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GEFANGENEN INFO/092: Ausgabe 355, Mai/Juni 2010


Gefangenen Info

Hervorgegangen aus dem Angehörigen Info. Das Angehörigen Info entstand im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989.

Nr. 355, Mai/Juni 2010


Inhalt dieser Ausgabe

Vorwort

Seite 3

- Offene Gesinnungsjustiz

Schwerpunkt

- Reaktionäre Geschichtspolitik
- Der Kampf der Gefangenen aus der RAF für kollektive Selbstbestimmung - Etwas zur aktuellen Situation

Inland

- Die Lebenslügen des K.R. Röhl
- Anti-Knast-Aktionstag am 19. Juni
- Aktionstag 19.6. - Freiheit für die §129b-Gefangenen

International

- Die Solidaritätsbewegung für Mumia Abu-Jamal ist weiterhin aktiv
- Internationale Prozessdelegation zum 27. Mai in Mailand
- ¡Libertad Camarada Arenas!
- Sie leben in unseren Erinnerungen und unseren Herzen fort

Gefangene

- Brief von Thomas Meyer-Falk
- Briefe von Nurhan Erdem
- Brief von Günther Finneisen
- Brief von Devrim Güler
- Brief von Ahmet D. Yüksel
- Solidaritätserklärungen an das Gefangenen Info

Feuilleton

- Buch und CD-Vorstellungen


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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

wir haben diese Ausgabe mit einigen Informationen und Eindrücken zum Prozess gegen das Gefangenen Info eingeleitet. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass wir gegen das Urteil in Berufung gegangen sind und uns diesen Sommer dann der Berufungsprozess vor dem Landgericht in Berlin erwartet. Näheres hierzu könnt ihr unter Seite 3 nachlesen.

Unsere aktuelle Nummer steht ganz klar im Zeichen der Diffamierungskampagnen und -angriffe gegen ehemalige Mitglieder der RAF. Nach der Anklageerhebung gegen Verena Becker soll nun der Prozess in Stuttgart-Stammheim folgen. Es sei übrigens der 5. Senat - jener, der sich momentan um die Verurteilung in dem §129b-Prozess gegen Ahmet D. Yüksel und Devrim Güler bemüht. Der Prozess gegen Verena Becker werde demnach nach Beendigung des §129b-Prozesses (wohl noch im Juli diesen Jahres) beginnen.
Aus diesem Anlass haben wir zwei aktuelle und wichtige Beiträge im Schwerpunkt platziert, die sich mit eben diesen Angriffen auseinandersetzen.
Ebenfalls im Schwerpunktteil enthalten ist ein redaktioneller Beitrag über die Gefangenenkollektive der RAF. Dieser Beitrag, der als historische Ergänzung des Themenfeldes "Gefangenenkollektive" angedacht war und in dieser Ausgabe neben weiteren Beiträgen rund um dieses Thema veröffentlicht werden sollte, kann als thematische Ergänzung der beiden Texte zu den Angriffen gegen ehemalige Mitglieder der RAF betrachtet werden. Die übrigen Texte zum Tema "Gefangenenkollektive" haben wir aus Aktualitätsgründen aufgeschoben und werden in der komenden Ausgabe veröffentlicht werden.

Fast zeitgleich zu den oben geschilderten Entwicklungen erhielten wir die Mitteilung von der Knut Folkerts Solidaritätsgruppe (fkf2009@live.nl), dass Knut Folkerts nochmal 20 Jahre Haft in den Niederlanden drohen. Knut war in den siebziger Jahren in der RAF organisiert und 18 Jahre in der BRD eingesperrt gewesen. Jetzt hat das höchste holländische Gericht, der "Hoge Raad", am 4. Juni 2010 beschlossen, dass die 20 jährige "Strafe" nicht verjährt sei. Das heißt für Knut, dass die Niederlande die BRD auffordern, dass er nochmal für 20 Jahre eingekerkert werden soll. Wir werden versuchen, die aktuellen Informationen hierzu so gut es geht weiterzuvermitteln.

Darüber hinaus haben wir in dieser Ausgabe zwei Aufrufen PLatz zur Verfügung gestellt, die sich beide auf den 19. Juni beziehen. Es handelt sich hierbei um einen Anti-Knast-Aktionstag und einen Aktionstag für die Freiheit der §129b-Gefangenen, welcher in einem Kontext zu dem Tag der revolutionären Gefangenen steht.

Im internationalen Teil sind Beiträge zu Mumia Abu-Jamal, dem PC-pm-Prozess in Mailand und zum spanischen revolutionären Gefangenen Manuel Pérez Martinez enthalten. Mit einem kurzen Beitrag sind wir außerdem auf den Tod von Güler Zere eingegangen, die am 7. Mai 2010 von uns gegangen ist.

Abschließend haben wir verschiedene Gefangenenbriefe und Solidaritätsbotschaften, die anlässlich des Prozesses an das Gefangenen Info gesendet worden waren, abgedruckt.

In diesem Sinne: Repression kann uns nicht einschüchtern! Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!

Die Redaktion


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Seite 3

Offene Gesinnungsjustiz

Das Gefangenen Info wurde zu 800 Euro Strafe verurteilt. Nicht Verbote, Strafen und Zensur bestimmen unsere Politik, sondern die Notwendigkeiten revolutionärer Praxis.

Am 21. April 2010 fand vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess wegen der Verleumdungsklage gegen das Gefangenen Info statt. Der presserechtliche Verantwortliche des Gefangenen Infos, Wolfgang Lettow, wurde zu einer Strafe von 80 Tagessätzen á 10 Euro bzw. einer Geldstrafe in Höhe von 800 Euro verurteilt. Wir sind in Berufung gegangen, wodurch der Prozess auf der nächsthöheren Instanz - dem Landgericht - fortgesetzt werden wird.
Landgericht - fortgesetzt werden wird. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlichst bei allen solidarischen Leserinnen und Lesern, Genossinnen und Genossen, für die zahlreichen Spenden, die bei uns bisher eingegangen sind.
Vor dem Prozess hat es Stimmen und Einschätzung gegeben, welche den Ausgang unseres Prozesses mit dem Ausgang des Prozesses gegen das Onlineportal "Scharf-Links" verglichen. Es handelte sich um dasselbe Konstrukt, nur die Höhe des Strafbefehls variierte, da es sich bei "Scharf-Links" um 12.000 Euro handelte und bei uns um 2.800 Euro.

Ihre Mär von Rechtsstaatlichkeit

Da es sich bei diesem Prozess - wie alle anderen vorangegangenen Prozesse gegen das Gefangenen Info auch - um einen politischen Prozess handelte, bei dem uns der politische Sachverhalt in einer juristischen Verpackung serviert wurde, spielten auch die "rechtlichen" Aspekte eine eher nebensächliche Rolle. Wir mussten dem politischen Angriff politisch begegnen, anstatt uns auf ihrem Terrain - den Gerichten der Klassenjustiz - in juristischen Fragen zu verfangen und uns an ihnen abarbeiten zu wollen. Der Verlauf des Prozesses, die eindeutigen Bemerkungen der Staatsanwältin hinsichtlich unserer politischen Prozesserklärung und das vorläufige Resultat haben schließlich bewiesen, das von uns eine unterwürfige Entschuldigung erwartet wurde. Aber wofür sollen wir um Gnade winseln? Dafür, dass wir uns für jene einsetzen, die durch ihre "Terrorlisten und -Gesetze" entrechtet werden? Oder dafür, dass wir Isolationshaft und Folter anprangern? Dafür, dass wir uns die Frechheit herausnehmen, nicht alles so hinzunehmen, sondern auch kritisch zu hinterfragen? Nun, den vorsitzenden Richter beim Amtsgericht Tiergarten habe der Rote Hilfe-Beitrag "Blind in Beugehaft" (GI, Nr. 348) zumindest beim Lesen der Richter-Zitate "vom Stuhl gehauen". Ehrlich!
Uns stellt sich die Frage, ob den Richter auch weitere Fakten über das staatliche Vorgehen in Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf vom Stuhl zu hauen vermögen. Wenn sich ein Richter so sehr darüber erbosen kann, dass seine KollegInnen evtl. im Wortlaut nicht richtig wiedergegeben werden, wieso erbosen den selben Richter dann nicht die willkürlichen Maßnahmen bei den Staatsschutzprozessen, die Isolationshaft, die Anhörungen von Folterern aus der Türkei, etc.? Wir sprechen hierbei von elementarsten Grund- und Menschenrechten, die rechtlich ausgehebelt werden.
All das sind nämlich Fakten. Denn im Umkehrschluss bedeutet es eindeutig, dass alle anderen im Gefangenen Info enthaltenen Informationen der Wahrheit entsprechen. Hier wird mit faschistischen Staatsapparaten zusammengearbeitet, Folter praktiziert, Menschenleben vernichtet, während sich ein Richter in seiner Ehre gekränkt fühlt, weil er falsch zitiert worden sei. Auch wenn wir unsere Quellen für vertrauenswürdig halten, stellt sich uns im Kern der Angelegenheit ebenso wenig die Frage, mit welchen Worten die Beugehaft gegen Nuri Eryüksel ausgesprochen wurde. Wir hinterfragen diese Prozesse und die oben geschilderten Umstände nämlich von Grund auf. Das Ausklammern des zugrunde liegenden, politischen Sachverhalts bedeutet lediglich, sich nicht mit dem ganzen Umfang der Angelegenheit auseinandersetzen zu wollen, was ein Erfassen der Lage unmöglich macht. Es wirkt wie ein Witz, sich über Zitate von Richtern streiten zu wollen, wenn uns doch klar ist, dass das staatliche Vorgehen gegen RevolutionärInnen und Linke Ausmaße annimmt, die nicht mehr hinnehmbar sind, sondern existenziellen Widerstand erfordern!

Wir waren auf unsere Haltung bedacht, nicht auf den Ausgang des Prozesses

Auch wenn uns vor Prozessbeginn klar war, dass dieser Prozess in erster Linie einen finanziellen Schaden anrichten und unsere MitarbeiterInnen einschüchtern und abschrecken sollte, ging es uns nicht darum, unsere "Unschuld" zu beweisen oder ohne eine Strafe davonzukommen. Viel wichtiger war für uns, vor dem Staatsschutzapparat nicht einzuknicken und unsere Erfahrungswerte zu erweitern. Deshalb haben wir eine politische Erklärung verfasst, die Sinn und Zweck der Klage und des damit verbundenen Prozesses erläuterte. In unserer Prozesserklärung hieß es deshalb: "(...) Die Gründe für die Anklageerhebung sind, wie bei dem Verfahren gegen das Internetportal "Scharf-Links", die Verbreitung des Prozessberichts "Blind in Beugehaft" in unserer Ausgabe Nr. 348 vom Juli letzten Jahres. In dem inkriminierten Text wurde ein Verhandlungstag im §129b-Prozess gegen den Gefangenen Faruk Ereren, dem inzwischen die Auslieferung in die Türkei droht, beschrieben. Nuri Eryüksel hatte es abgelehnt, über die Strukturen der türkischen Exilorganisation Aussagen zu machen, weil er sich dabei selber belasten könnte. Das Gericht bestand aber auf seiner Zeugenaussage und erließ dann die Beugehaft, die noch im Gerichtssaal vollstreckt wurde. (...) Die Türkei ist ein wichtiger Partner für das expansive Nato-Bündnis. Die meisten Waffen werden übrigens von der BRD nach dort exportiert, was auch zeigt dass die BRD deswegen auch ein eigenes vitales Interesse hat, ihrer Bündnispartnerin dort und hier den Rücken frei zu halten. Von 2000-2007 wehrten sich tausende türkische und kurdische Gefangene im Hungerstreiks gegen die Folter "made in Stammheim". Über 120 tote Gefangene in diversen anatolischen Knästen kamen dabei ums Leben. Schon während des Hungerstreiks verlangte die Türkei von ihren Verbündeten das Verbot der Öffentlichkeitsarbeit in Europa. (...) Neben der redaktionellen Arbeit musste die Existenz und damit das Fortbestehen des Infos auch immer vor dem Gericht verteidigt werden, um damit das Leben vor allem der Gefangenen aus der RAF vor staatlichen Übergriffen hinter Gittern zu schützen. Heute sind es vor allem Eingesperrten aus türkischen und anderen migrantischen Zusammenhängen, die diesen Sonderhaftbedingungen und -gesetzen ausgesetzt sind. Es bedeutet immer Kampf auf allen diesen Ebenen, den Weggesperrten einen unzensierten Raum zu geben für ihre politischen Vorstellungen bis hin zur ihrer Freiheit! (...)"

Das Gefangenen Info braucht eure Unterstützung und Solidarität

Im Sommer steht uns vor dem Landgericht der Berufungsprozess bevor. Wir werden unsere Publikation, die ein Sprachrohr für unsere eingesperrten Genossinnen und Genossen darstellt, weiterhin verteidigen und uns dafür einsetzen, dass sie bestehen bleibt. Und dafür benötigen wir eure Unterstützung.

Interview zum Prozessausgang als Podcast beim Webradio Radio Flora:
www.radioflora.de


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Schwerpunkt

Reaktionäre Geschichtspolitik

Monika Ertl - Zur aktuellen Kampagne gegen ehemalige RAF-Mitglieder

Es können keine Illusionen darüber aufkommen, so politisch instruiert die justiziellen Verfahren gegen die RAF in den 70er-Jahren und der Folgezeit durchgeführt worden sind, so sind auch die gegenwärtigen zu lesen. Das rechtsförmige Verfahren zur Verwirklichung von politischen Zielen - ein Klassiker.
Die Kampagne unter der Flagge von "Aufklärung" wurde 2007 gestartet als sich abzeichnete, der Staat muss die letzten verbliebenen Gefangenen aus der RAF aus der Haft entlassen. Es war kurz vor der Haftentlassung von Brigitte Mohnhaupt und als sich parallel schon abzeichnete, Christian Klar könnte fast zeitgleich, wenn aber nicht über eine Begnadigung, dann wahrscheinlich anderthalb Jahre später entlassen werden.
Damit zeichnete sich ab, dass ein für die Herrschenden seit dreieinhalb Jahrzehnten zum Alltag, zur Gewohnheit gewordener Zustand sich auflösen würde: immer ein paar Geiseln zu haben, die zumindest auf der ideologischen Ebene der Auseinandersetzung in den Manövern der Herrschenden durchgehend einen wichtigen Platz hatten. Plötzlich wären keine Namen mehr zur Verfügung für "Zellensteuerung", für Hetze aller Art oder für das wichtige ideologische Muster, dass nur wegen der Gefangenen gekämpft würde, es wären keine Gefangenen mehr da, aus deren Reihen hin und wieder Zusammengebrochene präsentiert werden könnten, es wären keine Objekte für "Kinkelinitiativen"(*) oder sonstige ideologische Profilierungen von Parteigängern der herrschenden Ordnung mehr vorhanden. Was für ein Phantomschmerz damit in Aussicht!

