau und die Stärkung pro-westlicher Oppositionsparteien investiert.

Diese "Vorarbeiten" stießen angesichts der problematischen sozialen Situation auf einen fruchtbaren Boden.(1) Doch auch wenn es vollkommen nachvollziehbar war, dass zahlreiche Menschen gegen die hochgradig korrupte Janukowitsch-Regierung auf die Straße gegangen sind(2), repräsentierten die Parteien, die als Dreierbündnis die Führung der Proteste an sich rissen, weder die Mehrheit der Bevölkerung und noch weniger deren Interessen. Dazu gehört einmal die faschistische Partei "Swoboda" ("Freiheit") mit Oleg Tjagnibok an der Spitze. Sie sorgte während der Proteste mit ihren Schlägertrupps unter anderem dafür, dass linke Studenten und Gewerkschafter regelrecht vom zentralen Protestplatz, dem Maidan in Kiew, weggeprügelt wurden und stellt mittlerweile mehrere Minister in der neuen "Regierung" (siehe Kasten "Braune Revolution"). Washington setzt vor allem auf die Partei "Batkiwschtschina" ("Vaterland"), die Teile der Oligarchie repräsentiert und von der ebenfalls korrupten Julia Timoschenko angeführt wird. Deutschland machte sich wiederum vor allem um "Udar" ("Schlag") mit dem Aushängeschild Witali Klitschko "verdient". Vor diesem Hintergrund kam es bereits während der Proteste zu heftigen innerimperialistischen Reibereien, wessen Protegé künftig in der Ukraine das Sagen haben soll. Diese endeten vorläufig mit einem Punktsieg für Washington, nachdem die Timoschenko-Partei alle wesentlichen Posten besetzte und nun - unter maßgeblicher Beteiligung der Faschisten - faktisch die Kontrolle übernommen hat, während "Udar" weitgehend außen vor blieb. Wichtiger als diese innerimperialistischen Auseinandersetzungen sind jedoch die nahezu deckungsgleichen Ziele, die von der neuen "Regierung" in Kiew pflichtschuldig kurz nach ihrer Machtübernahme in Angriff genommen wurden: Schnellstmöglich sollen "schmerzhafte" Sozialkürzungen vorgenommen, der Ausverkauf des Landes auf den Weg gebracht, das Assoziationsabkommen schnellstmöglich komplett unter Dach und Fach gebracht und die Mitgliedschaft in der NATO angestrebt werden.

Wie spätestens die Reaktion auf der Krim-Halbinsel zeigte, ist Russland offensichtlich nicht gewillt, dem Westen das Feld zu überlassen. So droht im schlimmsten Fall eine weitere Eskalation, zumindest aber dürfte die Ukraine und ihre Bevölkerung auf absehbare Zeit als Spielball und Schauplatz der Konflikte zwischen dem Westen und Russland zu leiden haben. Die einzig andere gangbare Option wäre, wenn sich die interessierten Großmächte auf eine kategorische Blockfreiheit der Ukraine verständigen würden, auch wenn dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher unrealistisch erscheint.


1. Neoliberales Assoziationsabkommen

Assoziationsabkommen werden mit den angrenzenden Staaten im Rahmen der 2014 offiziell ins Leben gerufenen Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) ausgehandelt, an der gegenwärtig 16 Länder teilnehmen.(3) Offiziell geht es dabei darum, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft zu fördern, allerdings ohne den Ländern aber eine realistische Beitrittsperspektive zu eröffnen. Faktisch wird jedoch darauf abgezielt, die Nachbarländer dauerhaft in eine großeuropäische Wirtschaftszone zu integrieren und neoliberale Wirtschaftsreformen zu forcieren: "Was nicht gesagt wird ist, dass das Hauptmotiv der wirtschaftlichen Integration darin besteht, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken, Ökonomien in die expandierende Wirtschaft des Imperiums (der EU) einzugliedern und Zugang zu natürlichen Ressourcen in der energiereichen Nachbarschaft zu erhalten. Die riesige Ansammlung von Wohlstand und wirtschaftlicher Macht der EU hat ihr einen Hebel gegeben, um marktfreundliche Reformen einschließlich Privatisierung, Handelsliberalisierung und der Übernahme der EU-Regulationsmechanismen aufzuerlegen und gleichzeitig die weiterführenden Debatten in den peripheren Gesellschaften zu umgehen."(4)

Die Assoziationsverhandlungen mit der Ukraine wurden im Jahr 2005 aufgenommen und mündeten 2012 in ein unterschriftsreif vorliegendes Dokument. Die im Internet unter dem Titel "EU-Ukraine Association Agreement - the complete texts" auf der Seite des Europäischen Auswärtigen Dienstes auffindbaren Dokumente setzen sich aus verschiedenen Teilen zusammen.(5) Den Kern des Abkommens bilden knapp 500 Seiten, von denen die Passagen zu handelsbezogenen Aspekten über 350 Seiten ausmachen. Doch der Löwenanteil verbirgt sich in den Anhängen und Protokollen, insgesamt deutlich über 2000 Seiten, die ebenfalls - und das fast ausschließlich - der Präzisierung der anvisierten Freihandelszone gewidmet sind. Im Hauptteil des Assoziationsabkommens wird folgendes Ziel formuliert: "Die Vertragsparteien sollen während einer Übergangszeit von maximal 10 Jahren nach in Kraft treten dieser Vereinbarung eine Freihandelszone errichtet haben." (Artikel 25) Verwiesen wird dann auf die Anhänge I und II, die allerdings nur einige wenige Ausnahmen festlegen, sodass die jeweiligen Schutzzölle nach Auskunft der Europäischen Union für den Fall der Unterzeichnung des Abkommens um 99,1% (Ukraine) bzw. 98,1% (EU) abgesenkt würden.(6)

Damit dieser Prozess auch irreversibel wäre, schreibt das Assoziationsabkommen weiter vor, dass die Zölle zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder erhöht werden dürfen: "Keine Vertragspartei darf irgendeinen Einfuhrzoll erhöhen oder neue Einfuhrzölle auf Güter erheben, die aus dem Gebiet der anderen Vertragspartei stammen." (Artikel 30) Darüber hinaus werden auch so genannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse - etwa Mengenbegrenzungen - faktisch verboten: "Die Vertragsparteien dürfen keine Einfuhrzölle, Steuern oder andere Maßnahmen mit einem ähnlichen Auswirkungen erheben oder aufrechterhalten, die im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gütern auf das Gebiet der anderen Vertragspartei stehen." (Artikel 30) Schließlich soll der "freie und faire Wettbewerb" (level-playing field) zwischen europäischen und ukrainischen Firmen zusätzlich noch durch die Einführung einheitlicher - europäischer wohlgemerkt - Produktstandards und Zertifizierungsmethoden gefördert werden: "Die Produktstandards in der Ukraine sind veraltet und international nicht anerkannt. Dazu kommt eine mangelhafte und widersprüchliche Regulierung der Zulassung und Zertifizierung von Produkten, die einen fruchtbaren Nährboden für Korruption bilden und darüber hinaus den Außenhandel erheblich verteuern und behindern. Ukrainische Unternehmen müssen sowohl nationale, als auch international akzeptierte Standards erfüllen, um Waren zu exportieren."(7)

Glaubt man den Verlautbarungen der Europäischen Union, würden der verschärfte Wettbewerb und der verbesserte Marktzugang der Ukraine einen regelrechten Wirtschaftsboom bescheren. So prognostiziert EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle, nach Abschluss des Assoziationsabkommens sei mit einer Verdopplung der ukrainischen Exporte in die EU und einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 12% zu rechnen.(8) Diese optimistische Einschätzung wurde jedoch einer Studie Ricardo Giuccis entnommen, der als Mitherausgeber des Newsletters der maßgeblich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie finanzierten "Deutschen Beratergruppe" wohl kaum als neutral einzustufen ist.(9)

Demgegenüber wird von russischer Seite argumentiert, das Abkommen werde sich hochgradig schädlich für die Ukraine auswirken. So schreibt etwa Sergej Glasjew, Präsident Wladimir Putins Berater für eurasische Integrationsfragen: "Wenn die Ukraine die Vereinbarung über die Assoziation mit der EU unterzeichnet und sich in diese nicht gleichberechtigte Freihandelszone begibt, so wird sie bis 2020 im Wirtschaftswachstum und in der Handelsbilanz ein Minus erhalten. Wir schätzen die Verluste auf etwa minus 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Bis 2020 wird eine Verdrängung ukrainischer Waren vom eigenen Markt, begleitet von einem Wirtschaftsrückgang und einer Verringerung der Entwicklungsmöglichkeiten erfolgen." (Stimme Russlands, 07.11.2013)

