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GLEICHHEIT/2956: Der Mord in Dubai und der "Krieg gegen den Terror"


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Der Mord in Dubai und der "Krieg gegen den Terror"

Von Patrick O'Connor
9. März 2010
aus dem Englischen (2. März 2010)


Die Ermordung des Hamas-Mitglieds Mahmud al-Mabhouh in Dubai im vergangenen Monat unterstreicht, wie sehr im Rahmen des "Kriegs gegen den Terror" auf den Grundregeln des Völkerrechts herumgetrampelt wird. Für die US-Regierung und ihre Verbündeten sind außergerichtliche Hinrichtungen und so genannte gezielte Tötungen zu staatlich legitimierten Aktivitäten geworden und keines Kommentars und erst recht keine Verurteilung wert.

Während sich die israelische Regierung weigert, ihre Verwicklung in den Fall zu bestätigen oder zu bestreiten, wird für die Dubai-Affäre allgemein der israelische Geheimdienst Mossad, verantwortlich gemacht. Die Obama Administration hat striktes Stillschweigen über die Affäre gewahrt, während die Regierungen Englands, Australiens, Frankreichs, Deutschlands und Irlands lediglich gegen die Fälschung von Pässen ihrer Länder protestierten. Nicht eine hat die Ermordung Mabhous verurteilt.

Der Anschlag war eine kaltblütige Aktion, die bis ins letzte Detail geplant war. Der Polizei von Dubai zufolge waren siebenundzwanzig Männer und Frauen mit der Vorbereitung das Attentats befasst, das mit der Injektion des muskellähmenden Präparats Suxamethonium und der anschließenden Erstickung Mabhouhs mit einem Kissen endete. Die Mörder hinterließen angeblich ein Medikament gegen Bluthochdruck, um auf den ersten Blick den Eindruck eines natürlichen Todes vorzutäuschen, hängten ein Schild "Bitte nicht stören" an die Hoteltür des Opfers und verließen Dubai, noch bevor die Behörden Das verbrechen überhaupt entdeckten. Es wurde erst bekannt, nachdem Mahoubs Frau ihren Mann telefonisch nicht erreichen konnte.

Israel verfolgt seit langem die Praxis, seine Feinde rund um die Welt aufzuspüren und zu ermorden. In den letzten Jahren hat es eine systematische Anschlagsserie gegen die palästinensische Führung im Westjordanland und in Gaza durchgeführt.

Die mehr oder weniger offene Akzeptanz der letzten Gewalttat des Mossads durch Washington und seine Verbündeten ist darauf zurückzuführen, dass ähnliche Methoden mittlerweile einen zentralen Bestandteil des "Kriegs gegen den Terror" bilden. Internierungen von unbestimmter Dauer ohne Gerichtsverhandlung, Verschleppungen und Folter sind an der Tagesordnung. Personen, die als Bedrohung für den amerikanischen Staat eingestuft werden, werden in Ländern wie Afghanistan, Irak, Pakistan und Jemen routinemäßig eliminiert.

Getreu seinem Wahlversprechen, die militärischen Operationen in Pakistan und Zentralasien auszuweiten, hat Obama Bombenangriffe in der AfPak Region durch Drohnen abgesegnet, durch die neben den ins Visier genommen Zielen typischerweise auch Zivilisten zu Tode kommen. Außerdem verfolgen und töten US Kampfverbände, Geheimdienstmitarbeiter und ihre Helfer vor Ort weiterhin Iraker und Afghanen, die den bewaffneten Widerstand gegen die ausländische Besetzung ihres Landes unterstützen.

Es wird in internationalen Regierungskreisen mittlerweile für selbstverständlich gehalten, dass der CIA und die mit ihm zusammenarbeitenden Geheimdienste, einschließlich des Mossads, das Recht haben, gegenüber Terrorismusverdächtigen als Richter, Jury und Henker in einem vorzugehen. Die mörderischen Aktivitäten des CIA im Kalten Krieg, einschließlich der Ermordung des kongolesischen Führers Patrice Lumumba im Jahr 1961 und der Mordanschläge auf den kubanischen Präsidenten Fidel Castro haben noch internationale Empörung ausgelöst.

So erließ Präsident Gerald Ford in Folge einer Woge öffentlicher Empörung über die bekannt gewordenen internationalen Mordanschläge des CIA 1976 ein Gesetz, das der CIA die eigenmächtige Durchführung oder Beauftragung von Mordanschlägen verbot. Heute gibt es diese Skrupel gegenüber der "gezielten Tötung" nicht mehr, und der CIA und dem Militär werden nur wenige Einschränkungen auferlegt. Der amerikanische Geheimdienstdirektor Dennis Blair enthüllte letzten Monat, dass es ganz bestimmte "politische und legale Verfahrensweisen" gibt, die die Ermoderung amerikanischer Bürger in der ganzen Welt erlauben.

