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GLEICHHEIT/6772: Wut unter Autoarbeitern über GMs geplante Werksschließungen wächst


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

"Bei Ford, bei Chrysler, bei GM - überall muss jetzt gestreikt werden"
Wut unter Autoarbeitern über GMs geplante Werksschließungen wächst

Von Jerry White
30. November 2018


In den Autofabriken und Arbeitervierteln wächst die Empörung über die geplante Schließung von fünf General Motors-Werken in den USA und Kanada, die am Montag angekündigt wurde. Anfang nächsten Jahres sollen drei Montagewerke in Detroit, Lordstown (Ohio) und Oshawa (Ontario, Kanada) sowie zwei Getriebewerke in Baltimore (Maryland) und dem Detroiter Vorort Warren (Michigan) geschlossen und die Arbeitsplätze von fast 15.000 Produktionsarbeitern und Angestellten gestrichen werden. Die Vorstandschefin von GM Mary Barra erklärte, die geplanten Werksschließungen würden "die langfristigen Profite und das Potenzial zur Geldschöpfung erhöhen".

Der Detroiter Autobauer verzeichnete im dritten Quartal eine Steigerung der Profite in Nordamerika um 38 Prozent und wird dieses Jahr voraussichtlich zehn Milliarden Dollar Gewinn machen. In den letzten fünf Jahren betrugen die Profite 42 Milliarden Dollar. Die Wall Street feierte die Ankündigung der Schließungen mit einem Anstieg der GM-Aktie um fast sieben Prozent. Die Finanzmärkte sehen es als gesichert, dass ein Großteil der schätzungsweise 6,5 Milliarden Dollar, die bis 2020 eingespart werden sollen, mit Hilfe weiterer Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen an reiche Investoren gehen wird.

Das Wall Street Journal, die Washington Post und andere Leitmedien lobten den Stellenabbau in ihren Leitartikeln. Trump und die Demokraten, die GM eine Steuersenkung um 500 Millionen Dollar beschert haben, sowie die United Auto Workers (UAW) protestierten scheinheilig: GM solle Werke in China und Mexiko schließen. Allerdings unterstützen beide Parteien des Großkapitals und die UAW die unablässige Kampagne zur Senkung der Löhne und Arbeitsbedingungen der Arbeiter, um mehr Geld auf die Konten der Wirtschafts- und Finanzelite zu leiten.

Angela, eine Fiat Chrysler-Arbeiterin aus Kokomo (Indiana), sagte über die Werksschließungen: "Das ist Kapitalismus, wie er im Buche steht. Es zeigt sich, dass es ihnen um nichts anderes geht als um die Aktienkurse. Weihnachten steht bevor, und ich kann mir nur vorstellen, unter welchem Druck diese Arbeiter stehen werden, wenn sie Geschenke für ihre Kinder kaufen wollen und wissen, dass sie ab nächstem Jahr keinen Job mehr haben werden."

"Wenn Trump und die Medien sagen, der Wirtschaft sei es noch nie so gut gegangen wie jetzt und dass die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordtief ist, dann ist das nichts als Schwachsinn. Ich kenne kein anderes Land auf der Welt, wo es mehr Propaganda gibt als in Amerika. Dann sagen sie uns, Mexiko oder China wären schuld oder dass verzweifelte Einwanderer uns die Arbeitsplätze wegnehmen... Dieses ganze Suchen nach Sündenböcken ekelt mich an."

"Was hat sich seit dem Crash von 2008 geändert? Sie haben die Superreichen und die ganzen Konzerne mit riesigen Summen gerettet. Aber wir Arbeiter haben nichts bekommen. Wie sicher sind unsere Arbeitsplätze? Wir sind verzweifelt und bedrängt von Gläubigern, und das soll angeblich die beste Zeit überhaupt sein."

Auf den globalen Finanzcrash von 2008 folgte die Sanierung von GM und Chrysler durch die Obama-Regierung, bei der die Löhne aller neu eingestellten Arbeiter halbiert und der Achtstundentag abgeschafft wurden. Außerdem wurde die Jobs Bank abgeschafft, die entlassenen Arbeitern zumindest einen Hauch von Einkommensschutz bot.

Als Gegenleistung für diese Zugeständnisse hat die UAW die Kontrolle über einen milliardenschweren Gesundheitsfonds für Rentner und den Löwenanteil der Aktien von GM erhalten. Nachdem sie letzten Februar 40 Millionen Aktien für ganze 1,6 Milliarden Dollar an das Unternehmen zurück verkauft hat, besitzt die UAW noch immer 100 Millionen Aktien, deren Wert auf 3,67 Milliarden Dollar geschätzt wird. Als die Aktien von GM nach der Ankündigung der Werksschließungen in die Höhe schossen, stieg auch der Wert der Aktien im Besitz der UAW um 214 Millionen Dollar.