Stattdessen plädiert Moskau für einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion, die gegenwärtig aus Russland, Weißrussland und Kasachstan besteht. Aktuell gehen - allerdings variieren die Zahlen je nach Quelle - wohl über 30% der ukrainischen Exporte in Staaten der Zollunion (EU: 25%) und über 40% der Importe stammen aus diesen Ländern (EU: 31%).(10) Erwähnenswert ist dabei noch die Art der jeweiligen Exporte, auf die der Wirtschaftshistoriker Hannes Hofbauer hinweist: "Interessant auch die Struktur des Außenhandels. Während sich der ukrainische Export in die EU in der Hauptsache auf Rohstoffe wie Kohle und Stahl beschränkt, führt Kiew in Richtung Russland Maschinen, Fahrzeuge, Flugzeuge und Lebensmittel aus. Das heißt, die Wertschöpfung der in den Westen gelieferten Waren liegt weit unter jener, die nach Russland gehen." (Neues Deutschland, 13.03.2014) Von russischer Seite wird deshalb unter Bezug auf eine - ebenfalls wohl kaum neutrale - Studie der von der Zollunion ins Leben gerufenen Eurasischen Entwicklungsbank argumentiert, ein Freihandelsabkommen mit der EU werde die Exporte dorthin zwar um 10% erhöhen, die Importe aber um 15% steigern, mit dem Ergebnis eines wachsenden Handelsbilanzdefizits. Da zudem das Assoziationsabkommen einen Beitritt zur Zollunion unmöglich machen würde (und umgekehrt(11)), würden die Zollunion-Staaten dann u.a. ihre Zölle erhöhen und der Handel mit ihnen dadurch einbrechen. Im Resultat hätte dies dann den - von Glasjew prognostizierten - Rückgang des BIP von 1,5% zur Folge. Demgegenüber sei nach einem Beitritt zur Zollunion mit einem BIP-Anstieg von 2,5% zu rechnen.(12)

Ob der Beitritt zur Zollunion tatsächlich wirtschaftlich derart von Vorteil wäre, wie dies von russischer Seite dargestellt wird, darf allerdings bezweifelt werden. Wie zuvor schon Kasachstan und Weißrussland müsste auch die Ukraine in diesem Fall ihre Außenzölle teils massiv anheben, was zwangsläufig den - ebenfalls nicht zu vernachlässigenden - Handel mit der EU wohl empfindlich beeinträchtigen würde. In jedem Fall aber sind die Warnungen vor den wirtschaftlichen Folgen eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union absolut plausibel. Denn die Abschaffung von Schutzzöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen würde die ukrainischen Firmen, die durch die Einführung teurer europäischer Produktstandards und Zertifizierungsprozesse noch zusätzlich belastet würden, der übermächtigen EU-Konkurrenz schutzlos ausliefern: "Ukrainische Waren werden in Preis und Qualität schwer mit den europäischen Waren konkurrieren können. Letztere werden die einheimische Produktion vom Binnenmarkt verdrängen. Und am Außenmarkt werden die ukrainischen Waren keinen Käufer finden. [...] Was den Maschinenbau betrifft, so wird diese Produktion wegen der Aufhebung der Subventionen nicht konkurrenzfähig sein. Dafür aber wird die Vereinbarung mit der EU die Ukraine verpflichten, alle Wirtschaftszweige in Einklang mit dem technischen Regelwerk der EU zu bringen. [...] Jene ukrainischen Produzenten, die nicht zu den europäischen Standards übergehen werden, verlieren ihr Recht, ihre Produktion zu verkaufen." (Stimme Russlands, 07.11.2013)

Diese Bedenken scheinen auch innerhalb der Janukowitsch-Regierung eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Nach der Entscheidung, die Verhandlungen um das Abkommen auszusetzen, argumentierte Michail Tschetschetow, stellvertretender Vorsitzender der damals regierenden Partei der Regionen: "Wir sind nicht bereit, dieses Abkommen zu unterschreiben, wenn dabei hunderte Betriebe, vor allem im industriellen Ballungszentrum des Landes, werden schließen müssen." (RIA Novosti, 13.11.2013) Der ukrainische Versuch, in Nachverhandlungen Zugeständnisse zu erhalten, wurde jedoch seitens der Europäischen Union kategorisch abgelehnt - und hier liegt die Hauptursache dafür, dass das Abkommen auf Eis gelegt wurde. Demgegenüber schwang Russland zwar durchaus ebenfalls die Peitsche, indem es bereits im Sommer 2013 als Warnschuss erste Sanktionen verhängte.(13) Andererseits vergaß es aber auch nicht das Zuckerbrot, indem es früh beträchtliche Vergünstigungen in Aussicht gestellt hatte. Dazu hatte ein Preisnachlass für russisches Gas in Höhe von jährlich etwa 3 Mrd. Dollar ebenso wie der Aufkauf ukrainischer Staatsanleihen im Umfang von 15 Mrd. Dollar gehört.(14)

Um denselben Betrag hatte die in extremen Finanznöten steckende Janukowitsch-Regierung zuvor den Westen gebeten und bekam dafür gleich die Daumenschrauben angesetzt. Dies gab laut dem damaligen Regierungschef Nikolai Asarow schlussendlich den Ausschlag, das Abkommen nicht zu unterzeichnen: "Der schrumpfende Handel mit Russland anderen GUS-Staaten gefährde ernsthaft die ukrainische Wirtschaft. Die Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland habe zur Folge gehabt, dass die Ratingagentur Fitch die Bonität der Ukraine vor kurzem abgestuft habe, sagte Asarow weiter. Der 'letzte Tropfen' sei die Forderung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom 20. November gewesen, die Gaspreise für die ukrainischen Haushalte zu erhöhen, die Gehälter einzufrieren und die Ausgaben zu kürzen. Nur dann dürfe die Ukraine mit Krediten rechnen." (RIA Novosti, 22.11.2013)

Kurz gesagt, die Europäische Union wurde in einem Bieterwettbewerb klar ausgestochen, weshalb es unter diesen Umständen aus ukrainischer Sicht vollkommen sinnvoll war, das Assoziationsabkommen zu versenken. Aufgrund der geopolitischen Bedeutung des Landes war der Westen aber nicht gewillt, kampflos das Feld zu räumen.


2. Geopolitisches Filetstück: Heute die Ukraine...

Nach dem Ende der Blockkonfrontation versuchte die Europäische Union (zusammen mit den USA) zielstrebig den Löwenanteil der sowjetischen Konkursmasse in ihre Einflusssphäre zu integrieren. Dies geschah in Form der NATO- und EU-Osterweiterungen und über die sogenannten "bunten Revolutionen", westlich unterstützte Umstürze wie etwa 2003 in Georgien, bei denen prorussische durch pro-westliche Machthaber ersetzt wurden. Über diese Vorgänge schrieb Theo Sommer, Ex-Chefredakteur und Herausgeber der Zeit: "Machen wir uns nichts vor: Die Nato hat ihre Ostgrenzen auch nicht aus bloßer Menschenfreundlichkeit oder Demokratie-Begeisterung weit nach Osten vorgeschoben, sondern aus handfestem geopolitischem Interesse - und dies trotz der gegenteiligen Zusage, die der amerikanische Außenminister James Baker dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow im Februar 1990 gab. [...] Das Streben nach Einflusssphären ist sehr wohl ein Merkmal auch unserer Gegenwart. Die Geopolitik, um den nach Hitlers Expansionskrieg zeitweise verpönten Haushoferschen Begriff zu verwenden, ist in Wahrheit nie aus der Mode gekommen. Sie prägt wie eh und je das außenpolitische Handeln der Mächte." (Zeit Online, 18.03.2014)

Diese aggressive Politik in einer Region, die von Russland als sein strategischer Hinterhof betrachtet wird, führte dort zu der Überzeugung, die westlichen Einflussgewinne zurückdrängen oder wenigstens stoppen zu müssen. Als Wendepunkt kann dabei wohl Wladimir Putins Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar 2007 betrachtet werden, bei der er die Politik des Westens mit aller Schärfe angriff. Einen ersten Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen im Sommer 2008, als Russland auf den georgischen Angriffskrieg gegen Süd-Ossetien mit einem harten militärischen Gegenschlag reagierte. Damit signalisierte Moskau unmissverständlich die Bereitschaft, weiteren westlichen Positionsgewinnen notfalls auch gewaltsam einen Riegel vorzuschieben.(15) In diesem Zusammenhang zunehmender machtpolitischer Konflikte ist die im Juli 2009 erfolgte Ankündigung von Präsident Wladimir Putin zu sehen, Russland, Weißrussland und Kasachstan würden eine Zollunion gründen. Es folgte im Jahr 2010 die Vereinheitlichung der Zölle und 2012 wurden zwischen den drei Ländern die Grenzkontrollen abgeschafft und ein einheitlicher Wirtschaftsraum etabliert, der den freien Austausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften unter den Mitgliedstaaten garantiert.(16) Im September 2013 kündigte zudem Armenien an, das ausbuchstabierte Assoziationsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen und stattdessen der Zollunion beizutreten. Im Westen wird dieser Versuch, der europäischen Expansionspolitik etwas entgegenzusetzen, mit großem Argwohn beobachtet, insbesondere weil die weiteren Ambitionen darauf hindeuten, dass sich hier eine neue Blockkonfrontation entwickeln könnte: "Putins Ziel ist es, die Zollunion bis 2015 in eine Eurasische Union umzuwandeln - ein politischer Gegenspieler der Europäischen Union."(17)

