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GLEICHHEIT/2945: Militärputsch in Niger


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Militärputsch in Niger

Von Barry Mason
2. März 2010
aus dem Englischen (24. Februar 2010)


In dem westafrikanischen Staat Niger haben die Militärs einen Putsch durchgeführt und den amtierenden Präsidenten Mamadou Tandja dieser ehemals französischen Kolonie abgesetzt. Einem BBC-Bericht zufolge drangen am Donnerstag, den 18. Februar Truppen während einer Kabinettssitzung in den Präsidentenpalast ein. Sie verkündeten die Aussetzung der Verfassung und die Absetzung der Regierung. Am Sonntag, dem 22. Februar, erklärten sie, sie würden die Verfassung ändern und Wahlen abhalten, gaben aber keinen Termin an.

Die Putschisten verhängten eine sofortige Ausgangssperre. Diese wurde aber am nächsten Tag wieder aufgehoben. Tandja und drei seiner Minister wurden von den Putschisten festgenommen. Der Staatsstreich war die Antwort auf Tandjas Versuch, seine Präsidentschaft um eine dritte Amtszeit zu verlängern.

Die Soldaten unter Oberst Salou Djibo bezeichneten sich selbst als den Obersten Rat für die Wiederherstellung der Demokratie (Suprême Conseil pour la Restauration de la Démocratie, CSRD).

Niger wurde 1960 von Frankreich unabhängig und erlebte seither mehrere Militärregierungen. Tandja kam 1999 durch Wahlen an die Macht. Diese Wahl folgte einem Staatsstreich unter der Führung von Major Daouda Wanke, bei dem der damalige Führer der Militärregierung, Ibrahim Maïnassara ermordet wurde.

Im Dezember 2004 wurde Tandja für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Nach der nigerschen Verfassung unterliegt der Präsidentschaftsinhaber einer Beschränkung von maximal zwei Amtsperioden. Am 22. Dezember wäre er zum Rücktritt verpflichtet gewesen. Im Verlauf seiner zweiten Amtsperiode begann Tandja auf eine Änderung der Verfassung zu drängen, die ihm eine dritte Amtszeit erlauben sollte. Als im Mai letzten Jahres die nigersche Nationalversammlung die Unterstützung für ein Referendum verweigerte, das ihm eine dritte Amtszeit ermöglichen sollte, löste er sie auf. Im darauf folgenden Monat löste er das Verfassungsgericht auf, als dieses eine dritte Kandidatur für unrechtmäßig erklärte.

Tandja und seine Anhänger aus der Tazarche (Kontinuitäts-) Bewegung argumentierten, er sollte die Möglichkeit einer dritten Amtszeit erhalten, um seine Pläne, einen Damm über den Niger zu bauen und den Friedens mit den Tuareg im Norden von Niger aufrecht zu erhalten, fortsetzen zu können. Tandja unterzeichnete im April 2009 ein Friedensabkommen mit der Nigerschen Volksbewegung für Gerechtigkeit (MNJ).

Im August verfolgte Tandja sein Referendum für eine dritte Amtszeit weiter. Die Opposition boykottierte es. Aber Tandja behauptete, er habe das Mandat, Präsident bleiben zu können, erhalten. Im Oktober hielt er Parlamentswahlen ab. Die Opposition boykottierte die Wahl.

Die Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (ECOWAS) war gegen die Wahlen und entzog Niger die Mitgliedschaft. Die USA hatten die ECOWAS aufgefordert, umfassende Sanktionen gegen Niger zu verhängen.

Frankreich und der ECOWAS haben den Putsch verurteilt. Anfangs wurde dem Außenminister von Senegal in seiner Eigenschaft als Abgesandtem der ECOWAS die Einreise verweigert. Seitdem aber wurde ihm die Einreise erlaubt und er führte Gespräche mit der neuen Militärjunta.

Global gesehen ist Niger wichtig wegen seiner weltweit größten Uranvorkommen und weil Öl-Reserven im Land vermutet werden. Trotz dieser Bodenschätze steht Niger auf Platz 182 von 182 Ländern des UN Human Development Index - es ist also eines der am wenigsten entwickelten und ärmsten Länder der Welt.

In den letzten 30 Jahren hatte das französische Staatsunternehmen Areva ein Quasi-Monopol an Nigers Uran-Reserven. Es baute die Vorkommen in Arlit und Akouta ab, wo im Jahr 2008 über 3.000 Tonnen gefördert wurden. Areva zahlte Niger auch 1,5 Milliarden Dollar um die Vorkommen in Imourarene zu erschließen, die eine Ausbeute von rund 5.000 Tonnen im Jahr versprechen, wenn der Abbau im Jahr 2012 beginnen kann.

Frankreich erhält 40 Prozent seines Urans aus dem Niger und 76 Prozent des Energieverbrauchs in Frankreich stammen aus Kernkraftwerken. Africa Confidential zufolge "sicherte [Tandja] sich die diskrete Unterstützung des französischen Präsidenten Sarkozy, um seine Amtszeit ein weiteres Mal zu verlängern". Vorausgegangen war die Unterzeichnung eines Produktionsabkommens mit Areva Anfang des Jahres. Sarkozy besuchte Niamey, die Hauptstadt Nigers, im März letzten Jahres.

Frankreichs Monopol an der Uranproduktion in Niger wird von China in Frage gestellt. Chnia sicherte sich die Schürfrechte zur Suche nach Erdöl in dem Agadem Ölfeld im Osten des Landes nahe der Grenze zum Tschad und nach zwei Uranvorkommen bei Azelik und Teguidda. Wie in so vielen Gebieten Afrikas hat das Auftreten Chinas eine Verschiebung der Machtverhältnisse bewirkt, was bedeutet, dass Frankreich nicht mehr den alleinigen Anspruch auf Nigers Bodenschätze besitzt.

Die politische und militärische Elite der ehemaligen Kolonie sieht jetzt die Möglichkeit, die Angebote für die Bodenschätze neu zu verhandeln. Kontrolle über die Regierung sichert den Zugriff auf das große Geld aus dem Uran-Abbau und künftigen Öleinnahmen. Die Aussicht, dass Tandja die Kontrolle über das Vermögen erhält und auf die Konsolidierung seiner Position auf Kosten der anderen Fraktionen der Elite haben zu dem Putsch geführt.

Bisher scheint die neue Junta keine Bedrohung für französische Interessen zu sein. Areva sagt, dass die Uran-Produktion wie gewohnt weiter läuft. Aber wenn es zu einer Bedrohung kommen sollte, wird Frankreich nicht zögern, militärisch einzugreifen. Der Think Tank Stratfor, der enge Verbindungen zu amerikanischen Sicherheitskreisen unterhält, erinnert daran, dass Frankreich Truppen im benachbarten Gabun, in Senegal und der Elfenbeinküste stehen hat.

Siehe auch:
China verstärkt seinen aggressiven Griff nach
afrikanischen Rohstoffen (18. November 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 02.03.2010
Militärputsch in Niger
http://wsws.org/de/2010/mar2010/nige-m01.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2010