Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2407: Die Geberkonferenz für den Gazastreifen - Verschwörung im Mantel des Mitleids


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

Die Geberkonferenz für den Gazastreifen: Verschwörung im Mantel des Mitleids

Von Jean Shaoul
6. März 2009
aus dem Englischen (5. März 2009)


Bei der Geber-Konferenz am Montag in Scharm-el-Scheich ging es nicht darum, die schreckliche humanitäre Krise im Gazastreifen zu lindern, und die von Israel zerstörten Häuser, Fabriken, Infrastruktur und Schulen wiederaufzubauen. Das offizielle Anliegen war ein Deckmantel für die geopolitischen Interessen Washingtons im ölreichen Nahen Osten. Dieses Interesse besteht darin, die Hamas-Regierung zu stürzen und die diskreditierte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Präsident Mahmud Abbas wieder in Gaza an die Macht zu bringen, um die Region im Interesse Amerikas und Israels unter Kontrolle zu halten.

Das Treffen wurde nötig, weil Israel den Gazastreifen Ende letzten Jahres in einem 22-Tage-Krieg zerstört hatte, der 1.300 Palästinenser das Leben kostete, viele tausend Verletzte forderte und 40.000 Menschen ihrer Wohnungen beraubte. An der Konferenz nahm auch die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton teil. Mit ihr versucht die Obama-Regierung sich im Nahen Osten allgemein und im israelisch-palästinensischen Konflikt im Besonderen als ehrlicher Makler darzustellen. Das ist wichtig, um die Zusammenarbeit der arabischen Regimes mit der amerikanischen Besatzung des Irak, dem Krieg in Afghanistan und der Offensive gegen den Iran zu erleichtern.

Der eigentliche Zweck der Zusammenkunft war, von den Palästinensern zu fordern, den "Kreislauf von Ablehnung und Widerstand zu durchbrechen" und sich den Forderungen Israels zu unterwerfen. Das bedeutet, einen zweigeteilten Staat zu akzeptieren, bestehend aus dem Gazastreifen und mehreren unzusammenhängenden Enklaven auf der Westbank, regiert von der Fatah-dominierten PA. Dieses Gebilde würde von Israel mit der Hilfe von Ägypten und Jordanien kontrolliert, während Israel seine Siedlungen auf der Westbank weiter ausbauen würde. Erst letzte Woche gab die israelische Bewegung FriedenJetzt bekannt, dass Israel Pläne habe, für 70.000 Siedler neue Siedlungen auf der Westbank zu bauen.

An der Konferenz nahmen Diplomaten aus 45 Ländern teil, aber nicht aus Israel. Hamas war nicht eingeladen, obwohl sie die gewählte Regierung ist. Israel, die USA und die europäische Union bezeichnen sie als terroristische Organisation. Stattdessen wurden die Palästinenser von Washingtons PA-Marionettenregime unter der Führung von Abbas vertreten, obwohl die Amtszeit von Abbas schon im Januar abgelaufen ist.

Der ägyptische Außenminister Achmed Aboul Gheit gab bekannt, dass 68 internationale Geber 5,2 Mrd. Dollar für den Wiederaufbau von Gaza zugesagt hätten. Er sagte, das sei "weit mehr als erwartet". Die Autonomiebehörde hatte nur um 2,8 Mrd. Dollar gebeten, die von der PA-Regierung auf der Westbank vergeben werden sollten. Die Golfstaaten, darunter Saudi-Arabien, boten 1,65 Mrd. Dollar an, die USA 900 Millionen und die europäischen Mächte 554 Millionen.

Clinton machte klar, dass Washingtons 900 Millionen davon abhängig seien, dass die Palästinenser ihre Diktate akzeptierten. Sie sagte: "[Das Hilfspaket] wird nur ausgezahlt, wenn wir erkennen, dass unsere Ziele beachtet und nicht unterminiert oder sabotiert werden. Wir wollen zeigen, dass uns ihr [der Palästinenser] Los nicht gleichgültig ist und wir nicht wollen, dass die Zivilisten noch mehr leiden, als sie es schon tun. Aber wir wollen sicher sein, dass unser Geld nicht bei der Hamas landet."

Clinton fügte hinzu: "Unsere Reaktion auf die Krise in Gaza kann nicht getrennt von unseren weitergehenden Bemühungen gesehen werden, einen umfassenden Frieden zu erreichen." Das Ziel der Hilfe sei, "Bedingungen herbeizuführen, die einen palästinensischen Staat möglich machen."

Ihr Sprecher Robert A. Wood erklärte, dass 600 Millionen Dollar für die PA auf der Westbank seien, und nur 300 Millionen für humanitäre Hilfe für Gaza. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu dem, was in Gaza benötigt wird, und auch im Vergleich zu der Hilfe, mit der Washington Israel seit mehr als 40 Jahren überhäuft. Clinton betonte, es würden feste Sicherungen eingebaut, um zu verhindern, dass das Geld in die Hände der Hamas gelange.

Die europäischen Mächte unterstützen diese Agenda, obwohl sie etwas gerechter zu erscheinen versuchen. Der britische Außenminister David Milliband sagte, dass "sichtbare Zeichen von Fortschritt" auf der Westbank und im Gaza notwendig seien. Er fügte aber hinzu, dass die Palästinenser "eine Regierung für die gesamten besetzten Gebiete bräuchten".