Teils völlig offen wird auch in Deutschland inzwischen wieder von einer neuen Blockkonfrontation gesprochen, etwa in einem aus dem Jahr 2012 stammenden Papier der Expertengruppe "Östliche Partnerschaft" der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Zu den Co-Autoren zählten unter anderem der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Friedbert Pflüger oder auch Karsten D. Voigt, der Amerika-Koordinator der aktuellen Bundesregierung. Auffällig ist dabei besonders, wie klar die Eurasische Union als geopolitischer Gegenspieler deklariert wird, mit der der Kampf aufgenommen werden müsse: "Der außenpolitische Diskurs in Deutschland meidet die Thematisierung geostrategischer Überlegungen. Doch sollten die Realitäten anerkannt werden: Wenn Russland von Stabilität redet, wird dort in Kräfteverhältnissen und Einflusssphären gedacht. Genauso legitim ist es, die Östliche Partnerschaft auch unter geostrategischen Überlegungen zu betrachten. Die Europäische Union zielt mit diesem Konzept auf die Verbreitung ihrer politischen, rechtlichen sowie ökonomischen 'Spielregeln' und damit auf eine schrittweise Anbindung der Region. Dabei versucht die EU mit Kooperationsangeboten zu vermeiden, dass die wirtschaftliche Zwangslage der östlichen Partner diese zur Annahme anderer Integrationsmodelle führt, die den europäischen Interessen widersprechen."(18)

In der Ukraine selbst war es Russland zwischenzeitlich gelungen, beträchtlich an Einfluss zurückzugewinnen, nachdem dort vor allem mit Hilfe von US-Geldern durch die "Orangene Revolution" im Jahr 2004 der pro-westliche Wiktor Juschtschenko an die Macht gebracht worden war.(19) Eine Kombination aus massivem russischem Druck und völliger Unfähigkeit der Regierung, an der zeitweise auch Julia Timoschenko beteiligt war, führte schließlich dazu, dass Juschtschenko Anfang 2010 mit gerade einmal 5,4% der Stimmen sang- und klanglos abgewählt wurde. Der neu ins Amt gewählte Wiktor Janukowitsch schwenkte schnell auf einen eher pro-russischen Kurs um und legte unter anderem die Pläne für einen ukrainischen NATO-Beitritt auf Eis. Ferner verlängerte er den Pachtvertrag für den wichtigsten Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol von 2017 auf 2042 (faktisch bis 2047), den die Vorgängerregierung auslaufen lassen wollte.(20)

Wie der Chef des privaten Nachrichtendienstes "Strategic Forecast", George Friedman, hervorhebt, ist die Ukraine aus russischer Sicht von entscheidender Bedeutung: "Sollte Russland Weißrussland oder die Ukraine verlieren, verliert es seine strategische Tiefe, die wesentlich mit seiner Fähigkeit zusammenhängt, das russische Kernland verteidigen zu können."(21) Vor diesem Hintergrund scheint Moskau bestrebt zu sein, die Ukraine fest an sich zu binden. Diese Absicht wird jedenfalls in einem semi-offiziellen Regierungspapier aus dem Jahr 2013, das Berichten zufolge vom engen Putin-Berater Glasjew mitverfasst worden sein soll, geäußert: "Das Ziel ist laut dem Dokument, die Ukraine bis zu den Wahlen 2015 in den Schoß der russischen Zollunion zu holen. Dazu soll durch die Unterstützung russlandfreundlicher Meinungsmacher der pro-europäische Einfluss in den ukrainischen Medien 'neutralisiert' werden. Außerdem sollen gen Westen orientierte Oligarchen 'sanktioniert' werden. Nach den ukrainischen Wahlen sollen zudem die pro-europäischen Staatsdiener - insbesondere im Außen- und Verteidigungsministerium - 'diskreditiert' und aus ihren Ämtern gejagt werden. Bei ihnen handle es sich nämlich um 'De-facto-Agenten des euro-atlantischen Einflusses'." (euractiv, 30.08.2013)

Auch westlicherseits wird die Ukraine als geopolitisches Filetstück ersten Ranges betrachtet, was vom Top-Strategen Zbigniew Brzezinski bereits 1997 folgendermaßen begründet wurde: "Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. [...] Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen [heute 45 Mio.] Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangte Russland automatisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden."(22)

Aus russischer Sicht besonders Besorgnis erregend muss dabei sein, dass die Ukraine nur als Zwischenschritt für die Einverleibung des gesamten postsowjetischen Raums betrachtet wird.(23) So schreibt James Rogers, Co-Direktor der einflussreichen "Group on Grand Strategy": "Osteuropa ist das Tor zwischen den riesigen Ressourcen Asiens und den dichtbesiedelten und technisch fortgeschrittenen Bevölkerungen Europas. Das bedeutet, dass es entweder vom imperialen Despotismus Russlands oder der demokratischen Zivilisation Europas kontrolliert werden wird. Aufgrund seiner geographischen Lage wird derjenige, der den Zugang zu dieser wesentlichen Zone gewinnen wird, auch Einfluss über den gesamten eurasischen Superkontinent erhalten. Sollte Osteuropa von Moskau kontrolliert werden, werden die Europäer - und darüber auch die Nord-Amerikaner - Gefangene sein, wie sie es die meiste Zeit des Kalten Krieges waren. Sollte Osteuropa von Brüssel (und ebenso von London, Paris und Berlin) - und darüber auch von Washington - geformt werden, wird Russland geschwächt und relativ harmlos zurückgelassen, so wie es die meiste Zeit in den 1990ern und 2000ern war."(24)

Wer allerdings glaubt, derartige Denkfiguren seien auf den angelsächsischen Diskurs beschränkt, sollte sich von einer solchen Vorstellung schleunigst verabschieden. Als Beleg hierfür kann etwa ein Artikel in der führenden außenpolitischen Zeitschrift Deutschlands herhalten: "Bis vor kurzem schien die EU ignoriert zu haben, dass sich Moskau gegen eine Integration der Ukraine wehren könnte. Eine solche Blauäugigkeit gegenüber den außenpolitischen Interessen des Kremls hat Tradition. [...] Nun stehen sie vor der Entscheidung: Gehört ihr Land zum westlich geprägten Europa oder ist es Teil einer russisch geprägten 'eurasischen' Zivilisation? [...] Mit der Annäherung der Ukraine an die EU würde sich nicht nur die Reichweite europäischer Werte und Institutionen um hunderte Kilometer gen Osten ausdehnen. Russland müsste sich mit der Heranführung der Ukraine an die EU endgültig von seinem neoimperialen Träumen verabschieden. [...] Die Ukraine hat deshalb nicht nur als solche für die EU eine große Bedeutung. Sie könnte für den Westen insgesamt zum Tor für eine schrittweise Demokratisierung des riesigen, vormals sowjetischen Territoriums im nördlichen Eurasien werden. [...] Deutschland sollte es - schon aus historischen Gründen - nicht an Beherztheit, Prinzipienfestigkeit und Weitsicht in seiner künftigen Ukraine-Politik fehlen lassen."(25)


3. Testlauf für die neue deutsche Weltmachtpolitik

Über ein Jahr bastelten 50 Mitglieder des außen- und sicherheitspolitischen Establishments an dem Papier "Neue Macht - Neue Verantwortung", das im September 2013 von der "Stiftung Wissenschaft und Politik" und dem "German Marshall Fund" veröffentlicht wurde. Es gab den Kurs für die neue deutsche Außen- und Sicherheitspolitik vor, der seither zielstrebig beschritten wird. Deutschland müsse seine bisher scheinbar an den Tag gelegte "Kultur der (militärischen) Zurückhaltung" ad acta legen und bei der Dursetzung seiner Interessen künftig offensiver zu Werke gehen, so der darin vertretene Tenor: "Deutschland war noch nie so wohlhabend, so sicher und so frei wie heute. Es hat - keineswegs nur durch eigenes Zutun - mehr Macht und Einfluss als jedes demokratische Deutschland vor ihm. Damit wächst ihm auch neue Verantwortung zu."(26)

