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GLEICHHEIT/4437: US-Verteidigungsminister warnt vor "Pearl Harbor" Cyberangriff des Iran


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

US-Verteidigungsminister warnt vor "Pearl Harbor" Cyberangriff des Iran

Von Niall Green
17. Oktober 2012



In einer Rede vor versammelten Rüstungsvorständen nutzte US-Verteidigungsminister Leon Panetta den Ausbruch eines Computervirus bei zwei Energiekonzernen im Nahen Osten für eine Warnung: Den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten drohe eine Gefahr, die so groß sei wie die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder die Bombardierung von Pearl Harbour 1941 durch Japan.

Panetta war am Donnerstag Ehrengast bei einem New Yorker Dinner, das von der Handelsvereinigung Business Executives for National Security ausgerichtet wurde, einer Lobbyorganisation der Rüstungswirtschaft. Mit seinen Bemerkungen bezog er sich auf einen angeblichen Cyberangriff auf die saudi-arabische staatliche Ölgesellschaft Aramco und die katarische Gasgesellschaft Rasgas.

Vertreter der beiden Monarchien am Persischen Golf erklärten, für den Angriff sei ein Virus mit Namen Shamoon genutzt worden. Er habe sich schnell in den Netzwerken der beiden Firmen ausgebreitet und Ordner auf über 30.000 Rechnern überschrieben und gelöscht. Panetta enthüllte in seiner Rede, dass der Virus bei Aramco zahlreiche Ordner durch eine brennende amerikanische Flagge ersetzt habe.

"Diese Angriffe stellen eine bedeutsame Ausweitung der Cyber-Bedrohung dar", sagte Panetta. "Und sie vergrößern die Sorge, dass noch gefährlichere Szenarien vorstellbar sind."

Potentielle Aggressoren sollten wissen, dass "die Vereinigten Staaten in der Lage sind, sie ausfindig zu machen", erklärte Panetta weiter, "und sie für Taten zur Rechenschaft zu ziehen, die Amerika oder seinen Interessen schaden".

"Das Gesamtergebnis solcher Angriffe könnte ein Cyber-Pearl-Harbor sein", behauptete Panetta. "Ein Angriff, der physische Zerstörung und Menschenleben kostet, ein Angriff, der die Nation paralysieren und schockieren und ein Gefühl tiefer Verwundbarkeit hervorrufen würde."

Vor dem 11. September habe es warnende Anzeichen gegeben, sagte Panetta weiter. "Aber wir waren nicht vorbereitet. Wir waren nicht bereit. Wegen dieses Mangels an Aufmerksamkeit haben wir schrecklich gelitten. Das dürfen wir nicht noch einmal zulassen. Dies ist ein Moment wie vor dem 11. September."

Panetta behauptete zwar nicht direkt, der Iran habe den Cyberangriff mit dem Shamoon-Virus ausgeführt, aber er bestand darauf, die Regierung in Teheran habe "konzertierte Bemühungen unternommen, den Cyberspace zu ihrem Vorteil zu nutzen".

Der Cyber-Sicherheitsexperte des amerikanischen Center for Strategic and International Studies, James Lewis, kommentierte die Rede des Verteidigungsministers mit den Worten: "Sie kommt einer klaren Warnung an den Iran sehr nahe. Ich denke, die Iraner werden zwei und zwei zusammenzählen und merken, dass er ihnen eine Botschaft geschickt hat."

Der Computervirus Shamoon führte offenbar bei keiner der beiden Firmen zu einem Produktionsausfall von Öl oder Gas. Die schreiende Diskrepanz zwischen Minister Panettas Kassandrarufen und den tatsächlichen Auswirkungen dieses Virus lässt sich nur damit erklären, dass die amerikanische herrschende Klasse einen Vorwand sucht, um einen Krieg gegen den Iran zu rechtfertigen.

Während des Wahlkampfs haben es beide großen Parteien, die Demokraten und die Republikaner, bisher unterlassen, auf die weit fortgeschrittenen Vorbereitungen auf eine neue imperialistische US-Aggression im Nahen Osten einzugehen.

Bei der Fernsehdebatte zwischen Vizepräsident Joe Biden und seinem Republikanischen Gegenspieler Paul Ryan prahlte Biden mit der Verschärfung der amerikanischen Sanktionen gegen den Iran. Er versuchte, die Nahostpolitik des Republikanischen Kandidaten Mitt Romney als zu kriegslüstern hinzustellen. Der Vizepräsident versicherte, die Obama-Regierung betrachte einen Krieg gegen den Iran nur als "Ultima Ratio".

