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GLEICHHEIT/3075: Europas Finanzkrise verursacht Turbulenzen auf den globalen Märkten


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Europas Finanzkrise verursacht Turbulenzen auf den globalen Märkten

Von David Walsh
27. Mai 2010
aus dem Englischen (26. Mai 2010)


Die globalen Aktienmärkte waren am Dienstag ausgesprochen unstabil. Befürchtungen über eine Ausweitung der europäischen Finanzkrise und einen möglichen militärischen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel brachten Investoren ins Schwanken.

Vergangenes Wochenende hat die Bank von Spanien mehrere spanische Banken übernommen, was die Sorgen um den Zustand des europäischen Bankensystems weiter anheizt. Ein Währungsmanager in London kommentierte im Wall Street Journal : "Die Scheinwerfer sind nicht mehr auf Griechenland gerichtet, sondern schwenken inzwischen auf Spanien, Portugal und die Banken über." Der Internationale Währungsfond gab am Montag einen ernsten Bericht zu Spanien heraus, in dem er von der sozialdemokratischen Regierung von Ministerpräsident José Zapatero verlangte, "die Krise auf dem Arbeitsmarkt in Angriff zu nehmen".

Der Londoner FTSE-Index 100 verlor 2,5 Prozent und schloss zum ersten Mal seit dem 2. Oktober unter 5.000 Punkten. "Wir sind nicht einfach unter 5.000 Punkte gefallen, wir sind regelrecht durchgebrochen", sagte ein Analyst der Financial Times. Die Aktien der teilverstaatlichten Bank Lloyds fielen um neun Prozent, während die Royal Bank of Scotland und Barclays sechs Prozent verloren.

Der Dow Jones Index an der Wall Street sank am Dienstagmorgen um zwei Prozent oder mehr als 200 Punkte, bevor er sich erholte und schließlich mit einem Minus von nur 22 Punkten mit knapp über 10.000 aus dem Markt ging. Seit dem 8. Februar hat der Dow Jones nicht mehr so tief geschlossen.

Der führende französische Index CAC fiel um 2,9 Prozent, und der Frankfurter DAX verlor 2,34 Prozent. Die Börse in Madrid schloss mit einem Minus von 3,05 Prozent und Mailand verlor 3,4 Prozent.

In Asien fielen die Märkte generell auf ein Sechsmonatstief zurück. Der Hongkonger Hang Seng fiel um 3,5 Prozent, Japans Nikkei 225 fiel um 3,1 Prozent. Der Aktienindex von Schanghai fiel fast zwei Prozent zurück.

Die indische Rupie fiel gegenüber dem Dollar auf ein Achtmonatstief und der Sensex-Index fiel zum ersten Mal seit drei Monaten unter die Marke von 16.000.

Auch in Australien waren die Märkte gedrückt. Der S&P/ASX 200 Index fiel um drei Prozent auf seinen tiefsten Stand seit August letzten Jahres. Der Sydney Morning Herald kommentierte: "Der australische Aktienmarkt hat in diesem Monat Werte in Höhe von 150 Mrd. Dollar verloren, weil Investoren befürchten, dass Europas Schuldenkrise den globalen Aufschwung beeinträchtigen könnte."

Die Euphorie der Märkte nach der Bekanntgabe des europäischen Rettungspakets vom 10. Mai über 750 Mrd. Euro ist längst wieder verflogen und hat "schwindelerregenden" Schwankungen Platz gemacht, wie sich ein Portfolio Manager ausdrückte.

Viele befürchten, dass Spanien als nächstes Land in eine "griechische Krise" rutschen könnte, und dass die sozialistische Regierung nicht genug "politischen Willen" aufbringen werde, die brutalen Kürzungsmaßnahmen, die von den Märkten gefordert werden, gegen den Widerstand der Arbeiterklasse durchzusetzen. In der Wirtschaftspresse geht ein Kommentar nach dem anderen darauf ein, dass die Krise auf die ganze Eurozone übergreift. Besonders wird auf die Möglichkeit einer größeren Bankenrettungsaktion oder von Umschuldungen in Spanien hingewiesen.

Vergangenes Wochenende hat die Bank von Spanien die CajaSur übernommen, eine von der katholischen Kirche geführte Sparkasse im südspanischen Cordoba. Die Bank, die 2009 596 Millionen Euro verloren hat, geriet wegen dem Zusammenbruch der Bauindustrie und der Immobilienwerte in Schieflage. Berichten zufolge hat sie 2,2 Mrd. Euro faule Kredite in ihren Büchern stehen.

Die Bank ist relativ klein, aber Investoren fürchten, dass ihre Probleme für das spanische Bankensystem symptomatisch sind. Vier andere Sparkassen gaben auf Druck der Regierung in Madrid ihren Zusammenschluss bekannt. Die Regierung hat den Sparkassen bis Ende Juni Zeit gegeben, Hilfe aus einem Unterstützungsfond zu beantragen.

Am 24. Mai schrieb Santiago Lopez, ein Analyst der Credit Suisse Group AG, in einer Notiz, dass die Übernahme der CajaSur "die Gefahren ins Bewusstsein hebt, die dem Finanzsystem, den Staatsschulden und der Wirtschaft insgesamt drohen".

