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GLEICHHEIT/3855: Obama vor der UNO - die arrogante Stimme des Imperialismus


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obama vor der UNO: die arrogante Stimme des Imperialismus

von Bill Van Auken
27. September 2011


Vergangenen Mittwoch hielt Präsident Obama eine gehaltlose und arrogante Ansprache vor den Vereinten Nationen. Sein Sermon war mit Platituden zum "Frieden" gewürzt und bezweckte die Maskierung der räuberischen Politik Washingtons.

Der amerikanische Präsident erhielt von den versammelten Staatsoberhäuptern, Außenministern und UNO-Delegierten nur eine lauwarme Antwort. Nicht ein einziger Satz seiner Rede wurde mit Applaus bedacht. Obama Frische vor zwei Jahren, als er in Kontrast zu Bush sein erstes Erscheinen vor dieser Körperschaft als Multilateralismus inszenieren konnte, hat sich längst abgenutzt. Die Welt hat schnell begriffen, dass der Austausch des Inhabers des Weißen Hauses nicht das Geringste zu einer Veränderung der amerikanischen Außenpolitik oder zur Zügelung des ausufernden amerikanischen Militarismus beitrug.

Der unmittelbare Zweck von Obamas 47-Minuten-Rede war, eine hinter den Kulissen stattfindende Kampagne zu unterstützen, die Palästinensische Autonomiebehörde durch Einschüchterung und Schikane zur Aufgabe ihrer Absicht zu bringen, den UNO-Sicherheitsrats zu einer Abstimmung über das Gesuch um Anerkennung Palästinas als eigenständiges Mitglied zu zwingen.

Washington kündigte bereits an, jedem Gesuch nach einem eigenständigen palästinensischen Staatswesen, das dem UNO-Sicherheitsrat vorgelegt würde, mit einem Veto zu begegnen. Dieser Schritt unterstreicht den wahren Charakter der imperialistischen US-Politik im Nahen Osten und die Heuchelei ihrer Behauptungen, sich mit den revolutionären Erhebungen der arabischen Massen zu identifizieren.

Obamas Ansprache und seine Verteidigung der Veto-Drohung diente demselben Zweck und untergrub die Popularität des US-Präsidenten in der arabischen Welt noch tiefer. Gemäß einer aktuellen Umfrage ist die Beliebtheit des Präsidenten in dieser Region von fünfzig Prozent, als er sein Amt übernahm, auf knapp zehn Prozent gesunken, und damit noch tiefer als diejenige von George W. Bush in seiner zweiten Amtszeit.

Obama eilte von der Rednertribüne der Generalversammlung zu einer Besprechung, an der Benjamin Netanjahu teilnahm. Der israelische Premierminister lobte Obamas Bemerkungen und machte klar, dass die beiden eine gemeinsame Strategie ausarbeiteten, die den Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, zwingen soll, das Eigenstaatlichkeitsgesuch aufzugeben. Am Donnerstag wurde berichtet, dass Versuche unternommen worden seien, die palästinensische Delegation dazu zu bringen, einen rein symbolischen Appell für die Anerkennung auszusprechen und sich einverstanden zu erklären, die Wiederaufnahme der von den USA vermittelten Verhandlungen mit Israel abzuwarten.

Seit zwei Jahrzehnten werden solche Verhandlungen geführt, ohne dass irgendetwas erreicht wurde. In der Zwischenzeit hat Israel erbarmungslos zionistische Siedlungen im besetzten Westjordanland und im besetzten Jerusalem gebaut. Seit dem Beginn der Verhandlungen im Jahr 1991 hat sich die Anzahl der Siedler mehr als verdoppelt. Das Westjordanland wurde derweil von Siedlungen, Sicherheitsstraßen und Kontrollpunkten zerschnitten; hinzu kam die diskriminierende Sicherheitsmauer.

