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GLEICHHEIT/4286: 16 Top-Banken am Skandal um Libor-Manipulationen beteiligt


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Nach Rücktritt von Barclays-Chef
16 Top-Banken am Skandal um Libor-Manipulationen beteiligt

Von Christopher Marsden und Julie Hyland
5. Juli 2012



Im Zentrum des Libor-Skandals stand zwar bisher die britische Barclays Bank, aber er hat gezeigt, dass der Weltkapitalismus nicht als freier Markt funktioniert, sondern als manipulierter Markt, der von konkurrierenden Gruppen von Konzernen, Kartellen und milliardenschweren Spekulanten kontrolliert wird.

Die Summen, um die es bei der Manipulation des Libor (London inter-bank lending rate, Londoner bankeninterner Darlehenszins) und seines europäischen Gegenstücks Euribor geht, sind atemberaubend. Laut der konservativsten Schätzung beläuft sich die Summe der Gelder, die durch diese Praktiken an die Top-Banken der Welt geflossen sind, auf 48 Milliarden Pfund (etwa 60 Milliarden Euro).

Libor und Euribor sind die beiden Hauptwerkzeuge für die Ermittlung der Zinssätze für eine große Palette von Finanzprodukten. Libor ist der größte und vielseitigste Zinssatz, er deckt zehn Währungen ab. Er hilft sogar dabei, den Wert des US-Dollars in Form von Eurodollars zu ermitteln.

Wertpapierhändler in London, New York, Japan und anderen Ländern haben zusammengearbeitet, um den Libor-Satz so zu manipulieren, dass sie massive Gewinne machen und Verluste verbergen können. Dies geschah zum Nachteil von Rentenfonds, Hypotheken- und Darlehensbesitzern.

Diese Praktiken, an denen laut der britischen Finanzdienstleistungsbehörde (FSA) "eine bedeutende Zahl von Angestellten" beteiligt waren, spielten eine wichtige Rolle für das Ausmaß des weltweiten Finanzzusammenbruchs von 2008.

Ein ehemaliger Manager von Barclays, der eng an den Aktivitäten der Bank zur Beeinflussung des Libor beteiligt war, sagte der Financial Mail, die falschen Angaben zum Libor "brachten eine Illusion von Stabilität und waren ein wichtiger Beitrag dazu, die Schwere der Krise zu verbergen."

In einem Gerichtsverfahren in den USA wird von Barclays Schadenersatz in Höhe von 70 Milliarden Pfund (87 Milliarden Euro) gefordert, und von der Royal Bank of Scotland, die sich im britischen Staatsbesitz befindet, fast 80 Milliarden (fast 100 Milliarden Euro) - diese Zahlen übertreffen den Marktwert der Banken bei weitem.

Das alleine würde ihr Vorgehen zum Finanzverbrechen des Jahrhunderts machen. Dennoch gab es seit 2007 in mindestens drei Ländern Untersuchungen, ohne dass jemand angeklagt wurde. Stattdessen haben die Verantwortlichen Millionen verdient.

Erst diese Woche traten zwei führende Manager von Barclays, der Vorsitzende Marcus Agius und Vorstandschef Bob Diamond, widerwillig zurück. Beide können mit reichlichen Abfindungen rechnen.

In der Zwischenzeit hat die britische Regierung aus Konservativen und Liberaldemokraten nichts anderes unternommen, als einen weiteren zahnlosen parlamentarischen Untersuchungsausschuss anzukündigen - das Standardvorgehen, mit dem jedes Verbrechen der herrschenden Elite unter den Teppich gekehrt wird, vom Irakkrieg bis zum Abhörskandal um News of the World

Die Gründe dafür sind offensichtlich. Es sind mehr als ein paar Dutzend Wertpapierhändler darin verstrickt. Zu den sechzehn Banken, gegen die die Stadt Baltimore, die Charles Schwab Corp. und Andere Sammelklage erhoben haben, gehören Barclays, RBS, HSBC, Bank of America, Citigroup, JPMorgan Chase, UBS und die Deutsche Bank.

Die jeweiligen Chefs dieser Banken werden allesamt behaupten, nichts von den Praktiken ihrer Wertpapierhändler gewusst zu haben, obwohl einige von den direkt Betroffenen aussagten, sie hätten auf Befehl gehandelt.

Die British Banking Association (BBA) und die britische Regulierungsbehörde FSA wussten mindestens seit 2007, dass der Libor-Satz manipuliert wurde, aber sie taten nichts. Agius ist Chef der BBA.

Erst im Oktober 2009 begann Großbritannien, widerstrebend zu handeln, nachdem die Finanzaufsichtsbehörden in den USA, Japan, Kanada und der Schweiz, sowie die Europäische Kommission nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers und dem Beginn der weltweiten Bankenkrise Ermittlungen anstellten.

Erst letzten Monat wurde Barclays von der amerikanischen Commodity Futures Trading Commission, dem US-Justizministerium und der FSA zu einer Geldstrafe von 290 Millionen Pfund (360 Millionen Euro) verurteilt, die Strafe der FSA belief sich auf 9,5 Millionen Pfund.

Die Derivate und Zins-Swap-Geschäfte, deren Zinssätze vom Libor beeinflusst werden, sind insgesamt 350 Billionen Dollar (279 Billionen Euro) wert, die Termingeschäfte mit Eurodollars 564 Billionen Dollar (450 Billionen Euro). Barclays genießt jedoch als Gegenleistung für seine Kooperation Immunität und hält die Geldstrafe wohl für einen sehr günstigen Preis - wie alle, die viel zu verbergen haben.