Als Direktor des "German Marshall Fund" war auch Thomas Kleine-Brockhoff an der Erarbeitung der Studie beteiligt, der im Sommer 2013 von Joachim Gauck als neuer Leiter der Stabsstelle Planung und Reden verpflichtet wurde (Süddeutsche Zeitung, 18.07.2013). Und so ist es nicht verwunderlich, dass es sich der Bundespräsident augenscheinlich zu seiner Aufgabe gemacht hat, der - diesbezüglich etwas unwilligen - Bevölkerung diesen von langer Hand geplanten neuen Elitenkonsens schmackhaft zu machen. Als Ort hierfür wurde die Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar 2014 auserkoren, wo der Bundespräsident, zusammen mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, buchstäblich in die Offensive ging. Den "Sinn" der Übung beschrieb Albrecht von Lucke folgendermaßen: "Was Gaucks Rede [...] so problematisch macht, ist die Tatsache, dass sie sich einfügt in den konzertierten Versuch, einen Paradigmenwechsel in der deutschen Außenpolitik herbeizuführen. Und zwar in zweierlei Hinsicht: erstens den Wechsel von einer Kultur der Zurückhaltung zu einer 'Kultur der Kriegsfähigkeit' (Josef Joffe), und zweitens den Wechsel von einer Kultur der Werte zu einer Kultur der Interessen."(27)

Festzuhalten ist hier jedoch, dass weder die Ambitionen noch die Mittel besonders neu sind, neu ist vielmehr, dies nun offen auszusprechen und gleichzeitig anzukündigen, bei dieser Politik künftig noch weitaus aggressiver vorgehen zu wollen. Neben Afrika gilt hier vor allem dem Nachbarschaftsraum verstärkte Aufmerksamkeit, wenn es in dem Papier "Neue Macht - Neue Verantwortung" heißt: "In Europas südlicher und östlicher Nachbarschaft muss die EU als regionale Ordnungsmacht Stabilität und gute Regierungsführung anstreben - und dabei nicht nur auf Regierungen zielen, sondern auf Zivilgesellschaften. [...] Deutsche Außenpolitik wird sich weiterhin der gesamten Palette der außenpolitischen Instrumente bedienen, von der Diplomatie über die Entwicklungs- und Kulturpolitik bis hin zum Einsatz militärischer Gewalt."(28)

Vor diesem Hintergrund finanzierte die deutsche und europäische Politik schon seit Jahren diverse pro-westliche Akteure in der Ukraine. Allein aus dem Topf des Europäischen Nachbarschaftsinstruments flossen zwischen 2007 und 2013 fast 1 Mrd. Euro ins Land, der Großteil davon war dafür bestimmt, die ukrainische Verwaltung "fit" für die Implementierung des Assoziationsabkommens in nationale Gesetzgebung zu machen und sich einen pro-europäischen Beamtenapparat aufzubauen.(29) Zweistellige Millionenbeträge wurden seitens der EU zudem an - pro-westliche -zivilgesellschaftliche Gruppen weitergeleitet, wobei noch einmal deutlich mehr Gelder bilateral vergeben wurden (siehe Kasten "Zivilgesellschaft").(30) Deutschland setzte dabei vor allem auf den ehemaligen Box-Weltmeister Wladimir Klitschko, dessen Partei "Udar" faktisch von der Konrad-Adenauer-Stiftung ins Leben gerufen wurde: "Wegen seines Erfolges wurde die Konrad-Adenauer-Stiftung auf ihn aufmerksam; wie der CDU-Politiker Werner Jostmeier berichtet, hat die CDU-nahe Stiftung Klitschko vor geraumer Zeit 'damit beauftragt', 'in der Ukraine eine christlichkonservative Partei unterstützend mit auf die Beine zu stellen und zu etablieren'." (German-Foreign-Policy.com, 26.11.2013(31)) Darüber hinaus machte sich vor allem noch die konservative Europäische Volkspartei (EVP) um Udar "verdient": "Klitschko ist unser Mann. Der hat eine klare europäische Agenda", wird ein hochrangiger EVP-Abgeordneter zitiert (Spiegel 50/2013).

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wer aus deutscher Sicht diese "Zivilgesellschaft" bei den nächsten Wahlen repräsentieren soll. So schrieb Elmar Brok (EVP), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments: "Wir erleben Demonstrationen der Opposition, wie es sie auch schon bei der orangenen Revolution 2004 gegeben hat. Die Bürgerinnen und Bürger protestieren gegen Manipulationen der Regierung Janukowitsch und wollen verhindern, dass das Angebot der Europäischen Union eines Assoziierungs- und Freihandelsabkommens gegen ihren Willen ausgeschlagen wird. [...] Die Ukraine braucht Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Dem Präsidenten fehlt dazu der Mut, er scheut davor zurück, Russland entgegenzutreten. [...] Den besten Dienst würde er seinem Land erweisen, wenn er jetzt den Weg für Neuwahlen freimachen würde. [...] Vitali Klitschko hat das Zeug, bei der nächsten Wahl spätestens 2015 Staatspräsident der Ukraine zu werden." (Rhein-Neckar-Zeitung, 02.12.2013)


4. Innerimperialistische Reibereien

Nicht von ungefähr bewerteten die Medien den Sturz von Janukowitsch wohlwollend als "erfolgreichen" Praxistest der neuen deutschen Weltmachtpolitik: "'Die Ukraine hat gezeigt, was deutsche Diplomatie erreichen kann, wenn sie selbstbewußt auftritt', jubelt der Tagesspiegel. Und: 'Endlich kann man sich vorstellen, was sich die Große Koalition unter einer 'aktiveren deutschen Rolle in der Welt' vorstellt.'" (junge Welt, 26.02.2014) Auch Klaus-Dieter Frankenberger schrieb in der FAZ (22.02.2014): "Ohne die beharrliche Überzeugungsarbeit der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens hätten sich Führung und Opposition in der Ukraine wohl nicht verständigt. Das können sich auch die Amerikaner merken."

Alles bestens also? Keineswegs! Frankenbergers letzter Satz enthält bereits einen wenig verklausulierten Seitenhieb, der auf heftige innerwestliche Konflikte hindeutet. Im Kern geht es dabei darum, ob in der Ukraine künftig ein pro-amerikanischer (Timoschenko oder jemand aus ihrer Partei) oder pro-deutscher (Klitschko) Präsident das Sagen haben wird. Wie ruppig es dabei hinter den Kulissen zur Sache geht, wurde vor allem über das abgehörte und ins Internet gestellte "Fuck-the-EU-Telefonat" der im US-Außenministerium für Europafragen zuständigen Abteilungsleiterin Victoria Nuland bekannt: "Eine amerikanische Top-Diplomatin äußert sich abfällig über Brüssel. Die Kanzlerin nennt das absolut inakzeptabel - der Graben zwischen Berlin und Washington wächst." (Süddeutsche Zeitung, 08.02.2014) Was die deutsche Seite an dem Telefonat aber wirklich empörte, war nicht die etwas undiplomatische Wortwahl, sondern dass aus ihm klar hervorging, dass die USA augenscheinlich keinerlei Absicht haben, den mit viel deutschem Geld und Know-how aufgepäppelten ehemaligen Box-Weltmeister Witali Klitschko eine prominente Rolle übernehmen zu lassen: "Die US-Verantwortlichen schienen nicht begeistert von der Idee zu sein, dass Klitschko stellvertretender Ministerpräsident werden könnte. 'Die Klitschko-Sache ist offenkundig das komplizierte Elektron hier', ist [der US-Botschafter in der Ukraine] Pyatt zu hören. Der Boxweltmeister sollte das Amt nicht antreten und 'seine politischen Hausaufgaben' machen. Auch Nuland äußert sich skeptisch über eine Regierungsbeteiligung von Klitschko: 'Ich glaube nicht, dass das notwendig und eine gute Idee ist.'" (Focus, 06.02.2014)

