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GLEICHHEIT/2423: Rotes Kreuz enthüllt amerikanische Folterpraktiken an Terrorverdächtigen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

Rotes Kreuz enthüllt amerikanische Folterpraktiken an Terrorverdächtigen

Von Tom Eley
19. März 2009
aus dem Englischen (17. März 2009)


Amerikanisches Militärpersonal und Geheimdienstagenten haben auf Befehl der Bush-Regierung vierzehn "hochkarätige Gefangene" im "Krieg gegen den Terror" brutal und systematisch gefoltert. Das beweist ein kürzlich entdeckter Bericht des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK).

Der vertrauliche Bericht des IKRK stützt sich auf Aussagen der vierzehn Gefangenen auf der US-Marinebasis Guantánamo Bay in Kuba. Dort waren sie 2006 nach einer weltweiten Tour durch den CIA-Gulag von "schwarzen Löchern" und Geheimflügen gelandet. Das Rote Kreuz stimmte zu, den Bericht nur einer Handvoll hoher Regierungsbeamter zugänglich zu machen.

Der Journalist Mark Danner erhielt Kenntnis von ausführlichen Zitaten aus diesem Bericht und schrieb einen langen Report für die New York Review of Books vom Sonntag ("U.S. Torture: Voices from the Black Sites). Danner hat seine Quelle nicht genannt.

Die Schlussfolgerungen des IKRK-Berichts sind unmissverständlich. Die Behandlung von Gefangenen in CIA-Gefängnissen "war Folter" und "grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung". Das IKRK überwacht die menschenrechtlichen Elemente des in den Genfer Konventionen kodifizierten Kriegsrechts; die Begriffe "Folter", "grausam", "unmenschlich" und "erniedrigend" haben ein klares juristisches Gewicht.

Der IKRK-Bericht illustriert in schrecklichen Details den kriminellen Charakter des "Kriegs gegen den Terror". Die Interviews mit vierzehn verschiedenen Gefangenen ergaben bemerkenswert ähnliche Darstellungen davon, was die Gefangenen erlebt hatten. Dazu gehörten Schläge, Schlafentzug, erzwungene Nacktheit und andere Formen der Erniedrigung, lang andauernde erzwungene, schmerzhafte Positionen, extreme Temperaturen und "Waterboarding" oder simuliertes Ertrinken.

"Das IKRK möchte unterstreichen", heißt es in dem Bericht, "dass die Übereinstimmung in den detaillierten Vorwürfen, die jeder der vierzehn Einvernommenen separat erhoben hat, den Informationen besonderes Gewicht verleiht. ..." Weil die Gefangenen ständig in Isolationshaft gehalten wurden und auch seit ihrer Ankunft in Guantánamo getrennt voneinander waren, konnten sie sich unmöglich verabreden, derart ähnliche Geschichten vorzutragen.

Neun der vierzehn Häftlinge wurden in Pakistan ergriffen. Militärangehörige und Geheimagenten legten den Gefangenen Windeln an, verdunkelten ihnen völlig die Sicht mit schwarzen Taucherbrillen und über den Kopf gezogenen Kapuzen, versiegelten ihre Ohren, fesselten sie an Händen und Füßen und platzierten sie, auf diese Weise ihrer Sinne beraubt, in schmerzhafte Positionen für einen langen Flug mit ihnen unbekanntem Ziel.

Auf diese Weise wurden die Gefangenen mehrfach von einem "schwarzen Loch" der CIA zu einem anderen transportiert, in Länder, wo sie gefoltert wurden - Polen, Rumänien, Thailand, Marokko und Afghanistan wurden ausdrücklich erwähnt. Dort wurden sie in winzige Zellen gesperrt. Der Jemenit Walid Bin Attash berichtete, dass er in eine Zelle von ein mal zwei Metern gesteckt wurde.

Es war normal, dass Verhöre von Schlägen und Waterboarding begleitet wurden. Attash berichtete dem IKRK: "Ich wurde in den ersten beiden Wochen bei den Verhören jeden Tag ins Gesicht und am Körper geschlagen... Eine Schlinge wurde um meinen Hals gelegt, mit der ich dann gegen die Wand des Verhörraums geschleudert wurde... Ebenfalls jeden Tag musste ich mich auf eine Plastikplane auf dem Boden legen, die dann an den Ecken angehoben wurde. Dann wurde ich aus Eimern mit kaltem Wasser übergossen."

