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GEGENWIND/762: Proteste gegen Kreuzfahrtschiffe


Gegenwind Nr. 358, Juli 2018

Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

UMWELT
Proteste gegen Kreuzfahrtschiffe

von Paula Lange, Umweltaktivistin und Initiatorin der Kampagne gegen Kreuzfahrtschiffe


In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der KreuzfahrtpassagierInnen mehr als verdoppelt. Alleine in Kiel gingen 2016 knapp eine halbe Million Menschen von oder an Bord. Damit einher gehen Ausbeutung von Menschen und Umwelt. Nun regt sich Widerstand gegen die Kreuzfahrtindustrie - Anfang des Jahres gründeten AktivistInnen die "Initiative gegen Kreuzfahrtschiffe".


Luftverschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe

Gründe um gegen die Riesenschiffe aktiv zu werden gibt es viele. Gerade in Hafenstädten wie Kiel, Hamburg und Lübeck sind die BürgerInnen direkt durch die Luftverschmutzung der Schiffe betroffen. Die Luftverschmutzung in Kiel erreicht im bundesweiten Vergleich Höchstwerte, insbesondere für Feinstaub und Stickoxide sind Schiffsabgase verantwortlich. Da flächendeckende (Feinstaub-) Messanlagen fehlen, kann nicht genau festgestellt werden, welcher Anteil durch die Kreuzschifffahrt verursacht wird. Dass aber ein größerer Anteil von den Schiffen kommen muss, sieht man am Beispiel Venedigs: In der Stadt fahren keinerlei Autos, aber die Luftverschmutzungs-Werte sind dank der anlegenden Schiffe deutlich über denen sauberer Umgebungsluft.

Auch die Messungen, die ein französischer Fernsehsender Anfang 2017 machte, deuten auf die Luftverschmutzung hin. An Deck eines Kreuzfahrtschiffes war die Konzentration von Abgasen und gesundheitsschädlichen ultrafeinen Partikeln knapp 20 mal so hoch wie auf einer stark befahrenen Straße und sogar 200-fach über den Werten natürlicher Umgebungsluft. Da wundert es nicht, dass die Deutsche Lungenstiftung bereits 2010 vor einer Teilnahme an Kreuzfahrten warnte. Denn die gesundheitlichen Folgen können verheerend sein. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind Schiffsabgase krebserregend. Rußpartikel und Feinstaub aus Dieselmotoren sind genauso giftig wie Asbest. Über die Lungen dringen sie ein und gelangen so tief in den Körper. Dort verursachen und verschlechtern sie Herz-, Kreislauf- und Atemwegserkrankungen.

Theoretisch gäbe es längst technische Lösungen zur Emissionsminderung für Dieselmotoren wie etwa Partikelfilter und Stickoxid-Katalysatoren. An Land sind zum Beispiel Rußpartikelfilter längst Standard bei Lastern und Personenkraftwagen. Doch Kreuzfahrtschiffe sparen an diesem an Land gesetzlich vorgeschriebenen Standard. Auch an anderer Stelle wird auf Kosten der PassagierInnen und der lokalen Bevölkerung gespart.


Von Schweröl und Landstrom

Als Treibstoff wird zu 80% (Als Beispiel wurden hier TUIs Schiffe gewählt. Deren Zahlen sind aber durchaus vergleichbar mit anderen Reedereien.) Schweröl verwendet. Dieses hochgiftige Abfallprodukt aus der Petrochemie ist stark umwelt- und gesundheitsschädlich und deswegen an Land verboten. Dadurch stößt ein Kreuzfahrtschiff soviel Schadstoffe aus wie fünf Millionen (!) PKW auf gleicher Strecke.

Auch hier gäbe es eine Alternative: Marinediesel oder auch Dieselkraftstoff. Dieser ist weitaus umweltfreundlicher, jedoch 40% teurer pro Tonne. Laut NABU-Studie verwendet aktuell keine der Reedereien Dieselkraftstoff. TUI jedoch behauptet im Umweltbericht von 2015, dass sie zu 1/8 Marinediesel verwenden.

Hinzu kommt ein Stromverbrauch, der dem einer kleinen Stadt nahe kommt. 40 % der Zeit liegen Kreuzfahrtschiffe im Hafen. In dieser Zeit wäre es theoretisch möglich, Landstrom zu beziehen und den luftverschmutzenden Dieselbetrieb abzustellen. Landstrom könnte sogar aus erneuerbaren Energien gewonnen werden und wäre damit erheblich umweltfreundlicher. Doch auch diese Möglichkeit wird kaum genutzt.

