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GLEICHHEIT/4925: Samaras in Berlin - Merkel fordert verschärften Sparkurs


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Samaras in Berlin: Merkel fordert verschärften Sparkurs

Von Christoph Dreier
23. November 2013



Während CDU und SPD hinter verschlossenen Türen über einen Koalitionsvertrag verhandeln, hat Kanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen mit dem griechischen Premierminister Andonis Samaras unmissverständlich deutlich gemacht, dass die neue Regierung den Kurs des Sozialabbaus in Europa fortsetzen und verschärfen wird.

Der zukünftige Koalitionspartner SPD trägt diesen Kurs voll mit. Schon in der Opposition hatten die Sozialdemokraten das unerbittliche Spardiktat aus Berlin und Brüssel bei Parlamentsabstimmungen unterstützt, aber zumindest in Worten einige der schlimmsten Auswüchse kritisiert. Nun war aus den Reihen der SPD kein kritisches Wort mehr zu hören.

Als Samaras und Merkel am Freitagmittag an die Mikrofone der Pressekonferenz traten, bemühten sie sich darum, Optimismus und Einigkeit zu zeigen. "Wir wollen das gegenwärtige Programm erfüllen", sagte Samaras. "Wir sehen Licht am Ende des Tunnels." Diesen Satz wiederholte Merkel zustimmend und fügte hinzu, dass die griechische Regierung in ihren Sparbemühungen "beeindruckende Fortschritte" gemacht habe.

Tatsächlich steht hinter diesen blumigen Worten eine äußerst aggressive Politik. Die Kanzlerin hat deutlich gemacht, dass sie eine ernsthafte Erleichterung der Schuldenlast Griechenlands nicht akzeptieren wird. Sie will die horrende Verschuldung des Landes weiter ausnutzen, um die sozialen Rechte der Arbeiter auf dem ganzen Kontinent anzugreifen.

Schon am Vortag hatte Merkel einen Schuldenschnitt für Griechenland abgelehnt. Man könne höchstens über eine Senkung der Zinsen oder eine Laufzeitverlängerung der Kredite nachdenken, erklärte die Kanzlerin. Beide Maßnahmen würden den horrenden Schuldenberg Griechenlands nicht abbauen, sondern den Abbau nur in die Länge ziehen. Auf der Pressekonferenz schloss Merkel außerdem aus, "dass es Erleichterungen in den Verpflichtungen geben wird". Gemeint sind die rigiden Sparauflagen der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF).

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits am Montag einem möglichen Schuldenschnitt eine deutliche Absage erteilt. Es könne im Jahr 2014 zwar neue Hilfskredite geben, dazu müssten die Krisenländer aber "ihre Finanzen weiter ordnen, ihre Strukturreformen fortsetzen". Insbesondere Griechenland müsse alle Vereinbarungen erfüllen.

Diese Vereinbarungen beziehen sich auf die Haushaltskürzungen, welche die Troika Griechenland seit 2010 diktiert hat. In den letzten Wochen kam es darüber zwischen Regierung und Troika zu scharfen Konflikten über das Budget für 2014.

Die Regierung legte am Donnerstag einen Haushaltsplan vor, der weitere Kürzungen von 5,6 Milliarden Euro vorsieht. Allein 3,2 Milliarden sollen bei den Sozialausgaben gestrichen werden, davon ein Großteil im ohnehin unterversorgten Gesundheitsbereich. Der Troika gehen diese Angriffe nicht weit genug. Sie fordert weitere Kürzungen von mindestens einer Milliarde Euro. Andernfalls droht sie, weitere Tranchen der Hilfskredite zurückzuhalten. "Viele Finanzminister der Euro-Zone verlieren langsam die Geduld", sagte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem der griechischen Zeitung Ta Nea.

Merkel und Schäuble haben nun unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie diesen Kurs auch über 2014 hinaus fortsetzen wollen. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte wird als Hebel genutzt, um den gesellschaftlichen Reichtum umzuverteilen. Griechenland dient dabei als Modell für den gesamten Kontinent.

