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GLEICHHEIT/3603: Opposition und Nato lehnen Waffenstillstand der Afrikanischen Union für Libyen ab


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Opposition und Nato lehnen Waffenstillstand der Afrikanischen Union für Libyen ab

Von Chris Marsden
13. April 2011


Die libyschen Rebellen wiesen am Montag nach Gesprächen in Bengasi einen von der Afrikanischen Union (AU) vorgeschlagenen Waffenstillstand offiziell zurück.

Mustafa Abdel Dschalil und Abdul Hafiz Ghoga sagten für den Nationalen Übergangsrat, sie würden jeden Plan zurückweisen, der nicht den Abgang von Oberst Gaddafi beinhalte.

Die AU-Delegation hatte am Sonntag in Tripolis Gespräche geführt und die Zustimmung Gaddafis für ihre "Road Map für den Frieden" erhalten. Die Mission der AU wurde mit Billigung der Nato und der Europäischen Union durchgeführt. Das war aber nur eine zähneknirschend zugestandene Geste seitens der Westmächte, um zumindest den Anschein von Unparteilichkeit zu wahren und so zu tun, als wünsche man, den Konflikt zu beenden.

Die Opposition in Bengasi kann sich ihre Unnachgiebigkeit nur leisten, weil sie die Vereinigten Staaten und andere Nato-Mächte in ihrem Rücken weiß. Die USA, Großbritannien und Italien betonten, es könne keinen Waffenstillstand geben, der nicht beinhalte, dass Gaddafi Libyen verlässt.

Ohne die militärischen Mittel der Nato und die Unterstützung aus Washington, Paris, London und Rom würde die Rebellen-Gruppe höchstens ein paar Tage überleben. Als die Gespräche am Sonntag in Tripolis stattfanden, fuhr die Nato die Angriffe auf Gaddafis Kräfte in der Umgebung von Misurata und Adschdabija hoch. Sprecher sagten, in den Vororten von Adschdabija seien elf Panzer zerstört worden und vierzehn in der Nähe von Misurata. Adschdabija ist das Tor zur Rebellenhochburg Bengasi, die 150km nach Norden liegt. Khaled El Shayeh, ein Koordinator zwischen den bewaffneten Rebellenkräften und Bengasi, prahlte: "Die Nato hat gestern hervorragend gearbeitet. Ganz Adschdabija ist jetzt unter unserer Kontrolle."

Die AU-Delegation wurde vom südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma geleitet. Ihr gehörten an: die Präsidenten Mohamed Ould Abdel Aziz aus Mauritanien, Amadou Toumani Toure aus Mali, Denis Sassou Nguesso aus Kongo-Brazzaville und der ugandische Außenminister, Henry Oryem Okello.

Das von der AU vorgeschlagene Abkommen bot einen sofortigen Waffenstillstand, die ungehinderte Lieferung humanitärer Güter, den Schutz ausländischer Staatsbürger, einen Dialog zwischen der Regierung und den Rebellen über eine politische Lösung, die Unterbrechung der Nato-Luftangriffe und die Organisierung humanitärer Hilfsaktionen. Das sollte die Basis für Gespräche mit dem Ziel einer "Übergangsperiode" schaffen, um "politische Reformen" zu beschließen und umzusetzen, "die für die Beseitigung der Ursachen der gegenwärtigen Krise notwendig sind". "Der Wunsch des libyschen Volkes nach Demokratie, politischen Reformen, Gerechtigkeit, Frieden, Sicherheit und gesellschaftlicher Entwicklung" müsse anerkannt werden.

Als Zuma die Residenz Bab al-Asisija des libyschen Führers verließ, sagte er: "Die Delegation des Bruders Führer hat die von uns vorgestellte Road Map akzeptiert." Er forderte die Nato auf, die Bombenangriffe einzustellen, und erklärte: "Wir müssen dem Waffenstillstand eine Chance geben."

Aber ein Sprecher der Rebellen hatte schon zuvor einen Waffenstillstand abgelehnt. Ahmad Bani sagte zu Al-Dschasira: "Es gibt nur die militärische Lösung, weil die Sprache dieses Diktators die Vernichtung ist, und wer diese Sprache spricht, versteht auch nur diese Sprache."

Kaum hatte Gaddafi den Waffenstillstand akzeptiert, versicherten alle Oppositionssprecher gleichzeitig, dass das für sie nicht akzeptabel sei. Guma al-Gamaty, der Vertreter des TNC in London, sagte, die Opposition werde keinem Handel zustimmen, der nicht Gaddafi und seine Söhne entmachte. "Wir weisen jede Initiative zurück, die Gaddafi und seinen Söhnen ermöglicht zu bleiben", sagte Abdallah Schamija, ein Mitglied der Rebellenkoalition von der libyschen Muslimbruderschaft zu Reuters über Telefon aus Bengasi.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, ehe die Gespräche in Bengasi begonnen hatten, dass ein Waffenstillstand zwischen den Kräften des libyschen Regimes und den Rebellen "glaubwürdig und überprüfbar sein muss... Wir haben schon mehrere angekündigte Waffenstillstände erlebt, die aber nicht befolgt wurden, und deshalb brauchen wir einen wirksamen Überwachungsmechanismus".