Und das sollte passieren, ohne dass es zuvor gelungen war, und zwar auch nicht nach der sog. Wende 1989, auch nicht nach der Selbstauflösung der RAF 1998, die Ausstrahlung, die Geschichtsmächtigkeit der RAF-Zeit aus der Welt zu schaffen?

Und das sollte zweitens passieren, als am Horizont längst die neue Krisenhaftigkeit und die fundamentale Fragwürdigkeit der Profitordnung sich ankündigte und sich zeigte? In einer Phase als die europäische Linke noch ihre Wunden leckte und ihre Augen durch die Depressionen enttäuschter Hoffnungen blind und eher nach Innen blickten, titelte die FAZ bereits: "Eisvögel der Revolution . Die Zeichen stehen auf Sturm: Über die neue Lust am Aufstand ... Hören wir die Signale?" (Mai 2005!) Die analytischen Höhen des Kapitals in Deutschland sprachen schon davon, dass zum ersten mal nach dem 2. Weltkrieg ein massenhafter - im Gegensatz zum minoritären während der 60er/70er/80er-Jahre - Entzug von Loyalitäten in der Bevölkerung droht? Während die Oberfläche der politischen Diskussionen noch von den Argumenten der Sachzwänge für brutale ökonomische Massnahmen gegen gesellschaftlich Schwache bestimmt war, ging es in tieferen Strömen schon weiter mit geschichtlichen Prozessen, die Alternativen bieten könnten.

Wer hat die oben angesprochene Kampagne in vorderster Front präsentiert oder initiiert? Man erinnere sich an die ARD-Sendung Ende April 2007 mit einer gespenstischen Versammlung von vier Personen auf einer Bühne, darunter Stefan Aust und Boock. Wenn diese Personen auftauchen, weiss man, dass genau eine Tür weiter VS und andere Agenturen der ideologischen Herrschaftsicherung sitzen. Aust kann man in seinem reaktionären Ehrgeiz gar nicht überschätzen. Am meisten bekannt dafür, dass er den "Spiegel" in die nationalliberale und ökonomisch neoliberale Epoche geführt hat (deren Gründungsakt übrigens der CIA-Putsch gegen die Allende-Regierung in Chile 1973 war), ist er schon lange bei den Herrschenden geschätztes Trüffelschwein für schmutzige ideologische Manöver in der RAF-Rezeption. Seine Biografie sieht er als sein Schicksal, man sieht ihn bei diesem Thema manisch beschäftigt. Bis hin auf die Ebene internationaler Antiterrorismus-Konferenzen wie Ende Juni letzten Jahres am Deutschen Historischen Institut in Washington - Stefan Aust als "Fachmann" für die RAF. Und Boock, die auf Lebzeiten eingekaufte Sprechpuppe, der seinen Gesichtsausdruck, den einzigen ihm verfügbaren, in die Kamera zu hängen und das jeweils Zweckmässige von sich zu geben hat. Während in den Medien gerade die moralische Verdammung gegen die ehemaligen RAF-Aktiven, die schweigen, verhängt wurde, hat genau diese neue Kampagne ein skrupelloses Spiel mit der Psyche eines hinterbliebenen Sohnes angefangen. Es schien ihnen nicht schwer, Michael Buback auf die Rolle zu setzen, dass es etwas Neues zu ermitteln geben könnte, und das ist ja auch aufgegangen.

Bisher springt das Publikum auf diesen Zug mit drauf. Dabei werden alle, die darauf anspringen, es ginge überhaupt um Enthüllungen, um Aufklärung - der Geschichte um keinen Schritt näher kommen. Die kriminalistische Show ist überhaupt nur im Anschlag, weil es ein Publikum dafür gibt, das einen Rückfall in Obrigkeitshörigkeit vollbracht hat. Die Frage nach den Motiven der Auslösung der Kampagne, die jetzt schon mehr als zwei Jahre anhält, wird überhaupt nicht gestellt, es wird nicht danach gefragt, eher noch wird "Irrationalität" angenommen. Schon ein Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung vom April 2007 könnte aber ein Stück weiterhelfen. Sie spricht von einem "Fall angewandter Geschichtspolitik: von rückwirkender Verwandlung des Politischen ins Persönliche". Und der Freitag kann es in seiner Ausgabe 15/2010 gar nicht mehr erwarten: "Und wenn einst im Untergrund agierende militante Politaktivisten sich ... (heute) ... auf kleinkriminellem Niveau gegenseitig anschwärzen, schwindet, so das Kalkül, womöglich auch die Aura der RAF."
Das Thema der heutigen Zeit auf der politischen Ebene ist die persönliche Integrität. In den Zeiten der Vor-Katastrophe, in den Zeiten der Suche nach Auswegen und Alternativen, in den Zeiten des politischen und moralischen Bankrotts des herrschenden politischen Personals erleben wir lediglich den aktuellen Anlauf, Anlauf, ein Szenario gegen das Moment in der zeitgenössischen Geschichte zu schaffen, das sich in der Erinnerung der Bevölkerung mit politischer Überzeugung und Integrität verbindet. Eben alles das, was den Vertretern der für die meisten Menschen bedrückenden und hoffnungslosen alten Ordnung fehlt. Eine Leserzuschrift zu dem Beitrag im Freitag drückt es ganz hellsichtig aus: "Es geht nicht nur darum die 'Verwirrung' der Täter aus damaliger Zeit offenzulegen - es geht mehr darum die Verwirrung der Bevölkerung in Gegenwart und Zukunft sicherzustellen. Auf keinen Fall darf es später mal eine Erinnerung an die RAF geben, welche diese als Vorbild für Notstand-Abwehr / Widerstand gegen orwell'schen Überwachungsstaat erscheinen läßt. Anders kann ich mir die Energie zur Aufrechterhaltung der RAF-Justizerei nicht erklären."
Die RAF ist aber nicht geschichtsmächtig geworden durch Interpretationen von Medien oder durch "Aura" und "Mythen", sondern durch ihre aktive Zeit, und das lässt sich im Nachhinein nicht wirklich weghistorisieren und relativiert sich nicht einmal durch persönliche Schwächen einzelner ehemaliger Aktiver, an denen schwere Zeiten und manches persönliche Scheitern genagt haben. Durch reaktionäre Kampagnen senkt sich nur das Niveau einer geschichtlichen Analyse früherer Geschehnisse. Und leider lässt sich auch schon jetzt vorauszusagen, dass das propagandistische Vorhaben neuer Strafverfahren und die Flut von Vorladungen ehemaliger RAF-Mitglieder und Freundeskreisen, verbunden mit Androhungen und Vollstreckung von Ordnungsstrafen und Beugehaft wegen der Aussageverweigerung, zwar im Sinne der Initiatoren keinen Erfolg bringen wird, "nur" den einen oder anderen, der viele Jahre Knast hinter sich gebracht und danach einen Boden unter den Füssen gesucht hat, in diesem Rummel um seine Wohnung, um sein Geld und eventuell um seine Arbeitsstelle gebracht werden wird.

P.S. In seiner Nummer 16/2009 veröffentlichte der "Spiegel" den Fund der "Grundsätze der Desinformation", wie sie in BKA und den anderen Diensten schon zu Beginn der 70er-Jahre entwickelt worden sind. Es bleibt eine krasse Kluft, dass nach dem Lesen dieses Artikels niemand zumindest in den linken Medien die Linien zu den aktuellen Geschehnisse gezogen hat. Die Schläfrigkeit ist beachtlich.

Monika Ertl, April 2010

(*) Eine im Januar 1992 vom damaligen Bundesjustizminister vorgestellte Initiative, die mit der Absicht konzipiert war, das Gefangenenkollektiv zu spalten.

Red. Anmerkung zur P.S. Das Gefangenen Info thematisierte mit dem Beitrag "Desinformationskampagnen damals und heute" den besagten Spiegel-Artikel.


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Schwerpunkt

Der Kampf der Gefangenen aus der RAF für kollektive Selbstbestimmung

Nach den Angriffen gegen die Justiz, Polizei und den Springerkonzern und den Aktionen der RAF im Mai 1972 u.a. gegen die US-Hauptquartiere in Frankfurt und Heidelberg, die angegriffen wurden, weil dort die Computer standen, die die Angriffe gegen Vietnam koordinierten, wurde ein großer Teil der Illegalen verhaftet. Von Anfang an wurde gegen die Gefangenen aus der RAF ein besonders Haftprogramm exekutiert - alle Gefangenen aus der Guerilla wurden streng isoliert: Einzelzelle und Einzelhofgang, d. h. kein Kontakt zu anderen Weggesperrten. Ihre Kommunikation nach draußen - Post und Besuche - wurde auf die engsten Familienangehörigen beschränkt.
Der Bundesgerichtshof begründete diese drakonischen Maßnahmen damit, dass sie "Mitglieder einer kriminellen Vereinigung militanter Extremisten (seien), die sich die gewaltsame Beseitigung der in der BRD bestehenden Gesellschaftsordnung zum Ziel gesetzt hätten."

Was heute von der herrschenden Meinung permanent unterschlagen wird, ist, dass das Ziel der RAF Kampf für eine kommunistische herrschaftsfreie Gesellschaft war, die nur zusammen mit den Befreiungsbewegungen der 3. Welt und den Klassenkämpfen hier möglich war.
"Insofern die herkunft aus der vom imperialismus prostituierten bürgerlichen klasse und der von ihm kolonisierten proletarischen klasse nichts hergibt, was in diesem kampf zu gebrauchen wäre. es stellt sich auch jetzt erst heraus, was einer für ein mensch ist. es stellt sich das metropolenindividuum heraus, das aus den fäulnisprozessen, den tödlichen, falschen, entfremdeten lebenszusammenhängen des systems kommt - fabrik, schreibtisch, schule, universität, revisionistische gruppen, lehre und gelegenheitsjobs. es zeigen sich die auswirkungen der trennung von berufs- und privatleben, der arbeitsteilung in geistige und körperliche arbeit, der entmündigung in hierarchisch organisierten arbeitsprozessen, die psychischen deformationen durch die warengesellschaft, der in fäulnis und stagnation übergegangenen metropolengesellschaft." (Prozesserklärung vom Septemer 1974 zum Verfahren zur Befreiung von Andreas Baader, die sich am 14. Mai zum vierzigsten Mal jährt!)

Kollektive Strukturen waren daher eine Möglichkeit, dem Imperialismus die Stirn zu bieten.
"Sie (die Kollektivität) ist nicht bloße Negation all dessen, was Staat und Kapital sind, sondern die gesellschaftliche Organisierung freier Menschen, wie sie hier und jetzt - überall wo gekämpft wird - schon möglich ist." (Hungerstreikerklärung aus dem Jahre 1984).
Die Gefangenen aus der Guerilla kamen aus den weltweiten Kämpfen der 67/68 Bewegung und für sie waren deshalb Kollektive der praktizierte Gegenentwurf zu der herrschenden Gesellschaftsordnung.
Es war klar für diese Gefangenen, dass solche Strukturen nur durch Kampf zu erringen waren:
"der hungerstreik ist in der isolation unsere einzige möglichkeit zu kollektivem widerstand gegen die counterstrategie des imperialismus, gefangene revolutionäre und gefangene, die im gefängnis angefangen haben, sich organisiert zu wehren, psychisch und physisch, das heißt politisch zu vernichten. entwaffnet, gefangen, isoliert ist er unsere einzige möglichkeit, unsere physischen und geistigen kräfte, unsere identität als menschen einzusetzen, um den stein, den der staat der herrschenden klasse gegen uns aufgehoben hat, ihm auf seine eigenen füße fallen zu lassen.
KAMPF IST AUS SCHWÄCHE STÄRKE MACHEN." (Hungerstreikerklärung von 1974)

Die Gefangenen führten 10 kollektive Hungerstreiks, um die rigide Isolation zu überwinden. Die Isolationsfolter wird auch "weiße Folter" genannt, weil sie keine sichtbaren physischen Spuren am Körper hinterlässt. Sie dient der sensorischen Deprivation und sozialen Isolation, die auf das Aushungern der Seh-, Hör-, Riech-, Geschmacks- und Tastorgane zielt und dadurch zu lebensgefährlichen Zuständen führen kann. Selbst die UNO hat die Isolationshaft als Folter geächtet.
"Isolation ist die waffe des vollzugs gegen alle gefangenen, die entschlossen sind, sich im gefängnis nicht vernichten zu lassen, das menschenexperiment, die gehirnwäsche, das programm des imperialistischen vollzugs zu bekämpfen. sie werden isoliert, um politisierung, widerstand im gefängnis überhaupt zu liquidieren;." (Hungerstreikerklärung von 1974)
Diese Haftbedingungen zielten auf die Vernichtung der Gefangenen. Insgesamt 9 politische Gefangene überlebten den Knast nicht, Holger Meins und Sigurd Debus starben im Hungerstreik.
"wir können nur unterdrückt werden, wenn wir aufhören zu denken und aufhören zu kämpfen. menschen, die sich weigern, den kampf zu beenden, könnne nicht unterdrückt werden - sie gewinnen entweder oder sie sterben, anstatt zu verlieren und zu sterben." (Hungerstreikerklärung von 1974)

Es war natürlich für die Eingesperrten klar, dass es ohne Druck von draußen nicht möglich war, ihre Forderungen durchzusetzen:
"WIR WENDEN UNS ALSO MIT UNSEREN FORDERUNGEN AN EUCH, GENOSSEN. Wir verlangen von Euch, das Ihr unsere Forderungen unterstützt, durchsetzt - jetzt - wo Ihr es noch könnt, bevor Ihr selbst Gefangene seid. Und nur von Folter reden, Genossen, statt sie zu bekämpfen, kann schon nicht mehr unser/Euer Interesse sein - hieße: der Abschreckungsfunktion der Schweinerei noch auf die Beine helfen."
(Hungerstreikerklärung von Mai 1973)
Nur große Gruppen von Gefangenen waren ein gewisser Schutz vor Übergriffen der Justiz. Zeitweise gab es Kleinstgruppen von 5 Eingesperrten, aber selbst Gutachter des Gerichts befürworten "interaktionsfähige Gruppen von 15 Gefangenen".
Der Kampf gegen die Isolationsfolter und für Zusammenlegung wurde von vielen unterschiedlichen Menschen und Gruppen getragen. Das Engagement reichte von humanistischem Einsatz, Demonstrationen mit bis zu 10.000 Menschen, Besetzungen bis hin zu bewaffneten Aktionen der Guerilla.