Verglichen mit seinem Vorschlag vom Mai, die Verhandlungen fortzusetzen, stellt die UNO-Ansprache Obamas ein weiteres Entgegenkommen an Israel dar. Damals sagte er, die Verhandlungen müssten auf den Vorkriegsgrenzen von 1967 gründen, wobei "gegenseitig anerkannte Modifizierungen" berücksichtigt würden. Diese Äußerung, die implizit Israels Forderung unterstützt, seine existierenden Siedlungen zu erhalten, wird seit der Clinton-Regierung in offiziellen politischen Verlautbarungen amerikanischer Regierungen wiederholt. Nichtsdestoweniger hat die bloße Erwähnung der Grenzfrage einen Sturm der Kritik seitens Natanjahus, der israelischen Rechten und der Republikaner provoziert.

In seiner Rede vor den Vereinten Nationen erwähnte Obama weder die Grenzen von 1967 noch ein Angebot, die Ausweitung der Siedlungen im Westjordanland aufzuhalten. Die neue Grundlage für das Verhandlungsangebot stellte er so dar: "Israelis müssen wissen, dass jede Vereinbarung ihre Sicherheit garantiert. Palästinenser verdienen zu wissen, worin die territoriale Grundlage ihres Staates besteht." Die weiteren Bemerkungen des US-Präsidenten machten deutlich, dass beide Voraussetzungen von Israel diktiert werden sollen.

Während Berichten zufolge US-Beamte hinter den Kulissen der palästinensischen Autonomiebehörde drohen, die gesamte US-Hilfe zu stornieren, falls sie ihr Anerkennungsgesuch vortragen sollten, nannte Obama in seiner Rede den Gang zur UNO eine "Abkürzung", die nirgendwohin führen werde.

Die Rolle der Institution, die er zu Beginn seiner Ausführung rhetorisch pries, tat Obama später wieder ab: "Frieden stellt sich nicht ein durch Bekundungen und Resolutionen der UNO - wäre es so einfach, hätte er mittlerweile erreicht werden können." Tatsächlich sind Unmengen von UN-Resolutionen zur Notlage der Palästinenser von Israel und Washington nicht anerkannt und ignoriert worden. Die USA nutzten ihr Vetorecht im Sicherheitsrat, um weitere dieser Papiere abzuwürgen.

Offenbar als Antwort auf die rechte Kritik des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, der ihn beschuldigte, mit seinen im Mai geäußerten Bemerkungen zur Grenze von 1967 "Israel unter den Bus zu werfen", ließ Obama seine Rücksichtnahme auf die historischen Kränkungen des palästinensischen Volkes fahren und identifizierte sich bedingungslos mit Israel.

Über die Palästinenser sagte er lediglich, dass sie "einen eigenen souveränen Staat" verdienten und dass "sie auf diese Vision schon eine zu lange Zeit warten müssten".

Dem folgte die Erklärung, dass "Amerikas Verpflichtung für Israels Sicherheit unerschütterlich und unsere Freundschaft zu Israel tief und dauerhaft" sei. Er beschrieb Israel als ein Land "das von Nachbarn umgeben ist, die wiederholt Kriege gegen es vom Zaun gebrochen hätten," dessen "Bewohner von Raketen getötet wurden, die auf ihre Häuser abgefeuert worden seien, und von Selbstmordattentätern, die sich in ihren Bussen in die Luft gesprengt hätten." Er nannte Israel ein "kleines Land" in einer Welt, "in der Führer weit größerer Nationen drohen, es von der Landkarte zu radieren." Schließlich verbiss er sich in Beschwörungen des Holocaust.

"Diese Fakten können nicht bestritten werden", sagte er. Angesichts dieser ausgewählten "Fakten" wäre man niemals auf die Idee gekommen, dass etwa vier Millionen Palästinenser unter der Schinderei und andauernden Gewalt der israelischen Besatzung leiden und dass fünf weitere Millionen als Flüchtlinge aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Es fiele auch schwer, sich eine Vorstellung davon zu machen, dass das "kleine Land" mit seinen elastischen Grenzen beständig Kriege gegen seine Nachbarn führt. Zu den jüngsten gehören der Krieg gegen den Libanon im Jahr 2006, dem 1.200 Zivilisten zum Opfer fielen und der die Infrastruktur des Landes pulverisierte, sowie die "Operation Gegossenes Blei" im Gazastreifen aus dem Jahr 2008, die fast 1.500 Palästinenser das Leben kostete, verglichen mit dreizehn Toten auf israelischer Seite.

