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GEGENWIND/521: Geplante Abschiebung in Elmshorn - Das Problem hinter dem Problem


Gegenwind Nr. 290 - November 2012
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Geplante Abschiebung der Familie Chafi / Elmshorn:
Das Problem hinter dem Problem

von Reinhard Pohl



Am Freitag, 28. September fand im Rathaus Elmshorn eine Podiumsdiskussion von Landtagsabgeordneten zur "Integrationspolitik 2012-2016" statt. In ihrer Begrüßung stellte die Bürgermeisterin Dr. Brigitte Frontzek die Familie Chafi vor, die seit 18 Jahren in Elmshorn lebt. Die Ausländerbehörde Pinneberg hat den Eltern und den drei minderjährigen Kindern die Abschiebung angedroht, während die drei volljährigen Kinder in Deutschland bleiben dürfen.


Die Familie lebt von ihrer Arbeit, die Kinder gehen zur Schule (Gymnasium) bzw. studieren. Von außen sieht alles vorbildlich aus. Obwohl sie seit 18 Jahren hier leben, konnten sie nie von einer Bleiberechtsregelung oder Altfallregelung profitieren. Der Grund ist schlicht: "Identitätstäuschung".

Vor 18 Jahren, als sie als Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Libanon herkamen, gab der Vater einen falschen Namen an. Inzwischen lebt die Familie zwar unter richtigem Namen hier, eine "Identitätstäuschung" verjährt aber nicht.


Bleiberechtsregelungen und Altfallregelungen

In Deutschland werden traditionell nur ungefähr 10 % aller AsylbewerberInnen anerkannt, über die Jahre bleiben aber rund zwei Drittel aller Flüchtlinge hier. Viele können trotz Ablehnung eines Asylantrages weder ausreisen noch abgeschoben werden, weil im Herkunftsland Krieg herrscht, weil vorhandene Krankheiten im Herkunftsland nicht behandelt werden können, weil das Herkunftsland keine Papiere für eine Rückkehr ausstellt. Manchmal geben die Betroffenen tatsächlich falsche Namen an, manchmal behauptet der Herkunftsstaat auch nur, man sei nicht registriert - viele Herkunftsstaaten wollen Angehörige einer Minderheit oder auch Oppositionelle nicht rückkehren lassen.

Diejenigen, die mit abgelehntem Asylantrag hier leben, haben oft keine Aufenthaltserlaubnis, sondern nur eine "Duldung", die monatlich oder jährlich verlängert werden muss. Sie leben mit stark eingeschränkten Rechten und ohne sichere Perspektive hier, schon die Entscheidung, Kinder zum Gymnasium anzumelden, fällt schwer. Wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, hat diese oft nur einen humanitären Charakter, kann unter bestimmten Umständen (der Krieg endet, eine andere Identität wird aufgedeckt) widerrufen werden.

Seit 1987 gab es eine lange Reihe von Bleiberechtsregelungen und Altfallregelungen. Die meisten setzten voraus, dass diejenigen, die davon profitieren wollten, bestimmte nachweise erbringen mussten. So mussten sie nachweisen, eine bestimmte zeit in Deutschland gelebt zu haben, nicht straffällig geworden zu sein, von einer Arbeit zu leben (obwohl viele lange Zeit keine Arbeitserlaubnis bekamen), gut Deutsch zu sprechen (ohne Zugang zu Deutschkursen) und einen Pass des Herkunftslandes zu besitzen. Doch auch, wer alle Bedingungen erfüllte, wurde von der Regulierung ausgeschlossen, wenn früher über die Identität getäuscht worden war - dafür gibt es keine Verjährungsfrist.


Identitätstäuschung

Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen einen falschen Namen angeben, wenn sie Asyl beantragen.

Seit 1991 werden ankommende Flüchtlinge in Großunterkünften, meist ehemaligen Kasernen mit jeweils 500 Plätzen, untergebracht. In diesen großen Lagern gedeiht unter den Bedingungen der Enge und der Langeweile (Arbeitsverbot) vor allem eines: Klatsch und Tratsch. Neuankömmlinge können sich kaum retten vor "Experten", die eine Woche länger als sie in Deutschland sind und deshalb "alles wissen", vor allem, wie man einen Asylantrag stellt. Hier wird vielen empfohlen, einen anderen Namen, einen anderen Herkunftsstaat, eine andere Verfolgungsgeschichte aufnehmen zu lassen, weil man so angeblich "zu 100 Prozent" Asyl bekommt.