Fazit und Ausblick

Die Zusammenlegung in 1 oder 2 Gruppen, bis zur Aufhebung der Isolation und ihrer Freiheit konnte trotz der über 20 Jahre andauernden Auseinandersetzung nicht erreicht werden. Es gab lediglich minimale Verbesserungen, die Isolation der Gefangenen blieb aber weiter bestehen.
Trotz der Isolationshaft waren die Gefangenen aus der RAF über zwei Jahrzehnte ein wichtiger politischer Faktor, die durch ihre Kämpfe bewiesen, dass Kämpfen unter den erschwerten Bedingungen möglich war. Bedingt u.a. durch die weltweiten Umbrüche Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre, die die gesamte Linke in eine Krise stürzten, spaltete sich das Gefangenenkolllektiv und löste sich schlußendlich auf.
Eine Transformation in eine neue politische Kraft gelang nicht, obwohl sich die Bedingungen in Großdeutschland auf allen Ebenen verschärften und eine starke linke internationalistische und antagonistische Bewegung wichtig gewesen wäre bzw. ist.
Heute sind in BRD-Knästen migrantische und alle anderen kämpfenden Eingesperrten ähnlichen und teilweise noch drakonischeren Isolationshaftbedingungen unterworfen wie damals die Gefangenen aus der RAF.
Wir müssen auch heute bedenken, dass der Kampf um Befreiung ein langwieriger Prozess ist, der sich nicht auf 1 oder 10 Jahre erstreckt, sondern ein Leben lang andauert.
"Kollektivität bestimmt sich übers Ziel. Zum Angriff kommen, nicht zu einem einzigen, sondern als dauernder, gemeinsamer Prozess der politischen Bestimmung und Aktion." (Hungerstreikerklärung aus dem Jahre 1984) (red.)


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Etwas zur aktuellen Situation

Von einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren - Mai 2010

Seit nunmehr drei Jahren spekulieren Staatsschützer und Medien darüber, wer im Einzelnen vor mehr als dreißig Jahren die Schüsse auf Siegfried Buback und Hanns Martin Schleyer abgegeben hat. Ermittlungsbehörden bemühen sich, weitere RAF-Aktionen nach Indizien zur Täterschaft abzuklopfen. Kaum haben die letzten Gefangenen aus der RAF den Knast hinter sich gelassen, sehen sich die einen mit neuen Verfahren konfrontiert, während die anderen mit Zeugenladungen und Beugehaftandrohungen belegt werden. Nach der ersten Welle im Sommer 2007, im Ermittlungsverfahren gegen Stefan Wisniewski, läuft seit Ende 2009 der zweite Versuch, Aussagen von uns zu bekommen, formell im Verfahren gegen Verena Becker. Verena Becker war 1977 in der RAF, 1983 haben wir uns von ihr getrennt. Demnächst wird ihr ein neuer Prozess gemacht, offensichtlich nur als Auftakt zu weiteren Prozessen. Gegen Stefan Wisniewski und Rolf Heißler wird weiterhin ermittelt.
Vordergründig geht es darum, individuelle "Schuldzuweisungen" zu bekommen, also Beteiligte unter Druck zu setzen und zum Reden darüber zu bringen, wer genau was gemacht hat. Über 30 Jahre war es allen ziemlich egal, wer wofür verurteilt wurde. Hauptsache, sie verschwanden hinter Schloss und Riegel. Seit dem Medienspektakel zum "Deutschen Herbst" 2007 ist das "Ringen um Klärung" plötzlich zur Gretchenfrage geworden. Es reicht nicht, dass wir uns kollektiv für die Aktionen der RAF verantwortlich erklärt haben. Wir sollen "endlich" einmal auspacken, um, wie es heisst, "aus der Logik der Konspiration auszusteigen".

Worum es hier wirklich geht, ist, die Auseinandersetzung mit der Geschichte bewaffneter Politik auf die Ebene von Mord und Gewalt runterzuziehen. Eine Ebene, auf der Zusammenhänge auseinandergerissen und nur noch kriminalistisch abgewickelt werden, damit erst gar kein Raum entsteht, in dem andere als die vorgegebenen Überlegungen angestellt werden.

Für manche sollen wir uns einer "Diskussion" "stellen", deren Bedingungen schon von vornherein festgelegt sind und den Zweck haben, die Aktionen der RAF durch Personalisierung zu entpolitisieren. Oder wie die Süddeutsche Zeitung in einem Kommentar dazu meinte : "Von möglichen politischen Motiven in diesem Krieg aber wird bald nichts mehr zu erkennen sein. (...) Die Individualisierung und Privatisierung des deutschen Terrorismus ist dessen letztes Stadium. Was gegenwärtig mit ihm geschieht, ist ein Fall angewandter Geschichtspolitik: von rückwirkender Verwandlung des Politischen ins Persönliche." (SZ 24.4.2007)

Von uns wird eine "geschichtliche Bewältigung" verlangt, die keine ist. Ein "Schlußstrich", an den sich sonst niemand hält und dessen Voraussetzungen nicht einmal zur Debatte stehen. Es ist nochmal ein großangelegter Versuch, reale Erfahrungen zu verschütten, Lernprozesse zu verhindern, die unterschiedlichen Kämpfe voneinander zu isolieren.

Das wäre er dann, der Punkt. Eine Story, von der nichts bleibt als Selbstbezichtigung und Denunziation.

Auslöser dieser ganzen Sache war die Vorbereitung einer Kampagne, die dazu angesetzt war, Öffentlichkeit für das geplante Spektakel im Herbst 2007 und die darauf folgenden Filmproduktionen herzustellen. Zwischen Ende 2005 und Ende 2006 haben Spiegel-Mitarbeiter nichts unversucht gelassen, uns für eine von Stefan Aust redigierte Fernsehserie zu gewinnen. Es musste etwas Neues her, um die Kampagne zu füttern. Anekdoten, Tratsch, Interna, die den kaputten "Zeitzeugen" vielleicht noch etwas Glaubwürdigkeit verschaffen könnten.

Bekanntlich ist daraus nur eine Wiederaufbereitung alter "Enthüllungen" geworden, aber in der Zwischenzeit wurde Austs Protegé Peter-Jürgen Boock vorgeschoben, um sich der "Opfer der RAF" anzunehmen. Nachdem aus den "Experten" und "Kronzeugen" nichts Neues mehr rauszuquetschen war, wurde von einigen Politikern die Forderung aufgestellt, Gefangene aus der RAF nur noch freizulassen, wenn sie "Ross und Reiter" nennen. Diese Gelegenheit wurde von Boock genutzt, um ab Ende März 2007 den Sohn des Generalbundesanwalts für seine soundsovielte Täterversion zu instrumentalisieren. Diesmal mit den Namen genau derjenigen, die für die jeweilige Aktion noch nicht verurteilt worden waren.
Für die Medien war es das gefundene Fressen, um das ene-mene-muh Spiel anzufangen. Mit einem alten Polizeitrick, der den Spieß einfach umdreht: Bei genügend Unschuldsbeteuerungen würden am Ende die wahren Täter schon übrigbleiben. Einen Tag nach der Talkshow mit Boock Ende April 2007 meldete sich Karl-Heinz Dellwo in einer Panorama-Sendung: "Ich kenne definitiv Fälle, wo Leute vollständig unschuldig waren und über lange Zeit für andere im Gefängnis gesessen haben." Auf die Frage, ob wir Namen nennen sollten, antwortete er, "das müssen die Leute für sich selber entscheiden". Zwei Wochen später ging Knut Folkerts in die Falle und erklärte in einem Interview mit dem Spiegel seine Unschuld in Sachen Buback. Der Bundesanwaltschaft genügte der Medienrummel, um die entsprechenden Ermittlungsverfahren zu formalisieren. Die RAF hat sich 1998 aufgelöst, begründet aus ihrer Einschätzung der veränderten politischen Gesamtsituation. Die Tatsache, dass es ihre eigene Entscheidung war und sie nicht vom Staat besiegt wurde, ist offenbar noch immer ein Stachel. Daher das ewige Gerede vom "Mythos", den es zu knacken gilt. Daher die politische und moralische Kapitulation, die da eingefordert wird. Daher die Versuche, die Kriminalisierung unserer Geschichte zum Punkt zu bringen, bis hin zu dem verlogenen Vorschlag einer "Wahrheitskommission". Während die Fahndung nach den Illegalen, die Hetze in den Medien und die Verfahren gegen ehemalige Gefangene andauern, wird von uns der öffentliche Kotau verlangt. Wo es nach all den Jahren nicht durch "Abschwören" gelaufen ist, sollen wir uns jetzt gegenseitig verpfeifen. Rette sich, wer kann.
Wenn von uns niemand Aussagen gemacht hat, dann nicht, weil es darüber eine besondere "Absprache" in der RAF gegeben hätte, sondern weil das für jeden Menschen mit politischem Bewusstsein selbstverständlich ist. Eine Sache der Würde, der Identität - der Seite, auf die wir uns gestellt haben.
Keine Aussagen zu machen, ist keine Erfindung der RAF. Es hat die Erfahrung der Befreiungsbewegungen und Guerillagruppen gegeben, dass es lebenswichtig ist, in der Gefangenschaft nichts zu sagen, um die, die weiterkämpfen, zu schützen. Es hat die Beispiele des Widerstands gegen den Faschismus gegeben. Wer immer hier ernsthaft politisch etwas wollte, hat sich damit auseinandergesetzt und daraus gelernt. In der Studentenbewegung war Aussageverweigerung eine breit begriffene Notwendigkeit, als die Kriminalisierung losging. Seitdem sind Militante in vielen Bereichen damit konfrontiert worden. Genauso ist es für uns in der RAF eine notwendige Bedingung gewesen, dass niemand Aussagen macht. Einen anderen Schutz gibt es nicht - für die Einzelnen im Knast, für die Gruppe draußen und für den illegalen Raum insgesamt, die Bewegung in ihm, die Strukturen und die Beziehungen. Aber auch so. Wir machen keine Aussagen, weil wir keine Staatszeugen sind, damals nicht, heute nicht.

Trotz Rasterfahndung haben es die hochgerüsteten Staatsschutzapparate in all den Jahren nicht geschafft, ein auch nur annäherndes Bild unserer Bewegungen zu bekommen. Auch die, die unter dem Druck der Isolation, der Hetze und der Erpressung zusammengebrochen und als "Kronzeugen" benutzt worden sind, haben nicht dazu beitragen können, das Bild zu vervollständigen. Die Bruchstücke, die sich der Staatsschutz zur allgemeinen Aufstandsbekämpfung zurechtgebastelt hat, nützen ihm wenig. Von der Vorgehensweise, der Organisation, der Spur, der Dialektik einer Metropolenguerilla hat er keine Ahnung. Es gibt keinen Grund, ihm dabei auf die Sprünge zu helfen. Die Aktionen der RAF sind kollektiv diskutiert und beschlossen worden, wenn wir uns einig waren. Alle, die zu einer bestimmten Zeit der Gruppe angehört und diese Entscheidungen mitgetragen haben, haben natürlich auch die Verantwortung dafür. Wir haben das oft erklärt, und unser Verhältnis dazu ändert sich nicht dadurch, dass die RAF Geschichte ist.
Die kollektive Struktur der RAF ist von Anfang an angegriffen worden. Es durfte sie nicht geben, es musste das Alte sein, autoritäre Beziehungen, "Offiziere und Soldaten", Rädelsführer und Mitläufer. So war die polizeiliche Zielsetzung, so war die Propaganda, so ist sie bis heute. Die Justiz allerdings, die sich selbst "an vorderster Front" gegen den "Staatsfeind Nr. 1" sah, war in den Prozessen in Beweisnot, weil sie ohne unsere Mitwirkung nichts in der Hand hatte. Ihre Lösung war der "kollektive" Paragraph 129/129a, mit dem alle für alles verantwortlich gemacht werden konnten. Darauf basierten zum Teil die Urteile, und kriminalistische Einzelheiten wurden nur benutzt, um die politischen Zusammenhänge wegzudrücken. Dagegen waren die Zeugenaussagen, die wir während der Knastjahre einige Male in den Prozessen gemacht haben, kollektiv bestimmt, als Möglichkeit, öffentlich etwas gegen die fetteste Scheisshauspropaganda zu sagen. Für uns hat es kaum eine Bedeutung gehabt, wie die Zuordnungen und Konstruktionen der Staatsschutzsenate im Einzelnen aussahen. Wir waren im Knast, weil wir hier den bewaffneten Kampf angefangen haben, und in den Prozessen ging es uns höchstens darum, Inhalt und Ziele unserer Politik zu vermitteln. Einer Politik des Angriffs in der Metropole, die ihre Praxis im Zusammenhang weltweiter Kämpfe um Befreiung vom Kapitalismus begriffen und bestimmt hat.
Wenn es noch etwas zu sagen gibt, dann dazu.