Mit einem Unterton der Verzweiflung räumte Obama ein, dass "für viele hier" die palästinensische Frage "als Test gilt", ob Washington sich tatsächlich für Menschenrechte und Demokratie einsetze.

Der Rest der Rede erwies sich indessen als aufschlussreich in Bezug auf die Heuchelei und imperialistischen Interessen von denen Washingtons Politik überall auf der Welt durchdrungen ist.

Bereits zu Beginn von Obamas Rede wurde der Vorwand sichtbar, auf den er seine Ansprache baute: die US-Regierung "strebt nach Frieden in einer unvollkommenen Welt." Der banale Refrain wurde im Verlauf der Rede dreimal wiederholt: "Frieden ist schwer".

Um sein Thema zu konkretisieren, betonte Obama den teilweisen Truppenrückzug aus der achteinhalb Jahre währenden kriegerischen Besetzung des Iraks und des sich ein Jahrzehnt hinziehenden Afghanistan-Krieges. Er prahlte damit, dass bis zum Ende des Jahres nur noch 90.000 US-Soldaten in diese Kriege verwickelt sein werden.

Washingtons Absicht sei es, "eine gleichberechtigte Partnerschaft" mit dem Irak zu schmieden, die "durch unsere Unterstützung für den Irak gestärkt wird - für seine Regierung und seine Sicherheitskräfte", sowie eine "dauerhafte Partnerschaft" mit dem "Volk Afghanistans." Er behauptete, diese Veränderungen bewiesen, dass "die Zeit der Kriege abläuft."

Die "Partnerschafts"-Rhetorik bezieht sich allerdings auf die Pläne des Weißen Hauses und des Pentagon, US-Truppen, CIA-Agenten und US-Stützpunkte in beiden Ländern beizubehalten, und zwar lange über die für den US-Rückzug gesetzten Termine hinaus. Der US-Imperialismus ist entschlossen, die Ziele weiter zu verfolgen, die von Anfang an die Grundlage der Kriege waren: hegemoniale Kontrolle über die strategischen Energiereserven des Kaspischen Meeres und des Persischen Golfs.

Obama pries den "Arabischen Frühling" und erklärte: "Noch vor einem Jahr wurden die Hoffnungen des tunesischen Volkes unterdrückt...noch vor einem Jahr kannte Ägypten seit fast dreißig Jahren nur einen Präsidenten."

Es versteht sich von selbst, dass der amerikanische Präsident nichts dazu sagte, welche Macht die Diktatoren Ben Ali und Mubarak so lange Zeit an der Macht hielten; auch nichts zu den gegenwärtigen Versuchen Washingtons, die Regime zu erhalten, die von den Diktatoren angeführt wurden, sowie die Volksbewegungen zu unterdrücken, die deren Amtsenthebungen erzwangen.

Dann fuhr er fort, den Nato-Krieg in Libyen zu loben und erklärte, dass die Vereinten Nationen, "ihrer Charta gerecht wurden,"als sie diese imperialistische Intervention autorisierten,

In Wirklichkeit stellte der Krieg eine fundamentale Verletzung der Grundsätze dieser Charta dar, welche die "souveräne Gleichheit" aller Mitgliedsstaaten fordert. Sie verlangt von ihren Mitgliedern, dass alle Streitigkeiten friedlich beigelegt werden und sie besteht darauf, dass die Mitgliedstaaten "sich in ihren internationalen Beziehungen der Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates enthalten."

Im Fall Libyens haben die USA und ihre Nato-Verbündeten die Gefahr eines drohenden Massakers in Bengasi prophezeit und sich damit die Ermächtigung für "alle notwendigen Maßnahmen" zum Schutz der Zivilbevölkerung verschafft. Diese Entschließung wurde zum Deckmantel für den Krieg, der zum Regimewechsel führen sollte. Die Nato-Mächte führten Tausende von Luftangriffen durch und schickten Spezialkräfte, um "Rebellen" für einen Krieg zu organisieren, auszubilden und zu bewaffnen, der das Leben von Zehntausenden von Libyern gefordert hat. Das Ziel dieses Krieges, ebenso wie in Afghanistan und im Irak, ist die Herrschaft über strategische Energiereserven - darüber hinaus geht es um die Stationierung westlicher militärischer Streitkräfte inmitten einer Region revolutionärer Unruhen.

