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GLEICHHEIT/4242: Chinas wachsende Wirtschaftsprobleme - Die Unsicherheit nimmt zu


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Chinas wachsende Wirtschaftsprobleme
Die Unsicherheit nimmt zu

Von John Chan
6. Juni 2012



Vor dem Hintergrund der weltweiten Unsicherheit angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen in Europa veröffentlichte die Weltbank am 23. Mai ihren halbjährigen Wirtschaftsbericht zu Ostasien. Darin wird vor einer Verlangsamung des chinesischen Wachstums von 9,2 Prozent im vergangenen Jahr auf 8,2 Prozent in diesem Jahr gewarnt. Das wäre der schwächste Wert seit dem Höhepunkt der asiatischen Finanzkrise von 1997. Als Folge davon wird China das Wachstum im asiatisch-pazifischen Raum auf ein Zwei-Jahres-Tief von 7,6 Prozent drücken. Bisher wurden 7,8 Prozent vorausgesagt.

Die Weltbank wies darauf hin, dass die nachlassende europäische und amerikanische Nachfrage und ein verlangsamtes Wachstum des Immobilienmarktes in China die export- und investitionsabhängige chinesische Wirtschaft belaste. "Da die Europäische Union ein Drittel der globalen Einfuhren aufnimmt, wird eine Rezession dort unvermeidlich ihren Tribut in Ostasien fordern", hieß es in einem Kommentar der Weltbank.

In dem Bericht wird erläutert, dass China im Zentrum eines nationenübergreifenden Netzwerkes steht, wobei andere asiatische Wirtschaften als Lieferanten von Rohstoffen, Lieferteilen und Kapitalgütern für die Exportproduktion in China dienen. Folglich sorgte das Land im vergangenen Jahr für zwei Drittel der Exporte im Werte von 592 Milliarden US-Dollar nach Europa. Während China als erstes Land unter einer solchen Exportrezession litte, würden andere Wirtschaften wie die Südkoreas, anderer asiatischer Länder und Australiens unvermeidlich folgen.

Darüber hinaus warnte die Weltbank davor, dass asiatischen Entwicklungsländern größere finanzielle Probleme bevorstehen könnten, da europäische Banken für ein Drittel des Handels und der Projektfinanzierungen in der Region sorgen. Sollte die Finanzkrise in der Eurozone aufbrechen, würden Banken ihr Kapital nach Europa abziehen. Am selben Tag, als der Bericht der Weltbank herauskam, warnte der chinesische Premier Wen Jiabao bei einem Kabinettstreffen, "der negative wirtschaftliche Druck" nehme zu.

Die Sorgen wachsen, dass China nicht darauf vorbereitet ist, mit den finanziellen Schockwellen eines griechischen Austritts aus der Eurozone fertigzuwerden. Liu Mingli vom Chinesischen Institut für Internationale Beziehungen sagte der China Daily vergangene Woche: "Wenn die europäischen Länder Griechenlands Austritt wirklich vorbereiten, dann sollten sie es im Stillen machen, und nicht öffentlich darüber diskutieren." Er empfahl Beijing, "Eurovermögen kurzfristig abzubauen, das sehr wahrscheinlich an Wert verlieren werde, da es nach Griechenlands Austritt in großem Maß zu Kapitalabflüssen aus der Eurozone kommen wird."

Während die Sorgen um die Wirtschaft wachsen, erwägt Chinas Führung Berichten zufolge eine weitere Runde von Stimulierungsmaßnahmen. Politisch gesehen steht dahinter die ständige Angst chinesischer herrschender Kreise, dass ein signifikanter Anstieg der Arbeitslosigkeit oder ein Crash des chinesischen Immobilienmarktes schnell zu sozialen Unruhen führen könnte.

Premier Wen gab letzte Woche zu erkennen, dass Beijing "auf eine vorausschauende Fiskalpolitik und eine kluge Währungspolitik" zurückgreifen werde, um das Wachstum anzukurbeln. Wen sprach bei einem Besuch des Industriezentrums Wuhan, wo ihn führende Geschäftsleute warnten, dass ihre Lage sich zunehmend verdüstere. Der Chef von Haier, dem Marktanteil nach weltgrößter Haushaltsgerätehersteller, sagte Wen, dass die Verkäufe von Haushaltsgeräten im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent gefallen seien.