Die von der Troika und Berlin diktierten Haushaltskürzungen haben in Griechenland eine verheerende soziale Katastrophe herbeigeführt. Seit 2010 wurden mindestens eine Millionen Arbeitsplätze vernichtet und etwa 100.000 Unternehmen mussten Konkurs anmelden. Über 27 Prozent der Griechen sind arbeitslos, und von diesen erhalten nur 15 Prozent Sozialhilfe. Die übrigen sind auf sich gestellt.

Einer Studie der Stavros Niarchos Stiftung zufolge sind 60 Prozent der Familien aus sozial schwachen Bezirken nicht in der Lage, ihre Kinder regelmäßig mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Bei 23 Prozent der Familien kam es im letzten Jahr sogar zu Phasen des Hungers.

Dabei konnten die wohlhabenden Schichten des Landes ihren Reichtum vermehren. Lag das Einkommen des oberen Fünftels der griechischen Gesellschaft 2009 noch bei dem Fünffachen des unteren Fünftels, hat sich der Faktor seitdem auf 7,5 erhöht. Es sind nicht nur die Armen ärmer geworden, die Reichen haben von der Krise profitiert.

Die griechischen Staatsschulden sind trotz der brutalen Sozialkürzungen nicht gesunken, sondern gestiegen. Vor der Bankenkrise von 2008 lag der Schuldenstand bei 105 Prozent des BIP. Nachdem die Regierung Milliarden aufgewendet hatte, um die griechischen Banken zu retten, stieg er bis 2010 auf 142 Prozent. Die sogenannten Rettungsprogramme haben dann zu einem weiteren Anstieg geführt. Im September dieses Jahres lagen die Verpflichtungen mit 321,8 Milliarden Euro bereits bei einer Quote von 169 Prozent. Die Regierung rechnet mit 175 Prozent im kommenden Jahr.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der griechische Haushalt in diesem Jahr erstmalig einen Primärüberschuss aufweist. Ohne Einbeziehung des Schuldendiensts hat der griechische Staat 2013 nach Schätzungen der Regierung 812 Millionen Euro mehr eingenommen als ausgegeben. Dieses Plus reicht freilich nicht einmal aus, um die Zinsen der Staatsschulden zu finanzieren, geschweige denn sie zurückzuzahlen.

Auch ein Primärüberschuss von drei Milliarden Euro, wie ihn die Regierung in ihrer sehr optimistischen Schätzung für 2014 erwartet, wird die Schuldenlast nicht merklich reduzieren. Jeder eingesparte Euro geht direkt auf die Konten der Gläubiger. Eine weitere Verschärfung der Haushaltskürzungen, wie sie in Berlin gefordert wird, vertieft zudem die Rezension und erhöht auf diese Weise die Schuldenquote.

Von dem Kreditprogramm der Troika haben nicht nur reiche Griechen, sondern vor allem die internationalen Banken und Spekulanten profitiert. Denn mit den 240 Milliarden Euro an Hilfskrediten wurden im Wesentlichen private Staatsanleihen und deren Zinsen bedient. Die privaten Gläubiger konnten ihre Papiere auf diese Weise zumeist mit sattem Gewinn abstoßen. Der überwiegende Teil griechischer Staatsschulden ist nun in öffentlicher Hand. Die europäische Bevölkerung haftet für die faulen Kredite der Banken.

Die Fortsetzung dieser Politik durch eine Große Koalition in Deutschland richtet sich daher gegen die gesamte europäische Arbeiterklasse. Die Austeritätspolitik wird in Griechenland unweigerlich zu einem Kollaps der Staatsfinanzen führen. Spätestens dann müssen die öffentlichen Schulden abgeschrieben werden. Die Löcher, die so in die Haushalte der Euroländer gerissen werden, werden dann auf Kosten der Arbeiter gestopft.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 23.11.2013
Samaras in Berlin: Merkel fordert verschärften Sparkurs
http://www.wsws.org/de/articles/2013/11/23/sama-n23.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2013