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GLEICHHEIT/2507: Kongreß der polnischen PPP markiert Rechtsruck der neuen europäischen Linken


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Besancenot in Polen
Kongress der polnischen PPP markiert Rechtsruck der neuen europäischen Linken

Von Marius Heuser und Tadeusz Sikorski
20. Mai 2009


Am vergangenen Samstag fand in Katowice der Europawahlkongress der Polnischen Partei der Arbeit (Polska Partia Pracy, PPP) statt. Die PPP ist Teil der von der Neuen Antikapitalistischen Partei (Nouveau Parti Anticapitaliste , NPA) inszenierten Vereinigung der europäischen Linken, die auch von der britischen Socialist Workers Party (SWP) unterstützt wird. Der Sprecher der NPA, Olivier Besancenot, war persönlich nach Katowice gekommen. Er bezeichnete die Versammlung als wichtigen Schritt für den "Aufbau einer europäischen Partei der Linken".

Gefilmt von einem NPA-eigenen Kamerateam erläuterte Besancenot die Grundlagen dieser neuen Partei. Er unterließ dabei nicht nur jede Bezugnahme auf den Trotzkismus, sondern vermied es auch, den Begriff Sozialismus in den Mund zu nehmen. Stattdessen sinnierte er über ein "drittes Modell", das sich sowohl vom Kapitalismus als auch von bürokratischer Herrschaft unterscheide. Zentral für die europäische Linkspartei sei die Forderung, dass die Kapitalisten für die Krise zahlen müssten.

Mehrfach betonte Besancenot die große Übereinstimmung zwischen NPA und PPP. Beide stünden in den Kämpfen auf der Seite der Arbeiter. Das mache Antikapitalismus schließlich aus. Es komme jetzt darauf an, so Besancenot, die Kämpfe der Arbeiter auf europäischer Ebene zu bündeln und auf diese Weise die neue Partei aufzubauen.

Mit dieser prinzipienlosen Rede rechtfertigte der Vorsitzende der NPA das Bündnis mit einer Gruppierung, die keinerlei Verbindung zum Sozialismus hat und sogar rechte Kräfte beheimatet. Die PPP ist 2001 aus der kleinen Gewerkschaft August 80 hervorgegangen, die 1992 auf einer rein syndikalistischen Basis gegründet worden war. Sie vertrat damals offen nationalistische Positionen und arbeitete mit der rechten Partei "Konföderation des unabhängigen Polen" (KPN) zusammen. Die KPN knüpfte an die rechte, pro-faschistische Tradition Marschall Pilsudskis an.

Auch in ihren Auslandsbeziehungen waren PPP und August 80 auf rechtsextreme Gruppierungen orientiert. 2002 unterstützten Funktionäre der Nationalen Front (NF) Jean-Marie Le Pens eine Kampagne gegen den EU-Beitritt Polens im oberschlesischen Kohlerevier.

Als sich in den folgenden Jahren, während der von den Sozialdemokraten geführten Regierung, das rechte politische Lager stabilisierte und in mehrere Parteien ("Recht und Gerechtigkeit", "Bürgerplattform" und "Liga der Polnischen Familien") gliederte, vollzogen PPP und August 80 einen "Linksschwenk".

Heute übernehmen sie die Aufgabe, die wachsende Wut der polnischen Arbeiter auf die Regierung und die großen Gewerkschaften zurück in gewerkschaftliches Fahrwasser zu lenken.

In Polen spitzen sich die Fragen, mit denen Arbeiter in ganz Europa konfrontiert sind, stark zu. Während die soziale Polarisierung extreme Formen annimmt und Millionen von Arbeitern in Armut leben, stehen alle offiziellen Parteien und die beiden großen Gewerkschaftsverbände völlig offen auf der Seite der herrschenden Elite. Sobald Arbeiter für ihre Interessen eintreten, sind sie mit diesem Macht-Kartell konfrontiert. Nur noch etwa zehn Prozent der polnischen Arbeiter sind in einer Gewerkschaft organisiert.

Unter diesen Bedingungen sind radikale Aktionen von wütenden Arbeitern in Warschau und den Industriestädten eine alltägliche Erscheinung. August 80 und PPP reagieren auf diese Entwicklung, indem sie sich mit radikalen gewerkschaftlichen Forderungen an die Spitze der Proteste und Aktionen stellen, während sie gleichzeitig die Fragen der politischen Perspektive und der politischen Lehren aus den vergangenen Kämpfen in den Hintergrund drängen.

Auf dem gesamten Kongress kam der Begriff Sozialismus nur ein einziges Mal vor, und zwar in der Rede der Spitzenkandidatin in Wroclaw, Ewa Groszewska. Sie sprach in pathetischen Worten davon, wie Männer und Frauen gemeinsam ein sozialistisches Europa aufbauen werden, vermied aber jeden Bezug auf die konkrete Situation oder Kritik an ihren Vorrednern.

Ansonsten war Sozialismus ein Wort, das nicht in den Mund genommen werden durfte. Eine Kandidatin aus Lublin betonte ausdrücklich, dass sie keine Kommunistin sei, sondern nur eine gerechte Gesellschaft wünsche. Auch der Vorsitzende der PPP, Boguslaw Zietek, erklärte gegenüber der WSWS, dass es ihm nicht um Sozialismus, sondern um"Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" ginge.