In den Jahren 2009, 2011 und 2015 setzte die UAW Tarifverträge mit der Lüge durch, dass eine Erhöhung der Profite der Konzerne auch die Arbeitsplätze "sichern" werde. So macht sie es seit vier Jahrzehnten.

Angesichts der zunehmenden Streiks und Massenproteste von Arbeitern in den USA und auf der ganzen Welt in diesem Jahr ist die Entscheidung von GM ein Signal an die Wall Street, dass auch weiterhin maximale Profite aus den Arbeitern gepresst werden sollen. Vor allem soll der Stellenabbau die Militanz der 140.000 Autoarbeiter bei GM, Ford und Fiat Chrysler ersticken, die entschlossen sind, ihre verlorenen Einkommen zurückzugewinnen und beträchtliche Errungenschaften zu erkämpfen, wenn ihre vierjährigen Tarifverträge im September 2019 auslaufen.

Nach der Ankündigung von GM gab Ford bekannt, es werde in seinen beiden Montagewerken in Louisville (Kentucky) und Flat Rock (in einem Vorort von Detroit) jeweils eine Schicht streichen und damit 500 Arbeitsplätze abbauen. Das Unternehmen behauptet, es werde keine dauerhaften Entlassungen geben, da Arbeiter in andere Werke versetzt würden. Allerdings sind viele Arbeitsplätze von Teilzeit- und Kurzzeitarbeitern in Gefahr. Sie zahlen zwar Gewerkschaftsbeiträge, haben aber keinerlei Kündigungsschutz.

Ein Arbeiter aus dem nahegelegenen Getriebewerk in Kentucky erklärte gegenüber der WSWS: "Das Montagewerk in Louisville hat erst heute angekündigt, dass sie Leute entlassen. Wir haben gehört, 500 Arbeiter sollen in unser Werk versetzt werden. Aber was passiert mit den Teilzeit- und Kurzzeitarbeitern? Die meisten von ihnen werden arbeitslos werden. Das ist vollkommen inakzeptabel."

Ein GM-Leiharbeiter aus dem Raum Detroit sagte: "Es überrascht mich nicht, was GM getan hat. Es heißt Kürzen, Zerstören, Verbrennen - Menschen, Familien und Gemeinden. Denkt an Detroit vor 40 Jahren. Damals war es wunderschön. Und schaut euch heute Flint an. Alles was sie berühren, verwandelt sich in Sch****."

Wenn die Arbeiter die Werksschließungen nicht verhindern, werden Detroit, Oshawa und die Städte um das Werk Lordstown (Ohio) noch schlimmer verwüstet werden. Sie leiden bereits jetzt unter jahrzehntelanger Deindustrialisierung und chronischer Armut. Laut einer konservativen Schätzung werden die Nachwirkungen der Schließungen zur Zerstörung weiterer 35.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern und Dienstleistern führen.

Ein GM-Arbeiter aus dem Werk in Detroit-Hamtramck, das geschlossen werden soll, erklärte gegenüber dem Autoworker Newsletter der WSWS: "Wir sollten in ganz Amerika streiken. Bei Ford, bei Chrysler, bei GM - überall muss jetzt gestreikt werden."

Tommy aus dem Werk Lordstown, der bereits entlassen wurde, sagte: "Viele Leute hier sind stinksauer und fühlen sich wie in die Gosse getreten. Wir sind bereit, etwas zu tun, um zurückzuschlagen."

Ein anderer Arbeiter aus Lordstown sagte: "Es muss eine Bewegung in ganz Amerika sein. Wir müssen es als eine Bewegung betrachten, weil eine Niederlage keine Option ist."

Eine junge Teilzeitarbeiterin aus dem Montagewerk von Fiat-Chrysler in Sterling Heights, die zuvor im Werk in Detroit-Hamtramck gearbeitet hatte, erklärte: "Es geht in diesem Kampf um Arbeitsplätze. Sie nehmen uns ständig die Arbeitsplätze weg. Viele Arbeiter in diesem Werk versuchen, genug zu arbeiten, um in Rente zu gehen. Die Schließung wird Arbeiter in ganz Detroit betreffen, auch andere Unternehmen und Zulieferer."

"Teilzeitkräfte wie mich selbst wird es am härtesten treffen", fügte sie hinzu, da sie keine Rechte durch Betriebszugehörigkeit oder auf Rückforderungen haben.

Die UAW ist unter Autoarbeitern allgemein verhasst. Sie wird von einem Korruptionsskandal erschüttert, da sie Millionen Dollar von Fiat-Chrysler-Vorständen erhalten hat - als Gegenleistung für die Aushandlung von Tarifabkommen im Sinne der Unternehmen. Kurz bevor GM letztes Jahr die zweite von drei Schichten im Werk Lordstown gestrichen hat, unterzeichnete die ehemalige UAW-Vizepräsidentin bei GM, Cindy Estrada, hinter dem Rücken der Arbeiter einen Tarifvertrag, der es GM erlaubt, Arbeitsplätze an einen Subunternehmer mit schlechteren Löhnen auszulagern.