Die USA, die laut Nuland seit Ende des Kalten Krieges 5 Mrd. Dollar für "Frieden und Demokratie" in der Ukraine investiert haben(32), haben also keine Absicht, diese Investitionen zugunsten Deutschlands abzuschreiben. Wie heftig hier das Gerangel zwischen Deutschland und den USA war, zeigt ein zweites, am 31. Januar 2014 abgehörtes und ebenfalls im Internet veröffentlichtes Telefonat. In ihm beschwert sich die stellvertretende Generalsekretärin für politische Fragen des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Helga Schmid, gegenüber dem EU-Botschafter in der Ukraine, Jan Tombinski, lautstark über den amerikanischen "Verbündeten": "Ich wollte Dir nur eine Sache noch vertraulich sagen. Die Amerikaner gehen ein bisschen rum und erzählen, dass wir zu weich sind, was Sanktionen angeht. [...] Was mich sehr ärgert ist, dass die Amerikaner rumgehen und die EU an den Pranger stellen und sagen, wir wären da zu soft. [...] Ich will Dir das nur sagen, dass Du vielleicht mit dem amerikanischen Botschafter auch sprichst und ihm sagst, wir sind überhaupt nicht soft. [...] Es ärgert mich, wenn die Presse jetzt berichtet, die EU ist nicht auf der Seite der Freiheit. [...] Es soll hier nicht um ein Wettrennen gehen, aber es ist wirklich sehr unfair, wenn sie das hier verbreiten."(33)

Die Ursachen für diese Reibereien sind nicht allein darin zu finden, dass sich beide Seiten ein möglichst großes Stück vom ukrainischen Kuchen einverleiben wollen. Die US-Vorbehalte gegenüber einem deutschen Potentaten haben - zumindest aus ihrer dezidiert russlandfeindlichen Sicht - durchaus eine materielle Basis. Washington sorgt sich darüber, dass die teils engen wirtschaftlichen Kontakte nach Russland eine (noch) härtere Linie Berlins verhindern und seine Industrie mäßigend einwirken könnte.(34) Obwohl sich die USA in den letzten Monaten wohl kaum über eine mangelnde "Härte" der deutschen Russland-Politik beschweren können, sorgten sie dennoch dafür, dass die nach Janukowitschs Sturz gebildete Übergangsregierung von ihren Protegés dominiert wird. Daneben finden sich im Kabinett zwar noch Vertreter des faschistischen Lagers (siehe Kasten "Braune Revolution"), Mitglieder der Klitschko-Partei "Udar" wurden aber nicht berücksichtigt: "Timoschenkos Partei hat die Kontrolle, auch die Nationalisten haben sich wichtige Posten gesichert. Klitschkos Partei ist in der Regierung nicht vertreten", fasst Zeit Online (27.02.2014) die feindliche Übernahme zusammen.

Doch Deutschland und Witali Klitschko haben die Flinte noch nicht ins Korn geworfen, weshalb der ehemalige Box-Weltmeister ankündigte, bei den auf den 25. Mai 2014 vorgezogenen Wahlen antreten zu wollen. Auch Julia Timoschenko erklärte inzwischen ihre Absicht, zu kandidieren. Dass auch sie hochgradig korrupt ist, ist schon lange bekannt, doch erst jetzt, vor dem Hintergrund der wachsenden Konflikte mit den USA, entdecken deutsche Medien die "Schwachstellen" Timoschenkos: "So schnell kann's gehen. Da hat man sich jahrelang von den deutschen Mainstreammedien eintrichtern lassen müssen, die inhaftierte ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko sei ein unschuldiger Engel, und kaum kommt sie aus der Haft frei, da hört man das Gegenteil. Kritiker würfen ihr 'dubiose Geschäfte' vor und hielten sie für 'opportunistisch und skrupellos', hat das ZDF überraschend erfahren. Die Süddeutsche enthüllt, Timoschenko sei 'als Teil einer dubiosen Wirtschafts- und Machtelite selbst belastet'. Die Welt hat gleich einen ganz schlimmen Verdacht: Timoschenko sei 'wie Janukowitsch - nur hübscher und mit Zopf'." (junge Welt, 26.02.2014)

Ob es allerdings angesichts dieser innerimperialistischen Nickligkeiten zum offenen Bruch zwischen Washington und Berlin kommen wird, ist überaus zweifelhaft. Schließlich streben auch die USA die Unterzeichnung des Assoziationsabkommens sowie die damit verbundene dauerhafte Eingliederung der Ukraine in die westliche Einflusssphäre an. Als gemeinsame Klammer dürfte das Deutschland in diesem Fall die Rolle als zweite Geige schmackhaft genug machen.(35)


5. Eskalation oder Politik der Äquidistanz

Zweifellos hatten auch zahlreiche Menschen in den eher prorussischen Landesteilen die Schnauze von der korrupten Janukowitsch-Regierung voll - und dies vollkommen zu Recht. Dies heißt allerdings noch lange nicht, dass - wie hierzulande gerne suggeriert wird - die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ihr Heil in der EU sucht. Faktisch ist und bleibt das Land weiter zwischen einer eher pro-russisch und einer eher europäisch orientierten Bevölkerung tief gespalten. Die unmittelbar nach der Absetzung von Janukowitsch ergriffenen Maßnahmen der neuen Machthaber waren und sind jedoch ganz sicher nicht geeignet, das Land zusammenzuführen und noch weniger, der notleidenden Bevölkerung eine Perspektive zu geben. So war der - inzwischen zwar zurückgenommene - Versuch, russisch als zweite Amtssprache abzuschaffen, ein fatales Signal. Ins Bild passt auch, dass die neue "Regierung" die Gouverneursposten in wichtigen Regionen mit bekannten Oligarchen besetzte.

Vor allem ließen sich die Machthaber kaum Zeit, um mit dem Ausverkauf des Landes und dem Anziehen der Daumenschrauben für die armen Bevölkerungsteile zu beginnen: "Er [Interim-Regierungschef Arseni Jazenjuk] werde die 'Privatisierung von Teilen des Erdöl- und Gassektors der Ukraine' in Erwägung ziehen [...] Die Übergangsregierung der Krim will einem Bericht der 'Stimme Russlands' zufolge bereits erste Details dieser Privatisierungswelle erfahren haben. Demnach würde das ukrainische Gasnetz an den US-Konzern Chevron gehen, während deutsche Konzerne sich in die ostukrainische Schwerindustrie einkaufen sollen. [...] Das Sparprogramm in der Ukraine wird angesichts des Haushaltsdefizits von 7,2 Prozent (2012) hart ausfallen. [...] Die ärmsten Bevölkerungsschichten werden durch die bereits als sicher geltende Abschaffung der Subventionen für Erdgas am stärksten belastet werden. [...] Schließlich werden die Rentner der Ukraine entweder Kürzungen ihrer ohnehin mageren Renten hinnehmen oder die Bevölkerung wird sich auf ein höheres Renteneinstiegsalter gefasst machen müssen." (Telepolis, 14.03.2014)

Moskau reagierte auf diese Entwicklungen mit der faktischen Besetzung der Krim-Halbinsel, die über eine russische Bevölkerungsmehrheit verfügt und die strategisch wichtige Schwarzmeerflotte beherbergt. Präsident Putin erklärte, es handele sich hierbei um eine völkerrechtskonforme Maßnahme, da Janukowitsch weiterhin der legale Präsident sei und Russland hierzu aufgefordert habe.(36) Unabhängig davon, ob man dieser grenzwertigen Rechtsauffassung folgen will(37), agiert Moskau zwar in Reaktion auf die geopolitische Offensive des Westens, nichtsdestotrotz sind seine Handlungen aber ebenfalls aggressiv und strikt den eigenen egoistischen Interessen verpflichtet.

Nach dem Referendum auf der Krim, bei dem eine klare Mehrheit für einen Übertritt zu Russland votierte und dem anschließenden Beschluss Moskaus, die Halbinsel Russland anzuschließen verschärfte die Europäische Union ihre Sanktionen gegen Russland und unterzeichnete zusammen mit der Ukraine Ende März 2013 den politischen Teil des Assoziationsabkommens (die handelsrelevanten Passagen sollen später folgen). Somit droht eine weitere Verhärtung der Fronten, die ein erhebliches Eskalationspotenzial birgt. In jedem Fall dürfte die Ukraine und ihre Bevölkerung ohne ein grundlegendes Umdenken noch lange unter der Machtpolitik externer Großmächte zu leiden haben. Eine mögliche Alternative hat u.a. Graham Allison ins Spiel gebracht. Eine dauerhafte Deeskalation sei nur möglich, wenn vertraglich festgelegt würde, dass das Land weder Teil der NATO, der EU noch der Zollunion werde. Eine solche Politik der Äquidistanz sei sicher keine Garantie, aber eine wesentliche Vorbedingung, dass das Land sich auf die Lösung seiner Probleme konzentrieren könnte (National Interest, 15.03.2014).