Panettas kriegerische Rede, die er am gleichen Tag hielt, an dem die Vizepräsidentschaftsdebatte stattfand, zeigt dagegen, dass die gegenwärtige Demokratische Regierung militärische Provokationen und Kriege einsetzt, um die amerikanischen strategischen Interessen zu fördern, und dass sei dabei nicht weniger rücksichtslos als die Republikaner vorgeht.

In was für Cyber-Attacken die iranische Regierung auch immer verwickelt sein mag, - sie kann sich jedenfalls nicht mit der konzertierten Cyberkriegskampagne messen, noch mit den brutalen physischen Angriffen, welche die amerikanische Regierung und ihre israelischen Verbündeten gegen die iranische Regierung und militärische und wissenschaftliche Einrichtungen und Personen führen. Außerdem liegen bisher keinerlei Beweise dafür vor, dass Teheran mit der Verbreitung des Virus Shamoon in den Computersystemen von Aramco und Rasgas irgendetwas zu tun hat.

In den letzten Jahren hat es immer wieder Terroranschläge gegen den Iran gegeben. Es gab einige Explosionen in Militäreinrichtungen, und mehrere iranische Atomwissenschaftler wurden ermordet. Dafür macht Teheran israelische und amerikanische Geheimdienste verantwortlich.

Im Juni enthüllte die New York Times, dass die Obama-Regierung das amerikanische Cyberkriegsprogramm, das sich in erster Linie gegen den Iran richtet, beschleunigt habe. Die Bush-Regierung hatte das höchst geheime Programm unter der Bezeichnung "Operation Olympic Games" begonnen. Es besteht darin, Viren zu entwickeln und freizusetzen, um die Computersysteme der iranischen Nuklearforschungsanlagen zu behindern oder zu zerstören.

2010 haben die USA in den Worten des ehemaligen CIA-Chefs Michael Hayden "den Rubicon überschritten", als sie mit dem Stuxnet-Virus eine große Cyberattacke auf die nukleare Forschungsanlage von Natanz führten. Ein hoher Geheimagent, der an Operation Olympic Games beteiligt war, erklärte der Times, dass Präsident Obama den Angriff auf den Iran befohlen habe. Dies trotz der offiziellen Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste, dass Teheran gar nicht daran sei, ein aktives Nuklearwaffenprogramm zu entwickeln.

Die amerikanische Cyberattacke auf die iranische Anlage wurde erst bekannt, als der Virus das System in Natanz wieder verließ und im Sommer 2010 Hunderttausende Computer in aller Welt infizierte.

Obwohl Washington selbst Nummer Eins der Cyberkrieger ist, malt Panetta das Orwell'sche Schreckgespenst an die Wand, in dem die USA und ihre Verbündeten als Opfer einer allmächtigen iranischen Bedrohung erscheinen.

Wie der Verteidigungsminister vor der Lobbyisten-Versammlung sagte, investiert das Pentagon pro Jahr circa drei Milliarden Dollar in die Cyberkriegsführung, z.B. in den Aufbau eines neuen zentralisierten Cyberkommandos. Dabei muss man wissen, dass die Summe, die das Pentagon allein für den Cyberkrieg investiert, so groß ist wie vierzig Prozent des gesamten iranischen Militärhaushalts von 7,5 Milliarden Dollar (2011).

Washingtons Verteidigungshaushalt ist der größte der Welt, und die getrennt abgerechneten Ausgaben für die amerikanische Atomstreitmacht kommen noch hinzu. Er betrug letztes Jahr mehr als 750 Milliarden Dollar. D.h. die US-Regierung gibt einhundert Mal mehr für das Militär aus als der Iran. Und dieses Land soll nach Panettas absurder Behauptung eine existenzielle Bedrohung für die USA und die Welt darstellen.

Neben ihren eigenen aufgeblähten Militärausgaben heizt Washington auch noch den Rüstungswettlauf im Nahen Osten an. Das Pentagon und die amerikanischen Rüstungslieferanten (wie zum Beispiel jene, zu denen Panetta in New York gesprochen hat) haben Lieferverträge für Kriegsgerät über Hunderte Milliarden Dollar, das sie an alliierte Regierungen wie in Israel, Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, Jordanien und Kuwait liefern. Alle diese Länder könnten in einen Krieg der USA gegen den Iran hineingezogen werden.

http://www.wsws.org/de/2012/okt2012/pane-o17.shtml

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Quelle:
World Socialist Web Site, 18.10.2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2012