"So sollte die internationale Gemeinschaft funktionieren", erklärte Obama in Bezug auf den libyschen Feldzug und rief damit Lenins treffende Brandmarkung des Völkerbundes, des Vorgängers der UNO, als "Diebesküche" in Erinnerung.

Obama kam dann auf laufende Geschäfte und künftige imperialistische Interventionen zu sprechen. Er verurteilte den Iran, weil er "die Anerkennung der Rechte des eigenen Volkes" nicht anerkenne und forderte die Vereinten Nationen auf, neue Sanktionen gegen Syrien zu verhängen. "Stehen wir auf Seiten des syrischen Volkes oder auf Seiten seiner Unterdrücker?", fragte er.

Angesichts der blutigen Ereignisse im Jemen, wo in den vergangenen drei Tagen über hundert Zivilisten massakriert wurden, konnte Obama die Aufstände gegen US-gestützte Regimes in der Region nicht völlig ignorieren. Im Falle des Jemen indessen gab es keinen Aufruf, Widerstand gegen Unterdrücker zu leisten, sondern lediglich die Aufforderung, "einen Weg zu suchen, der einen friedlichen Übergang ermöglicht."

Noch blasierter waren seine Bemerkungen zu Bahrain, dem Hauptstützpunkt der fünften US-Flotte. "Amerika ist ein enger Freund Bahrains", erklärte er. In diesem Fall, wo Tausende getötet, gefoltert, eingesperrt, geschlagen und für die Forderungen nach demokratischen Rechten von der Arbeit entlassen werden, schlug er lediglich einen "sinnvollen Dialog" vor. Gleichzeitig rechtfertigte er die Unterdrückung, indem er andeutete, dass die Bahrainer "sektiererischen Kräften ausgesetzt" seien, die sie "zu zerreißen drohen".

Im Rest der Rede wärmte der Präsident in hohler und nicht überzeugender Weise die üblichen Plattitüden auf, wie zum Beispiel die Abschaffung der Atomwaffen. Dabei halten die USA, die als einzige jemals solche Waffen eingesetzt haben und auf dem größten Atomwaffenarsenal der Welt sitzen, Nordkorea und dem Iran Strafpredigten. Er eiferte gegen Armut und Krankheiten und bestand darauf, "nicht vor notwendigen Maßnahmen zurückzuschrecken, die ein verändertes Klima verlangt." Zwischendrin forderte er Rechte für Frauen sowie Schwule und Lesben.

Auf die entscheidende Frage, die sich Millionen von arbeitenden Menschen in den USA und der ganzen Welt stellen, antwortete Obama, dass "der Wirtschaftsaufschwung wackelig" sei, dass "zu viele Menschen arbeitslos" seien und dass "zu viele kämpfen müssen, um durchzukommen." Bezugnehmend auf das Multi-Billionen-Dollar-Rettungspaket für die Banken, prahlte er: "Wir haben gemeinsam gehandelt und 2009 eine Depression abgewendet". Er betonte, dass "wir noch einmal dringend koordiniert vorgehen müssen."

Aber ebenso wie bei allen anderen Fragen, die er in seiner Rede ansprach, hatte der amerikanische Präsident kein "koordiniertes Vorgehen", kein Programm und keine Politik anzubieten. Letztlich erscheint Obamas leere Rhetorik als direkter Ausdruck der tiefen Krise des amerikanischen Kapitalismus und seiner herrschenden Finanzelite. Das System steht vor dem Zusammenbruch und hat die Bedrohung durch einen revolutionären Umbruch vor Augen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 27.09.2011
Obama vor der UNO: die arrogante Stimme des Imperialismus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2011