Red. Anmerkung zum ersten Absatz: Eine Gefangene aus der RAF, Birgit Hogefeld, ist als Freigängerin weiterhin im Knast. Kürzlich hat Bundespräsident Köhler ihre Begnadigung abgelehnt, weil Birgit sich weiterhin weigert, mit Polizei und Justiz zu kooperieren.


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen bundesweit

Berlin: Der in Berlin ansässige Internet-Provider so36.net, sowie eine Privatwohnung wurden am 26. April durchsucht. Es wurden in der Privatwohnung zwei Rechner und mehrere Festplatten beschlagnahmt. Für kurze Zeit war auch der Server von so36.net beschlagnahmt worden, der aber kurz darauf zurück gegeben wurde. Ziel der Aktion war es, Verantwortliche für die antimilitaristische Webseite bamm.de zu ermitteln. Auf der Seite war ein Flugblatt mit dem Motto "Feste feiern, wie sie fallen" zu sehen, dass dazu aufrief zu feiern, wenn Bundeswehrsoldaten im Kriegseinsatz fallen. (red.)

Berlin: Bei einer Hausdurchsuchung in einem besetzten Haus in der Rigaer Str. 17 verfrachteten Einsatzkräfte der Polizei eine noch glühende Brandmasse aus einem Kachelofen in eine Holzkiste und lösten damit einen Feuerwehreinsatz aus, der das schmorende Holz zu löschen hatte. Das schmorende Holz entwickelte eine große Rauchentwicklung, sowie kleinere Brandschäden innerhalb des Hauses. Bei der Durchsuchung wurden zwei Personen wegen fehlender Papiere festgenommen, die in dem Haus einen Schlafplatz fanden. (red.)

Bochum: 150 Personen demonstrierten am Samstag, den 10. April in Bochum gegen Polizeigewalt. Anlass hierzu war ein brutaler Polizeiangriff Ende März auf AntifaschistInnen, die eine Mahnwache der Nazipartei Pro NRW blockierten. Die Demonstration wurde von einem Großaufgebot der Polizei begleitet, das die TeilnehmerInnen der Demonstration provozierte. Bei der Demonstration kam es zu mehreren burtalen Übergriffen der Polizei, bei denen mehrere AntifaschistInnen und laut Angaben der Polizei auch zwei Beamte verletzt wurden. (red.)

Stuttgart: Im Rahmen der 1. Mai Demonstrationen in Stuttgart wurden 4 Personen festgenommen. Gegen einen der Festgenommenen wurde ein Schnellgerichtsverfahren angestrengt, das am darauffolgenden Freitag stattfand. Bis dahin musste die Person in U-Haft bleiben. Er wurde wegen einem angeblichem Tritt gegen einen Polizisten zu 4 Monaten und 2 Wochen auf 2 Jahre Bewährung verurteilt. Der Tritt soll passiert sein, als BFE-Einheiten die Revolutionäre 1. Mai Demo mit massivem Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz angriffen, um ein zu langes (!) Transparent zu beschlagnahmen. (red.)


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Inland

Die Lebenslügen des K.R. Röhl

Auseinandersetzung um die Röhlsche Geschichtsschreibung, Missbrauch und dem Verhältnis zu Ulrike Meinhof

Letzten Monat erschien im Stern ein Artikel von der Psychotherapeutin und Journalistin Anja Röhl. Sie selbst ist bekannter als Stieftochter von Ulrike Meinhof und Tochter des ehemaligen Herausgebers der Zeitschrift Konkret. Anja Röhl schreibt in ihrem Artikel über ihren Vater, Klaus Rainer Röhl. Sie beschreibt darin die pädophilen Neigungen und verschiedenste Arten des Missbrauchs an ihr, als Kind. "Einen der wichtigsten Männer, die offen Pädophilie propagiert haben, habe ich in der eigenen Familie gehabt, er heißt Klaus Rainer Röhl und war mein Vater."
Dass K.R. Röhl in den 70er Jahren schon einen Hang zur Rechtfertigung pädophilen Verhaltens hatte ist keine Neuigkeit. Unter seiner Ägide wurde die Konkret, die Mitte der 50er als politisches Magazin mit Nähe zur illegalen KPD gestartet war und mit der exzellenten Journalistin Ulrike Meinhof als Flaggschiff bekannt wurde, zur Wichsvorlage mit intellektuellem Anspruch. Mit dem mittlerweile zum medialen RAF-Inquisitor aufgestiegenen Stefan Aust und dem mittlerweile verstorbenen Schriftsteller Peter Rühmkorf an der Seite bildeten sie den Kopf einer Männerriege, die im Fahrtwind der sogenannten "Sexuellen Revolution" ihre Männerphantasien auslebten. In einem Artikel von Ende September letzten Jahres heißt es zur KONKRET-Historie und zu ihren Protagonisten Röhl, Rühmkorf und Aust:
"KONKRET? Gibt's das noch? Früher hab ich das auch gelesen." Das Früher der älteren Herren sind die Jahre, in denen KONKRET mit allerlei Onanierhilfen und Titelzeilen wie "Mögen Frauen Vergewaltigung?", "Was Mädchen weich macht - Rezepte für Männer" oder "Machen Miniröcke dumm?" für Absatz gesorgt hatte. Der Lyriker Peter Rühmkorf war noch in seinen letzten Lebenstagen stolzer Theoretiker dieses vom ihm erfundenen Verkaufsrezepts, dessen Praktiker, sein Freund Klaus Rainer Röhl, bei der Auswahl der Titelbilder stets darauf bestand, daß der nackte Hintern der Abgebildeten am rechten Bildrand erschien, denn: "Man schlägt von rechts." Geschäftsführender KONKRET-Redakteur jener Jahre war unter anderen ein gewisser Stefan Aust. Wenn Not am Mann war, ging der investigative Journalist auch gern selbst mit der Kamera auf Motivsuche für "heiße Reports" ("Liebe unter freiem Himmel - Wie frei sind Deutschlands Mädchen?"; 10/67) oder reiste an den "Sonnenstrand von Bulgarien" (7/67).... (LITERATUR KONKRET 2009/2010) K.R. Röhl führte genau diesen Kurs nachdem er die Konkret fast vollständig ruiniert hatte in seinen Magazinen "Das da" und "Spontan" weiter. Stefan Aust schrieb unter anderem für die St. Pauli-Nachrichten. Ein weiteres Softpornoblatt mit "linkem" Anspruch. Für Aust und Konsorten war das damals vor allem "'ne coole Zeit". Während andere das Geschriebene und Gesprochene beim Wort nahmen und versuchten, eine revolutionäre Perspektive zu entwickeln, ging es vielen nur um das eigene Standing und die Coolness "in der Szene" als Ausgangspunkt für ihre bürgerlichen Karrieren. Anfangs waren sie noch kritische Journalisten, modern wirkende Künstler oder einfache Selbstdarsteller. Die meisten endeten als Karikatur ihrer selbst, ausgestattet mit meist hochdotierten Jobs.

Vielleicht wird das Interesse von Aust und Konsorten, die politischen Bewegungen dieser Tage (besonders die RAF) in den Dreck zu ziehen, dadurch klarer.
Ulrike Meinhof hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon längst aus dem Staub gemacht. Die Gefangenenbefreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970 führte sie in den Untergrund. An vielen Littfasssäulen hingen Fahndungsfotos. Aus der Illegalität heraus versuchte sie, laut den Recherchen von Jutta Ditfurth für deren Meinhof-Biografie, ihre Kinder vor ihrem Ex-Mann zu schützen. Sie versuchte alles, damit ihre Töchter Regine und Bettina bei ihrer Schwester unterkommen konnten. Um nicht vorher schon mit unveränderbaren Tatsachen konfrontiert zu werden, entschlossen Ulrike und Genoss_innen, die Kinder jedwedem weiteren Zugriff zu entziehen und erst einmal nach Sizilien zu Freunden zu bringen. Dass Aust die Kinder zu ihrem Vater zurückbrachte, sie sozusagen "rückentführte", gehört mit zu dem Heldenmythos, den Aust um sich selbst und seine Rolle in den Siebzigern gebaut hat. Doch wie heldenhaft ist es eigentlich, Kinder zu solch einem Vater zurückzuführen?
Allein das momentane Schweigen eines Stefan Aust zu den geäußerten Vorwürfen gegen seinen früheren Chef verrät einiges. Einer der sonst sofort in sämtlichen Medien präsent ist, wenn Ulrike Meinhof oder die RAF in den Medien besprochen werden, hält freiwillig die Klappe. Allein schon das stinkt zum Himmel. Gerade in diese Phase fällt nämlich auch seine ständige Präsenz in den Softpornoheftchen mit sog. inhaltlichem Anspruch.
K.R. Röhl ist in dieser Richtung wesentlich ehrlicher. Er mutierte vom Salonkommunisten zum Rechtspopulisten und Geschichtsverdreher. Schließlich promovierte er 1993 bei dem Historiker Ernst Nolte. Röhl trat 1995 der FDP bei. Er gehörte zum nationalliberalen Flügel der Partei um Alexander von Stahl, Heiner Kappel und Rainer Zitelmann ("Liberale Offensive"), die die FDP in den 1990er Jahren in Richtung von Haiders FPÖ verändern wollten. Zuletzt tauchte sein Name als Referent des verhinderten rechtsradikalen Anti-Islamisierungsgipfels in Köln auf. Zudem schrieb er viele revisionistische Artikel und Bücher und beteiligte sich intensiv am 68er Bashing.
Nun ist selbst seine Tochter Bettina Röhl, die ihn in seinen Äußerungen zu Ulrike Meinhof und der RAF stets bestärkte, von ihm abgerückt und beschreibt den Missbrauch, den K.R. Röhl an ihr begangen hat: "Zwischen 1970 und 1973 habe ihr Vater manche Abende "mit einem Zungenkuss als Gute-Nacht-Abschied" beendet. Als sie elf Jahre alt gewesen sei, habe Klaus Rainer Röhl seine Hände "nicht mehr zuverlässig in seiner Sphäre" behalten. Er habe sich seiner Tochter gegenüber als "pädophil" bezeichnet und über Inzest gesprochen. (spiegel-online, 30.05.2010)
Dass er dies weiterhin bestreitet ist nur noch peinlich. Aber in seinem nationalkonservativen Umfeld scheint dies nicht weiter zu stören. Für die Mitarbeit in diesen Zirkeln scheint eine gewisse Demenz gegenüber der eigenen Vergangenheit und der Weltgeschichte Aufnahmevoraussetzung zu sein.

(überarbeitete Version aus anderslautern.de 06/2010, red.)


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Inland

Anti-Knast-Aktionstag am 19. Juni 2010

Für den 19. Juni 2010 hat ein Bündnis von verschiedenen Gruppen in der BRD zu einem Aktionstag gegen Knäste aufgerufen.
In dem Papier mit der Überschrift "Warum Anti-Knast-Aktionstag" wird u.a. auf die Funktion der Knäste, die Bedeutung für verschiedene gesellschaftliche Schichten wie das Prekariat, die MigrantInnen oder auch die als "Irre" in Psychiatrien eingesperrten Menschen eingegangen. In dem Aufruf heißt es bezüglich des Verhältnisses zwischen Knast und Gewalt: "Knast bedeutet Unterdrückung, Kontrolle, Ausbeutung und Ausgeliefertsein. Strukturelle Gewalt ist Teil unserer Gesellschaft. Auf ihr beruht unser Rechtssystem. Kein Wunder also, dass sie auch vor den Toren der Knäste keinen Halt macht und sich in Form von individueller Gewalt, wie Misshandlungen und sexuellem Missbrauch, entlädt."
Das Bündnis hebt hervor, dass "der Knast als Teil eines System des Disziplinierens mittels Strafe zu verstehen" und "Ausdruck der Herrschaftsverhältnisse" sei. Demnach bringe sie eine "Spirale in Gang, die die Kluft zwischen arm und reich, priviligiert und unpriviligiert weiter" vergrößere.
Weiter wird in dem Papier auf Strategien der Kontrolle und Überwachung eingegangen und mit dem vorbeugenden Charakter dieser fortgesetzt: "Auch durch die Gemengelage Terrorismusbekämpfung und Klimawandel wird bei vielen Menschen der Hang zur Selbstkontrolle und die Forderungen nach mehr Überwachung, Normen und Gesetzen deutlich. Im Windschatten dieser Entwicklungen ist eine präventive Strategie zur Aufstandsbekämpfung nicht nur geduldet sondern auch erwünscht. Konzepte wie "Managing Crowds" sollen helfen, künftig zu erwartende Unruhen möglichst im Keim zu ersticken. Selbst die NATO hält die innere Sicherheit und Befriedung für den Schlüssel zu einer "erfolgreichen Intervention" außerhalb der Mitgliedsstaaten. Die Zustände "Drinnen" sind nur die Zuspitzung der Tendenzen "Draußen". Die Realitäten der "zwei Welten" innerhalb und außerhalb der Mauern ähneln sich zunehmend. Ein Anstieg der Überwachung, der Armut, des Leistungs- und Anpassungsdrucks ist deutlich spürbar und allgegenwärtig. Die bürgerliche Strafgesellschaft richtet sich, gerade in Zeiten der weltweiten "Mehrfachkrisen" gegen Unterschichten, illegalisierte Menschen und soziale Bewegungen. Die Zahl der sog. "Sozialen Häftlinge" steigt von Tag zu Tag. Die europäische Sicherheitsarchitektur wird immer weiter ausgebaut. Und fern ab von der Öffentlichkeit schmoren Menschen in Abschiebeknästen. Die Gefängnisgesellschaft ist Realität.
Nieder mit allen Knästen weltweit! Für freie Kommunikation, Bewegungsfreiheit und ein konfliktfähiges Miteinander! Für die Überwindung der Knastgesellschaft!"

Hinsichtlich dieses Aktionstages, das von verschiedenen Aktionen auf bundesweiter Ebene begleitet wird, hat auch der anarchistische Gefangene Thomas Meyer-Falk einen Beitrag verfasst, den wir an dieser Stelle dokumentieren. (red.)