Das Wall Street Journal zitierte die Bemerkungen von Hans Redeker, dem Chefwährungsanalytiker der französischen Bank BNP Parisbas: "Jetzt geht es nicht mehr nur um Griechenland... Es geht um die Europäische Währungsunion und darum, wie sie zusammengehalten werden kann."

Die New York Times zitierte den Chefstrategen für globale Währungsfragen bei Brown Brothers Harriman & Company, Marc Chandler, im gleichen Sinne: "Wenn es anfänglich Zweifel gegeben hat, dann sind sie jetzt verflogen... Die europäische Schuldenkrise ist nicht einfach ein griechisches Phänomen." Ben Potter von IG Markets äußerte die Sorge, "dass sich europäische Banken, in erster Linie die in Spanien, auf dem Weg in den Abgrund befinden könnten".

Besonders beunruhigend ist der starke Anstieg des dreimonatigen Interbanken Zinssatzes in London (Libor), der am Dienstag den elften Tag hintereinander auf ein Zehnmonatshoch anstieg. Der spanische Bankenkollaps hat offensichtlich die Befürchtung gestärkt, dass Finanzinstitute erneut gegenseitig ihre Kreditwürdigkeit in Zweifel ziehen.

Andrew Willis vom Globe & Mail kommentierte: "Nach dem Zusammenbruch von CajaSur steigen die Interbanken-Zinsen. Das ähnelt sehr der Kreditklemme von 2007, als die Finanzinstitute sich einfach gegenseitig nicht mehr trauten und die Kreditkosten entsprechend anzogen."

Mehrere Kommentatoren wiesen darauf hin, dass der so genannte 'Wirtschaftsaufschwung' in sich zusammensacken könnte. Arnab Das, ein Kollege des Wirtschaftswissenschaftlers Nouriel Roubini, "hält eine Double Dip Rezession in Europa für möglich, und in den USA ein Stocken des Wachstums".

"Griechenland ist die Spitze des Eisbergs", sagte Das am Montag auf CNBC. "Die Ansteckungsgefahr für Länder wie Spanien ist jetzt sehr groß, und auch Großbritannien ist hoch verschuldet. Sparmaßnahmen werden das Wachstum drücken, und das wird die Profitabilität der Wirtschaft schwächen."

Angesichts der Krise fordern sämtliche Regierungen und internationalen Finanzhäuser, dass die arbeitende Bevölkerung die Folgen trägt und die Zerstörung von Arbeitsplätzen, Lebensstandard und Sozialprogrammen hinnimmt.

Der Internationale Währungsfond bestand in seinem Bericht vom 24. Mai darauf, dass "Spanien weitreichende und umfassende Wirtschaftsreformen braucht". Im Namen der "Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung" fordert der IWF den Abbau des Sozialstaats und einen "flexibleren" Arbeitsmarkt.

Diese von den USA dominierte Institution verlangt "dringend eine radikale Umstrukturierung des Arbeitsmarkts" und setzt sich "für Änderungen im Tarifsystem ein." Dieses behindere gegenwärtig Lohnflexibilität und die Flexibilität der Firmen. Weiter verlangt der IWF eine Senkung der Abfindungen auf mindestens den EU-Durchschnitt", sowie "mehr Lohnflexibilität und mehr Beschäftigung", usw.

Der Bericht lobt die Zapatero-Regierung für ihr kürzliches Haushaltspaket, das "konkrete und kühne Maßnahmen, wie die Kürzung der Löhne im Staatsdienst" beinhalte. Er fordert weiter "eine kühne Rentenreform", wie auch die "Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre".

Führende Politiker der USA äußern ähnliche Warnungen und Drohungen. Ex-Federal Reserve Chef und Sonderberater Obamas, Paul Volcker, sagte am 18. Mai vor Publikum, die Zeit werde knapp, um Amerikas Haushaltsprobleme in Angriff zu nehmen.

"Wenig ist geschehen, um meine Sorgen zu vertreiben, die ich vor fünf Jahren vorgebracht habe", sagte Volcker, Vorsitzender des wirtschaftspolitischen Beratergremiums des Präsidenten. Jetzt entwickelten sich in den USA "gefährliche und hartnäckige Probleme".

Er stellte klar, was er mit "gefährlichen und hartnäckigen" Probleme meinte: "Es gibt schwerwiegende Fragen. Am meisten unter den Nägeln brennt, ob wir es uns leisten können, die wachsenden Kosten für die Rentenversicherung und für die Krankenversorgung der Alten und Armen weiter zu tragen."

Volcker forderte das politische Establishment der USA auf, die Haushaltssanierung genauso so entschlossen anzugehen wie die europäischen Regierungen.

Siehe auch:
Eurokrise drückt globale Märkte
(22. Mai 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/mai2010/beam-m22.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 27.05.2010
Europas Finanzkrise verursacht Turbulenzen auf den globalen Märkten
http://wsws.org/de/2010/mai2010/econ-m27.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2010