Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEHEIM/303: Deutsche Wühlarbeit in der Karibik


GEHEIM Nr. 2/2012 - 31. Juli 2012

KUBA
Deutsche Wühlarbeit in der Karibik
Wie CDU und eine NGO mit CIA-Vergangenheit gegen die kubanische Revolution arbeiten

von Ingo Niebel



Der rechte Flügel der Christlich-Demokratischen Union (CDU) von Bundeskanzlerin Angela Merkel arbeitet offen mit einer Organisation, die historische Verbindungen zum NS-Regime und zum US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst vorweisen kann, um von Deutschland aus Druck gegen Kuba auszuüben. Dem treten deutsche Solidaritätsgruppen entgegen, indem sie gegen die einseitige Parteinahme protestieren und Räume öffnen, um zum Beispiel über den Fall der in den USA einsitzenden fünf kubanischen Staatshelden zu informieren. Sie befinden sich seit 1998 in Haft, weil sie versucht haben, ihre Heimat vor Attentaten zu schützen, die auf US-Territorium gegen den Inselstaat geplant wurden.

Eigentlich ist es auch in Deutschland Usus, dass das Auswärtige Amt unter Leitung des freien Demokraten Guido Westerwelle (FDP) in der Regel die Beziehungen mit anderen Ländern gestaltet. Dabei konkurriert das AA bis zu einem gewissen Punkt mit dem Bundeskanzleramt. Angesichts der Finanzkrise innerhalb der EU hat Westerwelle vor der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurückstecken müssen. Jetzt sind es aber zwei weitere Minister, die in seinem Revier wildern. Der erste war sein liberaler Glaubensbruder und Kabinettskollege, Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der just 24 Stunden nach dem "kalten Putsch" in Paraguay, den de facto Staatschef, Federico Franco, umgehend anerkannte. Das geschah mittels eines persönlichen Treffens in Asunción und Niebels Äußerung, dass Ende Juni bei dem Staatsstreich gegen den legitimen Präsidenten Fernando Lugo alles mit rechten Dingen vonstattengegangen sei. Während sich die meisten lateinamerikanischen und karibischen Staaten und Organisationen von Franco abwandten, war Westerwelles Außenamt damit beschäftigt, den diplomatischen Schaden, den Niebel angerichtet hatte, in Grenzen zu halten. Das Vorpreschen des Entwicklungshilfeministers, der als Fallschirmjägeroffizier der Reserve auch schon mal gerne seine Bundeswehr-Schirmmütze samt Gebirgsjägerabzeichen bei Auslandsbesuchen zur Schau stellt, hatte Berlin nicht nur in der Neuen Welt isoliert, sondern auch auf dem Alten Kontinent, weil sich die Europäische Union (EU) noch nicht auf eine gemeinsame Haltung angesichts von Lugos Absetzung geeinigt hatte.

Kaum war das Medieninteresse an Niebels neuerlichem Fehltritt abgeklungen, kreuzte die christdemokratische Familienministerin Kristina Schröder in Westerwelles Terrain auf. Ihr hat es Kuba angetan, oder besser gesagt die sogenannte "Dissidentin" Niurka Luque Álvarez, die zu der Gruppe der "Damen in Weiß" gehört. Die CDU hofiert die "damas de blanco" seit längerem. Daher wunderte es auf den ersten Blick nicht, dass Schröder für Luque eine "Patenschaft" übernahm. Den wenigsten dürfte klargewesen sein, dass sie damit ihren Parteifreund Gert Lindemann antagonisierte. Im März hatte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Kuba bereist auf der Suche nach neuen Handelsprojekten zwischen seinem Bundesland und dem sozialistischen Inselstaat. Angesprochen auf die illegale US-Handelsblockade sagte der Minister: "Im Agrarsektor haben wir keine Embargosituation zu befürchten." Aber anscheinend rechnete Lindemann nicht mit der langen Hand Washingtons, die bis nach Deutschland reicht.

Denn hinter Schröders "Patenschaft" steckt die sogenannte "Internationale Gesellschaft für Menschenrechte" (IGfM). Die besagte Organisation ist ein Produkt des Kalten Krieges, das russische Soldaten hervorgebracht haben, die einst mit den Nazis Krieg gegen die Sowjetunion führten. Nach der Niederlage des Nazismus 1945 fanden sie Unterschlupf in Westdeutschland, wo sie einerseits Rückendeckung deutscher Geheimdienstoffiziere erhielten, die später den Bundesnachrichtendienst (BND) aufbauten, und andererseits konnten sie auf die CIA zählen, die die IGfM der Washingtoner Außenpolitik als williges Instrument zur Verfügung stellte. Die vorgeblichen Bewahrer der Menschenrechte schossen sich auf die sozialistischen Staaten ein und - by the way - verteidigten sie das Apartheid-System in Südafrika. 1987 bezeichnete die UN-Generalversammlung die IGfM als "Agenten" des südafrikanischen Rassistenregimes und verurteilte sie wegen "dunkler und verleumderischer Desinformationskampagnen". Die Gesellschaft hat sich bis heute nicht von ihrer Vergangenheit, in deren Dunstkreis neben Alt- auch Neonazis anzutreffen sind, distanziert. Stattdessen versucht sich die IGfM ein "progressives" und unscheinbares Image zu geben, indem sie unter anderem ihr Logo in Form und Farbe der bekannten UN-Symbolik angepasst hat. Hierzu gehört auch, dass sie im deutschen Fernsehen des Öfteren einen Werbeclip zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit ausstrahlt. Unterschwellig spielt sie auf den Mittleren Osten an, wo der Iran zu ihrem Hauptaktionsgebieten zählt.

