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GLEICHHEIT/2503: Deutsche Regierung beschließt Bad Banks


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Deutsche Regierung beschließt Bad Banks

Von Stefan Steinberg
16. Mai 2009
aus dem Englischen (16. Mai 2009)


Am Mittwoch stimmte das Kabinett einem Plan zu, die Gründung von "Bad Banks" zu erlauben, um den deutschen Banken zu ermöglichen, ihre Bilanzen von Schrottanleihen und sogenannten "toxischen Wertpapieren" zu säubern. Die von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) auf den Weg gebrachten "Bad Banks" sind das jüngste Instrument der deutschen Regierung zur Rettung des Banken- und Finanzsystems des Landes. Im vergangenen Herbst paukte die Regierung zügig einen ersten 500 Milliarden Euro Rettungsfond durchs Parlament und gründete unter dem Namen Soffin einen Banken-Rettungsfond.

Die Regierung wird ihren jüngsten Plan dem Parlament schon in den nächsten Wochen vorlegen, um sicher zu gehen, dass er noch vor der Sommerpause und vor den Bundestagswahl im September verabschiedet wird.

Nachdem die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Irland schon Anfang des Jahres ihre eigenen "Bad Banks" geschaffen hatten, geriet die deutsche Regierung immer mehr unter Druck, den Banken zu helfen, ihre toxischen Papiere loszuwerden.

Auch innenpolitisch nahm der Druck zu, den Banken weitere Hilfen zur Verfügung zu stellen, als das wahre Ausmaß ihrer Verstrickung in toxische Investitionen bekannt wurde. Im April enthüllte die Süddeutsche Zeitung den Inhalt eines internen Memos der deutschen Finanzregulierungsbehörde Bafin. In diesem Memo wurde der Abschreibungsbedarf der deutschen Banken auf 853 Mrd. Euro beziffert. Führende Beamte des Bafin protestierten empört gegen das Durchsickern des Papiers zu den Zeitungen und überlegte sogar, gerichtlich gegen die Veröffentlichung von Details vorzugehen. Aber die Katze war aus dem Sack.

An der Spitze der Liste der Kandidaten für die Teilnahme an Steinbrücks Plan steht die Commerzbank, die Anfang des Jahres bekannt gegeben hatte, dass sich der Wert ihrer toxischen Papiere auf mehr als 50 Mrd. Euro belaufe.

Die am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Bad Bank unterscheidet sich in mehrerlei Hinsicht von den Konstrukten der amerikanischen und der britischen Regierung. Erst gestern lehnte Steinbrück den amerikanischen "Stress Test" für die Banken als Voraussetzung für die Aufnahme in die amerikanische Bad Bank als "sinnlos" ab. Steinbrücks Vorschlag beinhaltet die Bildung mehrer kleiner Bad Banks, anstatt eine zentralen Bad Bank.

Die Regierung verlangt von den Banken die Gründung je einer eigenen Bad Bank, in die sie ihre toxischen Papiere verschieben sollen. Diese neuen Institute würden dann die Schrottpapiere durch die Ausgabe von Anleihen an die Mutterbank refinanzieren. Diese toxischen Papiere können dann gegen eine jährliche Gebühr gegen staatlich garantierte Anleihen getauscht werden, die von der Bankenrettungsagentur Soffin ausgegeben werden.

Der gesamte Prozess der Reinigung der Banken ist auf zwanzig Jahre angelegt. Die Beteiligung an Steinbrücks Konstrukt ist allerdings völlig freiwillig. Der Vorschlag eines Finanzexperten der SPD-Fraktion, die Regierung solle die Teilnahme an dem Programm verpflichtend machen, wurde nach eine Welle von Protesten aus den Bankvorständen abgelehnt.

In mehreren Interviews betonte Steinbrück immer wieder, dass der Hauptvorteil seines Plans gegenüber der amerikanischen und britischen Lösung darin bestehe, dass er nicht den deutschen Steuerzahler zur Finanzierung heranziehe.

Steinbrücks Behauptung ist ohne Fundierung. Das komplexe System des Geld Verschiebens von einer Bank zur anderen ist gerade deswegen entworfen worden, um die deutsche Öffentlichkeit in diesem Wahljahr zu täuschen. Als der Plan im April zum ersten Mal bekannt wurde, zitierte die Financial Times eine Quelle mit gutem Draht zur Regierung: "Schlussendlich wird die Regierung, sprich: der Steuerzahler, die meisten Verluste tragen - da geht kein Weg dran vorbei. Deswegen wird der Plan in einem Wahljahr nicht leicht zu verkaufen sein."

Nur knapp einen Monat später wird die Regierung wieder einmal an das Ausmaß der Finanzkrise erinnert. Die Arbeitsgruppe Steuerschätzung schätzte am Donnerstag, dass der gesamtstaatliche Steuerausfall von Bund, Ländern und Gemeinden sich bis 2013 auf 316 Mrd. Euro belaufen werde. Die schlechteren Wirtschaftsdaten machen es der Regierung nicht leichter, die Banken zu retten. Die Wirtschaftstageszeitung Handelsblatt schrieb Anfang der Woche, dass die Regierung "einen Aufruhr verursacht hätte", wenn sie die gesamte Last des Bankenrettungspakets dem Steuerzahler aufgehalst hätte. Gebraucht wurde, fuhr die Zeitung fort, eine Lösung, "die gerecht schien und mit den Prinzipien der freien Marktwirtschaft konform ging."

