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GLEICHHEIT/3587: Obama in Chile - Keine Entschuldigung wegen Putsch von 1973


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obama in Chile: Keine Entschuldigung wegen Putsch von 1973

Von Bill Van Auken
31. März 2011


Bei seinem Chilebesuch wies Obama eine direkte Aufforderung zu einer Entschuldigung für die Machenschaften Washingtons beim faschistischen Militärputsch von sich. Dieser Putsch führte zu einer siebzehn Jahre dauernden Diktatur in dem Land, was für Hunderttausende Mord, Folter, Gefängnis und Exil bedeutete.

Am Montag trat Obama in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem chilenischen Präsidenten Sebastian Pinera im Moneda Palast in Santiago auf. In diesem Palast starb der einstige Präsident des Landes, Salvador Allende, am 11. September 1973, als chilenische Kampfflugzeuge bei einem mit Unterstützung der CIA und des Pentagon organisierten Umsturz das Gebäude bombardierten.

Bei der ersten Frage forderte ein chilenischer Reporter den amerikanischen Präsidenten auf, über die " aus der Diktatur von General (Augusto) Pinochet herrührenden offenen Wunden" zu sprechen, und merkte dazu an, dass "viele dieser Wunden mit den Vereinigten Staaten zu tun haben."

Als erstes fragte er nach der Beteiligung Washingtons an den derzeitig stattfindenden Nachforschungen zum Tod Allendes und Eduardo Frei Montalvas, eines Christdemokraten, der 1964 mit Unterstützung der CIA zum Präsidenten gewählt wurde, dann aber bei der amerikanisch protegierten Diktatur wegen seiner verspätet einsetzenden Ablehnung Pinochets in Ungnade fiel. Die Ermittler kamen zu dem Schluss, dass sein Tod im Jahr 1982 ein als medizinische Behandlung getarnter Mord war.

Dann richtete der Reporter einen direkten Appell an Obama und fragte ihn, ob "die Vereinigten Staaten willens sind, für ihre Taten in den äußerst problematischen 1970er Jahren in Chile um Entschuldigung zu bitten?"

Auf die erste Frage sagte Obama, dass " wir über Forderungen nach mehr Information über die Vergangenheit sicherlich nachdenken werden."

Kürzlich von WikiLeaks veröffentlichte Meldungen weisen jedoch darauf hin, dass Washington von chilenischen Behörden, die Freis mysteriösen Tod untersuchen, schon derartige Nachfragen erhalten hat und sie systematisch abschmettert. Aus diesen Depeschen ergibt sich, dass Washington gut darüber unterrichtet ist, was dem ehemaligen Präsidenten widerfuhr.

Eine im Dezember 2009 geschriebene Depesche enthält folgende makabre Einzelheiten:

"Weniger als eine Stunde nach seinem Tod kamen Ärzte vom Anatomischen Institut der Katholischen Universität und führten bei Frei ohne die Einwilligung seiner Familie eine Obduktion durch. Die ganz und gar bizarre Obduktion wurde angeblich in dem Krankenzimmer durchgeführt, in dem Frei starb. Dort hängten sie den Körper an den Beinen auf, sodass die Körperflüssigkeiten in einen Behälter abtropften. Ein paar Organe, besonders diejenigen, bei denen in einer chemischen Analyse eine Vergiftung nachweisbar gewesen wäre, wurden entnommen und vernichtet, dann wurde der Körper einbalsamiert."

In der als "vertraulich" deklarierten Depesche wurde auch vermerkt, chilenische Mitglieder der Untersuchungskommission hätten Fragen an das Amerikanische Zentrum für Gesundheitsüberwachung (CDC) nach etwaigen Lieferungen biologischer Waffen an die chilenische Diktatur in den Jahren 1981 und 1982 gestellt. Auf Weisung Washingtons verweigerte die CDC jede Information mit der Begründung, die Untersuchungsmitglieder hätten es versäumt, "formal korrekt vorzugehen".

Die Depesche endet mit der mysteriösen Versicherung, dass "Chiles tragische jüngere Geschichte das Volk weiterhin spaltet und der Tod seines emblematischen Präsidenten anscheinend ein weiterer Komplex sein könnte, bei dem die ganze Wahrheit niemals ans Tageslicht kommt."

Was den zweiten Teil der Frage des Reporters betrifft, stellte Obama klar, dass es so eine Entschuldigung nicht geben werde. Er sagte, dass die USA und Chile sich nicht in "unserer Geschichte verfangen werden" und sagte, dass er nicht über "die ganze politische Vergangenheit sprechen" könne, sondern lediglich "über die gegenwärtige und zukünftige Politik."

Es war der große amerikanische Schriftsteller William Faulkner, der sagte: "Die Vergangenheit ist nie tot. Sie ist nicht einmal vorbei." Nirgendwo trifft diese Aussage mehr zu als für die blutige Geschichte der USA in Chile.

Die Fakten des Putsches von 1973 sind bestens bekannt. Der letzte offizielle Bericht geht von 3.200 Toten aus, nach den plausibelsten Schätzungen ist jedoch davon auszugehen, dass die Zahl der Getöteten und "Verschwundenen" um drei bis vier Mal höher liegt. Zehntausende mehr waren willkürlichen Verhaftungen und Folter unterworfen.

Die Regierung Richard Nixons hatte sich seit der Wahl von 1970 politisch für den Sturz der gewählten Regierung Salvador Allendes ins Zeug gelegt. Ihr nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger legte dar: "Ich sehe nicht ein, weshalb wir untätig zusehen und ein Land wegen der Unverantwortlichkeit seines eigenen Volkes kommunistisch werden lassen sollten."