Andere machen sich Sorgen um ihre Familienangehörigen, die im Herkunftsland zurückgeblieben sind. Wird ihre Flucht nach Deutschland und der Asylantrag bekannt, gelten sie zu Hause als Verräter und "Staatsfeinde", die Negatives über die Regierung verbreiten. Diese rächt sich dafür an den Familienangehörigen. So gibt man einen anderen Namen an, um die Angehörigen zu schützen.

Es gibt Länder, in denen es nicht ungewöhnlich ist, verschiedene Namen zu haben und die Namen je nach Situation zu wechseln. Wer hat es noch nicht erlebt, dass eine chinesische Studentin sich mit einem "europäischen" Vornamen vorstellt, rein aus Höflichkeit, weil sie annimmt, ihr richtiger Name wäre für uns nicht aussprechbar? Ein Wechsel der Identität hat in vielen Herkunftsländern längst nicht die grundsätzliche Bedeutung wie im "ordentlichen Deutschland".

Es gibt auch Flüchtlinge, die die Ablehnung des Asylantrags befürchten und einen falschen Namen angeben, um eine angedrohte Abschiebung zu verhindern.


Ewig geduldet?

2005 trat das "Aufenthaltsgesetz" in Kraft, das mit dem neuen Paragraphen 25, Absatz 5 ein humanitäres Aufenthaltsrecht schuf. Damit sollte die Praxis der "Kettenduldungen" endgültig beendet werden.

Ausgeschlossen wurden alle, die über ihre Identität getäuscht hatten. Wenn man diejenigen, die wirklich einen falschen Namen genannt hatten (warum auch immer), und diejenigen, über die die Behörden des Herkunftslandes das nur behauptet, um eine Rückkehr zu verhindern, zusammenzählt, sind es wohl rund 80.000 Personen in Deutschland, davon rund 1.000 Personen in Schleswig-Holstein.

Nötig ist eine Altfallregelung, die genau diese Menschen erfasst: Diejenigen, die über ihre Identität getäuscht haben, die bisher aus allen Regelungen herausgefallen sind. Die Regelung muss alle erfassen, die mit einem humanitären Aufenthaltsrecht hier leben, aber auch alle, die eine Duldung haben oder die "untergetaucht" sind.

Natürlich bedeutet eine großzügige Bleiberechtsregelung, dass es auch Menschen gibt, die diese "missbrauchen", die damit für eine jahrelange Täuschung über ihre Identität "belohnt" werden. Aber genau das ist ja der Sinn der Großzügigkeit: Wer eine unbürokratische Lösung für 100.000 Menschen beschließt, ohne jedem Einzelnen bis zur Geburt hinterher zu schnüffeln, wird vielleicht 95.000 ehrlichen und 5.000 unehrlichen Menschen ein Bleiberecht geben.

Das ist allemal besser, als in den nächsten Jahren 100.000 Einzelverfahren vor den Härtefallkommissionen der Bundesländer zu provozieren. Übrigens: Mehrere Landtagsabgeordnete setzten sich Ende Juli 2011 für den 14-jährigen Tigran in Stockelsdorf und seine Familie ein, die nach Armenien abgeschoben werden sollte. Hier war sogar das Ersuchen der Härtefallkommission bereits im Frühjahr 2011 von Minister Schmalfuß abgelehnt worden. Die Begründung des Ministers: Die Identitätstäuschung des Vaters vor 11 Jahren! Nach der Intervention mehrerer Landtagsabgeordneter revidierte der Minister sein Urteil in diesem Einzelfall.


