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IMI/1011: Pandemie? Durchgespielt!


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.
IMI-Aktuell 2020/175 vom 29. Februar 2020

Pandemie? Durchgespielt!


Sowohl in der Politik als auch in den Medien ist aktuell eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit einer möglichen Pandemie des Corona-Virus spürbar. Das ist gut nachvollziehbar, denn obwohl in den vergangenen Jahren umfangreich in die Simulation unterschiedlicher "Bedrohungslagen" investiert wurde, lassen sich die Dimensionen einer weiteren Ausbreitung des Virus nicht seriös abschätzen. Und natürlich will sich nachher niemand vorwerfen lassen, entweder Panikmache oder Verharmlosung betrieben zu haben.

Recht oft allerdings wird der Vorwurf erhoben, Deutschland, die Politik oder das Gesundheitswesen seien auf solch einen Fall schlecht oder unzureichend vorbereitet. Diesen Eindruck vermittelt u.a. Tagesschau.de [1] und auch im Interview der Woche des Deutschlandfunks (DLF) [2] mit Gesundheitsminister Spahn gibt sich dieser annähernd selbstkritisch: "das System müsse auf solche Fälle besser vorbereitet sein" fasst der DLF seine Aussagen zusammen. Spahn selber sagt dort u.a., man müsse das "Zuständigkeitsmiteinander zwischen Bund, Ländern und Kommunen, wie es im Infektionsschutzgesetz angelegt ist, noch mal überarbeiten, auch gesetzlich."

Etwas erstaunlich ist, dass weder Politik noch Medien sich zu erinnern scheinen, dass ein vergleichbares Szenario, eine globale Influenza-Pandemie, im Rahmen des Übungszyklus LÜKEX (länderübergreifende Krisenmanagementübung / Exercise) im Jahr 2007 relativ konkret durchgespielt wurde. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe beschreibt die damalige Übung so: "Mit sieben Bundesländern, elf Bundesressorts und 50 Unternehmen, Hilfsorganisationen und Verbänden war 2007 die bisher umfangreichste Übung der Serie. An zwei Tagen übten rund 3.000 Personen in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Fall einer bundesweiten Pandemie mit einer fiktiven Erkrankungsrate von 33 Prozent der Bevölkerung, bundesweit 400.000 Krankenhauseinweisungen und 100.000 Todesfällen". Aus der Darstellung des THW [3] geht hervor, dass auch die fiktive Pandemie damals zum Anlass genommen wurde, die zivil-militärische Zusammenarbeit zu erproben: "Der Schwerpunkt der LÜKEX 07 liegt auf der Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Gesundheitswesen, von polizeilicher und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr, der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) sowie der Einbindung privater Unternehmen und Organisationen zum effektiven Schutz der Bevölkerung im Fall einer Krisensituation". Weil die Einbindung der Bundeswehr in den "Bevölkerungsschutz" quasi eine Konstante bzw. ein Markenzeichen des LÜKEX-Zyklus sind, wurde dieser auch von der IMI bereits verschiedentlich angesprochen (z.B. [4], [5] und [6]). Ob er darüber hinaus zur besseren Vorbereitung des Gesundheitssystems auf mögliche neuartige Erkrankungen beigetragen hat, wird sich ggf. in den nächsten Wochen zeigen.


Anmerkungen:
[1] https://www.tagesschau.de/regional/nordrheinwestfalen/wdr-story-32667.html
[2] https://www.deutschlandfunk.de/bundesgesundheitsminister-jens-spahn-cdu-wir-werden-die.868.de.html?dram:article_id=471279
[3] https://www.thw.de/SharedDocs/Meldungen/DE/Uebungen/national/2007/11/meldung_001_luekex_07.html
[4] http://www.imi-online.de/2008/02/15/vernetzte-sicherheit/
[5] http://www.imi-online.de/2016/10/17/bundeswehr-in-den-strassen-2/
[6] http://www.imi-online.de/2018/04/06/krieg-spielen-im-einkaufszentrum/

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Quelle:
IMI-Aktuell 2020/175 vom 29. Februar 2020
Pandemie? Durchgespielt!
http://www.imi-online.de/2020/02/29/pandemie-durchgespielt/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2020

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