Die CIA pumpte Millionen von Dollar nach Chile, mit denen faschistische Organisationen sowie Unternehmerstreiks finanziert wurden, mit deren Hilfe die Wirtschaft des Landes gestört werden sollte.

Geheimdokumente, die unter der Regierung Clinton - wenn auch frisiert - veröffentlicht wurden, zeigten, dass die amerikanische Regierung, die das Regime gegen internationale Kritik verteidigte, eng in den Putsch und den daraus resultierenden Tötungsrausch verwickelt war.

Darüber hinaus unterhielt die CIA enge Beziehungen zur chilenischen Geheimpolizei DINA, die zum Dreh- und Angelpunkt eines kontinentalen Bündnisses für staatlichen Terror und Mordanschläge wurde, der so genannten Operation Condor, die in der ganzen Region Jagd auf Gegner lateinamerikanischer Diktaturen machte und sie ermordete.

Während Obama am Montag Chiles "stabile offene Märkte" als Ausdruck der Überwindung des Vermächtnisses der Diktatur lobte, ist der gegenwärtige wirtschaftliche Zustand nur zu sehr ein Ergebnis der mörderischen Unterdrückung, die unter Pinochet gegen die Arbeiterklasse in Gang gesetzt wurde. Heute gehört Chile zu den Ländern in der Welt mit der größten Ungleichheit. In den Jahren der gewaltsamen Repression kam es zu einer aggressiven Umverteilung des Reichtums von der Arbeiterklasse zugunsten der reichen, von Pinochet und seinen Lakaien geführten Elite. Millionen wurden in Armut und Arbeitslosigkeit gestoßen, gleichzeitig plünderten die Angehörigen der Schicht, der auch die Familie Pinera angehörte, die Staatsbetriebe und wurden dadurch zu Milliardären.

Die chilenische Diktatur von General Pinochet dauerte siebzehn Jahre (1973-1990). Nicht nur, dass die Wunden aus dieser Zeit noch offen sind, es gab tatsächlich keinerlei Aufarbeitung der Unterdrückung der chilenischen Arbeiter, Studenten und aller, die sich während dieser Zeit sozialistischer Neigungen verdächtig machten.

Pinochet selbst starb 2006, ohne dass er je wegen seiner Verbrechen bestraft worden wäre. Nur wenige der brutalen Schergen der Diktatur wurden überhaupt ermittelt. Die Mehrheit der Mörder und Folterknechte aus Militär und Polizei genießt Immunität, genau wie diejenigen aus der amerikanischen Regierung, die bei ihren schrecklichen Taten mitarbeiteten und sie unterstützten.

Zu ihnen gehört Kissinger. Er verdient es, wegen seiner Rolle bei den Ereignissen in Chile als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt zu werden. Aber er ist noch immer ein führender Kopf in der amerikanischen Außenpolitik und berät regelmäßig auch die Regierung Obama selbst.

Es gibt dann auch noch den Fall Jeffrey Davidow, des Vorsitzenden des von der Wirtschaft finanzierten "Institute of the Americas". Er wurde bei der amerikanischen Botschaft in Santiago von 1970 bis 1974 als "politischer Offizier" geführt - eine übliche Tarnbezeichnung für geheimes CIA-Personal -, und war unmittelbar in die Vorbereitung des amerikanisch gedeckten Putsches eingebunden.

In einem nach dem Putsch für das Militärregime aufgesetzten Memo warnte Davidow vor einer "Verschwörung von Seiten der Feinde Chiles, nach der die Junta in den schlimmsten Farben dargestellt werden soll." Kurz danach begann mit der Ermordung des Dissidenten General Carlos Prats in Argentinien, mit der versuchten Ermordung des ehemaligen Vizepräsidenten Bernardo Leighton in Italien in 1975 und der Ermordung des ehemaligen Ministers Allendes, Orlando Letelier, und seiner amerikanischen Sekretärin Ronni Moffitt in Washington im Jahre 1976 durch eine Autobombe eine Serie von Morden an solchen "Feinden".

Bei einem offiziellen Empfang in La Moneda am Montagabend brachte Obama folgenden Trinkspruch aus: "Sag mir, wer deine Freund sind, und ich sage dir, wer du bist." In der Tat.

Es handelt sich nicht nur um den Schutz von hochrangigen Personen, die direkt in die Verbrechen gegen das chilenische Volk verwickelt sind. In Wirklichkeit ist der ganze amerikanische militärische Geheimdienstkomplex, der den Putsch in Chile in die Wege leitete, in Washington immer noch fest verankert. Er genießt eine sogar noch umfassendere Immunität als die kriminellen Vertreter der Diktatur Pinochets, kein Einziger davon muss sich für die Morde, Entführungen, Folter und ungesetzlichen Inhaftierungen im so genannten "Antiterrorkrieg" verantworten.

Obama hätte sich nicht für den Putsch in Chile entschuldigen können, ohne den Zorn der CIA auf sich zu ziehen. Vom Anfang seiner Regierungszeit an hat er klargemacht, dass er davon Abstand nimmt.

Und wie der Putsch in Honduras vom Juni 2009 bewiesen hat, sind sowohl Washington als auch die gegenwärtige Regierung bereit, heute zu den gleichen blutigen Methoden zu greifen, wie im September 1973.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 31.03.2011
Obama in Chile: Keine Entschuldigung wegen Putsch von 1973
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2011