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy äußerte sich etwas anders. Er forderte die Hamas auf, "sich an der Suche nach einer politischen Lösung intensiv zu beteiligen und den Dialog mit Israel zu suchen."

Die meisten der versprochen Gelder sind keine neuen. Sie wurden schon auf der Pariser Konferenz im Dezember 2007 zugesagt, aber nur wenig wurde tatsächlich bereitgestellt, weil Israel sich weigerte, die damals mindestens 500 Straßensperren auf der Westbank und die Blockade des Gazastreifens aufzuheben. Deshalb waren Investitionen unmöglich oder sinnlos. Heute gibt es mehr als 600 Straßensperren.

1,5 Mrd. Dollar sind von vorneherein für das Haushaltsdefizit der Autonomiebehörde, "Wirtschafts"Reformen" und privatwirtschaftliche Projekte bestimmt.

Nur 1,33 Mrd. sind für den Wiederaufbau in Gaza vorgesehen. Das ist weit weniger, als die 2,4 Mrd., die die Vereinten Nationen als notwendig veranschlagen, um die von Israel angerichteten Zerstörungen zu beheben. Aber selbst dieses Almosen soll erst ausgezahlt werden, wenn Hamas im Gazastreifen politisch entmachtet ist.

Die Golfstaaten, darunter Saudi-Arabien, Katar, und Kuwait, sagen, dass ihre 1,6 Mrd. Dollar weder an die Hamas noch an die PA gehen sollen. Sie wollen nicht den Anschein entstehen lassen, dass sie Abbas direkt bevorzugen. Deswegen wollen sie ein Büro in Gaza eröffnen, das selbst den Wiederaufbau in die Hand nehmen soll. Aber da alle Baumaterialien wie Zement, Pumpen und Generatoren durch Israel transportiert werden müssen, wird selbst das bescheidenste Wiederaufbauprogramm kaum in die Gänge kommen können. Zudem erklärte ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums, dass Israel einen "genauen Nachweis für jedes einzelne Rohr" verlange, für welches Projekt es vorgesehen sei.

Das Geld für humanitäre Zwecke würde an der Hamas vorbeigeschleust und an UN-Agenturen und internationale Hilfsorganisationen gehen. Aber weil Israel die Grenzen des Gaza, die Küstengewässer und den Luftraum kontrolliert, und nur geringe Mengen an Nahrungsmitteln, medizinischen Gütern und Treibstoff hinein lässt, bedeutet das nicht viel. Der UNO zufolge benötigt der Gazastreifen täglich mindestens 500 LKW-Ladungen an humanitärer Hilfe und Versorgungsgütern. Die israelischen Behörden haben den humanitären Organisationen mitgeteilt, dass sie täglich bis zu 200 LKWs durchlassen würden, aber faktisch waren es seit dem Beginn der Blockade nie mehr als 120. Im Februar waren es nur 88 bis 104, das Getreide eingerechnet, dass am Übergang Karni über ein Förderband transportiert wird. Neue Sicherheitsbestimmungen machen es den Hilfsorganisationen fast unmöglich, Lieferungen länger als 24 Stunden im Voraus zu planen. Israels jüngste Bedingung für eine Lockerung der Beschränkungen ist die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit, der seit Juni 2006 im Gaza festgehalten wird.

Human Rights Watch zufolge berichten Helfer, dass israelische Behörden mehrfach die Durchfahrt von geplanten und genehmigten Hilfslieferungen mit einer Vorwarnzeit von nur wenigen Stunden gestoppt hätten. Das UN Büro für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten (OCHA) sagt, dass Israel willkürlich sogar die Einfuhr von Grundbedarf wie Kichererbsen, Makkaroni, Weizenmehl, Notebooks für Studenten, Kühlaggregaten, Generatoren, Wasserpumpen und Kochgas verhindere.

Israel verlangt, dass alle Lastwagen den Übergang Kerem Schalom nahe dem Südende des Gazastreifens benutzen, wo die LKWs vollkommen entladen werden müssen, inspiziert werden und wieder beladen werden müssen, wofür eine Gebühr von 1.000 Dollar fällig wird. Es gibt andere Übergänge mit viel moderneren Sicherheitssystemen. Es ist klar, dass Israels Vorgehen weniger damit zu tun hat, das Schmuggeln von Waffen nach Gaza zu unterbinden, als mit der Einschüchterung und Bestrafung der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens, der endgültigen Zerstörung der Wirtschaft im Gaza und dem Wunsch, seine Bevölkerung ins Exil zu treiben.

Ägypten, das die Südgrenze des Gazastreifens kontrolliert, erklärt, es könne den Übergang Rafah erst dann wieder vollständig öffnen, wenn die PA wieder in Gaza regiere und nicht die Hamas. Ägypten betätigt sich weiterhin als Vermittler zwischen Hamas und Fatah mit dem Ziel, die Fatah wieder ans Ruder zu bringen.

Siehe auch:
Jüdische Künstler protestieren gegen Gaza-Krieg
(12. Februar 2009)

Das zionistische Projekt und sein Ergebnis: eine
wirtschaftliche, soziale und politische Katastrophe
(20. Januar 2009)


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2009 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 06.03.2009
Die Geberkonferenz für den Gazastreifen:
Verschwörung im Mantel des Mitleids
http://wsws.org/de/2009/mar2009/gaza-m06.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2009