Ein Nato-Sprecher sagte zu Reuters: "Wir werden weiterhin Truppen unter Druck setzen, die Zivilisten bedrohen. Unsere Operation geht weiter. Unsere Flugzeuge fliegen noch, und wenn wir eine Bedrohung von Zivilisten bemerken, werden wir angreifen."

Ein Sprecher des britischen Premierministers David Cameron drückte sich ähnlich aus. "Wir werden unsere Militäraktionen fortsetzen, solange es notwendig ist, Zivilisten zu beschützen", sagte er. "Ein Waffenstillstand muss ein echter Waffenstillstand sein. Das kann nur nach Gaddafis Taten beurteilt werden, nicht nach seinen Worten oder nach den Worten von sonst jemandem."

Gaddafi nach seinen Taten zu beurteilen, statt nach seinen Worten, ist die halboffizielle Standardformulierung in London geworden, wenn eine Begründung für die Ablehnung eines Waffenstillstands gesucht wird. Würde der gleiche Maßstab an die Nato-Mächte angelegt, dann wäre völlig klar, dass sie zurzeit keinerlei Interesse an einer friedlichen Lösung des Libyenkonflikts haben.

Als die AU-Delegation am Montag nach Bengasi fuhr, wurde sie von einer sorgfältig inszenierten empörten Menge begrüßt, die ihre Autos angriff, anti-Gaddafi-Parole rief und die Flaggen Libyens, Frankreichs, Italiens und Katars schwenkte. Frankreich, Italien und Katar sind die drei einzigen Länder, die den TNC als legitime Regierung Libyens anerkannt haben.

"Über Gaddafi und seine Söhne gibt es nichts zu verhandeln", sagte Ahmed al-Adbor, ein Mitglied des TNC. "Die Söhne und die Familie Gaddafis können für die Zukunft Libyens keine Rolle mehr spielen."

Den Abtritt Gaddafis und seiner Söhne - das ist die Forderung nach einem Regimewechsel - kann die libysche Regierung gar nicht akzeptieren. "Niemand hat das Recht Muammar Gaddafi ins Exil zu schicken und ihn zu zwingen das Land seiner Vorväter zu verlassen. Dieser Mann wird Libyen nicht verlassen", sagte der Sprecher Abdel Monem al-Lamouschi. Aber Washington hat diese Forderung von Anfang an voll unterstützt. Als Reaktion auf einen persönlichen Appell Gaddafis an Präsident Barack Obama letzte Woche, den Konflikt zu beenden, erklärte Außenministerin Hillary Clinton: "Gaddafi weiß, was er tun muss: zurücktreten und Libyen verlassen."

Je länger der Libyenkonflikt dauert, desto deutlicher wird, dass ein militärischer Sieg der Opposition ausgesprochen unwahrscheinlich ist. Sie hat in der Bevölkerung keine bedeutende Unterstützung, und ihre Kampfmethode besteht im Großen und Ganzen darin, unter dem Schutz der Nato vorzurücken, um sich dann hastig wieder zurückzuziehen, sobald sie von Regierungskräften angegriffen wird.

Ein Patt wird immer wahrscheinlicher, was zu wachsenden Differenzen über den Nato-Krieg führt. Die Afrikanische Union und die Arabische Liga unterstützten ursprünglich die UN-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone, drängen aber inzwischen auf ein Ende des Konflikts. Südafrika hatte für die Resolution gestimmt, steht aber jetzt eindeutig auf der Seite der BRIC-Länder Russland, China, Brasilien und Indien, die sich enthalten hatten. Südafrika wird am Donnerstag auf einer Konferenz in China als Mitglied der BRIC-Gruppe akzeptiert. Zuma reiste nicht mit nach Bengasi, sondern flog nach dem Treffen mit Gaddafi in den chinesischen Badeort Sanya.

Die Europäer sehen die militärische Pattsituation und die politische Opposition gegen Washington als Chance an, den Ereignissen ihren Stempel aufzudrücken. Heute findet eine Konferenz der europäischen Außenminister in Luxemburg statt, um die Realisierung von EUFOR zu diskutieren. Diese militärische Mission soll unter dem Vorwand, der belagerten Bevölkerung von Misurata zu Hilfe zu kommen, direkt auf libyschem Boden eingreifen.

Die Operation sieht vor, die beiden 1.500 Mann starken europäischen Schnellen Eingreifgruppen zu mobilisieren. Das hängt aber von einer Anforderung der UN ab. Deutschland, das sich anfänglich bei der Abstimmung über ein militärisches Eingreifen in Libyen enthalten hatte, muss dabei neben Italien die führende Rolle spielen. Am Donnerstag gibt es dann parallel zu der BRIC-Konferenz ein Außenministertreffen der Nato in Berlin.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.04.2011
Opposition und Nato lehnen Waffenstillstand der Afrikanischen Union für Libyen ab
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2011