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GLEICHHEIT/5013: Münchner Sicherheitskonferenz - Deutschland und die USA vertreten aggressive Politik


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Münchner Sicherheitskonferenz:
Deutschland und die USA vertreten aggressive Politik

Von Stefan Steinberg
4. Februar 2014



Am Wochenende versammelten sich etwa 400 wichtige internationale Führungspersönlichkeiten aus Politik und Militär sowie Vertreter von Rüstungsunternehmen, Banken und Konzernen auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), um über die weltweite militärische und Sicherheitslage zu diskutieren. Mit John Kerry und CHuck Hagel nahmen erstmals der amerikanische Außen- und der Verteidigungsminister gleichzeitig an der Konferenz teil.

Hohe deutsche Regierungsvertreter hielten auf der MSC mehrere Reden, in denen sie eine aggressive Militärpolitik ankündigten und sich praktisch von den traditionellen Beschränkungen distanzierten, die dem deutschen Militarismus nach dem Zusammenbruch des Naziregimes nach dem Zweiten Weltkrieg auferlegt wurden. Der ehemalige ostdeutsche Pfarrer und amtierende Bundespräsident Joachim Gauck gab den kriegerischen Grundtenor vor.

Gauck erklärte, Deutschland müsse aufhören, sich hinter seiner Vergangenheit - d.h., der Tatsache, dass es im 20. Jahrhundert zwei Weltkriege begonnen hat - zu verstecken und forderte, die Bundeswehr öfter und entschlossener einzusetzen. Gauck erklärte weiter, Deutschland könne nicht einfach weitermachen wie bisher. Es sei angesichts des "rasanten Wandels" der Bedrohungen notwendig, Deutschlands Gleichgültigkeit und Europas Beschäftigung mit sich selbst zu überwinden.

Das bedeutet, dass der deutsche Imperialismus in den wichtigsten Konflikten der Welt intervenieren wird, wenn nötig auch militärisch: in den Konflikten im Nahen Osten, vor allem im amerikanischen Stellvertreterkrieg in Syrien, in Berlins Konflikt mit Moskau um die Ukraine und in Ostasien, wo die USA ihre Politik der "Schwerpunktverlagerung" gegen China betreibt

Gauck machte deutlich, dass sich die Interessen des deutschen Imperialismus auf die ganze Welt erstrecken und stellte eine Reihe von Fragen: "Tun wir, was wir könnten, um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren, im Osten wie in Afrika? Tun wir, was notwendig ist, um den Gefahren des Terrorismus zu begegnen? Und wenn wir überzeugende Gründe dafür gefunden haben, uns zusammen mit unseren Verbündeten auch militärisch zu engagieren, sind wir dann bereit, die Risiken fair mit ihnen zu teilen?"

"Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird - der Einsatz der Bundeswehr -, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip 'nein' noch reflexhaft 'ja' sagen," beendete er seine Rede.

Gaucks weltweitem Ruf zu den Waffen schlossen sich auf der Konferenz die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit getrennten Redebeiträgen an.

Von der Leyen erklärte: "Sie als Zuhörer brauchen gewiss keinen Blick in das Programm der Konferenz zu werfen, um sich der Krisen und Konflikte bewusst zu werden, denen wir heute ins Auge schauen: der schreckliche Krieg in Syrien, die immer noch bedrückende Lage in Libyen, die sich verschlechternde Lage in einigen Teilen unseres Nachbarkontinents Afrika... Daher ist Abwarten keine Option. Wenn wir über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu engagieren."

Steinmeier forderte Deutschland zur Bereitschaft auf, "sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen." Er forderte die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik in enger Zusammenarbeit mit den USA und rief außerdem zu Verhandlungen mit Russland auf, um die Interessen des Westens in der Ukraine und im Iran zu sichern.

Steinmeier war einer der ersten, die Kerry begrüßten, als er in Deutschland landete, um an der Konferenz teilzunehmen. Beide versicherten sich gegenseitig ihrer engen und freundlichen Beziehung.

Der wichtigste Gegner, um den es allen Fürsprechern einer erneuerten Rolle des deutschen Militarismus ging, ist die deutsche Bevölkerung. Laut einer aktuellen Umfrage des ARD-Morgenmagazins sind 61 Prozent der Bevölkerung gegen verstärkte Interventionen der Bundeswehr in Afrika. Eine weitere Umfrage, die letzten Freitag veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass 45 Prozent der Befragten glaubten, die Bundeswehr sei jetzt schon "zu stark" im Ausland aktiv.

Zu ernsthaften Streitigkeiten kam es auf der Konferenz wegen der Ukraine. Deutschland und die USA haben die führende Rolle übernommen, regierungsfeindliche Proteste der Pro-EU-Opposition zu unterstützen, die politisch von rechtsextremen Elementen angeführt werden, darunter der faschistischen Partei Swoboda (Freiheit). Vertreter Russlands und der Ukraine kritisierten die Politik des Westens.