Für den bundesweiten Anti-Knast-Aktionstag am 19. Juni 2010

In den letzten Wochen trieben die Boulevardmedien das Thema Knast wie die Sau durchs Dorf. Perverse Sexgangster, die angeblich die Bevölkerung bedrohen, sollte man sie frei lassen, Räuber und Totschläger, die nur darauf warten wieder zuzuschlagen.
All das vor dem Hintergrund sinkender Kriminalitätsraten und eines Urteils vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der nämlich im Dezember die BRD daran erinnerte, dass es nicht angehe, in bestandskräftige Strafurteile einzugreifen und aus einer auf 10 Jahre befristeten Sicherungsverwahrung per Gesetzesbeschluss eine lebenslängliche Sicherungsverwahrung zu machen.
Letzteres nehmen BILD, RTL und Politiker vom Schlage des Jörg Uwe Hahn (Hessen, FDP) zum Anlass, darüber zu schwadronieren, dass Deutschland eine Demokratie sei und sich gefälligst Strasbourg hier nicht einzumischen habe.
In Niedersachsen möchte ein GRÜNEN-Abgeordneter von der Landesregierung ganz genau wissen, wie es hinter Gittern zugeht, denn er wundert sich, dass trotz sinkender Gefangenenzahlen die Regierung einen Knastneubau nach dem anderen plant. Für seine Anfrage an die Regierung sieht er sich der Hetze der Presse und Knastverwaltungen ausgesetzt. Letztere behaupten frech, ihnen fehle auf Grund detaillierten Anfrage nun die Zeit für die Resozialisierung der Gefangenen, schließlich müssten sie die Anfrage beantworten.
Knast und Gefangene sind Projektionsfläche für eine zunehmend sicherheitsfixierte Gesellschaft; wahrgenommen wird nicht mehr der einzelne Gefangene und sein familiäres Umfeld, sondern er wird als wandelndes Risiko und/oder Monster auf zwei Beinen dargestellt. Diese Entmenschlichung hilft dabei, sich den unzähligen Schicksalen nicht (mehr) zu stellen und auch deren Leid nicht (mehr) anerkennen zu müssen.
Umso wichtiger sind Aktionen wie heute! Sie verleihen den Gefangenen eine Stimme und verdeutlichen, dass es auch Menschen gibt, die für eine Gesellschaft kämpfen, die Knäste nicht nötig hat.

Herzschlagende Grüße aus Bruchsal
Thomas Meyer-Falk

www.freedom-for-thomas.de


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen bundesweit

Königs Wusterhausen: In der Nacht vom 4. auf den 5. Mai wurden im Ortsteil Niederlehme drei GenossInnen für 20 Stunden festgenommen. Eine Polizeistreife habe das Auto eher zufällig angehalten, woraufhin der Streife ein Brandsatz, der neben dem Auto stand, aufgefallen sei. Die Polizei bringt diesen Fund in Verbindung mit einem möglichen geplanten Anschlag auf Gerätschaften, die zum Abriss der Ernst-Thälmann Gedenkstätte, die sich in dem Ortsteil Niederlehme-Ziegenhals befindet und seit längerem vom Abriss bedroht ist, eingesetzt werden. (red.)

Berlin: In der Nacht zum 10. April wurde in der Meuterei eine Soliparty der Gruppe "Freiheit für Tobias!" angegriffen. Knapp 20 Beamte drangen gegen 4:45 in die Räumlichkeiten ein und erklärten die Veranstaltungen für beendet. Die TeilnehmerInnen wurden nach draußen gedrängt und von mit gezückten Schlagstöcken und Pfefferspray BeamtInnen erwartet. Eine Person wurde die Kellertreppen hinunter gestoßen. Sie erlitt eine blutende Platzwunde. Zwei Personen wurden festgenommen. Eine Begründung für diese Aktion liegt noch nicht vor. (red.)

Berlin: Alexandra R. steht wieder vor Gericht. Nachdem Alexandra im Juli 2009 wegen einer angeblichen Brandstiftung an einem PKW festgenommen wurde, für 156 Tage in U-Haft gesteckt wurde und im November 2009 vom Vorwurf der versuchten Brandstiftung freigesprochen wurde, steht Alexandra nun in zweiter Instanz im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin. Das Verfahren findet unter erhöhten Sicherheitsstandards statt. Nächster Termin: 15. und 29. Juni Landgericht Berlin - Saal 700 um 9 Uhr, Landgericht (Turmstr. 91), Saal 700. (red.) http://engarde.blogsport.de

Berlin: Ende April kam es in Berlin zu Durchsuchungen mehrerer Info- und Buchläden. Betroffen waren der Infoladen M99, Red Stuff, der Buchladen 021, sowie der Buchladen Schwarze Risse im Mehringhof. Die Beamten waren auf der Suche nach der aktuellsten Ausgabe der Interim, in der eine Anleitung zur Herstellung von Wurfgeschossen enthalten ist. Die Beamten waren auch auf der Suche nach der Publikation Prisma, die eine Sammlung diverser Anleitungen ist. Der M99 wurde in seiner Geschichte bereits 49 mal durchsucht. (red.)


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Inland

Aktionstag 19.6. - Freiheit für die §129b-Gefangenen

Anlässlich des 19. Juni, der insbesondere in den Ländern Südamerikas und -Europas den Tag der revolutionären Gefangenen darstellt, ruft das Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen zu einem bundesweiten Aktionstag für die Freiheit der Gefangenen aus den §129b-Prozessen auf.
Wir dokumentieren:

Solidarität muss praktisch werden! Freiheit für die §129b- und alle politischen Gefangenen weltweit!

Aktuell laufen in Stuttgart-Stammheim und in Düsseldorf drei Prozesse gegen 6 türkische Linke mit dem Vorwurf nach §129b, der Rädelsführerschaft, Mitgliedschaft und Unterstützung der DHKP-C.
Ahmet und Devrim sind seit mehr als drei ½ Jahren in Stuttgart-Stammheim, Faruk seit drei Jahren in Düsseldorf und Nurhan, Cengiz und Ahmet Istanbullu seit 1 ½ Jahren in Köln, Düsseldorf und Wuppertal weggesperrt.
Alle 6 befinden sich in Isolationshaft, d.h. 23 Stunden am Tag auf der Zelle. Besuchserlaubnisse werden stark reglementiert und finden nur hinter einer zentimeterdicken Trennscheibe statt, der Briefverkehr wird überwacht und ungewünschte Inhalte konfisziert.
Als Zeugen bedient sich die deutsche Justiz unter anderem an bekannten Folterern der Istanbuler Anti-Terror Einheit und verwendet Geständnisse als Beweise von denen anzunehmen ist, dass sie unter Folter erwirkt wurden.
Besucher der Prozesse werden schikaniert oder wie in Düsseldorf geschehen, von der Polizei in so genannten Störerzellen unterhalb der Gerichtsräume zusammengeschlagen.
Spendensammlungen, und die zur Verfügung Stellung finanzieller Mittel für fortschrittliche linke Gruppen die auf der Terrorliste stehen, oder Personen die des Terrors verdächtigt werden, werden mit dem Aussenwirtschaftgesetz erstmals kriminalisiert und können Haftstrafen von 6 Monaten bis zu 15 Jahren nach sich ziehen.
Spendensammlungen, und die zur Verfügung Stellung finanzieller Mittel für fortschrittliche linke Gruppen die auf der Terrorliste stehen, oder Personen die des Terrors verdächtigt werden, werden mit dem Aussenwirtschaftgesetz erstmals kriminalisiert und können Haftstrafen von 6 Monaten bis zu 15 Jahren nach sich ziehen.
In den letzten drei Jahren sind das nun bereits drei Prozesse die auf der Basis des §129b gegen linke Strukturen angewendet werden und die sich (noch) explizit gegen die MitarbeiterInnen der Anatolischen Föderation und deren Vereinsmitglieder sowie Personen aus dem Umfeld richtet.

Die Funktion des §129b zeigt sich hier im Kleinen schon in aller Deutlichkeit:

Schwächung und Isolierung der politischen Strukturen (infrastrukturell und organisatorisch)
Abschreckung nach innen (Angst vor Kriminalisierung) und Diffamierungen nach außen (Stimmungsmache der Medien innerhalb der Bevölkerung gegen den so genannten "linksextremistischen Terror")
Lähmung der politischen wie auch der Solidaritätsarbeit durch das Damoklesschwert "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung"

Die Auswirkungen und Funktionen von Repression allgemein und dem §129b im besonderen (Abschreckung, Lähmung,Zerschlagung) haben hier bereits ganz konkrete Auswirkungen. Umso wichtiger ist jetzt die Solidarität mit den GenossInnen, die momentan im Fadenkreuz des Staates stehen! Ein Angriff gegen eine/n von uns, ist ein Angriff gegen uns alle!

Der Charakter des Paragraphen 129b

Die Paragraphen sind Teil der Gesetzgebungen die unter dem Schlagwort der präventiven Konterrevolution zusammengefasst werden können.
Die Möglichkeiten zur Verfolgung und Informationsgewinnung die den Strafbehörden damit auf internationaler Ebene gegeben wird, stehen in keinem realen Verhältnis zum aktuellen Stand der Klassenkämpfe und der politischen Kräfte die auf eine Umwälzung der Verhältnisse innerhalb der BRD hin arbeiten und haben auch im Hinblick auf die sich zusehend verschärfende kapitalistische Krise einen eindeutig vorbeugenden Charakter.
Die aktuelle Anwendung des §129b dient vielmehr der Komplizenschaft mit den Herrschenden in anderen Ländern, hier der Türkei, in der Verfolgung von Exilstrukturen in der BRD denen die Mitgliedschaft einer Organisation nachgesagt wird, die in der Türkei über die politischen Kräfte verfügen um dort den Klassenkampf von unten entwickeln zu können.
Sie dient zur Bekämpfung vor allem der migrantischen Linken, steht aber auch in dem Zusammenhang mit der Erklärung der Kanzlerin Merkel, die das Führen von Kriegen zur deutschen Staatsräson erklärt hat.

Der internationalen Verfolgung die internationale Solidarität entgegensetzen!

Die Qualität der Repression hat sich mit der Einführung des §129b sowohl gegen die migrantischen als aber auch für die internationalistischen und antiimperialistischen Kräfte gesteigert:

Auf europäischer Ebene entspricht der §129b Kurzmeldungen bundesweit den Anti Terror Gesetzen die in allen europäischen Mitgliedsstaaten eingeführt wurden.
Diese Gesetze ermöglichen den EU Mitgliedstaaten ein koordiniertes, gleichzeitiges und gezieltes Vorgehen gegen oppositionelle und revolutionäre Kräfte auf internationaler Ebene.
Das heißt, der §129b ist daher nicht nur ein qualitativer Sprung der Möglichkeiten der Verfolgung und Niederschlagung internationalistischer oder antiimperialistischer Kräfte die in der BRD aktiv sind, sondern vor allen Dingen ein qualitativer Sprung in der Zusammenarbeit Deutschlands mit anderen EU Staaten/ NATO Partnern in der Verfolgung und Niederschlagung des über alle Grenzen hinweg gemeinsamen Feindes der Herrschenden - der antikapitalistischen und revolutionären linken Kräfte.
Genau dieser qualitative Sprung wird gerade in den §129b Prozessen in Stuttgart und Düsseldorf in Blei gegossen.
Wenn in dem §129b Prozess in Düsseldorf einem revolutionären Gefangenen wie Faruk Ereren mit der Abschiebung in die Türkei gedroht wird in der ihm Folterungen und Ermordung droht, wenn in dem §129b Prozess in Stuttgart-Stammheim gegen Devrim Güler und Ahmet D. Yüksel bekannte Folterer der türkischen Polizei wie Bayraktutan als Zeugen vernommen werden oder wenn im §129b Prozess gegen Nurhan Erdem, Cengiz Oban und Ahmet Istanbullu Spendensammlungen zur Unterstützung von linken Kräften und Projekten innerhalb der BRD und an die türkischen Genossinnen kriminalisiert werden, dann macht sich die BRD in all diesen Fällen nicht nur zum Handlanger der Türkei, sondern wird auch hier zum aktiven Komplizen in der Bekämpfung türkischer und kurdischer revolutionärer Kräfte.
Wir als Linke und Revolutionäre stehen einer Einheit der Herrschenden und einer Form der Repression gegenüber die international organisiert ist.
Unsere Antwort darauf kann nur ein international geführter politischer Kampf und die Solidarität mit den Kämpfenden weltweit sein. Daher rufen wir dazu auf am 19. Juni, dem Tag der revolutionären Gefangenen der europaweit begannen wird, auf die Straße zu gehen - gegen die Kriminalisierung von Revolutionären und AntifaschistInnen aus der Türkei und Kurdistan - für die Freiheit der §129b und allen politischen Gefangenen weltweit!
Lasst eure Solidarität praktisch werden und beteiligt euch am Aktionstag!
Gegen die Kriminalisierung von Revolutionären und AntifaschistInnen aus der Türkei und Kurdistan!
Gegen die Verurteilungen, Verfolgungen, Organisationsverbote und Abschiebungen!


Europa - Komplize des Folterstaates Türkei! Internationale Klassensolidarität aufbauen! Kapitalismus zerschlagen!