Forderungen an eine wirksame Bleiberechtsregelung
  • Die Regelung muss im Gesetz verankert sein.
  • Es darf kein Stichtag genannt werden, sondern ein Zeitraum für die Aufenthaltsdauer, damit alle in die Regelung "hineinwachsen" können.
  • Es muss eine Regelung geben, nach der eine "Identitätstäuschung" verjährt. Nach einer Frist muss die Beweislast umgekehrt werden: Wenn der/die Geduldete die Richtigkeit der Angaben behauptet, ist die Ausländerbehörde in der Pflicht, eine angenommene Falschangabe zu beweisen.
  • Menschen ohne Aufenthaltsrecht müssen in die Regelung einbezogen werden.


Übersicht: Bleiberechtsregelungen und Altfallregelungen der letzten 25 Jahre

1987: Erste Altfallregelung

Im Jahre 1987 gab es so viele Geduldete in Deutschland, dass die Landesregierung von Berlin eine "Altfallregelung" beschloss. Rund 4.000 Menschen in der Stadt bekamen durch den Beschluss eine Aufenthaltserlaubnis. Dem folgte Niedersachsen im Jahre 1990: Geduldete sollten eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, das betraf rund 21.000 Menschen. Wie viele Anträge positiv entschieden wurden, wurde nicht veröffentlicht.


1991: Bundesweite Altfallregelung

1991 wurde eine Neuregelung ins Ausländergesetz eingefügt. Danach konnten abgelehnte Flüchtlinge nach acht Jahren Duldung eine Aufenthaltsbefugnis erhalten, zusätzlich konnten die Bundesländer einzelnen Gruppen eine solche Aufenthaltsbefugnis geben. Erweitert wurde das 1993 mit dem Zusatz, dass abgelehnte Menschen aus Ländern, aus denen 1992 mehr als 30 Prozent aller Asylanträge anerkannt wurden, eine Aufenthaltsbefugnis bekommen sollten. Das betraf bis zu 10.000 Flüchtlinge aus Afghanistan, China, Irak, Iran, Laos, Libyen und Myanmar. 1996 wurde dann eine Härtefallregelung für abgelehnte Flüchtlinge mit langer Aufenthaltszeit beschlossen, die rund 9.000 Geduldeten zugute kam.


1999: Altfallregelung der Innenministerkonferenz

Doch die Zahl der Geduldeten stieg und stieg. Diejenigen, die von solch einer Regelung profitierten, blieb stets kleiner als die Zahl deren, die als Geduldete dazu kamen. Und Menschen mit ungeklärter Identität, mit einer (kleinen) Vorstrafe profitierten nie davon. So beschloss die Innenministerkonferenz 1999, dass alle Geduldeten, die vor dem 1.7.1993 als Familie oder vor dem 1.1.1990 alleine eingereist waren, ein Bleiberecht beantragen konnten. Rund 50.000 Anträge wurden gestellt, rund 30.000 Menschen bekamen einen Aufenthaltstitel. Betroffen waren vor allen Dingen Familien aus Jugoslawien, die während des Krieges in Bosnien gekommen waren.

Wegen des Stichtages 1990 bzw. 1993 gab es viele, die keinen Antrag stellen konnten. Der Krieg hatte erst 1991 begonnen, also waren nach 1991 auch viele junge Männer gekommen, die von keiner Seite eingezogen werden wollten. Deshalb besserten die Innenminister nach: 2001 gab es die nächste Altfallregelung, diesmal aber nur für Geduldete aus Jugoslawien. Von ihnen gab es inzwischen wieder über 100.000, auch von der zweiten Altfallregelung konnten nur 20.000 profitieren.


Lösung 2005: Zuwanderungsgesetz

Nach diesen Altfallregelungen blieben immer noch 230.000 Menschen mit Duldung übrig, die Zahl wuchs in wenigen Jahren auf über 280.000 Menschen an. Problem war auch, dass die Zahlen in den Bundesländern sehr unterschiedlich waren. Die meisten Geduldeten lebten in Nordrhein-Westfalen, dagegen in den ebenfalls bevölkerungsreichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg nur einige Tausend. Ein Grund ist auch die bessere wirtschaftliche Lage im Süden, da die Altfallregelungen teilweise zur Voraussetzung machten, dass die Betroffenen einen Arbeitsplatz haben.