Jede mit Washington verbündete nationale Regierung ist mitverantwortlich. Die diplomatischen Proteste Großbritanniens, Australiens, Frankreichs, Deutschlands und Irlands gegen den Missbrauch ihrer Pässe sind nichts anderes als eine groteske Farce. Man braucht nur die Frage zu stellen, wie die Reaktion wohl ausgefallen wäre, wenn der iranische Geheimdienst einen Mordanschlag in anderen Ländern ausgeführt und dabei gefälschte, europäische und australische Pässe benutzt hätte. Anstelle der diplomatischen Feinheiten hätte es ein Trommelfeuer für einen groß angelegten Krieg gegeben.

Keine der beteiligten Regierungen hat ein Interesse daran, die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wegen des Zwischenfalls in Schwierigkeiten zu bringen. Alle sind mitschuldig an den Kriegsverbrechen des zionistischen Staates. Großbritannien, Australien und Deutschland gehörten zu den sechzehn Ländern, die im November letzten Jahres zusammen mit den Vereinigten Staaten und Israel gegen eine UN-Resolution gestimmt haben. Diese unterstützte die Feststellungen des Goldstone Berichts, dass Israel während seines Kriegs gegen den Gazastreifen Kriegsverbrechen begangen habe. Aber das ist noch nicht alles. Nachdem ein britischer Gerichtshof letztes Jahr einen Haftbefehl gegen die frühere Außenministerin Israels Tzipi Livni erlassen hatte, versprach die Labour Regierung von Premierminister Gordon Brown, das diesbezügliche Gesetz zu ändern und zu gewährleisten, das offizielle Vertreter Israels vor Verfolgung geschützt werden.

Nach Angaben der britischen Daily Mail, informierte Israel die Brown-Regierung im Vorhinein aus "Höflichkeit". Auch wenn dieser Bericht bislang nicht bestätigt wurde, stellt sich die Frage, ob die anderen beteiligten Länder sowie die USA ebenso vorgewarnt waren.

Wie auch immer es gewesen ist, es gibt kaum Zweifel daran, dass die für den Dubai-Mord Verantwortlichen davon ausgingen, dass die meisten Regierungen, deren Pässe sie gefälscht hatten, ihrerseits bestens mit der Durchführung von Mordanschlägen vertraut sind. Die Labour-Regierung von Premierminister Gordon Brown war mehrere Jahre lang für eine umfangreiche Operation von gezielten Tötungen im Irak verantwortlich. Laut einem neuen Buch von BBC-Reporter Mark Urban hat die britische Eliteeinheit SAS 350 bis 400 "Terroristen"-Führer im Irak ermordet. Ähnliche Maßnahmen wurden von anderen Verbündeten der USA inszeniert - das australische SASR [Special Air Service Regiment] genießt in Washington hohes Ansehen aufgrund seiner Rolle, die es bei der Verfolgung afghanischer Widerstandskämpfer höheren Rangs spielte. Die deutschen Truppen haben sich bei ähnlichen Tötungsaktionen von vermeintlichen Taliban Persönlichkeiten engagiert.

Es überrascht daher nicht, wenn sich die offizielle Reaktion auf die Ermordung von Mahmoud al-Mabhouh in Dubai wie ein Schulterschluss innerhalb einer internationalen Vereinigung von Kriegsverbrechern ausnimmt.

In den großen Parteien und Medien der USA, Europas und Australiens, gibt es keinerlei Diskussion über die weitreichenden Folgen des Dubai-Mordes für das Völkerrecht und die demokratischen Rechte. Das zeugt von der verdorbenen politischen Kultur und Moral der herrschenden Kreise. Insofern Bedenken aufkamen, sind sie rein taktischer Natur - dass die Operation möglicherweise zuviel negative Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt hat und dass die israelische Regierung keine Pässe von Verbündeten hätte fälschen dürfen.

Andere Kommentatoren jedoch feierten die Ermordung ungeniert. "Es ist nicht opportun so etwas zu sagen, aber ich empfinde eine ziemliche Bewunderung für die israelische Art mit Dingen umzugehen", schrieb Melanie Reid am 18. Februar in der Londoner Times. "Sie wollen etwas, sie bekommen es. Sie betrachten jemanden als ihren Todfeind, sie bringen ihn um. Sie werden geschlagen, sie schlagen zurück. Sie verschwenden keine Zeit mit Erklärungen, Rechtfertigungen oder Selbstzweifeln, genauso wenig erlauben sie ihren Kritikern, ihr Land zu betreten und dann großzügige Sozialleistungen zu beziehen. Sie handeln einfach. Keine Bedenken. Keine Skrupel. Nicht einmal ein Achselzucken oder ein Dementi, sondern nur eine ziemlich bewundernswerte Weigerung, irgendetwas zu diskutieren."

Die Ermordung von Mahmoud al-Mabhouh und die offizielle internationale Reaktion darauf müssen als eine ernste Warnung verstanden werden. Gezielte Tötungen werden zunehmen und nicht nur angebliche Terroristen treffen, sondern potentiell alle, die für eine Gefahr für die bestehende gesellschaftliche und politische Ordnung gehalten werden.

Siehe auch:
Bericht über Kriegsverbrechen im Gazastreifen
verschärft Krise in Israel (13. Februar 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 09.03.2010
Der Mord in Dubai und der "Krieg gegen den Terror"
http://wsws.org/de/2010/mar2010/duba-m09.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2010