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen

Aktuelle Informationen zu den §129b-Prozessen findet ihr unter:
www.no129.info www.gefangenen.info


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Der 19. Juni Tag der revolutionären Gefangenen

Was hier in der BRD der 18.3. ist, wird in anderen europäischen Ländern am 19.6. als Tag der revolutionären Gefangenen begangen.
Sein historischer Bezugspunkt findet sich in Lateinamerika.
1985 kam es in Peru zu starken Gefangenenrevolten, die sich gegen die betriebene Isolierung von politischen Gefangenen durch ihre Aufteilung in kilometerweit voneinander entfernte Gefängnisse, sowie die geplante Einführung von Hochsicherheitsgefängnissen richteten.
Die Kämpfe dauerten bis zum 19. Juni 1986 an, als das sozialdemokratische APRA-Regime, unter der Billigung der Sozialistischen Internationale angeführt von Willi Brandt, mehr als 300 Gefangene des maoistischen PCP-Sendero Luminoso (Kommunistische Partei Perus - Leuchtender Pfad) tötete und die Gefangenenkämpfe blutig niederschlug. Die Angehörigenorganisation APAPC (Verein von Familien und FreundInnen der kommunistischen Gefangenen) der Gefangenen aus der CCC (Kämpfende kommunistische Zellen) in Belgien griff diesen Tag erstmals 1997 mit einer Konferenz in Brüssel auf.
In den Folgejahren gab es unter internationaler Beteiligung weitere Treffen, die einen gegenseitigen Austausch und eine Koordination von Aktivitäten hinsichtlich einer effektiveren Solidaritätsarbeit für die revolutionären Gefangenen weltweit förderten.
Die CCC-Gefangenen haben mit einer von ihnen formulierten Plattform 1999 sowohl für die Solidaritäts- und Angehörigenstrukturen draußen als auch für ein koordiniertes Agieren der Gefangenen in den Knästen Eckpunkte gesetzt, die zur Unterstützung der Gefangenenkämpfe weltweit wesentlich waren.
Eckpunkte zur Unterstützung der Gefangenen:

- Schluss mit Folter und Isolation
- Freilassung haftunfähiger Gefangener
- Information über die Gefangenen und ihren Kampf
- Materielle Unterstützung der Gefangenen
- Internationale Solidarität in den Gefangenenkämpfen (bspw. in Hungerstreiks)

Eckpunkte für den Aufbau einer gemeinsamen Plattform der Gefangenen:

- Solidarität ist eine Waffe!
- Man hat ein Recht zur Revolte!
- Ohne Gerechtigkeit kein Friede!
- Weder Reue noch Kapitulation!
- Ein Angriff gegen eine/n von uns ist ein Angriff gegen alle!

Sie richteten sich damit an alle revolutionären, kommunistischen, anarchistischen, antifaschistischen und antiimperialistischen Gefangenen weltweit.

In der Plattform 19. Juni waren über 100 Gefangene aus Spanien, der Türkei und Belgien organisiert.


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Kurzmeldungen bundesweit

BRD: Auf allen (Revolutionären 1. Mai) Demonstrationen kam es zu Provokationen und gewalttätigen Übergriffe der Polizei auf die insgesamt über 20.000 TeilnehmerInnen. Darüber hinaus kam es auch zu zahlreichen Festnahmen: Berlin: 487 Festnahmen, gegen 22 wurden Haftbefehle ausgesprochen, 11 sind im Knast eingesperrt; Stuttgart: siehe oben; Wuppertal: 34 Festnahmen. Wieviele Personen in anderen Städten festgenommen wurden ist bislang unklar. (red.)

Oldenburg: BesucherInnen des Festes, das im Anschluss an die autonome 1. Mai Demonstration in Oldenburg stattfand, wurden von der Polizei massiv angegriffen. Bereits während der Demonstration wurde die Demonstration ständig von der Polizei provoziert. Das Fest fand vor einem räumungsbedrohten besetzten Haus statt, vor dem extra-mitgebrachte Pavillons aufgestellt wurden. Knapp 20-30 Leute wurden mit Knüppeln, Tritten, Schlägen und massivem Einsatz von Pfefferspray angegriffen. Über 20 Personen mussten danach von den Demo-Sanis versorgt werden. (red.)

Bremen: Am 6. Mai besuchten einige AktivistInnen das Honorarkonsulat der Vereinigten Mexikanischen Staaten in Bremen, um ihren Protest gegen den gewalttätigen Angriff von Paramilitärs auf die Internationale Solidaritätskarawane im Bundesstaat Oaxaca Ausdruck zu verleihen. Bei diesem Angriff waren zwei Menschenrechtsbeobachter umgekommen. Es wird weiterhin dazu aufgerufen dem Honorarkonsul bzw. verschiedenen Stellen der mexikanischen Regierung Protestfaxe zu schicken. (red.)

Düsseldorf: Anzeigen gegen ProzessbesucherInnen. Am 27. Mai 2009 kam es während der Verhandlung in dem Prozess gegen Faruk Ereren in Düsseldorf zu gewalttätigen Übergriffen durch die Polizei gegen ProzessbesucherInnen. Sie wurden in sogenannten Störerzellen unterhalb des Gerichts bei ausgeschaltetem Licht zusammengeschlagen und verletzt. (siehe auch GI Nr. 348) Während dem GI aufgrund der Berichterstattung der Prozess gemacht wird, wurde mittlerweile gegen drei der verletzten Personen Strafanzeige gestellt. Gegenteilig wird ihnen jetzt vorgeworfen die Polizisten tätlich angegriffen zu haben. Die Prozesstage sind noch nicht bekannt. (red.)


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International

Die Solidaritätsbewegung für Mumia Abu Jamal ist weiterhin aktiv

...die Hände reichen, um eine neue und bessere Welt zu errichten, in der Leben und Freiheit kostbarer sind als der Profit. (Mumia Abu Jamal)

Um Mumias sechsundfünfzigsten Geburtstag am 24. April gab es in den USA, Frankreich, Mexico und Kanada viele Veranstaltungen und Proteste. In Hildesheim, Stuttgart, Düsseldorf und anderen Städten kamen viele Menschen zu Kundgebungen zusammen. In Berlin allein 300 Kundgebungsteilnehmer_innen, die seinen Geburtstag feierten und auf seine Situation, sowie den weltweiten Kampf gegen die Todesstrafe aufmerksam machten. Unter anderem wurde eine Grußbotschaft des New Yorker Mumiabündnisses verlesen. Die amerikanischen Genoss_innen brachten ihre Freude über die internationale Solidarität zum Ausdruck und bekundeten, dass es ihnen sehr viel Kraft gibt, wenn sie Nachrichten von Aktionen auf der anderen Seite des Atlantiks mitbekommen. Sein Grußwort zum 1. Mai wurde per Tonband eingespielt. Neben vielen inhaltlichen Beiträgen gab es auch Musik von Yok mit seinen Liedern sowie Pyro One mit politisch ambitioniertem Hip Hop.

"Lasst uns niemals vergessen, dass sie nicht nur Mumia zum Schweigen [bringen] wollen, sondern uns alle entmutigen wollen, Widerstand zu leisten. Das DÜRFEN WIR NICHT ZULASSEN! Wir müssen Mumia befreien und Widerstand, Widerstand, Widerstand leisten." (Free Mumia Abu Jamal Coalition, NYC)

Das internationale Interesse an Mumia und die Solidarität, die ihm aus dem Ausland (und besonders aus Deutschland) entgegen gebracht wird, beschäftigt mittlerweile Teile der US-Medien, was ein von Aktivist_innen auf YouTube gestellter Fernsehbericht von "RT America" zeigt.
Am 29. April hatten zwei Unterstützer aus Berlin und Heidelberg die Gelegenheit, Mumia für knapp sechs Stunden im Todestrakt vom SCI Greene in Waynesburg zu besuchen. Sie werden in den kommenden Wochen Berichte und Artikel veröffentlichen.

Erste Eindrücke von einem Besuch deutscher Aktivist_innen bei Mumia

Natürlich ist ihm bewusst, dass das lediglich in einem begrenzten Verfahren um das Strafmass (Lebenslänglich oder Todesstrafe) möglich wäre. Trotzdem will er die Manipulationen und rassistischen Methoden aufdecken, mit denen er und Hunderttausende anderer Gefangener unschuldig zum Leben in Isolation oder Tod verurteilt wurden und werden. Mumia macht einen äußerst gesunden und starken Eindruck. Er zeigt großes Interesse an globalen politischen Themen. Er bedankte sich mehrfach für die massiv spürbare Unterstützung aus Deutschland, besonders für die vielen Briefe und Postkarten. An seinem Geburtstag erhielt er über 50 allein aus der BRD, an jedem anderen Tag auch zwischen 5 - 10. Neuerdings erreichen ihn Postkarten auch fast ohne Zeitverzögerung. Er sagte, dass die Poststempel in der Regel nicht älter als fünf Tage seien. Starkes Interesse zeigt er an Informationen vom Übergang von Realsozialismus zum Kapitalismus in der ehemaligen DDR und am seitdem erstarkten Neo-Nazismus in der gesamten Bundesrepublik.
Auch über den Stand der Solidaritätsbewegung und die Frage, wie es von hier aus weitergeht, wurde bei dem Besuch geredet. Mumia hält sich mit Ratschlägen verständlicherweise zurück, hatte aber doch mehrere Anliegen. Er bittet alle, nach ihren Möglichkeiten die unterdrückten Fakten in seinem Verfahren zu verbreiten und den Charakter der rassistischen und politischen Justiz speziell in Philadelphia bekannt zu machen. Er riet UnterstützerInnen, sich nicht zu sehr mit juristischen Details und Widersprüchen der US-Verfassung und ihrer Rechtsauslegung durch Hohe Gerichte zu belasten. Schließlich zeige sein Fall sowie der von Tausenden anderen, was diese Gesetze wert sind, wenn Beschuldigte arm sind und nicht der europäisch-stämmigen Bevölkerungsmehrheit entstammen - nichts.
Er betonte wiederholt während des Gespräches, dass niemand die Kraft des organisierten gemeinsamen Handelns unterschätzen sollte. Dass er noch am Leben sei, zeige, zu was organisierte Menschen fähig sind. Auch wenn zahlenmäßig kleine Gruppen dem momentan größten Imperium der Welt dessen innere Widersprüche vorhalten, können sie etwas bewirken. Er sagte ausdrücklich, dass die Bewegung immer ihren eigenen Weg finden muss. Angesprochen auf die beiden derzeit parallel existierenden Petitionen an Obama und Justizminister Holder antwortete Mumia, dass es sehr vernünftig sei, beide zu unterstützen.

(aus dem Mai-Rundbrief des Berliner Mumia Bündnisses)

Grussbotschaft von Mumia: Der 1. Mai inmitten globaler Verwüstung

Während sich der 1. Mai nähert - einem Tag, der seit über einem Jahrhundert als Sympol von Arbeiter Macht gefeiert wird - scheint er sich zum Symbol des Zerfalls zu wandeln.
Während das ökonomische System ist durch Beben, Nachbeben und Erschütterungen gegangen ist, sind sozialer und kommunaler Wohlstand an Bank und Konzerne verschoben worden. Finanzhilfen für Millionäre, während ArbeiterInnen bestenfalls die Qual von Lohnkürzungen ertragen mussten, im schlimmsten Fall Massenentlassungen. Gleichzeitig erneuert sich die Wirtschaft noch ArbeiterInnen-feindlicher.
Marx und Engels haben richtiger weise festgestellt, dass der Staat nicht mehr als als das ausführende Komitee der Bourgeoisie (1) ist. Warum auch sonst giessen die Wirtschaftsmächte der Welt ohne irgend eine Nachfrage Milliarden in Konzernkassen, während sie Almosen an ArbeiterInnen und deren Familien verteilen, fast wie Münzen in eine Betteldose. Der 1. Mai begann in Amerika während der schicksalhaften Vorgänge des Haymarket Aufstandes im 19. Jahrhundert, als ArbeiterInnen für die 40-Stundenwoche und eine Abschaffung der Kinderarbeit kämpften.
Noch immer steht der 1. Mai für den Kampf der Arbeitenden in Amerika, Europa, Afrika und Asien gegen die staatliche und kapitalistische Unterdrückung und Gier.

Im wesentlichen ist der Kapitalismus in einer schweren Krise. Die wahnsinnigen Kriege als auch der sehr reale Anstieg der Vetternwirtschaft spiegeln diese Krise wider. Wenn die Milliarden Arbeitenden die Welt verändern wollen, müssen sie sich über die falschen Barrieren hinweg die Hände reichen, um eine neue und bessere Welt zu errichten, in der Leben und Freiheit kostbarer sind als der Profit. Dass ist nicht nur möglich, das ist notwendig! Danke. One Move!