Härtefälle entstanden besonders durch die Stichtage: Flüchtlinge, die am 5. Juli 1993 gekommen waren und nicht, wie gefordert, vor dem 1. Juli 1993 hatten keine Chance, einen Aufenthaltstitel zu bekommen und fühlten sich ungerecht behandelt, insbesondere wenn sie zu Fuß über die österreichische Grenze gekommen waren und vermuteten, sie könnten auch schon vorher Deutschland erreicht haben, ohne das gemerkt zu haben.

In das Aufenthaltsgesetz wurde deshalb der § 25, Abs. 5 eingefügt: Danach sollte eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gegeben werden, wenn die Duldung mindestens 18 Monate gedauert hatte und weder eine Ausreise noch eine Abschiebung möglich war. Allerdings blieb das groß angekündigte "Ende der Kettenduldungen" aus: In zu vielen Bundesländern wurden die Hürden zu hoch gelegt. So wurde oftmals unterstellt, der angegebene Name könnte auch falsch sein, es könnte also die Möglichkeit bestehen, dass mit dem richtigen Namen eine Heimkehr möglich sein könnte - und damit wurde die Aufenthaltserlaubnis auch nach 18 Monaten Duldung abgelehnt. In den ersten 18 Monaten der Regelung gab Schleswig-Holstein über tausend Aufenthaltserlaubnisse, in Hamburg gab es bei ungefähr gleich vielen Anträgen nur zwei oder drei positive Entscheidungen. Am Ende des Jahres 2005 waren von etwas mehr als 200.000 langjährig Geduldeten immer noch rund 192.000 Übrig, die auf eine Lösung warteten und hofften.

Allerdings wurde die Regelung nachträglich, eben weil sie nicht "funktionierte", durch Anwendungsvorschriften, aber auch Gerichtsurteile verbessert. So wurde auf die Passpflicht faktisch verzichtet, und die Regelungen, ob eine Ausreise zumutbar ist, verschärft. Gerade Gerichte sagten, dass bei einem langjährigen Aufenthalt in Deutschland alleine schon die "Gewöhnung" an die hiesigen Lebensverhältnisse eine Ausreise wie auch eine Abschiebung unzumutbar machen könnte.

Schon 2008 wurden nach dieser Vorschrift mehr als 30.000 Aufenthaltserlaubnisse an Geduldete gegeben, Ende 2009 hatten 48.000 Menschen eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift (vgl.: BT-Drucksache 17/4376).


2006: Altfallregelung

2006 beschlossen die Innenminister eine neue Altfallregelung, diesmal für alle, die bereits sechs Jahre geduldet waren. Wieder gab es einen Stichtag, allerdings hatte dieser Beschluss keine große Bedeutung. Die Bedingungen waren zu eng gefasst, und eine neue gesetzliche Regelung war schon in Arbeit.

Die Schnelligkeit der immer neuen Regelungen zeigt aber, dass die "Abschaffung der Kettenduldungen" mit dem Aufenthaltsgesetz überhaupt nicht gelungen war.


2007: Altfallregelung

In das Aufenthaltsgesetz wurde ein neuer Paragraph 104a und 104b eingefügt. Dieser sah eine Aufenthaltserlaubnis vor für alle, die sich am 1. Juli 2007 bereits sechs Jahre (also seit dem 1. Juli 2001) in Deutschland aufhalten und mindestens ein minderjähriges Kind haben, das eine Schule oder einen Kindergarten besucht. Sofern sie aus eigener Arbeit lebten, sollten sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG bekommen. Sofern sie öffentliche Leistungen bezogen, sollten sie eine Aufenthaltserlaubnis zur Probe erhalten (erst mal bis Ende 2009). Diese sollte in eine "richtige" Aufenthaltserlaubnis umgewandelt werden, wenn sie Arbeit fanden und einige Zeit behielten.

Wer keine Kinder hatte, musste bereits vom dem 1. Juli 1999 eingereist sein, also zum Stichtag seit acht Jahren hier sein.

Junge Erwachsene, die als Kinder eingereist waren, konnten nach dieser Regelung ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis zur Probe bekommen. Zudem konnten Kinder über 14 Jahre selbst eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, auch wenn ihre Eltern (z.B. wegen einer Vorstrafe) keine Aufenthaltserlaubnis erhielten.