"Die UAW wusste, dass das kommt", sagte Dick, der bei FCA Toledo Jeep arbeitet, über die Schließungen. "Estrada hat wahrscheinlich den Boden dafür bereitet. Ich bin mir sicher, dass GM mauscheln wird, um weitere Steuersenkungen zu bekommen, und die Arbeiter nächstes Jahr bei den Tarifverhandlungen zu erpressen wird. Das Unternehmen wird diese Werke als Druckmittel benutzen, damit die Arbeiter mehr Zugeständnisse machen."

"Ich wette, die UAW wird GM als Ziel auswählen und den Arbeitern sagen, sie müssten in den sauren Apfel beißen, wenn sie ihre Arbeitsplätze wieder haben wollen. Wenn es zum Kampf kommt, wird er von den Arbeitern selbst ausgehen müssen."

Angela aus dem FCA-Getriebewerk in Kokomo erklärte: "Die UAW ist eine Organisation, die Bestechungsgelder annehmen, inmitten eines Korruptionsskandals ihren Spitzenfunktionären Gehaltserhöhungen geben und ihnen Häuser in Black Lake bauen wird. Sie erkennen die Botschaft. Die Arbeiter werden sie stehenlassen und keine Beiträge mehr zahlen. Deshalb wollen sie so viel wie möglich stehlen, bevor sie untergehen."

"Die einzigen, die gegen diese Werksschließungen kämpfen werden, sind die Arbeiter selbst. Sie sagen uns, wir sollen den Mächtigen die Wahrheit sagen, aber das Problem ist, dass die die Wahrheit schon kennen. Sie wissen schon, was sie mit uns machen, aber es ist ihnen völlig egal. Die Arbeiterklasse wird aufstehen und ihnen die Macht wegnehmen müssen."

Der 26-jährige Teilzeitarbeiter Mark aus dem Hamtramck-Werk von GM erklärte, er habe erst "einen Tag später in den Nachrichten" von der Schließung erfahren. "Es ist wirklich entmutigend. Sie haben uns gesagt, es 'tue ihnen Leid', dass wir es auf diese Weise herausgefunden haben. Laut dem Gewerkschaftspräsidenten haben wir gar nichts gehört."

Nach der Highschool arbeitete Mark vier Jahre mit vielen Unterbrechungen für zehn Dollar pro Stunde bei Walmart. Vor vier Jahren wurde er als Teilzeitarbeiter bei GM angestellt, hatte aber nie die Chance auf eine Festanstellung. Wegen kurzzeitiger oder dauerhafter Schließungen musste er wiederholt seine Arbeitsstelle wechseln und fängt jedes Mal von vorne an, sodass er nie eine dauerhafte Stelle bekommen kann. Er sagte dazu: "Ich bin von einem Werk zum nächsten gesprungen". Im Sommer 2017 verlor er seine Stelle im GM-Werk Lake Orion aufgrund der Stilllegung. Er verdient fünfzehn Dollar pro Stunde und weiß nicht, was er machen soll, wenn die Schließung kommt.

Er sagte: "GM stopft sich nur die Taschen voll, und wir ziehen den kürzeren. So funktioniert es. Das sind wir in Amerika gewöhnt. Diejenigen, die das meiste brauchen, kriegen am wenigsten. Die an der Spitze kümmern sich um sich selbst. Wenn man in der Arbeiterklasse ist, muss man ständig arbeiten, um auch nur zu überleben. Sie geben einem nicht einmal die Chance auf ein bequemes Leben. Man könnte meinen, wir würden besser behandelt, weil wir diejenigen sind, die das Unternehmen tatsächlich jeden Tag am Laufen halten. Und dass es ohne uns nicht gehen würde."

Mark erklärte, ohne Ersparnisse könne er sich eine teure Reparatur seines Autos nicht leisten, falls es kaputt gehen sollte: "Ich kann mir das Nötigste leisten. Es ist ein Kampf. Es frustriert einen, wenn man hier um 5 oder 6 Uhr morgens raus kommt, und viele von uns kommen um 8 oder 9 Uhr abends heim. Und dann muss man gleich wieder zurück."

Mark denkt, dass jeder Arbeiter das Recht auf eine dauerhafte Vollzeitstelle hat, nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt. "Jeder verdient einen Job. Wenn wir in unterschiedlichen Ländern kämpfen würden, damit wir auf der gleichen Seite sind, mit dem gleichen Lohn, dann könnten wir etwas erreichen. Ich glaube, die Arbeiterklasse muss viel mehr als Klasse zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass nicht nur ein paar Reiche den Armen alles diktieren. Es ist ungerecht und unfair. Wir sollten den ganzen Reichtum einfach so aufteilen, dass alle gleich viel haben."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 30.11.2018
"Bei Ford, bei Chrysler, bei GM - überall muss jetzt gestreikt werden"
Wut unter Autoarbeitern über GMs geplante Werksschließungen wächst
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2018

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