Die Angst vor dem Wort Sozialismus hat ihren Grund: Die PPP beherbergt eine ganze Reihe Kräfte, denen selbst der verbale Bezug auf den Sozialismus zu weit geht. Einer der Hauptredner auf dem Kongress war Bogdan Golik, der Vizevorsitzende der polnischen Wirtschaftskammer. Golik ist Spitzendkandidat der PPP in Lodz und stand früher auf der Wahlliste der poststalinistischen SLD, die in ihrer Regierungszeit heftige Sozialkürzungen durchgesetzt und Polen auf EU-Kurs gebracht hat. 2004 wurde er auf der Liste der rechtspopulistischen Bauernpartei Samoobrona ins europäische Parlament gewählt. Samoobrona hat, seit ihrer Zusammenarbeit mit der rechts-konservativen Regierung Jaroslaw Kaczynskis, jede Unterstützung verloren und schlechte Chancen, erneut ins europäische Parlament einzuziehen.

In seiner Rede machte Golik klar, dass er seit der letzten Wahl nur den Namen seiner Liste, nicht aber seine politischen Vorstellungen geändert hat. Er erklärte, dass er der einzige Europaabgeordnete sei, der sich für die polnischen Interessen eingesetzt habe. So habe er die polnische Landwirtschaft und die polnische Fischerei verteidigt. Sein polnischer Blick führte ihn schließlich gar zu der Forderung nach EU-Subventionen für die Verflüssigung polnischer Kohle. Diese könne dann als alternativer Treibstoff verwendet werden.

Nahezu alle Redner betonten, dass es ihnen um einen "Dialog der herrschenden Elite mit der Gesellschaft" gehe. Zietek unterstrich, dass dies auch das Ziel der Besetzung der Abgeordnetenbüros der regierenden Bürgerplattform (PO) gewesen sei, mit denen Mitglieder der PPP in den letzten Tagen auf sich aufmerksam gemacht hatten. "Wir wollten mit [Regierungschef] Tusk über die Situation der Arbeiter reden", sagte er.

Statt eines Wahlprogramms oder politischen Erklärungen lag dem Kongress nur ein Papier mit "21 Forderungen" zugrunde. Im Gegensatz zu den historischen "21 Forderungen", die die streikenden Werftarbeiter von Gdansk im August 1980 an die stalinistischen Bürokraten gestellt hatten, beinhaltet die Forderungsliste der PPP aber nur ökonomische und keine politischen Forderungen. Verlangten die Danziger Arbeiter noch Pressefreiheit, Zugang zu den Massenmedien und Offenlegung aller Informationen zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation, lesen sich die Forderungen der PPP wie eine gewerkschaftliche Wunschliste.

Dabei sind den Autoren offenbar die Ideen ausgegangen, da etwa die Forderung nach einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns in verschiedenen Formulierungen gleich dreimal in der Liste auftaucht. Die einundzwanzigste Forderung ist wiederum die nach einem Dialog zwischen Regierung und Gesellschaft.

Insgesamt wurde auf dem Kongress nicht mit Bezugnahmen auf die Geschichte der Solidarnosc gespart. Immer wieder wurden die "Helden von Gdansk" beschworen, die die Demokratie in Polen ermöglicht hätten.

Über die tragische Entwicklung der Arbeiterproteste verloren die Redner hingegen kein Wort. Nicht darüber, dass die rechten und national orientierten Führer der Solidarnosc 1981 die Ausrufung des Kriegsrechts und die Zerschlagung der Solidarnosc ermöglichten, teilweise sogar begrüßten, und auch nicht darüber, wie die Proteste der Arbeiter 1988/89 dazu missbraucht wurden, den Kapitalismus zu restaurieren und damit den größten Angriff auf die sozialen Rechte der Arbeiter einzuleiten.

Stattdessen fanden sich auf dem Kongress zahlreiche Verweise auf den polnischen Patriotismus. Eingeleitet wurde die Versammlung mit einem Film über den Gründer von August 80 und PPP, Daniel Podrzycki, der 2005 durch einen Autounfall zu Tode kam. Immer wieder wurde das Bild von den polnischen Nationalfarben und dem gekrönten Adler unterbrochen. In einer Aufnahme erklärt Podrzycki: "Patriotismus ist eines der wichtigsten Ideale."

In seiner Abschlussrede bedankte sich Zietek bei Olivier Besancenot, dass dieser "frischen Wind" in die Partei gebracht habe. Bisher habe er gedacht, dass die PPP isoliert sei, aber nun habe sie auf europäischer Ebene Mitstreiter gefunden.

Der Kongress der PPP markiert einen deutlichen Rechtsruck des Projekts einer neuen europäischen Linkspartei, wie sie die NPA und die SWP anstreben. In dem Maße, in dem sich die Krise verschärft, rücken diese Organisationen selbst von verbalen Bezugnahmen auf den Sozialismus ab und sind zu Bündnissen mit rechten Kräften bereit, um einer unabhängigen Bewegung der Arbeiter zuvor zu kommen.

Es ist dringend geboten, dieser Formation durch den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in allen europäischen Ländern entgegenzutreten. In Polen erfordert das eine kritische Aufarbeitung der Erfahrungen mit Solidarnosc und einen prinzipiellen Kampf gegen alle Formen des Nationalismus, der die polnischen Arbeiter mehr als einmal ins Verderben geführt hat.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.05.2009
Besancenot in Polen
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http://wsws.org/de/2009/mai2009/ppp-m20.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2009