Besondere Härten entstanden nicht nur bei Personen, die zwei oder drei Tage zu spät eingereist waren - es gab auch welche, die während des Asylverfahrens versucht hatten, nach Schweden oder in ein anderes Land zu reisen und dort einen neuen Asylantrag zu stellen. Sie wurden zwar regelmäßig nach einigen Tagen zurückgeschickt, jetzt hieß das aber, dass sie eben nicht seit 1999 oder seit 2001 "ununterbrochen" in Deutschland waren - sie fielen also nicht unter die Altfallregelung.

Unklar war zunächst, was mit denen passiert, die eine "Aufenthaltserlaubnis zur Probe" erhielten, aber Ende 2009 noch keine Arbeit gefunden hatten. Im Herbst 2009 verschlechterten sich nach der Lehmann-Pleite (Bank in den USA) und der folgenden Weltwirtschaftskrise die Möglichkeiten drastisch. Erst im Dezember 2009 beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse zur Probe, die dann von rund 20.000 Menschen beantragt wurden. Wie viele inzwischen eine "richtige" Aufenthaltserlaubnis erhalten hatten, ist nicht genau festzustellen, weil immer auch welche ausreisen, heiraten oder ihren Status anderweitig verändern - es waren wohl rund 15.000 Menschen. 2010 gab es weiterhin mindestens 90.000 Menschen mit einer Duldung und über 50.000 Menschen mit einer Gestattung oder ganz ohne Aufenthaltspapiere, also beispielsweise mit einer Grenzübertrittsbescheinigung.


Bleiberecht § 18a Aufenthaltsgesetz

Zum 1. Januar 2009 trat das "Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz" in Kraft, das wieder einen kleinen Flicken zum Bleiberecht für Altfälle enthielt. Es wurde ein neuer § 1 8a ins Aufenthaltsgesetz eingefügt: Eine Aufenthaltserlaubnis für Geduldete, die studieren. Mit abgeschlossenem Studium und gefundenem Arbeitsplatz haben sie Anspruch auf diese AE, können sie aber auch für das Studium schon bekommen - und wenn sie mindestens vier Jahre hier sind, gibt es auch Bafög.

Diese Regelung hilft nur sehr, sehr wenigen Menschen: Außer in Baden-Württemberg ist das Studium mit Duldung nicht verboten, aber Geduldete haben eine "Residenzpflicht", dürfen also den Kreis oder das Bundesland nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen. Zudem gab es bisher keine Möglichkeit, Bafög zu bekommen.


Bleiberecht nach § 25a Aufenthaltsgesetz

Zum 1. Juli 2011 trat der neue § 25a des Aufenthaltsgesetzes in Kraft. Danach können Jugendliche eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, wenn sie eine Duldung haben, vor dem 14. Geburtstag eingereist sind, seit sechs Jahren ohne Unterbrechung in Deutschland leben, sechs Jahre lang erfolgreich (!) die Schule besucht haben oder eine anerkannte Ausbildung machen und nicht vorbestraft sind. Die Regelung hat keinen Stichtag, es können alle Jugendlichen in Zukunft in die Regelung "hineinwachsen". Der Antrag muss nach dem 15. und vor dem 21. Geburtstag gestellt werden.

Die Eltern können, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst sichern können und nicht vorbestraft sind, ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis erhalten - aber nur, bis die oder der Jugendliche mit dem 18. Geburtstag volljährig wird. Danach fallen sie wieder in die Duldung zurück und können abgeschoben werden.

Der Fortschritt ist, dass es keinen Stichtag gibt, die Regelung wird also nicht nur einmal angewendet. Allerdings werden jetzt die Jugendlichen begünstigt, die Eitern nur vorübergehend vor Abschiebung geschützt - und danach die Familie eventuell auseinandergerissen. Auch führt ein "Sitzenbleiben" in den letzten sechs Jahren zum Ausschluss vom Bleiberecht, wobei einige Bundesländer das Sitzenbleiben abgeschafft haben. Geschwister über 18 Jahre sind nicht eingeschlossen.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 290 - November 2012, Seite 22-25
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2012