Oft wird fehlendes Geld als Ausrede für umweltfreundlichere Techniken vorgeschoben. Diese lässt sich leicht entlarven, wenn man einen Blick auf TUIs Steuerabgaben wirft, welche exemplarisch für viele Kreuzfahrt-Unternehmen stehen. Durch die Ausflaggung in den Billigstaat Malta spart TUI jährlich hunderte Millionen Euro an Steuern. 2017 wurden in Deutschland 44.000 Euro Steuern bezahlt. Mit einem Bruchteil der gesparten Summe wäre die Landstrom-Nachrüstung und die Verwendung von Marinediesel durchaus möglich.


Greenwashing bei TUI

Dass sich mit einem auf Umweltverpestung basierendem Image kaum Geld verdienen lässt, haben auch die Reedereien erkannt. Gerade als Touristik-Konzern sind diese auf gute Außenwahrnehmung angewiesen und versuchen sich daher als "nachhaltig" dar zu stellen.

TUI beispielsweise ist besonders stolz auf die Zertifizierung der gesamten "Mein Schiff"-Flotte nach dem ISO-14001-Standard. Auf dem Papier hört sich das erstmal toll an. Doch schaut man sich mal an, wer diese Zertifizierung noch bekommen hat, stößt man auf das Atomkraftwerk Fessenheim für seine Bemühungen beim Orchideenschutz. Ebenfalls ausgezeichnet wurden die Urananreicherungsanlage Urenco in Gronau und der deutsche Konzern EnBW. Daran lässt sich schon erahnen, dass es nicht besonders schwer sein kann, an ein solches Zertifikat zu kommen. Konkret muss ein Unternehmen sich selbst Verpflichtungen für die eigene Umweltpolitik auferlegen. Teilweise wird zusätzlich noch gefordert, dass ein Unternehmen sich dazu verpflichtet, sich an geltendes Recht zu halten. Einhaltung von Gesetzen ist aber nicht erforderlich. Im Originaltext heißt es nämlich: "commitment to compliance" (anstreben von Verbindlichkeit) anstatt "compliance" (Verbindlichkeit). Kurz gesagt: TUI hat ein Umwelt-Zertifikat dafür, sich selbst beliebige Umweltstandards zu setzen und die geltenden Gesetze einzuhalten. Letzteres aber auch nur vielleicht.

Ein weiteres Beispiel für die Doppelmoral der Touristik-Konzerne sind Flaschen. TUT verkündet in seiner Werbebroschüre ganz stolz, dass sie jetzt auf den Schiffen auf Plastikflaschen verzichten wollen. Bei der AktionärInnen-Hauptversammlung selbst saß dann der gesamte Vorstand mit Plastikflaschen da.


Kreuzfahrt treibt den Klimawandel voran

Als ob all diese lokalen Auswirkungen noch nicht genug wären, hat Kreuzfahrt auch einen maßgeblichen Einfluss auf das Voranschreiten des Klimawandels. Der WWF hat mal beispielsweise den typischen Fußabdruck einer Kreuzfahrt berechnet. Einbezogen wurden dabei An- und Abreise, Unterkunft, Verpflegung und Aktivitäten wie Landausflüge. Dieser liegt pro Passagier bei knapp 1.200 kg CO². Zum Vergleich: Das ist 6mal soviel wie bei einem Weinverkostungs-Urlaub in Italien. Zuhause hätte man in derselben Zeit nur knapp 50 kg CO² verbraucht.

Doch beim C0²-Ausstoß hört es nicht auf. Denn durch den Klimawandel wird auch die Eisschmelze im Polarkreis voran getrieben. TUI treibt durch seine Kreuzfahrten dorthin die Eisschmelze und damit auch den Klimawandel weiter an. Denn die Rußpartikel setzen sich auf den Gletschern ab, wodurch das dunkler gefärbte Eis noch schneller schmilzt. Zudem ist Dieselruß neben Kohlendioxid mit der deutlichste Antreiber des anthropogenen Klimawandels.