Genosse Mumia

von Mumia Abu-Jamal, 31.03.2010

Schreibt Mumia Abu-Jamal!
AM 8335 SCI Greene Prison 175 Progress Drive Waynesburg, PA 15370 USA


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International

Internationale Prozessdelegation zum 27. Mai in Mailand

Am 27. Mai 2010 gab es auf den Aufruf der RHI hin eine internationale Prozessdelegation zu einem der letzten Prozesstage des seit April andauernden Revisionsprozesses gegen die GenossInnen, die während der in der Schweiz und in Italien angesetzten Verhaftungswelle im Februar 2007 wegen der Konstituierung der PC-pm (Kommunistische Partei politisch-militärisch) verhaftet und in erster Instanz zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren. Damals wurden 15 aktive BasisgewerkschafterInnen, StudentInnen, Militante aus der Antikriegsbewegung und aus dem politischen Widerstand sowie ein in der Illegalität lebender Genosse verhaftet.
Politisch führen die Wurzeln der PC-pm zurück zur zweiten Position der Brigate Rosse, die aus der Debatte innerhalb der BR 1984 entstand.
Die Angeklagten Davide Bortolato, Alfredo Davanzo, Claudio Latino und Vincenzo Sisi erklärten sich von Beginn an zugehörig zur Konstituierung der PC-pm und führten einen offensiven Prozess.
Einige ihrer Erklärungen sind im März 2009 in deutscher Sprache in der Zeitschrift "Internationale Debatte" mit dem Titel "Die Revolution ist notwendig - die Revolution ist möglich!" erschienen.
Am 27. Mai versammelten sich vor dem Mailänder Gerichtsgebäude ca. 40 GenossInnen aus der Schweiz, Deutschland, Italien, Spanien und Belgien. Es wurde ein Infostand aufgebaut, an dem unter anderem Solidaritätsbekundungen unterschrieben werden konnten, sowie verschiedene Transparente aufgehängt wurden. Als man das erste Mal in das Gerichtsgebäude gelangen wollte, versuchten die Polizisten bei der Sicherheitskontrolle einem deutschen Genossen und einer Genossin aus der Schweiz den Zutritt zu verwehren mit der Begründung, es dürften nur Angehörige in das Gebäude und man solle sich ausweisen. Unter dem lautstarken und vehementen Protest der italienischen GenossInnen lenkten die Polizisten schließlich ein.
Im Gerichtsgebäude erfuhr man dann, dass der Prozess aufgrund technischer Probleme noch nicht beginnen könne. Nach einiger Verzögerung konnte man nach Vorlage und Registrierung des Ausweises dann den Gerichtssaal betreten. Wie in Italien üblich, waren die Angeklagten in sehr engmaschigen Käfigen untergebracht, so dass man sie nur schlecht sehen konnte. Sie nahmen die angereisten GenossInnen aber dennoch wahr, winkten und erhoben die Faust zum Gruß.
Als es in die erste Pause ging wurden mit den Angeklagten Parolen gerufen.
Vor dem Gebäude fand anschließend eine sehr kämpferische Kundgebung statt, bei der man sich mit Transparenten auf die Straße stellte und diese blockierte. Nach einer sehr eindrücklichen Rede eines Genossen aus Padua setzten sich die TeilnehmerInnen langsam in Bewegung, was die anwesenden Carabinieri dazu veranlasste, ihre Schilder auszupacken und massiv Verstärkung herbeizurufen. Daraufhin wurde die Straße wieder freigegeben, um einer Eskalation aus dem Weg zu gehen.
Nachdem sich vor einem Jahr bei der letzten Prozessdelegation eine äußerst kämpferische Demo nach Ende des Prozesstages in Bewegung gesetzt hatte, machte sie das sichtlich nervös.
Als der Prozess weiterging, verlasen die Angeklagten eine neue Erklärung unter dem lauten Beifall der angereisten ZuschauerInnen, was die vorsitzende Richterin zur Mahnung veranlasste. (Die Erklärung wird in den nächsten Wochen auch ins Deutsche übersetzt werden und wird unter www.rhi-sri.org abzurufen sein). Als die Erklärung endete, wurde laut applaudiert, es wurde die Fahne der RHI, sowie ein Transparent in die Höhe gehalten. Dazu stimmten die Angeklagten Parolen an, wie beispielsweise: "Il Proletariato non ha Nazione, Internazionalismo Rivoluzione!" (Das Proletariat hat keine Nation, Internationale Revolution). Zum Abschluss wurde die Internationale gesungen.
Die Richterin mahnte wieder mehrfach, woran sich aber niemand störte, selbst als herbeigerufene Polizisten den Saal betraten, die sich letztlich nicht durchsetzen konnten. Wieder vor dem Gebäude erfuhr man, dass von nun an - auch für die Folgetage und die Urteilsverkündung - die Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen sei. Auf Grund des immer noch massiven Polizeiaufgebots kam es dieses Mal zum Ende des Tages nicht mehr zu einer Demonstration.

Das Urteil wird am 24. Juni verkündet. (red.)


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen international

Kolumbien: Laut Regierungsberichten wurden Anfang Mai sechs Guerilleros der FARC getötet, sowie 18 andere Guerilleros festgenommen. Im Laufe der Operationen der Armee wurde ein Soldat der Regierungsarmee getötet. Einer der getöteten Guerilleros könnte 'Rigo', eine Führungskraft der Guerilla, der mehrere Angriffe geleitet hatte, gewesen sein. Eine weitere Führungskraft wurde in einer anderen Region festgenommen. Bereits im April wurden im Laufe von Angriffen der Armee 5 Guerilleros getötet, und drei weitere festgenommen worden. (red.)

Indien: Mitte April verübte die Konterguerilla an drei aufeinander folgenden Tagen in verschiedenen Regionen Westbangelens zahlreiche Schläge gegen die maoistische Guerilla. Bei eine dieser Operationen wurde ein großes Waffenarsenal der Guerilla aufgedeckt. Momentan wird seitens der Konterguerilla überprüft, ob ein Teil der Waffen aus Polizeibeständen stammt. Im Rahmen der Operationen wurden zehn Personen mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Guerilla festgenommen und ein Guerillero getötet. (red.)

Nepal: Nachdem die reaktionäre nepalesische Armee die letzten Monate bereits aus Indien Waffen geliefert bekam und Todesschwadrone aufstellte, um maoistische Guerilleros zu ermorden, versucht sie momentan verstärkt ihre Reihen wieder aufzufüllen, indem sie zahlreiche Menschen rekrutiert. Dies passiert alles vor dem Hintergrund eines getroffenen Friedensabkommens zwischen den reaktionären Kräften Nepals und der maoistischen kommunistischen Partei Nepals und dem militärischen Arm - den maoistischen Guerilleros. (red.)

Frankreich: Aktuelles von den Gefangenen aus Action Directe. Georges Cipriani hat endlich den offenen Vollzug gewährt bekommen. Am 1. April wurde ihm nach längerem Kampf (wir berichteten) der offene Vollzug gewährt. In einer Woche wird er per Videokonferenz die genaueren Bedingungen erfahren, unter denen er diesen "offenen Vollzug" antreten wird. Jean-Marc Rouillan wurde in die Gegend von Toulouse zurückverlegt. Ende Januar 2010 wurde Jean-Marc Rouillan im Rahmen eines geplanten Antrages auf offenen Vollzug zu einer psychologischen Begutachtung ins CNO nach Fresnes bei Paris verlegt. Dort wurde Jean-Marc nach über einem Jahr auf seine Chester-Erdheim Krankheit untersucht. (red.)


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¡Libertad Camarada Arenas!

Zur Geschichte und aktuellen Situation des politischen Gefangenen Manuel Pérez Martínez, Generalsekretär der PCE(r) [Kommunistische Partei Spaniens (rekonstituiert)]

In den letzten Ausgaben des Gefangenen Infos wurde der repressive Charakter der spanischen Justiz, die politische GegnerInnen unter dem Deckmantel der Antiterrorbekämpfung verfolgt, kriminalisiert, foltert, für viele Jahre einsperrt und isoliert, am Beispiel der baskischen Unabhängigkeitsbewegung aufgezeigt. Auch wenn die baskischen AktivistInnen von einer spezifischen, historisch gewachsenen Repression betroffen sind, so kommen die genannten staatlichen Maßnahmen auch gegen andere Personen und Organisationen zur Anwendung, und zwar immer dann, wenn die herrschende Ordnung in Frage gestellt wird. Beispielhaft dafür ist der im Folgenden behandelte Fall Manuel Pérez Martínez' (auch bekannt als 'Camarada Arenas'), der seit der Gründung im Jahr 1975 Generalsekretär der PCE(r) ist.

Arenas, der schon unter Franco kommunistischer politischer Gefangener (1970) war und danach in der Illegalität lebte, musste nach Ende der Diktatur erneut hinter Gitter: 1977 wurde er festgenommen und zwei Jahre später wegen 'Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und illegaler Propaganda' zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Er selbst sah sich, wie er in einem Brief von 2009 schreibt, "wegen Mitgliedschaft in der PCE(r) und der Verbreitung sozialistischer und kommunistischer Ideen unter den Arbeitern" verurteilt, und das zu einem Zeitpunkt, "als vom Parlament schon die sogenannte 'demokratische Verfassung' verabschiedet worden war".

Im Jahr 2000 geriet Arenas ein weiteres Mal in die Fänge der Justiz: Auf Druck der spanischen Regierung hin wurde der Generalsekretär in Frankreich festgenommen und abermals wegen 'Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung' verurteilt - diesmal zu acht Jahren Haft. Dieses Strafmaß schien den spanischen Behörden jedoch nicht zu genügen und so drängten sie, nachdem Arenas bereits sechs Jahre hinter französischen Mauern zugebracht hatte, auf seine Auslieferung. Durch die Kollaboration zwischen Baltasar Garzón, dem Untersuchungsrichter der spanischen Audiencia Nacional und Jean-Louis Bruguière, dem obersten französischen Ermittlungsrichter sowie Vizepräsidenten des Tribunals für schwere Staatsverbrechen wurde Arenas 2006 tatsächlich nach Spanien überführt. Dort nahm man ihn augenblicklich und auf Grundlage desselben Tatverdachts, für dessen richterliche Bestätigung er in Frankreich acht Jahre Gefängnis verbüßt hatte, in Untersuchungshaft. In seinem Brief äußert Arenas, dass es sich bei diesem Prozedere um das handelt, "was man in Frankreich 'das System der doppelten Bestrafung' nennt". Auf Basis des spanischen Parteiengesetzes von 2002, in dessen Rahmen die PCE(r) 2003 aufgrund der Annahme verboten worden war, sie würde gemeinsam mit den G.R.A.P.O (Gruppen des antifaschistischen Widerstands des 1. Oktober) eine terroristische Vereinigung bilden, wurden gegen Arenas in den folgenden Jahren zahlreiche Prozesse wegen angeblichen terroristischen Aktivitäten eröffnet, die allesamt mit einem Freispruch oder einer Einstellung endeten. "Offensichtlich handelt es sich nicht um einen Prozess gegen eine Person, sondern gegen eine Partei: die PCE(r) mit allem was dazu gehört: ihre Ideen, ihr Programm, die Geschichte ihres Kampfes, ihre konsequent demokratische und revolutionäre Praxis", beschreibt Arenas die politische Motivation hinter den Gerichtsverfahren. Obwohl sich keine der Anschuldigungen gegen Arenas als bewiesen herausgestellt hatte, wurde er die gesamte Zeit in Präventionshaft gehalten. Wohl, um den Justizbehörden Zeit für die Konstruktion einer neuen Anklage zu geben, die den Gefangenen endlich für viele weitere Jahre hinter Mauern verbannt.

Tatsächlich war es am 14. April 2009 soweit: In einem Prozess, der nach einem Freispruch in der Audiencia Nacional an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet worden war, wurde Arenas zu weiteren sieben Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf lautet 'Anordnung einer illegalen Entführung in Verbindung mit Lösegeldforderung' und bezieht sich auf die 1995 von den G.R.A.P.O. organisierte Entführung des spanischen Unternehmers D. Publio Cordón Munilla. Das Urteil beruht nicht etwa auf konkreten Beweisen, sondern auf der Konstruktion einer angeblich terroristischen Vereinigung aus der PCE(r) und den G.R.A.P.O. Selbst auf justizieller Ebene ist die Verurteilung umstritten: Zum Einen hatte sogar die Audiencia Nacional, das spanische Sondergericht für Terror- und Drogendelikte, Arenas von der Anschuldigung freigesprochen, zum Anderen liegt ein zweiseitiges besonderes Votum vor, das im Rahmen der Urteilsfindung von Perfecto Andrés Ibáñez, Richter am Obersten Gerichtshof, verfasst wurde und deutlich die Nichthaltbarkeit der Anklage begründet. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hat international Wellen der Solidarität ausgelöst. Transparente in Madrid, Brüssel und Bilbao, Infoveranstaltungen in Rom, Diyarbakir und Córdoba und Wandbilder in Belfast, Valladolid und Burgos machen die Forderung nach der sofortigen Freilassung Arenas laut und sichtbar und informieren über seine prekäre Haftsituation.

Der mittlerweile 66-Jährige, der bis heute insgesamt 18 Jahre seines Lebens in Gefangenschaft verbringen musste und momentan im Gefängnis von Alcalá-Meco sitzt, leidet an schweren gesundheitlichen Problemen. Seit der Festnahme in Frankreich, während der ihm bei eisigen Temperaturen die Kleidung verwehrt wurde, plagen ihn schlimme Gelenkschmerzen. Zudem diagnostizierte man bei ihm Grauen Star und Hiatushernie. Er kann weder eine spezielle Diät einhalten, da ihm die Nahrungsmittel verweigert werden, noch SpezialistInnen empfangen, die ihn angemessen medizinisch betreuen. Isolation, spezielle Überwachung, Einschränkung des Hofgangs und sensorische Deprivation tragen zusätzlich zur Verschlechterung seines Zustandes bei. Doch Arenas verfügt über einen langen Atem: "Solange Kräfte verbleiben und es mir die Umstände, in denen ich mich befinde, erlauben, werde ich den Kampf gegen die schrecklichste Feinde meiner Klasse und der gesamten Menschheit weiterführen".

Es bleibt zu hoffen, dass Arenas - und uns allen - noch lange Zeit Kräfte verbleiben, um den Kampf weiterzuführen! (red)

Schreibt Manuel Pérez Martinez

Prisón de Madrid II (Meco) 28805 Alcala de Henares (Madrid)


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International

Sie leben in unseren Erinnerungen und in unseren Herzen fort

Trotz ihres Krebsleidens wurde die medizinische Behandlung Güler Zeres durch staatliche Instanzen systematisch verschleppt. Auch in der Geschichte westeuropäischer Staaten wurden schwerkranke Gefangene erst kurz vor dem Tod entlassen.

Am 7. Mai 2010, um 16.50 Uhr, haben wir Güler Zere verloren. Wir hatten mit mehreren Berichten auf ihre Situation und die breite Kampagne für ihre Freilassung hingewiesen.

Güler Zere hat gekämpft!

Güler Zere schloss sich 1992 den Devrimci Sol-Guerillas in der kurdischen Provinz Dersim an. Im Oktober 1995 wurde sie aus gesundheitlichen Gründen in die Stadt gebracht. Im Dezember 1995 wurde sie verhaftet. Güler Zere hat daraufhin 14 Jahre im Gefängnis verbracht. Im Laufe ihrer Haftzeit erkrankte sie an Krebs. Im August 2008 wurde sie das erste Mal einem Arzt vorgeführt, doch wurde trotz der eindeutigen Symptome keine Diagnose gestellt. Es dauerte bis zum Februar 2009, dass eine Diagnose auf Mundhöhlenkrebs gestellt wurde. Während ihre Krankheit kontinuierlich voranschritt, wurde die notwendige Behandlung systematisch verschleppt. Obwohl fünf ärztliche Befunde belegten, dass eine Behandlung unter Haftbedingungen nicht möglich ist, weigerte sich die türkische Regierung lange Zeit, Güler Zere freizulassen.