Denn an der Lösung dieser Probleme zeigt weder Russland und noch weniger die Europäische Union ein Interesse - im Gegenteil. So beschrieb ein unter Pseudonym schreibender ukrainischer Sozialist die Gemengelage folgendermaßen: "Insgesamt kann man zu dem Schluss kommen, dass in der Ukraine ein Kampf zwischen den internationalen kapitalistischen Machtzentren und diversen finanziell-politischen Gruppierungen um politischen und ökonomischen Einfluss vor sich geht. Die arbeitende Klasse hat in diesem Kampf nichts zu suchen. Und sie nimmt kaum an ihm teil. Das Proletariat der Ukraine ist konfrontiert mit der tagtäglichen Arbeitslosigkeit, mit der Inflation und dem niedrigen Lebensstandard, mit der Willkür der Unternehmer usw., und die unverständlichen Ziele der Beteiligung an internationalen kapitalistischen Bündnissen wie der EU oder der Zollunion [...] liegen ihm ziemlich fern. Nur der Klassenkampf und die globale Klassensolidarität können die arbeitenden Menschen in der Ukraine und der ganzen Welt befreien."(38)


KÄSTEN

Militärisches Assoziationsabkommen

In dem zentralen programmatischen Strategiepapier zur Vorbereitung des "Rüstungsgipfels" der EU-Staats- und Regierungschefs Ende 2013 erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton den Nachbarschaftsraum kurzerhand zum Einfluss- und Interventionsgebiet der Europäischen Union: "Das neue Augenmerk der USA für die asiatisch-pazifische Region ist eine logische Konsequenz der geostrategischen Entwicklungen [Anm.: des Aufstiegs Chinas]. Dies bedeutet auch, dass Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit und die seiner Nachbarschaft übernehmen muss. [...] Die Union muss in der Lage sein als Sicherheitsgarant - mit Partnern so möglich, autonom wenn nötig - in seiner Nachbarschaft entschieden zu handeln, dies schließt direkte Interventionen ein. Strategische Autonomie muss sich zuerst in der Nachbarschaft der Europäischen Union materialisieren."(1) Gerade mit Blick auf solche Aussagen sind die für ein Assoziationsabkommen ungewöhnlich konkreten Passagen zum Ausbau der Militärkooperation und der Integration in die EU-Militärpolitik zu verstehen: "Die Parteien sollten [...] die schrittweise Annäherung im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) fördern. Und sie sollten sich in bestimmten Sachfragen der Konfliktprävention und des Krisenmanagements, regionaler Instabilität, Abrüstung, Nicht-Verbreitung [...] absprechen." (2) Noch direkter heißt es in einer anderen Passage des Abkommens: "Die Parteien sollten die praktische Zusammenarbeit bei der Konfliktprävention und dem Krisenmanagement verbessern, vor allem mit Blick auf eine Steigerung der ukrainischen Teilnahme an EU-geführten zivilen und militärischen Krisenmanagementoperationen sowie an den wichtigen Übungen und Manövern, einschließlich denen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheitsund Verteidigungspolitik (GSVP)."(3)

Anmerkungen
(1) Ashton, Catherine: Preparing the December 2013 European Council on Security and Defence, Final Report by the High Representative/Head of the EDA on the Common Security and Defence Policy, Brussels, 15 October 2013, S. 2.
(2) Association Agreement, Artikel 7, Absatz 1.
(3) Ebd., Artikel 10, Absatz 1.

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Ukrainische "Zivilgesellschaft" - Ein Praxisbeispiel

Seitens der EU wurden beträchtliche Summen in den Aufbau der ukrainischen "Zivilgesellschaft" investiert. Dem "Non-State Actors and Local Authorities-Entwicklungsprogram" wurden zwischen 2011 bis 2013 2,9 Millionen Euro entnommen. Über das EU-Menschenrechtsinstrument überwies die EU im selben Zeitraum 3,6 Millionen Euro und die Fazilität für Zivilgesellschaft sah für diese Periode etwa 37 Millionen Euro für die gesamte östliche Nachbarschaft vor, wovon ebenfalls gute Teile in die Ukraine flossen. Zweifellos hat sich die Europäische Union also sehr um die ukrainische "Zivilgesellschaft" bemüht: "Mit Blick auf die mannigfaltigen Programme scheint die EU die Zivilgesellschaft in der Ukraine stark finanziell zu unterstützen."(1)

Doch diese beträchtlichen EU-Gelder machen noch nicht einmal Löwenanteil an westlicher Unterstützung aus: "Der Großteil der finanziellen Unterstützung jedoch kommt von einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese Mittel ergänzen die EU-Programme und sind oft leichter zu handhaben, insbesondere, wenn die Botschaften der Staaten die Vergabe im Land selbst koordinieren. Die aktivsten Unterstützer ukrainischer Organisationen sind Schweden, Deutschland, die Niederlande, Großbritannien, Polen und Tschechien."(2)

Dabei ist sicher nicht jedes aus diesen Töpfen geförderte Programm problematisch, der Verdacht liegt aber sehr nahe, dass mit diesen Geldern eine pro-europäische Mobilisierungsreserve aufgebaut wurde, auf die bei Bedarf - wie nun nach der Ablehnung des Assoziationsabkommens - zurückgegriffen werden konnte. Wenigstens ein Beispiel aus einem Artikel, der sich mit der EU-Förderung der ukrainischen "Zivilgesellschaft" befasst, sei hier angeführt, um diesen Verdacht zu erhärten:

"Die EU [dient] der ukrainischen Zivilgesellschaft als Orientierungspunkt und Bezugsrahmen. Sie stärkt die Zivilgesellschaft implizit, indem sie Reformen einfordert und Standards setzt. Dieser externe Druck kann sowohl das Entstehen neuer Interessengruppen anregen als auch bereits bestehende in ihrer Arbeit unterstützen: Er wirkt als zusätzliches Druckmittel für reformorientierte zivilgesellschaftliche Gruppen. Die Gruppe »Wir sind Europäer« ist dafür ein interessantes Beispiel. Dieser inoffizielle Zusammenschluss umfasst junge Berufsanfänger aus unterschiedlichen Disziplinen, die auf Facebook verschiedene Themen mit EU-Bezug diskutieren und von Zeit zu Zeit öffentliche Anfragen starten und Aktionen durchführen. Als die Verhandlungen über ein Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Ukraine im Jahr 2011 in eine Sackgasse gerieten und das Abkommen wegen bestehender Demokratiedefizite nicht unterzeichnet werden konnte, setzten mehr und mehr NGOs ihre Kapazitäten dafür ein, dass die Ukraine diese wichtige Chance nicht endgültig verpasst. Zwar geschieht dies bisher meist in Form öffentlicher Anfragen, doch die Anzeichen häufen sich, dass sich eine Form systematischeren Drucks auf politische Entscheidungsträger entwickelt."(3)

Anmerkungen
(1) Solonenko, Iryna: Eher Partner als Geber - die EU und die ukrainische Zivilgesellschaft, in: Ukraine-Analysen, Nr. 114, 12.03.2013, S. 6-8, S. 7.
(2) Ebd..
(3) Ebd., S. 6.

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Ukraine: Braune Revolution

Linke Gruppen oder Parteien spielten bei den Protesten auf dem Maidan so gut wie keine Rolle. Verantwortlich hierfür waren vor allem faschistische Kräfte, die den Protestplatz regelrecht freiprügelten, wie der linke Gewerkschafter Denis Lewin ausführt: "Die Linke ist auf dem Maidan praktisch nicht vertreten. Es gab mehrere Versuche von Linken, sich mit sozialen Forderungen dort zu positionieren, aber sie wurden mit Gewalt von den Rechten verdrängt. Das Programm auf dem Maidan wird von Rechtsradikalen diktiert, die dort für Sicherheitsfragen verantwortlich sind, und die Anführer der Proteste sind ohnehin rechte Politiker und Liberale aus der sogenannten Opposition." (jungle World, 09.01.2014).