Ein anderer Gefangener, Khaled Shaik Mohammed, wurde in den Pausen zwischen den Verhören in einen anderen Raum geführt, wo er "ca. vierzig Minuten lang mit kaltem Wasser übergossen wurde."

Zwischen diesen Verhören waren die Gefangenen fast ständig der täglichen Routine folterähnlicher Bedingungen ausgesetzt. Sie wurden gezwungen, lange in schmerzhaften Positionen zu verharren. Meistens wurden ihre Handgelenke in kleinen Zellen an die Decke gebunden, und sie mussten nackt lange in kalten Temperaturen aushalten.

Attash wurde zum Beispiel zwei Wochen lang nackt an eine Decke gekettet. Während der ganzen Zeit durfte er sich nur zwei oder drei Mal hinlegen. In einem anderen Gefängnis wurde er "in stehender Position mit den Armen über dem Kopf, in Handschellen, mit einer Kette an einen Metallring in der Decke gebunden".

In einem anderen Fall wurde Abu Zubaida, ein saudischer Palästinenser, gezwungen, zwei bis drei Wochen lang gefesselt auf einem Stuhl zu sitzen. "Mit der Zeit bekam ich an der Unterseite meiner Beine Blasen vom ständigen Sitzen. Ich durfte nur aufstehen, um zur Toilette zu gehen, die aus einem Eimer bestand."

Mehrere Gefangene berichten, dass ihnen manchmal wochenlang feste Nahrung vorenthalten wurde. Stattdessen erhielten sie eine mit Vitaminen angereicherte Infusionslösung mit Namen Ensure. "Die ersten zwei Wochen erhielt ich überhaupt keine Nahrung", berichtete Attash dem IKRK. " Ich bekam lediglich Ensure und Wasser zum Trinken."

Die Gefangenen wurden auch mit Lärm gefoltert. "Ständig spielte sehr laute, schrille Musik", sagte Abu Zubaida. "Sie wiederholte sich alle fünfzehn Minuten, 24 Stunden lang. Manchmal wurde die Musik von lautem Pfeifen oder Knallen unterbrochen." Oft mussten die Gefangenen lange Zeit in grellem, künstlichem Licht oder in völliger Dunkelheit verbringen.

Oft durften die Gefangenen tagelang nicht schlafen. "Ich konnte die ersten zwei oder drei Wochen überhaupt nicht schlafen", berichtete Zubaida. "Wenn ich einzuschlafen begann, kam eine Wache und schüttete mir Wasser ins Gesicht."

Ein wichtiges Element des amerikanischen Folterprogramms ist der Einsatz von Erniedrigung. Die Gefangenen wurden offenbar während ihrer Gefangenschaft meistens nackt gehalten. Wenn sie mit ihren CIA-Verhörspezialisten "kooperierten", bekamen sie möglicherweise Kleidung oder Toilettenpapier. Wenn ihre Kooperation als unzureichend eingeschätzt wurde, wurden ihnen diese Privilegien entzogen.

Bezeichnenderweise berichten viele der Gefangenen, dass sie dem Waterboarding unterzogen wurden. Damit wird die Behauptung der Bush-Regierung widerlegt, dass diese Methode 2003 beendet worden sei. Abdelrahim Hussein Abdul Nashiri aus Saudi-Arabien beschrieb, was er erlebte:

"Ich wurde auf ein spezielles Bett gebunden, das in eine vertikale Position gedreht wurde. Ein Tuch wurde über mein Gesicht gelegt. Dann wurde von einer Wache kaltes Wasser über das Tuch gegossen, sodass ich nicht atmen konnte... Das wurde ungefähr eine Stunde lang wiederholt. Ich erlitt auch Verletzungen an meinen Fuß- und Handgelenken, weil ich mich, nach Luft ringend, panisch aufbäumte... Es war immer ein Arzt anwesend. Ich glaube, er musste meinen Puls und den Sauerstoffgehalt meines Blutes messen, sodass sie mich bis an die Grenze quälen konnten."

Aus dem IKRK-Bericht ergibt sich, dass das Folterprogramm umfangreich war. Vermutlich waren Dutzende CIA-Agenten, Militärangehörige, Ärzte und Psychiater daran beteiligt. Es wurde offensichtlich viel Vorbereitung, Forschung und Organisation hineingesteckt.