Zum Vorgehen der IGfM passte es dann auch, dass sie die Pressemitteilung von Schröders "Patenschaft" just an dem Tag veröffentlichte, als weitere Aktionen gegen Kuba in Deutschland stattfinden sollten. Eine war vor der kubanischen Botschaft in Berlin geplant, eine weitere in Bonn, wo Havanna eine diplomatische Außenstelle unterhält. Die erste Aktion in der Hauptstadt an der Spree fand nicht statt, während in der Bundesstadt am Rhein das Netzwerk Cuba zum Gegenprotest mobilisiert hatte. Letzteres musste nicht nur die Gegenöffentlichkeit zur IGfM-Propaganda herstellen, sondern es oblag ihm auch, der Polizei Nachhilfeunterricht in Sachen Völkerrecht und Wiener Konvention zu erteilen: Die IGfM hatte rechtswidrig direkt neben dem Eingang zur diplomatischen Mission Position bezogen. Nur noch der Zaun trennte die Feinde des sozialistischen Kubas vom exterritorialen Gelände. In der Vergangenheit hatten die Behörden Freunde wie Feinde der kubanischen Revolution auf die gegenüberliegende Strassenseite verbannt. Diesmal bestand die Polizeiführung vor Ort nach dem Protest des Netzwerks darauf, dass sich beide Seiten direkt auf der Fahrbahn vor der kubanischen Außenstelle niederließen. Von dort riefen die Verteidiger Kubas Slogans wie "Kuba ja, Contras nein."

Sehr viel ruhiger ging es für die IGfM beim Global Media Forum zu, zu dem die Deutsche Welle nach Bonn eingeladen hatte. Der Einladung des staatlichen Auslandssenders folgten 1900 Vertreter aus Medien und von Nichtregierungsorganisationen (NRO), die aus 70 Ländern kamen. Die Veranstalter ignorierten die Aufforderung des Netzwerk Cuba, der IGfM keinen Raum für ihre einseitige Sicht der Situation auf Kuba zu gewähren. Mit dieser Rückendeckung veranstalte die Gesellschaft eine Gesprächsrunde über das Thema "Freie Presse ist Voraussetzung für freie Bildung".

Zu den eingeladenen "Menschenrechtsexperten" gehörte auch Silvia Iriondo, die die NRO "Mothers and Women against Repression (MAR por Cuba)" vertrat. Ihre in Miami ansässige Gruppe erhält Gelder von der US-Entwicklungsagentur USAID, die wiederum als Vorfeldorganisation der CIA in Lateinamerika und in der Karibik funktioniert. Es ist nicht das erste Mal, dass die Aktivistin an einer Veranstaltung teilnahm, die die IGfM und CDU gemeinsam organisiert hatten. 2007 kam sie nach Frankfurt, um das "kubanische Problem" zu erörtern. Mit auf dem Podium sass der als CIA-Agent bekannte Frank Calzón und das Mitglied der antikubanischen Terrororganisation Alpha 66, Angel Serrano Francisco de Fana. Iriondos Nähe zum CIA-finanzierten und gewaltbereiten kubanischen Exil erklärt sich unter anderem dadurch, dass ihr Vater an der gescheiterten Landung in der Schweinebucht 1961 teilnahm.

Daher kann man der MAR-Vorsitzenden nicht absprechen, sie wüsste nicht, wie "Diktaturen" funktionieren, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie das Thema aus dem Blickwinkel der Tyrannen zu betrachten pflegt. So gehörte Iriondo 2009 zu den "internationalen Beobachtern", die unter Führung der CIA-Station in Honduras, die umstrittenen Präsidentschaftswahlen nach dem Putsch gegen den legitimen Präsidenten Manuel "Mel" Zelaya für rechtmäßig erklärten. Einer ihrer Kollegen war der Venezolaner Alejandro Peña Esclusa, der zurzeit wegen einiger Terrordelikte in Venezuela inhaftiert ist. Diese Einzelheiten beschreibt der francokanadische Journalist Jean-Guy Allard detailliert in mehreren Artikeln.

