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GRASWURZELREVOLUTION/1700: "Die Atomindustrie spiegelt unsere kaputt-kapitalisierte Welt wider"


graswurzelrevolution 423, November 2017
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

"Die Atomindustrie spiegelt unsere kaputt-kapitalisierte Welt wider"
Betonblöcke und Aktivist*innen gegen Urantransport: Ungewollter Zwischenstopp von 17 Stunden

von Hanna Poddig


Am Abend des 5. Oktober 2017 gelang Atomkraftgegner*innen eine Ankettaktion der besonderen Art: Sie fingen einen mit Uranhexafluorid beladenen Zug ein, indem sie sich vor und hinter dem Zug an im Gleisbett befindlichen Betonblöcken fixierten. Der Zug wurde so für rund 17 Stunden an der Weiterfahrt gehindert.


Bereits in der Vergangenheit hatte es auf der eingleisigen Bahnstrecke zwischen Münster und Gronau, die zur einzigen deutschen Urananreicherungsanlage (UAA) führt, Blockadeaktionen gegeben. Sowohl mit Ankettaktionen als auch mit Kletteraktionen wurden Transporte aufgehalten. Dabei handelte es sich jedoch um den Abtransport des abgereicherten Urans, also Mülltransporte. Mit der jetzigen Aktion wurde erstmals ein Zuliefertransport blockiert.

Aktive aus Hamburg hatten die Löschung der Ladung des Containerfrachters OOCL Montreal im Hafen beobachtet, Unterstützer aus Buchholz sahen schließlich den Zug mit dem hochgefährlichen Uranhexafluorid dort durchfahren. Und das ausgerechnet am 5. Oktober, für den es eine Sturmwarnung gab. Tatsächlich wurde der Zugverkehr in ganz Norddeutschland eingestellt, der Gefahrguttransport aber fuhr. Sein Ziel erreichte er dennoch erst mit 17 Stunden Verspätung, weil er gegen 17.30 Uhr bei Ochtrup (Münsterland) aufgehalten wurde.

Sechs Aktivist_innen hatten sich an Betonkonstruktionen unter den Schienen festgekettet und verhinderten sowohl die Weiterfahrt wie auch ein Umkehren des Zuges; er war eingefangen. Die sichtlich von dieser Aktion überraschte Polizei brauchte zunächst fünf Stunden um überhaupt technische Einheiten an die Orte des Geschehens zu organisieren. Diese Techniker versuchten dann mit schwerem Gerät, die Angeketteten aus dem Beton zu lösen. Sie fanden dabei nach eigenen Aussagen bereits sehr harten Beton vor sowie doppelwandige Stahlrohre mit Bitumenfüllung. Immer wieder wurden die Aktivist*innen schikaniert: Bei Regen wurden ihre Planen weggenommen, Schlafsäcke und Telefone ebenso, sie wurden beleidigt und sogar bespuckt. Solidarische Menschen in der Nähe wurden teilweise über zehn Stunden in Gewahrsam gesperrt, Pressevertreter erhielten Platzverweise und durften nicht zum Ort des Geschehens. Doch diese Einschüchterungsversuche führten nicht zum gewünschten Ergebnis: keine der angeketteten Personen befreite sich selbst aus der Konstruktion. Erst nach vielen Stunden gelang es den Technikern der Polizei Wuppertal, die Angeketteten nach und nach aus den Betonblöcken zu lösen, die letzte Aktivistin wurde erst am Morgen des 6. Oktober gegen 10 Uhr geräumt.

Das aus der kanadischen Konversionsanlage in Port Hope stammende Uran wird in Gronau angereichert, um dann in Brennelementefabriken wie der in Lingen für den Einsatz im AKW vorbereitet zu werden. Zuliefertransporte, wie der gestoppte sind also notwendige Voraussetzung für den Betrieb von Atomkraftwerken. Dass es den Aktivist*innen jedoch darüberhinaus um mehr geht, betonten sie unter anderem in einer Pressemitteilung, in der es heißt: "Die Atomindustrie spiegelt unsere kaputt-kapitalisierte Welt wider. Es wird auf Biegen und Brechen an einem offensichtlich gescheiterten System festgehalten, was Umwelt und Menschen gleichermaßen gefährdet".

Es wurden Strafverfahren gegen die Beteiligten eingeleitet, Spenden zur Deckung der zu erwartenden Kosten sind sehr erwünscht.

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Quelle:
graswurzelrevolution, 46. Jahrgang, Nr. 423, November 2017, S. 12
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2017

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