Peng Wenscheng, Chefökonom von China International Capital Corp., der führenden Investmentbank des Landes, warnte davor, dass sich Chinas Wachstumsquote dieses Jahr im Fall eines Auseinanderbrechens der Eurozone auf 6,4 Prozent verlangsamen könnte. Er forderte ein Stimulierungspaket in Höhe von einer Billion Yuan (150 Mrd. US-Dollar). Tao Dong, Ökonom der Crédit Suisse Group AG schätzte, dass neue Stimulierungsmaßnahmen bis zu zwei Billionen Yuan betragen sollten, weil das Wachstum in diesem Quartal auf sieben Prozent oder darunter fallen könnte. Tao warnte davor, dass selbst ein neues Ankurbelungsprogramm "vermutlich nicht ausreicht, um einen Anschub wie 2009 zu erreichen".

China behielt während der globalen Finanzkrise auf Grund eines massiven Ankurbelungsprogramms, das von vier Billionen auf vierzehn Billionen Yuan anschwoll, eine Wachstumsrate von mehr als neun Prozent bei. Das Programm wurde als kurzfristige Lösung betrachtet und ging von einer schnellen Erholung westlicher Märkte aus.

Stattdessen stecken Europa und die USA weiterhin in der Rezession und China steht vor wachsenden wirtschaftlichen Problemen. Lokalregierungen und größere Staatsbetriebe haben beim staatlichen Bankensystem hohe Kredite aufgenommen, um Infrastrukturprojekte und spekulative Landentwicklungen zu finanzieren. Als Folge davon leidet das Bankensystem unter einer ansteigenden Menge fauler Kredite.

Die schrumpfenden Exportmärkte in Europa und Nordamerika bedeuten, dass es keinen Absatz mehr für Chinas Produktivkapazitäten gibt. Der heimische Markt bietet keine Alternative. Der Konsum privater Haushalte macht knapp ein Drittel der Wirtschaft aus - verglichen mit siebzig Prozent in den USA - und spiegelt Chinas Funktion als billiges Arbeitskräftereservoir für die globale Produktion wider.

China steht vor einer Überproduktionskrise, die massive Arbeitsplatzverluste nach sich zu ziehen droht. Exportindustrien stagnieren und haben im vergangenen Jahr nicht zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Schuldengetriebene Investitionen in Maschinen, Gebäude und Infrastruktur haben für die Hälfte des Wachstums gesorgt. Neue Ausgabenprogramme würden nur zu den bestehenden Überkapazitäten beitragen.

Das Regime der Kommunistischen Partei Chinas reagiert mit einer neuen Runde von marktwirtschaftlichen Restrukturierungen, die sich auf die Förderung privater Investitionen in Staatsbetriebe konzentriert, um auf diese Weise mehr internationales Kapital anzuziehen.

Eine Richtlinie der Kommission zur Beaufsichtigung und Verwaltung von Staatseigentum vom 25. Mai weitet die Möglichkeiten für private Investoren erheblich aus, an der Restrukturierung von Staatsbetrieben teilzunehmen, und zwar durch Barinvestitionen, Aktienerwerb, den Erwerb von Unternehmensanleihen und Finanzleasing. In der Woche zuvor wurde privatem Kapital gestattet, in Eisenbahnen zu investieren, die bisher einem Monopol des Eisenbahnministeriums und der ihm angeschlossenen Betriebe unterlagen.

Die Nationale Reform- und Entwicklungskommission kündigte letzte Woche ebenfalls an, dass ein Entwurf für genaue staatliche Regulierungen für private Investitionen in weitgehend staatliche Sektoren wie Elektrizität, Öl und Gas vorbereitet wird. Private Firmen machen gegenwärtig 13,6 Prozent der Elektrizitätsindustrie und 9,6 Prozent des Finanzsektors aus.

Telekommunikation, Bildung und Gesundheit werden auch in stärkerem Maß für private Firmen geöffnet.

Diese Maßnahmen sind weit davon entfernt, Beijings Selbstschutz vor einer globalen Rezession zu fördern. Eine größere Rolle für privates Kapital, das seinem Wesen nach enger mit den internationalen Finanzmärkten verbunden ist, wird China gegenüber globalen Turbulenzen nur noch anfälliger machen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.06.2012
Chinas wachsende Wirtschaftsprobleme
Die Unsicherheit nimmt zu
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2012