Der ukrainische Außenminister Leonid Koschara beklagte sich, dass die Opposition nicht ernsthaft mit dem ukrainischen Regime verhandelt habe und der Führer der Opposition, Vitali Klitschko, warf dem Regime vor, gegen seine Anhänger "Terror und Gewalt" einzusetzen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte auch die Behauptungen der USA und der EU, sie würden durch ihre Unterstützung der Opposition Demokratie fördern. "Was hat es mit Einsatz für Demokratie zu tun, wenn man gewalttätige Straßenproteste schürt? Warum hören wir keine Kritik an denjenigen, die Regierungsgebäude besetzen, die Polizei angreifen und rassistische, antisemitische und faschistische Parolen benutzen?"

Die Vertreter der westlichen Regierungen wiesen diese Äußerungen schroff zurück. Kerry erklärte, der Kampf für die Zukunft der Demokratie in Europa sei nirgendwo so dringend wie in der Ukraine. In seinen Bemerkungen zur Ukraine dementierte Kerry, dass neofaschistische Schläger eine wichtige Rolle bei den jüngsten Protesten in Kiew spielten und sprach von "unappetitlichen Elementen," die man "in einer chaotischen Situation immer auf den Straßen antrifft."

Kerrys eigene Rede auf der Konferenz war gespickt mit Verzerrungen und Ausflüchten. An einer Stelle prahlte er mit der Anhäufung von Reichtum in Amerika und behauptete, auf Grundlage der Prinzipien des Marktes sei im Vergleich zu den 1990ern das Einkommen jeder einzelnen Einkommensschicht unserer Beschäftigten gestiegen... Wir haben seit den 1990ern den größten Reichtum geschaffen, den die Welt gesehen hat, sogar noch größer als im Amerika zur Zeit der Pierpoints, der Morgans, der Rockefellers, Carnegies und Mellons, viel größer."

In einem anderen Teil seiner Rede verteidigte Kerry die Überwachungsaktivitäten der National Security Agency, die auf massive internationale Kritik gestoßen waren, vor allem von breiten Teilen der deutschen Bevölkerung. Er erklärte, die Demokratie in Amerika sei immer "in Arbeit" und verteidigte die Ausweitung der weltweiten Überwachung durch die NSA unter der Obama-Regierung und begrüßte den Plan, den die Regierung vor kurzem angekündigt hatte, "die Praktiken unserer Geheimdienste und Signalaufklärung zu überprüfen und zu überarbeiten..."

Kerry ignorierte das enorme Anwachsen sozialer Ungleichheit in Amerika und die Angriffe auf demokratische Rechte durch seine eigene Regierung und kündigte an: "Wir haben einen beunruhigenden Trend entdeckt. In vielen Teilen Osteuropas und des Balkans werden die Forderungen der Bürger korrupten und oligarchischen Interessen unterworfen; diese Interessen setzen Geld ein, um die politische Opposition und den Widerstand zum Schweigen zu bringen und Politiker und Medien zu kaufen."

Die Heuchelei von Kerrys Bemerkungen ist umwerfend. Die wichtigsten Vorbilder der Oligarchen in Osteuropa sind die milliardenschweren Financiers und Unternehmensplünderer der Wall Street. In den letzten 25 Jahren haben die Oligarchen in Russland, der Ukraine und anderen Ländern ihre Vermögen auf der Grundlage der gleichen marktwirtschaftlichen Prinzipien gemacht, die Kerry in seiner Rede verteidigte.

Kerry forderte in seiner Rede im Wesentlichen, dass sich Russland bereit erklären solle, die Ukraine freizugeben, damit sie unter Schirmherrschaft der von den USA unterstützten Europäischen Union in die Einflusssphäre des deutschen Imperialismus gebracht werden kann.

US-Verteidigungsminister Hagel betonte auf der Konferenz: "Die drängenden Sicherheitsfragen für Europa und die USA sind globaler Natur: die politische Instabilität und der gewalttätige Extremismus im Nahen Osten und Nordafrika, gefährliche nichtstaatliche Akteure, Schurkenstaaten wie Nordkorea, Cyberkriegsführung, demografischer Wandel, wirtschaftliche Schieflagen, Armut und Hunger."

Hagel beendete seine Rede, indem er die Hinwendung der Obama-Regierung zum Pazifik verteidigte und China und Russland als die größten Bedrohungen des transatlantischen Bündnisses identifizierte. Er erklärte: "Während wir diesen Bedrohungen gegenübertreten modernisieren Länder wie China und Russland mit hoher Geschwindigkeit ihre Streitkräfte und globalen Rüstungsindustrien und gefährden unseren technologischen Vorsprung in militärischen Partnerschaften auf der ganzen Welt."

In der Diskussionsrunde, die auf die Erklärungen folgte wiesen Kerry und Hagel Behauptungen zurück, Amerika ziehe sich von der Weltbühne zurück und erklärten ihre Absicht, weiter aggressiv gegen Syrien und den Iran vorzugehen.

Hagel antwortete auf die Frage eines Journalisten: "Ich habe noch nie eine vollständige Bestandsaufnahme von allem gesehen, was wir auf der ganzen Welt tun, aber ich wage zu behaupten, dass die USA vermutlich in mehr Orten anwesend und aktiv sind als je zuvor."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 04.02.2014
Münchner Sicherheitskonferenz:
Deutschland und die USA vertreten aggressive Politik
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2014