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GEGENWIND/628: Backsteingotik, "gute Gespräche" und Massenproteste


Gegenwind Nr. 317 - Februar 2015
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

Backsteingotik, "gute Gespräche" und Massenproteste
Vom UNESCO-Welterbe zum Sperrbezirk

Von Olaf Harning


Viereinhalbtausend Polizisten, eine weiträumig abgeriegelte Altstadt und Straßensperrungen im gesamten Umland: Wenn am 14. und 15. April die Außenminister der sieben wichtigsten Industrienationen nach Lübeck kommen, um den G7-Gipfel im bayerischen Schloss Elmau vorzubereiten, wird das Leben in der Hansestadt weitgehend zum Erliegen kommen. Während die Einen das als PR-Coup feiern, plant ein Bündnis linker Parteien und Initiativen massive Proteste.

"Ich bin mir sicher, dass die schöne Altstadt mit der Backsteingotik eine ganz besondere Tagungsatmosphäre schafft, die man für gute Gespräche braucht." Mit diesen Worten gab Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im September bekannt, dass er seine Amtskollegen der G7 Mitte April in die "Kultur-Hauptstadt des Nordens" lädt. Genau genommen in das noch in Bau befindliche Hansemuseum im Norden der als UNESCO-Welterbe ausgezeichneten Altstadtinsel.

Während Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) die Ortswahl als "Auszeichnung" sieht, und sich auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) über "eine weltweite PR" freut, "die man nie bezahlen könnte", herrscht andernorts Fassungslosigkeit. "Wie im großen Maßstab die Interessen der Menschen bei den G7 kaum eine Rolle spielen", heißt es in einem Aufruf des Bündnisses Stopp G7 Lübeck, "so auch im Kleinen beider konkreten Durchführung des Außenministergipfels." Weder die Lübecker Bürgerschaft, noch sonst irgendein demokratisch verfasstes Gremium habe den Beschluss gefasst, Lübeck in eine Hochsicherheitszone zu verwandeln. Die Bewegungsfreiheit der Menschen, insbesondere die der rund 10.000 Altstadt-Bewohner, sei bei der Planung des Treffens nicht viel mehr, als ein störendes Sicherheitsrisiko gewesen.

In der Tat sieht es derzeit danach aus, dass sich die Hansestadt Mitte April weitgehend in eine polizeiliche Sperrzone verwandeln wird. Während sich die Einsatzleitung bislang zu Details ausschweigt, berichtete der "Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag" bereits, dass bis zu 4.500 Sicherheitskräfte nicht nur große Teile der Altstadtinsel abriegeln, sondern auch die Fahrstrecken der Minister von ihren Unterkünften zum Tagungsort sperren werden. Weil die Unterbringungskapazitäten in der Stadt selbst begrenzt sind, soll die Landespolizei im Umland bereits zahlreiche Hotels gebucht haben, darunter das Maritim Strandhotel Travemünde und das Luxus-Ressort Bayside in Scharbeutz. Darüber hinaus werden wohl mehrere Containerdörfer errichtet, um auch alle Einsatzkräfte ortsnah unterzubringen.

Bündnis-Sprecher Christoph Kleine von der Interventionischen Linken (IL): "Die Menschen sollen sich offenbar freuen, dass hier die Nachfahren der Könige kommen. Wir aber sagen: Ihr repräsentiert uns nicht!" In einer gerechten und friedfertigen Welt hätten Machtblöcke, wie die G7 keinen Platz mehr. In diesem Sinne habe sich das Bündnis, dem sich regionale Parteien und Initiativen ebenso angeschlossen hätten, wie Gruppen aus Hamburg, Kiel oder Malmö, bereits auf eine Großdemonstration am Nachmittag des 14. April verständigt. Außerdem sind vielfältige Aktionen in der ganzen Stadt geplant. "Und der Ein- oder Andere", fügt Kleine noch hinzu, "beschäftigt sich wohl auch mit Blockaden".

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Quelle:
Gegenwind Nr. 317 - Februar 2015, Seite 45
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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