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GEGENWIND/395: Montagsdemonstration gegen Massenarbeitslosigkeit, Hartz IV und Sozialabbau


Gegenwind Nr. 255 - Dezember 2009
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Montagsdemonstration
6. Bundesweite Demonstration gegen Massenarbeitslosigkeit, Hartz IV und Sozialabbau in Berlin

Von Klaus Peters


Die Teilnehmer der Montagsdemonstrationen in rund 100 Städten trafen sich am 24. Oktober wieder in Berlin. Der Elan hält an, aber wo bleiben Linkspartei, Gewerkschaften und kritische Mitglieder oder Sympathisanten anderer Parteien? Immerhin waren die neben einigen Gruppen aus Mecklenburg-Vorpommern, Lübecker Aktivisten und einige Einzelkämpfer aus dem übrigen Schleswig-Holstein wieder dabei.


Knapp 5000 Menschen waren dem Aufruf der Veranstalter, der Koordinierungsgruppe Bundesweite Montagsdemonstration, dem sich zahlreiche Unterstützer angeschlossen hatten, gefolgt. In den Städten, in denen wöchentliche Kundgebungen und Demonstrationen stattfinden, war Wochen zuvor durch Flugblätter und mündliche Aufrufe mobilisiert worden. Die Mobilisierung der eignen Leute gelang, bei den bisher nicht Aktiven konnte trotz des Interesses an den Flugblättern keine unmittelbare Resonanz erreicht werden. Gleiches gilt für die großen Organisationen, Parteien und Gewerkschaften, die ihre Mitglieder nicht zur Teilnahme aufriefen, sie noch nicht einmal über die Demonstration informierten Selbstverständlich sind auch die Massenmedien informiert worden, aber auch dort wird diese hoffnungsvolle Großveranstaltung traditionell grundsätzlich nicht zur Kenntnis genommen. Eine der wenigen Ausnahmen ist der berlin-brandenburgische Sender rbb. In den nun bereits über fünf Jahren, in denen die wöchentlichen Veranstaltungen, die Bundestreffen, einige Regionaltreffen und die Bundesweite Demonstration stattfinden, haben immerhin auch einige bundesweit erscheinende Zeitungen und Zeitschriften berichtet, so auch die Wochenzeitschrift Der Spiegel. Es ist aber leider auch festzustellen, dass die Berichterstattung gelegentlich doch eher durch eine negative Tendenz gekennzeichnet war.

Die ersten "neuen" Montagsdemonstrationen begannen im Spätsommer 2004, vor der Inkraftsetzung der "Hartz-Gesetze". Damals waren Gewerkschaften und Linkspartei besonders stark beteiligt. Doch sehr bald brach das Engagement dieser beiden Großorganisationen zusammen. Die Linkspartei war mit dem eigenen Aufbau beschäftigt, die Gewerkschaften konzentrierten sich wie bisher auf die regelmäßig wiederkehrenden Tarifauseinandersetzungen der zahllosen Branchen oder auf die wortstarke Begleitung von Massenentlassungen. Im Mai dieses Jahres hatte der DGB eine letzte eigene Großdemonstration mit großem Aufwand aber geringer Mobilisierung in der Öffentlichkeit und in den Betrieben in Berlin durchgeführt. Die Wirkung war vergleichsweise gering, zumal eine massive Kritik an der Regierung - nicht nur wegen der Beteiligung der SPD - vermieden worden war. Zur Beteiligung an der von Attac und anderen gesellschaftlichen Gruppen zuvor durchgeführten Großdemonstration unter dem Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise" hatten die Gewerkschaften nicht aufgerufen, um die Mobilisierung für die eigene Großdemonstration nicht zu gefährden. Trotzdem waren natürlich einige selbstbewusste Mitglieder mit ihren Fahnen dabei. So war es dann auch am 24. Oktober.

Es ist schwer zu begreifen, warum sich die Linkspartei und die Gewerkschaften die Chancen entgehen lassen, die die Montagsdemonstrationen und die jährliche Großdemonstrationen bieten. Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass die Führung der Linkspartei und die der Gewerkschaften die Interessen ihrer Mitglieder und ihrer Klientel vernachlässigen, ja verraten. Die Zeiten sind nicht gerade einfacher geworden. Das Programm der schwarz-gelben Koalition ist gegen die Interessen der durchschnittlichen Arbeitnehmer und der sozial Unterprivilegierten gerichtet. Es kommt darauf an, die Bevölkerung aufzuklären und die Menschen, nicht nur die Betroffenen, zu mobilisieren.

Die Großdemonstration in Berlin war bunt, kreativ und motivierend wie kaum eine andere zuvor. Das Themenspektrum hat sich deutlich erweitert. Selbst ein Vertreter des Bundesverbandes der Milchviehhalter konnte auf der Schlusskundgebung der fast 6-stündigen Veranstaltung sprechen. Auch internationale Gäste nahmen teil, ein Vertreter der Automobilarbeiter aus Südafrika berichtete über seine Situation und die seiner Kollegen. Als Sprecher traten darüber hinaus Betriebsratsmitglieder, Mitglieder von Jugendgruppen, einer Umweltgruppe und sogar ein Landtagsabgeordneter der Linkspartei Thüringens ans Mikrofon. Etwa 20 bis 30 Musiker und Sprecher hatten im Demonstrationszug für Unterhaltung und Information der Teilnehmer und Passanten gesorgt.

Das Motto dieser vorbildlichen politischen Arbeit heißt "Protest gemeinsam auf die Straße bringen!" Einige der wichtigsten Forderungen:

Weg mit Hartz IV!
10 Euro Mindestlohn!
Gegen Kinder- und Altersarmut!
30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich!
Für ein politisches Streikrecht!
Verteidigung und Erweiterung demokratischer Rechte und Freiheiten!
Für internationale Solidarität und eine lebenswerte Zukunft!

Die Teilnahme an den wöchentlichen und jährlichen Kundgebungen, Demonstrationen, Jubiläumsveranstaltungen, gelegentlichen gemeinsamen Besuchen von anderen politischen Veranstaltungen, an Beratungsgesprächen und den Konferenzen ist eine wichtige, kaum ersetzbare Aufgabe geworden. Es zeigt sich, dass politische Arbeit, die sich auf reine Parlaments- oder Parteiarbeit reduziert, den Herausforderungen nicht gerecht wird, auch unbefriedigend sein muss. Das Bündnis mit gesellschaftlichen Gruppen, der regelmäßige Diskus mit den Menschen auf der Straße und praktische Solidarität sind unverzichtbare Bestandteile ehrlicher politischer Arbeit.


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Quelle:
Gegenwind Nr. 255 - Dezember 2009, Seite 20-21
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2009