Auch andere Berichte bestätigen diese Aussage: "Es gibt eine wirklich beunruhigende Dominanz rechter bis neonazistischer Kräfte. Wer das Gebiet um den Maidan besucht, dem kann das eigentlich nicht entgehen: Keltenkreuze, Wolfsangeln, Runen, Schwarze Sonnen, SS-Schriftzüge, und seltener, aber doch: Hakenkreuze. [...] Das rechte Spektrum ist in zahlreiche Gruppen untergliedert, deren international prominenteste die Swoboda Oleg Tjagniboks ist, die mit der NPD befreundete Faschistenpartei, die mittlerweile vom deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum normalen Verhandlungspartner geadelt wurde. [...] Auf dem Platz fast noch präsenter sind andere Gruppen, die sich UPA, Bratstvo (Bruderschaft) oder 'Rechter Sektor' nennen. Sie sind streng militärisch organisiert, zählten zu den aggressivsten Teilen des Protests und pflegen eindeutige Feindbilder. Ihre Traditionslinie führt immer zu dem Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera. Antisemitismus, antirussische und antikommunistische Ressentiments sind bei ihnen weit verbreitet." (Hintergrund, 26.02.2014)

Allein was bei Wikipedia zu Swoboda zu finden ist genügt, um zu verdeutlichen, wes Geistes Kind die Partei von Oleg Tjagnibok ist: "Im Mai 2013 stufte der Jüdische Weltkongress Swoboda als neonazistisch ein und forderte ein Verbot der Partei. Im selben Monat fand ein Besuch von Mandatsträgern der Swoboda bei der Fraktion der NPD im Sächsischen Landtag statt. [...] Im Juli 2013 unterzeichneten 30 israelische Knesset-Abgeordnete einen offenen Brief, der an den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) gerichtet war. Darin warnten sie vor dem Antisemitismus und der Russenfeindlichkeit der Partei und kritisierten, dass die beiden größten Oppositionsparteien in der Ukraine mit ihr zusammenarbeiten. Im August 2013 erklärte die deutsche Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Swoboda werde als eine rechtspopulistische und nationalistische Partei, die zum Teil rechtsextreme Positionen vertrete, eingeschätzt."

Noch im Dezember 2012 hatte das EU-Parlament eine deutliche Kritik an die Adresse von Swoboda gerichtet, indem es in einem Entschließungsantrag hieß: "Das Europäische Parlament [...] erklärt sich besorgt wegen der zunehmenden nationalistischen Stimmung in der Ukraine, die zum Ausdruck kommt in der Unterstützung für die Partei 'Swoboda' (Freiheit), welche dadurch als eine der beiden neuen Parteien in die Werchowna Rada eingezogen ist; weist darauf hin, dass rassistische, antisemitische und ausländerfeindliche Auffassungen im Widerspruch zu den Grundwerten und Grundsätzen der EU stehen, und appelliert daher an die demokratisch gesinnten Parteien in der Werchowna Rada, sich nicht mit der genannten Partei zu assoziieren, sie nicht zu unterstützen und keine Koalitionen mit ihr zu bilden." (Entschließung 2012/2889)

Dennoch berichtet Spiegel Online (17.03.2014), die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung habe mit Swoboda-Mitgliedern kooperiert, die etwa zur Konferenz "Lessons from the 2012 Parliamentary Elections" und der Seminarreihe "The Higher School of Politics" eingeladen worden sein sollen. Als dann die Proteste begannen, hatte man dann nicht nur kein Problem damit, dass Swoboda Teil des die Proteste anführenden Dreierbündnisses wurde und auf dem Maidan omnipräsent war. Mehr noch: Ein westlicher Spitzenpolitiker nach dem anderen hofierte Tjagnibok und trug so zu dessen Legitimierung und der Stärkung der Faschisten bei.

Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Ohne die Faschisten wäre der Sturz von Janukowitsch nicht möglich gewesen, wie ein Vertreter des "Rechten Sektors" ("Pravy Sektor") im Interview mit Thilo Jung betont: "Wir sind eine Vereinigung von rechten Organisationen, die sich inmitten der Euromaidan-Revolution zusammengeschlossen haben, um das Janukowitsch-Regime zu bekämpfen, und dabei auch an der Frontlinie waren. Es ist hauptsächlich uns zu verdanken, dass dieses Regime fiel. [...] Das Regime fiel nicht nur wegen uns, sondern auch wegen all dieser Menschen, die an diesen Straßenprotesten teilnahmen. Aber als es zum echten Kampf kam in dieser kriegsähnlichen Situation, in der es zum Waffengebrauch kam, da waren wir die Hauptkämpfer an der Frontlinie." (Jung & Naiv, 08.03.2014)

Zum Dank für ihre "Verdienste" wurden die Faschisten anschließend mit mehreren hochrangigen Posten in der neuen ukrainischen "Regierung" und im Apparat belohnt - darunter: Alexander Sych (Swoboda): Stellvertretender Ministerpräsident; Igor Tenjuk (vermutlich Swoboda): Verteidigungsminister; Andrej Parubiy (Swoboda): Sekretär des nationalen Rates der Sicherheits- und Verteidigungspolitik; Dmitro Jarosch (Rechter Sektor): Stellvertretender Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates; Sergej Kwit (Swoboda): Bildungsminister; Andrej Mokhnyk (Swoboda): Umweltminister; Igor Shwaika (Swoboda): Landwirtschafts- und Ernährungsminister; Oleg Machnizkij (Swoboda): Generalstaatsanwalt (Voltairenet.org, 06.03.2014).

Vor diesem erschreckenden Hintergrund ist der ungewöhnlich scharfen Kritik des ehemaligen EU-Erweiterungskommissars Günter Verheugen nur zuzustimmen: "Was die jetzige Situation so schwierig macht und auch das Gespräch [mit Russland] so schwierig macht, hat ja eine Ursache auch in Kiew selber, nämlich die Tatsache, dass dort ein fataler Tabubruch begangen worden ist, dem wir auch noch applaudieren, der Tabubruch nämlich, zum ersten Mal in diesem Jahrhundert völkische Ideologen, richtige Faschisten in eine Regierung zu lassen, und das ist ein Schritt zu weit." (Deutschlandfunk, 18.03.2014)


Anmerkungen

(1) Siehe für Zahlen Hofbauer, Hannes: Europas Schlusslicht, Neues Deutschland, 13.03.2014.

(2) Einer russlandkritischen Quelle zufolge soll die "Familie" von Janukowitsch zwischen 2010 und 2013 jährlich 8 bis 10 Mrd. Dollar entwendet haben. Siehe Wilson, Andrew: Supporting the Ukrainian Revolution, ECFR Memo Nr. 96/2014, S. 2.

(3) Um genau zu sein, umfasst die ENP die Palästinensische Autonomiebehörde und 15 Staaten. Im Süden: Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien und Tunesien. Im Osten: Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, Moldawien und die Ukraine.

(4) Dimitrovova, Bohdana: Imperial re-bordering of Europe: the case of the European Neighbourhood, in: Cambridge Review of International Affairs, Nr. 2/2012, S. 249-267, S. 254.

(5) EU-Ukraine Association Agreement - the complete texts,
URL: http://eeas.europa.eu/ukraine/assoagreement/assoagreement-2013_en.htm

(6) European Commission: EU-Ukraine Deep and Comprehensive Free Trade Area, Reading Guide,
http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/april/tradoc_150981.pdf, S. 2.

(7) Giucci, Ricardo: Wie wichtig ist das EU-Freihandelsabkommen für die Ukraine? Eine Einschätzung, in: Ukraine-Analysen, Nr. 119, 25.06.2013, S. 2-3, S. 2.

(8) Stefan Füle, Statement on the pressure exercised by Russia on countries of the Eastern Partnership, European Commission, Speech 13/687, 11.09.2013.

(9) Movchan, Veronika/Giucci, Ricardo: Quantitative Assessment of Ukraine's Regional Integration Options, Institute for Economic Research and Policy Consulting, Policy Paper 05/2011.

(10) Die hier verwendeten Zahlen wurden dieser Quelle Åslund, Anders: Ukraine's Choice, Peterson Institute for International Economics, Policy Brief, September 2013, S. 2 und dieser Seite entnommen: http://atlas.media.mit.edu/country/ukr/

(11) Über die Unvereinbarkeit eines Assoziationsabkommens mit der EU bei gleichzeitiger Mitgliedschaft in der Zollunion herrscht weitgehend Einigkeit. So gibt EU-Erweiterungskommissar Füle an: "Es trifft zu, dass die Mitgliedschaft in der Zollunion nicht kompatibel mit den Tiefen und umfassenden Freihandelsabkommen ist, die wir mit der Ukraine, Moldawien, Georgien und Armenien ausgehandelt haben. [...]
Das ist rechtlichen Unvereinbarkeiten geschuldet: beispielsweise kann man nicht gleichzeitig seine Zölle als Ergebnis des DCFTA senken und sie als Resultat einer Mitgliedschaft in der Zollunion erhöhen." Siehe Füle 2013.

(12) Ivanter, Viktor u.a.: The Economic Effects of the Creation of the Single Economic Space and Potential Accession of Ukraine, in: Eurasian Integration Yearbook 2012, Eurasian Development Bank 2012, S. 19-41.