Genau das hat Steinbrück geliefert, obwohl der "Anschein der Fairness" nur dadurch gegeben ist, dass sein Projekt auch die Unterstützung aller Oppositionsparteien hat.

Letztlich verantwortlich für die Durchführung des Bad Bank-Projekts ist die Soffin, d.h. die deutsche Staatskasse und der Steuerzahler. Steinbrücks Plan verlangt z.B. von der Commerzbank, die schätzungsweise 50 Mrd. Euro an faulen Papieren in ihren Büchern hat, in den nächsten zwanzig Jahren jährlich im Durchschnitt 2,5 Mrd. Euro an Gebühren zu zahlen. Das ist aber nur möglich, wenn die Bank in den nächsten zwanzig Jahren jedes Jahr zweistellige Profitraten erzielt - d.h. dass sie gezwungen ist, die gleichen undurchsichtigen Geschäfte mit Schrottpapieren zu machen, wie in der Vergangenheit, die ähnlich hohe Profitraten abwarfen und die gegenwärtige internationale Finanzkrise beschleunigten.

Sollte die Commerzbank oder eine andere Not leidende Bank diese Herkules-Aufgabe nicht stemmen können, dann würde sie bankrott gehen und ihre Schulden würden in vollem Umfang dem deutschen Steuerzahler anheim fallen.


Konsolidierung der deutschen Banken

Steinbrück versucht nicht nur, wie einige Kommentatoren angemerkt haben, einen drohenden Bankrott der einen oder anderen Privatbank durch das "tief gefrieren" toxischer Papiere bis nach der Bundestagswahl hinauszuschieben. Er versucht ebenfalls die Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft zu erzwingen, vor allem der sieben Landesbanken.

Ende letzten Monats betonte Steinbrück, dass ein Aufsaugen der toxischen Papiere in jedem Fall an eine Restrukturierung der Landesbanken gekoppelt sein müsse. Die Landesbanken gehören mit zu den am meisten mit vergifteten Papieren belasteten Banken. Die LBBW soll Schrottanleihen im Wert von 82 Mrd. Euro in ihren Büchern haben, und die WestLB schätzungsweise 45 Mrd. Euro.

Dem Finanzanlysten Konrad Becker vom Bankhaus Merck Finck zufolge könnte der Bad Bank-Plan der Regierung das Vorspiel für eine Rationalisierung der Staatsbanken sein. "Es macht keinen Sinn, sieben unabhängige Landesbanken in Deutschland zu haben. Die Bad Banks könnten der Katalysator sein", bemerkte Becker.

Die Reorganisation der deutschen Bankenlandschaft und die Konsolidierung der Landesbanken werden von der größten deutschen Privatbank, der Deutschen Bank und ihrem Vorstandschef Josef Ackermann geleitet. Anfang des Jahres hatte Ackermann seinen eigenen Vorschlag für eine zentrale "Bad Bank" vorgetragen, die direkt von der Regierung (d.h. dem Steuerzahler) finanziert werden sollte. Sein Vorschlag wurde von der Regierung nicht akzeptiert, die über die Reaktion der Öffentlichkeit auf ein solches Konzept besorgt war.

Ende April erklärte Ackermann dann, dass das Bad Bank-Konzept der Regierung für Deutschland "die richtige Lösung" sei - obwohl seine Bank das Instrument nicht nutzen werde.

Ackermann und der Vorstand der Deutschen Bank sind sehr interessiert, die Krise zur Ausweitung ihres Einflusses zu nutzen. Im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Banken, die hohe Verluste ausweisen mussten, gab die Deutsche Bank für das erste Quartal 2009 einen Profit an, und zwar einen doppelt so hohen, wie von Marktanalysten erwartet. Ein erheblicher Teil des zusätzlichen Umsatzes zog sie aus dem Handel mit Regierungsanleihen, die zur Finanzierung der Bankenrettungsprogramme und der Konjunkturprogramme ausgegeben wurden. Sie wird ohne Zweifel versuchen, die Bankenkonsolidierung zu nutzen, um ihr eigenes Reich zu vergrößern.

In der Ausarbeitung der Details ihres jüngsten Bad Bank Plans musste die Regierung die verbreitete Feindschaft der deutschen Bevölkerung im Wahljahr gegen weitere Geschenke an die Bankenwelt in Rechnung stellen. Der wesentliche Inhalt von Steinbrücks Plan ist aber vollkommen an den Bedürfnissen der großen Banken und Finanzhäuser ausgerichtet.

Die Politik der Regierung in Deutschland wird inzwischen zu erheblichen Teilen von den führenden Banken in Zusammenarbeit mit einer kleinen Gruppe nicht gewählter hoher Finanzbeamter diktiert. Das ist ein Anzeichen für die Schwächung des demokratischen Prozesses in Deutschland.

Siehe auch:
Wirtschaftskrise sprengt den Bundeshaushalt:
Bundesregierung bereitet massive Sozialkürzungen vor
(6. Mai 2009)

Deutsche Regierung und Banker einigen sich auf
Schaffung von "Bad Banks" (23. April 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 16.05.2009
Deutsche Regierung beschließt Bad Banks
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2009