Die Zusammenarbeit der CDU und der ihr nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit dem gewaltbereiten, antikubanischen Exil geht aber weit über das Abhalten von Konferenzen hinaus. Anfang des Jahres gab das KAS-Büro in Mexiko, das von dort auch nach Kuba interveniert, das Buch "Cambios en Cuba 2012" (Veränderungen auf Kuba) heraus. Zu den Autoren, neben dem lokalen KAS-Leiter Frank Priess, gehört der Kubaner Marcelino Miyares, der mit seinem Bataillon 2506 zu jenen US-Söldnertruppen gehörten, denen es 1961 nicht gelang, erfolgreich auf Kuba zu landen. Dieses Detail sucht man vergebens in den biographischen Angaben zu den Autoren der Publikation.

Die genannten Aktivitäten der antikubanischen Dreifaltigkeit von IGfM, CDU und KAS erfolgen zu einem Zeitpunkt, als mehrere Abgeordnete des Europäischen Parlaments, die der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) angehören, die EU wegen ihrer Haltung zu Kuba kritisiert haben.

Außerhalb der europäischen und deutschen Institutionen sind es zum Beispiel Zusammenschlüsse wie das bereits erwähnte Netzwerk Cuba oder Cuba Sí, die Arbeitsgruppe innerhalb der Partei Die Linke, die die kubanische Realität wiedergeben und somit dem Kuba-Bild der hiesigen Medien und Parteien widersprechen.

Das geschah auch auf dem diesjährigen Fest der Linken in Berlin. Dort schufen die beiden Solidaritätsorganisationen den Raum, um über den Fall der Miami 5 zu berichten. Dass Kuba nicht nur verbal, sondern auch mit terroristischen Mitteln angegriffen wird (über 3000 Tote), verdeutlichten dem deutschen Publikum die beiden Kubanerinnen Betina Palenzuelos und Aili Labañino.

Die erste erzählte, wie 1976 ihre Mutter Adriana Corcho zusammen mit ihrem Kollegen Efrén Monteagudo starb, als eine Kofferbombe in der kubanischen Botschaft in Lissabon explodierte. Die Spuren des Anschlags führen zu dem bekennenden Massenmörder Luis Posada Carriles, der nach wie vor unbehelligt in den USA lebt, obwohl er sich des Bombenattentats auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug bekannt hat. Washington verweigert die Auslieferung, die auch Venezuela wegen dieses Verbrechens beantragt hat.

Aili hingegen berichtete aus der Perspektive als Tochter von Ramón Labañino, wie die Familien der Miami 5 die Gefangenschaft ihrer Angehörigen erleben. Im Gespräch mit der venezolanischen Nachrichtenagentur AVN unterstrich sie die Wichtigkeit der internationalen Solidarität, die mehr als ein Mal geholfen hat, die Lage ihres Vaters und ihrer "vier Onkel", wie sie liebevoll die übrigen kubanischen Gefangenen nennt, zu erleichtern.

Im April dieses Jahres wies Merkels Koalition einen Antrag der Partei Die Linke zurück, wonach sich Regierung und Parlament für die Freilassung der fünf kubanischen Patrioten einsetzen sollten. Die Antragsteller bezweifelten die Rechtmäßigkeit der Haft, weil sich während der Prozesse einige Unregelmäßigkeiten ereignet hatten. SPD und Grüne enthielten sich der Abstimmung.

Vor diesem Hintergrund wollen die deutsche wie europäische Rechte mit ihren Aktivitäten nicht nur über die politisch-mediale Front die Destabilisierungsmassnahmen, die zurzeit in Lateinamerika und in der Karibik stattfinden, unterstützen, sondern sie wollen auch ihre alleinige Botschaft bezüglich Kuba und das linke Staatenbündnis ALBA fest in den Köpfen in Europa verankern. Dem zu widerstehen, wird sehr viel Engagement und Einsatz angesichts des aktuellen Kräfteverhältnisses erfordern.


Die spanische Originalfassung dieses Artikels erschien in zwei Teilen am 6. und 10. Juli 2012 im Nachrichtenportal der Agencia Venezolana de Noticias
http://www.avn.info.ve/node/121100
http://www.avn.info.ve/node/121654

*

Quelle:
GEHEIM-Magazin Nr. 2/2012 - 31. Juli 2012, Seite 20-21
Copyright bei der Redaktion und den Autoren
Redaktion: GEHEIM-Magazin,
c/o Michael Opperskalski
Postfach 270324, 50509 Köln
Telefon: 0221/283 99 95, 283 99 96
Fax: 0221/283 99 97
E-Mail: redaktion-geheim@geheim-magazin.de
Internet: www.geheim-magazin.de
 
GEHEIM erscheint viermal im Jahr.
Einzelheft: 4,30 Euro
Jahresabo: 19,40 Euro
Ermäßigtes Abo für Schüler, Studenten, Soldaten,
Arbeitslose, Rentner etc.: 14,30 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2012