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GLEICHHEIT/5582: Niederlande - Polizei tötet Einwanderer


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Niederlande: Polizei tötet Einwanderer

Von Stefan Steinberg
7. Juli 2015


Ca. 200 Personen wurden bei vier Nächte andauernden Protesten vergangene Woche in Den Haag festgenommen. Die Auseinandersetzungen begannen nach dem durch die Polizei verursachten Tod eines Touristen aus der Karibik, Mitch Henriquez, in der vergangenen Woche. Henriquez war Vater von drei Kindern und 42 Jahre alt. Er besuchte Verwandte in der holländischen Hauptstadt und wurde von der Polizei angegriffen, als er ein Rockkonzert in Zuiderpark verließ.

Nach Angaben der Polizei behauptete Henriquez, als er angehalten wurde, eine Pistole in seinem Besitz zu haben und soll sich der Festnahme widersetzt haben. Später gaben offizielle Stellen zu, dass er unbewaffnet war. Anfänglich behauptete die Staatanwaltschaft auch, Henriqez sei in dem Polizeiauto bewusstlos geworden und die Beamten hätten ihn zu reanimieren versucht. Stunden später zeigten aber im Netz auftauchende Videoaufnahmen, das Henriqez schon bewusstlos war, als drei Polizisten ihn in das Polizeiauto verfrachteten.

Ein Zeuge beschrieb im Internet, dass Henriqez von sechs Polizisten angegriffen worden sei. Einer von ihnen habe ihn mit einem Schlagstock am Kopf und an den Beinen traktiert. Mindestens ein Beamter hatte den sich wehrenden Mann im Würgegriff. Die Autopsie ergab, dass Henriquez erstickt war.

Am Tag nach dem Tod des Touristen versammelten sich zornige Menschen vor dem Polizeipräsidium und forderten ein Ende der Belästigung von Jugendlichen und Einwanderern durch die Polizei. Polizisten gingen gegen die Protestierenden vor, die sich mit Steinen und Feuerwerkskörpern wehrten. In den nächsten Tagen nahmen die Proteste zu und konzentrierten sich auf den Stadtteil Schilderswijk im Stadtzentrum.

Die Proteste und Demonstrationen sind eine direkte Reaktion auf die Armut und die miserablen Lebensbedingungen und die jahrelange Belästigung seitens der Polizei, die in den ärmeren Regionen und Städten der Niederlande herrschen. Der Stadtteil Schilderswijk hat drei der zehn ärmsten Postleitzahlenbezirke der Niederlande. Seine Bevölkerung besteht zu 85 Prozent aus Ausländern der ersten oder zweiten Generation.

Der Bürgermeister der Stadt, Jozias Van Aartsen beeilte sich, Vergleiche zwischen der Polizeibrutalität in Den Haag und ähnlichen Todesfällen zurückzuweisen, die wesentlich häufiger in den USA stattfinden. Aber in mancherlei Hinsicht setzt die niederländische Regierung aus rechtsliberaler VVD und der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA) Taktiken bei der polizeilichen Unterdrückung ähnlich wie in den USA ein, um die wachsende soziale Opposition gegen ihre Politik von Sozialkürzungen und entschlossener Austerität unter Kontrolle zu halten.

Die niederländische Polizei praktiziert in armen Vierteln wie Schilderswijk eine Null-Toleranz-Politik im Stile der USA. Die erste Reaktion von Bürgermeister Van Aartsen auf die Unruhen bestand in der teilweisen Verhängung des Notstands mit einem Verbot aller Zusammenkünfte.

Neben der Null-Toleranz-Politik der Polizei in Arbeiter- und Einwandererstadtteilen heizt die holländische Regierung auch bewusst rassistische und einwandererfeindliche Stimmungen an, um die Opposition gegen ihre Kürzungspolitik zu spalten.

Vor der Koalition mit der Labour Party hatte der aktuelle Ministerpräsident Mark Rutte von der VVD eine Minderheitsregierung geführt, die bis 2012 von Geert Wilders extrem rechter Partei der Freiheit (PVV) gestützt wurde. Die PVV ist berüchtigt für ihre üblen rassistischen Kampagnen besonders gegen die muslimische Gemeinde in den Niederlanden.

Im Mai war Wilders Hauptsprecher auf einer Ausstellung von Cartoons in Texas, die den Propheten Mohammed verunglimpfte, Sie wurde von der rechten anti-musmlischen und pro-zionistischen American Freedom Defense Initiative (AFDI) ausgerichtet. Die Organisatoren versuchten die anlässlich des Terrorangriffs auf die Büros von Charlie Hebdo in Paris im Januar losgetretene anti-muslimische Kampagne für ihre Ziele zu nutzen. Zwei bewaffnete Demonstranten wurden von der Polizei erschossen, die die Ausstellung beschützte. Die Ausstellung wurde von staatlichen und privaten Sicherheitskräften schwer bewacht.

Wilders demonstrierte seinen anhaltenden Einfluss im holländischen Establishment, als er in der Lage war, einige Karikaturen aus der Ausstellung in Texas Ende des letzten Monats auch im holländischen Fernsehen zu zeigen. Die Vorführung der Cartoons war eine bewusste Aktion, um die rassistischen Spannungen in den Niederlanden zu verschärfen.

Als jüngste Provokation wurde der PVV erlaubt, eine Hotline einzurichten, wo angeblich holländische Bürger Beschwerden und rassistisches Gift gegen Arbeiter aus Zentral- und Osteuropa loswerden können.

Der holländische Ministerpräsident demonstrierte seine Verachtung für das Schicksal derer, die in Stadtteilen wie Schilderswijk leben müssen, indem er die Unruhen verurteilte und erklärte, er habe nicht die Absicht, den Stadtteil zu besuchen. "Ich plane nicht, jeden Stadtteil persönlich zu besuchen, in dem rückständige Rabauken Rabbatz machen", sagte er Journalisten.

Während Wilders weiter seinen rassistischen Schmutz in den holländischen Medien verbreiten darf, ist die Regierung entschlossen, die sozialen Errungenschaften der Arbeiter weiter anzugreifen. Einer der zentralen Bereiche, in denen die Regierung Mittel kürzt, ist die Finanzierung von Programmen zur Integration eingewanderter Arbeiter in die holländische Gesellschaft. Diese Kürzungen werden von Finanzminister Jeroen Dijsselbloem in Ruttes Kabinett, organisiert. Dijsselbloem ist führendes Mitglied der Arbeitspartei und als Chef der Eurogruppe einer der entschiedensten Vertreter einer strikten Austeritätspolitik in Griechenland und ganz Europa.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.07.2015
Niederlande: Polizei tötet Einwanderer
http://www.wsws.org/de/articles/2015/07/07/dutc-j07.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2015

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