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GEGENWIND/823: Kippen gehören in den Restmüll - nicht auf die Straße


Gegenwind Nr. 371, August 2019

Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

NaturFreunde S-H auf Sommertour mit Aufklärungskampagne
Kippen gehören in den Restmüll - nicht auf die Straße

von Dr. Ina Walenda


Wild entsorgte Zigarettenkippen bergen eine gefährliche Fracht. Sie enthalten über 7.000 umweltschädliche Substanzen, davon sind viele Krebs erregend. Für Kleinkinder können auf dem Boden entsorgte Kippen lebensgefährlich werden, ebenso für Haustiere. Unserer Umwelt schaden sie weitaus mehr als bislang vermutet. So lösen sich Chemikalien wie Nikotin, Teer, dazu Schwermetalle wie Arsen, Blei, Cadmium oder aromatische Kohlenwasserstoffe aus den Zigarettenresten heraus. Direkt oder über die Kanalisation gelangen sie bei Regen oder mit dem Wind von der Straße in die Gewässer. Aufgenommen von Fischen gelangt der Giftcocktail so auf unsere Teller zurück.


Alle Welt diskutiert über die Gefahren von Plastikmüll. Die möglicherweise weitaus größeren Umweltrisiken des tagtäglich in Städten und an den Stränden anfallenden Plastikmülls aus unsachgemäß entsorgten Kippen - nach WHO weltweit jährlich rund 4,5 Billionen - werden hingegen noch immer unterschätzt. Die Filter bestehen nämlich nicht etwa, wie vielfach angenommen, aus Bio-Baumwolle oder Papier, sondern aus Zelluloseazetat, einem schwer abbaubarem Kunststoff, hier kombiniert mit den in den Stummeln hochkonzentrierten Giftstoffen.

Die mediale Aufmerksamkeit für das Kippenproblem ist in der Tat gewachsen und so wächst allmählich auch die Wahrnehmung der Zigarettenkippe als Umweltproblem in den Kommunen. Diese sind für eine sachgerechte Entsorgung zuständig. Erste Städte, so Plön, stellen Konzepte gegen die Kippenvermüllung auf. Auch Kiel plant, Kippen den Kampf anzusagen. Und weil Kippen der am häufigsten gefundene Müll an den Stränden ist, stellen einige Strandgemeinden, z. B. Strande, bereits mehr Ascher auf. Auch wir, die NaturFreunde S-H tun dies zusammen mit Studenten der Christian-Albrechts-Universität am Falkensteiner Strand dazu mit Hinweisschildern, um über die Gefahren der Kippen für das Meer zu informieren.

Dennoch, solche Maßnahmen kratzen allesamt an der Oberfläche und tragen nur marginal zur Lösung bei. Das Verhalten der Raucher und damit das Straßenbild ändern sich nach unserer Erfahrung dadurch nicht merklich. Die NaturFreunde Schleswig-Holstein sind in diesem Sommer in etlichen Städten von Pinneberg bis Flensburg mit einer Aufklärungskampagne unterwegs und haben genau hingeschaut. Obwohl als "Bio-Stadt" und für zahlreiche gute ökologische Projekte bekannt, hat uns gerade Eckernförde mit seiner Kippenflut geschockt. Vor dem "Rauchfreien Bahnhof" Eckernförde sammelten wir binnen 15 Minuten einen Eimer voll mit 1000 Kippen, auch an zahlreichen Bushaltestellen war die Verunreinigung mit Kippen auf Beeten und Gehwegen trotz vorhandener Müllbehälter schlimm. Das gleiche Bild zeigte sich am "Rauchfreien" Bordesholmer Bahnhof oder in Kiel, hier besonders in der Fußgängerzone, in den Seitenstraßen beim Asmus-Bremer-Platz oder unmittelbar auf dem Gehweg vor unserer Landesgeschäftsstelle im Lorentzendamm als Beispiele.

Was also ist zu tun, damit das Gift von unseren Straßen verschwindet? Eigentlich handelt es sich beim Wegschnippen der Kippen um eine "unsachgemäße Abfallbeseitigung", um eine Ordnungswidrigkeit, die in vielen Kommunen Bußgeld bewährt ist. Doch wo nicht kontrolliert wird oder Bußgelder aus der Portokasse bezahlt werden können, nehmen Raucher dies offensichtlich nicht ernst. Als NaturFreunde S-H plädieren wir für eine drastische Erhöhung von Kontrollen und Bußgeldern. Aus letzteren ließe sich Personal finanzieren sowie bei Radarmessgeräten. Landesweite Aktionstage, d. h. öffentlichkeitswirksame Kontrollen durch die Ordnungsämter ähnlich den konzertierten landesweiten "Blitzkontrollen" dienten der Aufklärung breiter Bevölkerungsschichten. Ermutigen möchten wir zu rauchfreien Städten, wo auf allen öffentlichen Flächen, nicht geraucht werden darf. Städte wie Groningen und Singapur zeigen, dass dies klappen kann. Sie haben den Umweltkiller Zigarettenkippen so zur Strecke gebracht. Gerade auf Kinderspielplätzen sollten Kippen tabu sein. Ein Rauchverbot für ganz Schleswig-Holstein ist überfällig. Die NaturFreunde S-H fordern deshalb die Landespolitik auf, das Rauchen zumindest auf Kinderspielplätzen endlich zu verbieten. Die Gesetzgebungskompetenz dafür liegt beim Umweltministerium. Im Gegensatz zu Bayern, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland hat Schleswig-Holstein ein solches Verbot bisher leider versäumt. Eigentlich könnte es doch so einfach sein: Kippen gehören in den Restmüll!

NaturFreunde Schleswig-Holstein
www.naturfreunde-sh.de/zigarettenkippen.html

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Quelle:
Gegenwind Nr. 371, August 2019, Seite 19-20
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2019

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