Ausbeutung von Menschen

Zu den Umweltschäden kommen schlechte Arbeitsbedingungen und Ausbeutung. Fast alle dort Arbeitenden sind über Subunternehmen angestellt. Es gibt kaum Arbeitsrechte und für viele Hilfsjobs liegt der Stundenlohn teilweise bei nur 2 Euro, je nach Unternehmen. Das kommt dadurch zu Stande, dass jedes Schiff in einem beliebigen Land angemeldet werden kann und dann die Rechte des jeweiligen Landes gelten. Die Reedereien melden ihr Schiff also in dem Land mit den "besten Konditionen", d.h. die geringsten Steuern und wenige gesetzliche Vorgaben. Für die Crew resultiert das regelmäßig in langen Arbeitszeiten und wenig Pausen. Arbeitszeiten von 10 Stunden täglich bei einer 7-Tage-Woche an Bord sind eher die Regel als die Ausnahme.


Und wer profitiert von dem Ganzen?

Die Tourismuskonzerne versprechen gerne, dass die lokale Bevölkerung vom Tourismus profitiert. Die Universität Bergen (Norwegen) hat in einer Studie festgestellt, dass in keiner Art des Tourismus so wenig Geld vor Ort bleibt wie bei Kreuzfahrten: 20 bis 40% der PassagierInnen verlassen das Schiff nicht, der Rest gibt im Durchschnitt weniger als 30 Euro an Land aus. Auch eine Studie aus Venedig kommt zu dem Ergebnis, dass die negativen Aspekte der Kreuzfahrtschiffe nicht durch die positiven aufzuwiegen seien. Bei näherer Betrachtung ist das logisch: Die PassagierInnen übernachten an Bord, sie bekommen all-inclusive-Essen an Bord, sie shoppen an Bord, sie buchen organisierte Touren an Bord - was bleibt da noch für die lokale Bevölkerung?

Auf den kanarischen Inseln zeigt sich die Entwicklung zu mehr Profiten für die Kreuzfahrtindustrie. Ein Taxifahrer berichtet dort, dass früher die TouristInnen von den Kreuzfahrtschiffen Ausflüge mit dem Taxi gemacht hätten, heute ist der Hafen Sperrzone für die Taxi-FahrerInnen. Die Kreuzfahrtunternehmen wollen keine Konkurrenz, sodass die PassagierInnen die organisierten Bustouren für etwa 90 Euro buchen würden - fast dreimal so teuer wie es mit einem vollbesetztem Taxi wäre.

Es geht sogar noch weiter: In der Karibik kaufen oder pachten sich Kreuzfahrtunternehmen ganze Inseln oder Privatstrände und bauen eigene Dörfer auf, die natürlich nur bewirtschaftet werden, wenn gerade ein Kreuzfahrtschiff anlegt - und nur dann gibt es Arbeit für die dort Lebenden unter den Bedingungen des Konzerns.

Für die Bevölkerung vor Ort bleiben nur die Umweltschäden. Sei es bei der Zerstörung von Korallenriffen, beim Bau neuer Anleger an Privatinseln oder bei der Beschädigung der Stadtfundamente von Venedig. Dieses ist auf Pfählen gebaut, die durch den Sog- und Wellenschlag der großen Schiffe besonders mitgenommen werden. Bei allen Städten gleich - auch in Kiel und Hamburg - ist die Belastung durch die Abgase.


So darf Urlaub nicht aussehen!

In Kiel und anderswo regt sich Widerstand. Um gegen die Kreuzfahrtschiffe gemeinsam aktiv zu werden, starteten AktivistInnen im Frühjahr 2018 die Kampagne "Kreuzfahrtschiffe (k)entern". Bei einer Aktion im Februar wurde Kritik an Umweltschäden und Arbeitsbedingungen in die TUI-Hauptversammlung getragen, um dort die Mitverantwortung des größten Tourismus-Konzerns zu thematisieren, der 16 Kreuzfahrtschiffe betreibt. Auch im Kieler Hafen fanden schon Flyer-Aktionen statt - die KreuzfahrtmitarbeiterInnen waren nicht besonders erfreut darüber, dass die PassagierInnen direkt beim Einsteigen mit den wachsenden Protesten konfrontiert wurden.

In den nächsten Wochen sind weitere Aktionen geplant. Interessierte können gerne zu einem der offenen Treffen dazu kommen.

17. Juli, Dienstag, um 19 Uhr
23. August, Donnerstag, um 19 Uhr

Der Ort für die Treffen wird - sobald er feststeht - auf unserer homepage veröffentlicht werden: kreuzfahrt.nirgendwo.info. Schreibt uns gerne, wenn ihr gegen Kreuzfahrtschiffe aktiv werden wollt: kreuzfahrt@nirgendwo.info

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Quelle:
Gegenwind Nr. 358, Juli 2018, Seite 4-6
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2018

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