Am 16. April 2008 informierte ein hochrangiger Finanzmanager von Barclays die British Banking Association, dass die Bank falsche Zahlen gemeldet habe. Er erklärte, Barclays sei dabei noch nicht der größte Sünder, "wir sind sauber, aber wir sind nur teilweise sauber, nicht ganz sauber."

Bezeichnenderweise antwortete der Vertreter der BBA: "Niemand ist wirklich ganz sauber."

Gestern deutete Barclays offen an, dass die Bank von England und die ehemalige Labour-Regierung in den Skandal verwickelt waren. Sie veröffentlichte eine Email aus dem Jahr 2008, die Vorstandschef Diamond nach einem Telefongespräch mit dem stellvertretenden Chef der Bank von England Paul Tucker schickte. Diamond schrieb, Tucker habe ihn darüber informiert, dass "hohe Vertreter von Whitehall" sich Sorgen über die Meldungen von Barclays zum Libor machten. Sie seien am obersten Ende und sollten nicht so hoch sein.

Die Bank deutete an, in Übereinstimmung mit Anweisungen von oben gehandelt zu haben, als sie falsche Angaben zu ihren Darlehenskosten machte. Diamond erschien heute vor dem Finanzausschuss des Parlaments und man rechnet mit weiteren Enthüllungen über Mitwisser.

Dass das Parlament in dem Skandal ermittelt, wenn führende Politiker aus allen Parteien daran beteiligt sind, zeigt, dass keine ernsthaften Maßnahmen beabsichtigt sind.

Zu den führenden Konservativen, die intime Beziehungen zu den beteiligten Banken haben, gehört der Vizevorsitzende Michael Fallon, ein Mitglied des Vorstandes des führenden Brokerunternehmens Tullett Prebon, das mit der FSA zusammenarbeitet.

Der enge Berater von Premierminister David Cameron, Ex-Parteischatzmeister Michael Spencer, ist Chef des Brokerunternehmens ICAP, das angeblich den Libor manipuliert hat. Francis Maude, der Minister für Kabinettsangelegenheiten, saß von 2005 bis 2009 in Barclays Beraterkomitee für den asiatisch-pazifischen Raum.

Bei Labour geht es um mehr als nur ein paar Personen mit Beziehungen zu den Banken. Es war Gordon Brown, der im Jahr 1997 als Finanzminister das Finanzregulierungssystem eingeführt hatte, das den Banken freie Hand gab. Brown lobte dieses System noch im Jahr 2006, als er damit prahlte, dass die City of London dank Labours "schonender Regulierungspraxis" einen größeren Anteil am Markt für ausländisches Kapital erkämpfen konnte als jedes andere Land der Welt.

Selbst nach der Krise im Jahr 2008 verteilten Labour und Tories hunderte Milliarden, unter anderem in Form von billigem Geld im Rahmen der Politik der "quantitativen Lockerung" der Bank von England, an die gleichen Menschen, denen jetzt hochgradig kriminelle Handlungen vorgeworfen werden,. Einer der Angestellten der Bank von England namens Andrew Haldane schätzte, dass insgesamt 7,4 Billionen Pfund (9,2 Billionen Euro) aus Steuergeldern in die britischen Banken gepumpt wurden, wenn die indirekten Kosten berücksichtigt würden.

Labour und die Koalitionsregierung aus Konservativen und Liberaldemokraten lehnten die Einführung von Regulierungsmaßnahmen für die Banken der City of London und die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken ab. Stattdessen hat die Koalitionsregierung ein paar Maßnahmen vorgeschlagen, die teilweise von den EU-Wettbewerbsbehörden gefordert werden, und frühestens 2019 wirksam werden.

Gemeinsam richteten sie ihre Aufmerksamkeit eher auf die Umsetzung brutaler Haushaltskürzungen in Höhe von über 130 Milliarden Pfund, mit denen die Arbeiterklasse für die Verbrechen und Spielschulden der Finanzelite zahlen soll.

Letztes Jahr wurde Diamond von der BBC gebeten, eine Rede über die Ethik und Kultur des Bankwesens zu halten. Er erklärte, das schwierige Konzept der Kultur könne am besten damit definiert werden, "wie sich Menschen benehmen, wenn keiner zuschaut."

Den Rest seines Vortrags verwendete er darauf, Sparmaßnahmen für die Mehrheit der Bevölkerung zu fordern. Er erklärte, für die Notwendigkeit von "Kürzungen der öffentlichen Ausgaben" gäbe es "kein besseres Beispiel als Griechenland." Er fügte hinzu: "Es wundert mich nicht, dass die britische Regierung genau damit angefangen hat..."

Diamond erhielt dieses Jahr Aufwandsentschädigungen in einer Gesamthöhe von 17,7 Million Pfund (22 Millionen Euro), unter anderem wurden Steuern in Höhe von 5,7 Millionen Pfund (sieben Millionen Euro) für ihn gezahlt. Allein sein Bonus betrug 2,7 Millionen Pfund (3,36 Millionen Euro)

Alle Maßnahmen, die jetzt erfolgen, werden darauf ausgerichtet sein, die Entschädigung der Hauptopfer der Libor-Manipulation in der Wirtschaft und die strategisch-politischen Anforderungen zur Aufrechterhaltung der Stabilität des weltweiten Finanzsystems in Einklang zu bringen. Die Kosten dafür trägt wieder einmal die arbeitende Bevölkerung durch weitere Angriffe auf die öffentlichen Kassen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.07.2012
Nach Rücktritt von Barclays-Chef
16 Top-Banken am Skandal um Libor-Manipulationen beteiligt
http://www.wsws.org/de/2012/jul2012/libo-j05.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012