Danner lässt keinen Zweifel daran, dass jede einzelne spezifische Folterart zuerst mit hohen Beamten der Bush-Regierung abgeklärt wurde. In einem Interview mit ABC News erklärte der CIA-Verhörspezialist John Kiriakou:

"Es stand nicht in dem Macht des einzelnen Verhörenden, zu entscheiden: "Gut, hauen wir ihm eine runter, oder schütteln wir ihn, oder lassen wir ihn 48 Stunden lang stehen. Jeder dieser Schritte ... musste vom stellvertretenden Leiter der Operationen gebilligt werden. Man musste also jedes Mal, wenn man Hand an jemanden legen wollte, erst mal ein Telegramm losschicken und z.B. schreiben: 'Er ist unkooperativ. Bitte um Erlaubnis, Methode X anzuwenden.' Und die Erlaubnis kam. Der Nachrichtenaustausch war außerordentlich detailliert."

Im Fall von Zubaida kam die Erlaubnis für die Anwendung bestimmter Foltermethoden vom Leitungskomitee des Nationalen Sicherheitsrats. Diesem Rat gehörten ABC News zufolge Vizepräsident Dick Cheney, die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und Justizminister John Ashcroft an. Dem zufolge brachte CIA-Direktor George Tenet "den höchsten Vertretern der Regierung regelmäßig spezifische Methoden zur Kenntnis, denen spezielle Gefangene unterzogen werden sollten", so Danner.

Die CIA hat bisher noch nicht zu dem Bericht Stellung genommen, der gegen diesen Geheimdienst Foltervorwürfe in großem Umfang belegt. Sie könnten zur strafrechtlichen Verfolgung von Dutzenden seiner Mitarbeiter und seiner obersten Führung führen. Ein anonymer Sprecher, der "mit dem Bericht vertraut ist", soll der Washington Post gesagt haben: "Man muss im Gedächtnis behalten, dass sich der Bericht auf Aussagen der Terroristen selbst stützt."

Obwohl die Enthüllungen des IKRK in ihren Details schockierend sind, bekräftigen sie lediglich schon längst bekannte, umfangreiche Beweise, die zweifelsfrei belegen, dass Washington die Genfer Konventionen und die amerikanische Verfassung verletzt hat. Sie stützen diese Beweise zusätzlich mit der Glaubwürdigkeit des Roten Kreuzes.

Auch wenn der Bericht sich auf die vierzehn "hochkarätigen Gefangenen" konzentriert, wurden zweifellos gegen Dutzende, vielleicht Tausende "Gefangene" ähnliche Methoden angewandt. Dazu gehörte die Verhaftung ohne Anklage oder Gerichtsverhandlung und das "Verschwinden lassen" im globalen Gulag von Geheimflügen, Gefängnislagern und Folter. In internen Memoranden bemühte sich die Bush-Regierung sogar, eine scheinlegale Grundlage für Folter zu konstruieren und sie zur offiziell akzeptierten Praxis zu machen.

Die Obama-Regierung spielt die Rolle des Verteidigers der Bush-Regierung. Sie hat schon in mehreren laufenden Prozessen interveniert, um Informationen zu unterdrücken, die sich als gefährlich für die Vorgängerregierung erweisen könnten.

Dahinter steht ein dreifaches Motiv. Erstens ist die Demokratische Partei genauso für diese Politik verantwortlich. Ihre Kongressführung war vollkommen über die systematische Folter und das internationale System von US-Geheimgefängnissen informiert. Die Demokratische Partei hat das Gesetz über die Militärkommissionen von 2006 stark unterstützt, das festlegte, dass "kein ausländischer, ungesetzlicher feindlicher Kämpfer, der nach diesem Gesetz vor eine Militärkommission gestellt wird, das Recht hat, sich auf die Genfer Konventionen zu berufen".

Zweitens will Obama verhindern, dass schädliche Enthüllungen über Militärs oder Geheimdienstler ans Licht kommen, die auch unter seiner Regierung noch in Amt und Würden sind.

Aber das Wichtigste ist, dass die Obama-Regierung entschlossen ist, die Politik Bushs in ihren großen Umrissen fortzuführen, wenn auch in etwas anderem Stil. Obama versucht sich zwar in der Öffentlichkeit als Gegner der ungeheuerlichsten politischen Ausschweifungen der Bush-Regierung zu präsentieren, aber den Rahmen des Polizeistaats hält er intakt.

Siehe auch:
Obamas Anordnungen lassen Folter und unbegrenzte
Inhaftierung intakt (24. Januar 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 19.03.2009
Rotes Kreuz enthüllt amerikanische Folterpraktiken an
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009