(13) Hier sollte allerdings bedacht werden, dass selbst EU-affine Quellen einräumen, hinter den russischen Drohungen Schutzzölle zu errichten, stünden reale handelspolitische Befürchtungen: "Neben politischen hat Russland auch ernste handelsbezogene Bedenken. Es fürchtet, dass sich ukrainische Waren nach einem Freihandelsabkommen mit der EU auf ihrem Heimatmarkt einer noch stärkeren Konkurrenz seitens europäischer Waren ausgesetzt sehen werden. Und da diese ukrainischen Waren nicht die geforderten Standards erfüllen werden, um in die EU exportiert zu werden, könnten sie auf den russischen Markt 'geworfen' werden und die dortigen Produzenten untergraben. Russland sorgt sich auch darum, dass EU-Produkte als ukrainische umdeklariert und als ukrainische Exporte nach Russland unter den bestehenden vorteilhaften Zugangsbedingungen re-exportiert werden könnten." Siehe Popescu, Nicu: The Russia-Ukraine trade spat, EU Institute for Security Studies, Alert, 30.08.2013.

(14) "Das russische Hilfspaket: Kurz- und mittelfristige Implikationen", Deutsche Beratergruppe Ukraine, Newsletter Nr. 63/2014.

(15) Vgl. hierzu ausführlich Wagner, Jürgen: Russlands Roll Back. Ukraine, Kirgisien und die Auseinandersetzungen um den postsowjetischen Raum, in: AUSDRUCK (Oktober 2010), S. 18-23.

(16) Atilgan, Canan u.a.: Die Eurasische Union. Ein Integrationsprojekt auf dem Prüfstand, in: Kas Auslandsinformationen, 2/2014, S. 8-51.

(17) Åslund 2013, S. 4.

(18) Markus Meckel u.a.: Deutsche Außenpolitik und Östliche Partnerschaft, Positionspapier der Expertengruppe Östliche Partnerschaft, DGAPstandpunkt Nr. 1/2012, S. 2. Zit. nach Achelpöhler, Wilhelm/Cremer, Uli: Ukraine: Wir müssen über Geopolitik reden, Grüne Friedensinitiative, 04.03.2014.

(19) Vgl. Huber, Maria: Demokratieexport nach Osteuropa: US-Strategien in der Ukraine, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 12/2005, S. 1463-1472.

(20) Wagner 2010, S. 18ff.

(21) Friedman, George: Russia Examines Its Options for Responding to Ukraine, Stratfor Geopolitical Weekly, 18.03.2014.

(22) Brzezinski, Zbigniew: Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Berlin 1997, S. 74f.

(23) So schreibt etwa Lilia Shevtsova vom "Carnegie Endowment for International Peace": "In der Ukraine ist das postsowjetische Entwicklungsmodell zusammengekracht, das alle neue unabhängige Staaten (bis auf das Baltikum) prägt. Die Ukraine ist zu dem schwächsten Glied in der postsowjetischen Kette geworden. Man müsste im Auge behalten, dass ähnliche Umwälzungen auch in anderen Ländern möglich sind." (Süddeutsche Zeitung, 25.02.2014)

(24) Rogers, James: A letter from Prof. Sir Halford Mackinder to European leaders on Russia's invasion of Ukraine, European Geostrategy, 09.03.2014.

(25) Umland, Andreas: Tor zum Osten oder Krisenherd? in: Internationale Politik, November/Dezember 2013, S. 108-112.

(26) Neue Macht - Neue Verantwortung, Stiftung Wissenschaft und Politik/German Marshall Fund, September 2013, S. 2.

(27) Lucke, Albrecht von: Der nützliche Herr Gauck, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 2/2014, S. 5-8, S. 6.

(28) Neue Macht - Neue Verantwortung, S. 26 und 7.

(29) European Neighbourhood and Partnership Instrument: Ukraine, National Indicative Programme 2011-2013,
URL: http://ec.europa.eu/world/enp/pdf/country/2011_enpi_nip_ukraine_en.pdf

(30) Solonenko, Iryna: Eher Partner als Geber - die EU und die ukrainische Zivilgesellschaft, in: Ukraine-Analysen, Nr. 114, 12.03.2013, S. 6-8, S. 7.

(31) Laut der in der Tagesschau (20.12.2013) zitierten KAS-Leiterin in der Ukraine habe sich die Geschichte genau anders herum zugetragen: "2006, als Klitschko führendes Mitglied der politischen Bewegung 'Pora' war, entstand der erste Kontakt zur CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), erzählt die Leiterin des Stiftungsbüros in Kiew, Gabriele Baumann. Als der Oppositionspolitiker vor drei Jahren die Partei Udar (Schlag) gründete, fragte er Hilfe bei der KAS an: 'Vitali Klitschko kam auf uns zu. Er bat um informelle Kontakte zur CDU und zur Europäischen Volkspartei sowie um Unterstützung mit Seminaren und Schulungen'."

(32) "Auf der 'International Business Conference at Ukraine' in Washington hatte sie [Nuland] am 13. Dezember 2013 allerdings selbst gesagt: 'Seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 haben die Vereinigten Staaten die Ukrainer darin unterstützt, demokratische Fähigkeiten und Institutionen aufzubauen sowie Bürgerbeteiligung und eine gute Regierungsführung zu fördern - all das sind Voraussetzungen für die Ukraine, damit sie ihre europäischen Bestrebungen erreichen kann. Wir haben mehr als fünf Milliarden Dollar investiert, um die Ukraine in diesen und anderen Zielen zu unterstützen.'" (Hintergrund, 25.02.2014)

(33) http://www.youtube.com/watch?v=tdCVHRKL-y0

(34) Was Sanktionen anbelangt, sprechen sich wichtige deutsche Wirtschaftsvertreter scharf dagegen aus. So zitiert German-Foreign-Policy.com (18.03.2014) den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft: "Wenn jetzt eine Spirale aus gegenseitigen Wirtschaftssanktionen in Gang gesetzt wird, droht die europäische Wirtschaft nachhaltig Schaden zu nehmen". Auch Gernot Erler, der Russlandkoordinator der Bundesregierung, weist im Parlament (17.03.2014) deutlich auf die möglichen Auswirkungen von Sanktionen hin: "Es ist kein Zufall, dass sich die EU noch nicht auf konkrete Maßnahmen festgelegt hat. Da wird es noch einen Abstimmungsprozess geben müssen. Denn es ist klar: Ein Land wie Deutschland fügt sich durch die Zustimmung zu Wirtschaftssanktionen auch selbst Schaden zu. 6.200 deutsche Firmen sind in Russland aktiv. Wir haben 20 Milliarden Euro Direktinvestitionen in Russland, das Handelsvolumen betrug im Jahr 2013 76 Milliarden Euro. Von all diesen Zahlen hängen mindestens 300.000 Arbeitsplätze ab. Und es gibt die wechselseitige Abhängigkeit im Energiesektor."

(35) Zumal auch zu Timoschenko gute Kontakte bestehen, deren Partei augenscheinlich ebenfalls unterstützt wurde: "Batkiwschtschina ist seit dem Jahr 2008 mit Beobachterstatus bei der Europäischen Volkspartei (EVP) registriert, in der CDU und CSU eine starke Stellung innehaben. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat der Partei in der Vergangenheit auch praktisch Hilfe geleistet." (German-Foreign-Policy. com, 26.11.2013).

(36) Putin hat seine Rechtsauffassung in einer Pressekonferenz ausführlich dargelegt: http://eng.kremlin.ru/news/6763

(37) Eine von Putin abweichende Rechtsauffassung vertritt etwa Norman Paech: "Offensichtlich gibt es in der Verfassung der Ukraine auch keinen Passus, der eine einseitige Sezession eines Landesteils erlauben würde. [...] Seit langer Zeit, und zwar mit dem Entkolonialisierungsprozess, hat es immer ein Problem der Konkurrenz zwischen der territorialen Unversehrtheit und dem Selbstbestimmungsrecht gegeben. [...] Heute, nach der Dekolonisation, hat die territoriale Integrität Vorrang. Insbesondere natürlich auch das Gewaltverbot, Sezession darf nicht mit Gewalt durchgesetzt werden. Das Selbstbestimmungsrecht für Minderheiten reduziert sich darauf, innerhalb der Grenzen des Staates Autonomie, Selbstverwaltung, föderale Strukturen zu bekommen." (Neues Deutschland, 14.03.2014)

(38) Über die Ereignisse in der Ukraine. Bericht eines ökosozialistischen Aktivisten aus Kiew, Graswurzelrevolution, Nr. 386, Februar 2014.


Jürgen Wagner ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.


Anmerkung der Schattenblick-Redaktion:
Die vollständige Studie kann als PDF-Datei heruntergeladen werden unter:
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf

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Quelle:
IMI-Studie 2014/02b vom 26. März 2014
Ukraine: Ringen um die Machtgeometrie
URL: http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf
Herausgeber: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2014