Im Juni 2009 begann die Angehörigenorganisation TAYAD mit ihren ersten Aktionen mit der Forderung nach "Freiheit für Güler Zere". Dem folgten am 10 Juli 2009 Sitzstreiks vor dem Balcali-Krankenhaus in Adana und ab dem 10. August 2009 Mahnwachen vor der Gerichtsmedizin in Ankara. Diese wurden begleitet von landesweiten Initiativen, die sich zu Aktionen für die Freilassung der kranken Gefangenen im allgemeinen ausweiteten. Auf dem Taksimplatz in Istanbul folgten dann die wöchentlichen Demonstrationen für die kranken Gefangenen, an denen sich jeweils tausende Menschen beteiligten. Die landesweite Kampagne weitete sich auf internationaler Ebene aus.

Anfang November breitete sich ihr Krebs auf ihre Lungen aus. Am 5. November 2009 wurde Güler Zere auf Einlenken der Regierung hin freigelassen. Ihre Freilassung, die die Herrschenden wie einen Gnadenakt der Öffentlichkeit gegenüber erscheinen lassen wollten, war in Wirklichkeit ein organisierter Kampf gegen die Vernichtungspolitik gegen die revolutionären Gefangenen. Und Güler hat während dieses Kampfes weder kapituliert noch Reue gezeigt. Monatelang hatte die Gerichtsmedizin in ihren Berichten ihre Haftunfähigkeit bestritten und einer Fortsetzung der Behandlung in der Haft geraten. Der Premierminister hatte vor ihrer Freilassung erklärt, dass ein Antrag der Familie Güler Zeres oder von Güler selbst nötig sei. Dieser Antrag, der einem Gnadengesuch geglichen hätte, wurde nie gestellt. Trotz dessen wurde Güler mit dem Druck der Kampagne freigekämpft.

Güler Zere ist kein Einzelfall Doch gibt es weiterhin viele Haftunfähige Gefangene in der Türkei, für die der Kampf weitergehen muss. Güler selber erklärte: "In den Gefängnissen gibt es dutzende Güler Zeres, vegesst das nicht! Nehmt euch ihrer an!"
Ihr Tod zeigt uns gleichzeitig mehrere Parallelen zur Situation politischer Gefangener in der EU auf. So verstarb z.B. Katharina Hammerschmidt am 29. Juni 1975 ab Krebs, weil sie bis Januar 1974 im Gefängnis nicht behandelt wurde. Ein weiteres Beispiel ist Joëlle Aubron. Sie verstarb am 1. März 2006 an Lungenkrebs, nachdem sie nach einer Hirntumor-Operation 2004 vorzeitig entlassen worden war. Beide Beispiele zeigen Parallelen zum Tod von Güler Zere auf. Dabei geht es den Staatsapparaten darum, Reue als Bedingung für die Freilassung zu fordern. (red.)


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen international

Türkei: Die türkische Armee hat verlautbaren lassen, dass sie am 7. Mai bei einer bewaffneten Auseinandersetzung sieben Mitglieder der PKK getötet hätte. Die Auseinandersetzung fand im Südosten des Landes, an der irakischen Grenze statt. Bei den Auseinandersetzungen wurde laut Aussagen des Gouverneur der Provinz ein Soldat verletzt. Dabei handelte es sich um die größte Konfrontation zwischen der Armee und der PKK seit dem 30. April, bei dem ein Militärstützpunkt angegriffen wurde. Im Laufe dieses Angriffes starben vier Tote und es gab sieben Verletzte. (red.)

Nordirland: Die Polizei Nordirlands hat laut einer Mitteilung fünf Mitglieder der IRA (Irish Republican Army) festgenommen. Den fünf Festgenommenen wird vorgeworfen an einer Reihe von Sprengstoffanschläge gegen irische und britische Sicherheitskräfte, die in Nordirland stationiert sind beteiligt gewesen zu sein. Die Polizei der Republik Irland hat im Rahmen der Untersuchung dieser Anschläge zweit weitere Personen festgenommen. Weitere drei Männer wurden am 5. Mai festgenommen. (red.)

Belgien: Der Prozess in Belgien gegen vermeintliche Mitglieder der revolutionären Bewegung DHKPC ist nun abgeschlossen. Nach dem letzten Antrag des türkischen Staates wurde Mitte Mai der Prozess gegen die vermeintlichen Mitglieder der DHKP-C fortgesetzt. Das Gericht hat dabei untersuchen, ob dem Berufungsgericht bei seinem letzten Urteil ein Verfahrensfehler unterlaufen sei oder nicht. Das Gericht hat allerdings die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht angefochten. Zuletzt hatte das Berufungsgericht am 23. Dezember 2009 eine Verurteilung der Revolutionäre aus der Türkei nach dem Anti-Terrorgesetz abgelehnt. (red.)

Griechenland: Am 10. April wurden in Griechenland 6 Personen mit dem Vorwurf verhaftet Mitglieder der Stadtguerilla Revolutionärer Kampf zu sein. Bei einem der Verhafteten wurde eine Schusswaffe, sowie größere Mengen Bargeld in seinem Auto gefunden. Einige Tage darauf wurden weitere 3 Personen mit dem selben Vorwurf festgenommen. Die Festgenommenen befinden sich nun unter "besonderen Bedingungen" in Haft - was einen beschränkten Zugang zur Toilette und Wasser bedeutet, sowie Einschränkungen in der Kommunikation mit der Familie und den Anwälten. (red)


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Gefangene

Briefe aus den Knästen

Thomas Meyer-Falk: Zum Aktionstag für alle §129b-Gefangenen

Solidarische und herzschlagende Grüße an alle, die sich dem Kampf um und für die Freiheit der §129b-Gefangenen verbunden fühlen. Im §129b hat die politische Gesinnungsjustiz, die sich schon in dem wesentlich älteren §129a Strafgesetzbuch manifestiert hatte, ihre Fortsetzung gefunden.
So wichtig der Einsatz für die Freiheit der politischen Gefangenen ist, und dieser Kampf steht heute im Mittelpunkt, so sollten wir doch auch an jene denken, die entweder gestorben sind, ob vorsätzlich zu Tode gebracht oder in den Suizid getrieben durch brutale Sonderhaftbedingungen.
Und wir sollten an jene erinnern, die den Knast erlebt haben, aber heute ein Leben unter Totalüberwachung fristen, so wie beispielsweise Mohamed.
Nach 8 Jahren Knast wurde er im Mai 2010 entlassen, darf für die Dauer der fünfjährigen Führungsaufsicht, den ihm zugewiesenen Kölner Stadtteil nicht ohne Erlaubnis verlassen, hat sich täglich bei der Polizei zu melden, wird mindestens zwei Mal pro Woche zusätzlich zu Hause von der Polizei aufgesucht, wo sich dann eventuell anwesende Besucher einer Personenkontrolle zu unterwerfen haben. Und wer ihm Geld oder sonstige materielle Hilfe zuwenden möchte, macht sich strafbar in den Augen der Justiz, da Mohamed auf der UNO/EU-Sanktionsliste steht!

Freiheit für die politischen Gefangenen!

Schreibt den Gefangenen!

Thomas Meyer-Falk, JVA Bruchsal, Z. 3117, Schönbornstraße 32, 76646 Bruchsal


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Nurhan Erdem:
Richtigstellung falscher Angaben /Auszüge aus einem Brief

Lieber...,

ich habe das Gefangenen Info 354 erhalten ebenso auch die Postkarten und die Broschüre "Solidarität muss praktisch werden!"
In dieser Zeitschrift wird über uns nicht korrekt berichtet: Mein Ehemann und mein Vater haben zwar Besuchsverbot, aber es besteht kein Schreibverbot. Ich habe das weder behauptet noch geschrieben. Ich weiß nicht, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat...."

Nurhan Erdem 14. Mai 2010

"(...) Wir sind keine "Übermenschen", sondern ganz normale Sterbliche. Was uns Kraft gibt, ist unsere politische Identität.....
Deshalb bin ich an vielen Punkten gelassen und empfinde Vieles nicht übertrieben. Jeder Mensch, der seine politischen Vorstellungen verteidigt, wird die Isohaft überstehen. Die Beschwerden sind Ausdruck davon, dass die Knastbedingungen nicht "normal" sind. Wie z.B. Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Raumenge bzw. Panikattacken.
Wir müssen uns in einer Enge von sieben Quadratmetern 23 Stunden in einer Zelle aufhalten. In dieser Enge befinden sich Bett, Schrank, Tisch und Toilette. Ich weiß nicht, wie das bei den anderen Freunden aussieht, aber ich denke es gibt Parallelen.
Ich habe gelesen, dass in vielen Zellen die Toiletten räumlich abgetrennt sind. Bei uns, die wegen § 129b eingesperrt sind, ist das aber nicht so. Wir leben, "wohnen" alle auf dem Klo. Das ist unmenschlich! Als ich noch permanent beobachtet wurde, war das noch unangenehmer...
Klar sind die Beschwerden normale Konsequenz dieser Haftbedingungen. Es wäre anormal, wenn jemand das einfach hinnehmen und akzeptieren würde. Was unmenschlich und falsch ist, sollte nicht einfach als "normal" und "richtig" geschluckt werden. Verstand und Körper sollten sich wehren!
Isolationshaft sollte nicht als Einzelhaft beschrieben werden, da Isolation Isolation ist.... Mensch sollte diese Begriffe nicht deformieren....."

Auszug aus einem Brief von Nurhan Erdem vom 10. April 2010

Schreibt den Gefangenen!

Nurhan Erdem, JVA Köln, Rochusstr. 350, 50827 Köln


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Günther Finneisen:
Brief vom 27. April 2010

hola..,

na wie ist es.. hoffe doch am besten sehr gut. weiß ja noch nicht was da bei dieser berlinreise raus und rübergekommen ist. (redaktionelle Anmerkung: Finni bezieht auf das Verfahren gegen das Info. Von der Verurteilung wußte er noch nichts.) denke aber, das du auch auf gute leute bei den veranstaltungen drumrum getroffen bist. denn das bringt ja wohl auch solch ein anklage mit sich, eben das man solidarität zu spüren kriegt.
jedenfalls wollt ich einfach mal so gesagt haben, das ich die vorabinformation im info (der Ausgabe 354) echt gut rübergebracht fand. jedenfalls hab ich so sachen erfahren, die ich so noch nicht wußte.
einzig, und das meine ich allgemein so, also nicht jetzt nur hier, ist das ich persönlich immer wieder vermisse, das meist bis fast immer die gegner nicht bei namen genannt werden. sie somit keine namen und gesichter kriegen, und dies immer "der staat und trallala", das ist mir persönlich immer zu abstrakt. denn es sind doch in erster linie menschen, die sich macht ihrer position hervortun wollen, sei es aus persönlichen (minderwertigkeits-)gelüsten, um ihre karriere zu machen und so in dem stile... die sicher ersetzbar sind, und wenn es nicht die und so in dem stile... die sicher ersetzbar sind, und wenn es nicht die sind, wird, werden es sicher ein oder mehrere ander/e versuchen,aber trotzdem, sie sich auch gerade hinter dies abstakte von wegen staatsmacht auch verstecken wollen, das ihnen sicherheit gibt. meine, das merkt doch jeder doch immer wieder der/die sie irgendwie bekämpft. das diese die amtliche hilfe schnell einfordern, und auch automatisch im kollegialen/kameradschaftlichen stile auch kriegen.. meist als standard vorweg.
sicher, unmöglich ist es eh nicht als betroffener da mehr rauszukriegen, denn so groß ist die geheimhaltung eh meist nicht, und mir fällt immer wieder auf - gerade hier im knast ist so - das wenige überhaupt interesse dazu haben, überhaupt hinter die fassaden des gegenübers zu gucken wollen. denk, du verstehst schon was ich meine.

Schreibt den Gefangenen!

Günther Finneisen, Trift 14, 29221 Celle


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Devrim Güler: Brief vom 31. März 2010

Liebe Rosa und lieber Cayan,

vorab meine herzlichsten Grüße an euch und alle Freundinnen und Freunde. Es ist eine Weile her, daß ich euch geschrieben habe, so daß ich mir gedacht habe auf ein Tässchen Kaffee vorbeizuschauen und mich ein wenig auszusprechen. Ich wollte euch vor dem Hintergrund, eine Postkarte vom Genossen Cayan erhalten zu haben, an den 38. Jahrestag des Manifestes von Kizildere erinnert und gedacht haben, das bekanntlich am 30. März '72 von Mahir Cayan und weiteren 9 Genossen aus der THKP-C und THKO auf eine geradezu weitsichtige Weise den nachfolgenden revolutionären Generationen hinterlassen wurde. Ein Manifest aus dem Blut unverzichtbarer Kader der Revolution. Zugegebenermaßen klingt diese Ausdrucksweise ein wenig befremdlich, tatsächlich spiegelt sie den heroischen Widerstand und die Kampfbrüderschaft der Genossen aus den beiden revolutionären Bewegungen, nämlich der Volksbefreiungspartei, -front und der Volksbefreiungsarmee der Türkei, nur verhalten wieder. Der Umstand, durchaus verschiedene ideologische sowie militärische Anschauungen und Strategien verteten zu haben, war für Mahir und andere Genossen aus der THKP-C kein Grund, sich angesichts der bevorstehenden Hinrichtung der Führungskader der THKO (Deniz, Yusuf und Hüseyin) zurückhaltend zu verhalten; den eigenen Tod und die physische Eliminierung der THKP-C hinnehmend. So kam es zu der Aktion in der Provinz Ordu, die in Kizildere (Provinz Tokat) mit der Manifestierung des kommunistischen Klassenbewußtseins und der revolutionären Solidarität abgeschlossen wurde. Diese zehn Genossen haben die Hinrichtung der drei Genossen zwar nicht verhindern können und haben bei dieser Aktion ihr eigenes Leben gelassen, jedoch haben sie den nachfolgenden Generationen ein unerschütterliches Erbe hinterlassen, ein Erbe, daß sie ihrerseits von Commandante Che übernommen hatten. Ein Erbe, das als Aufruf zur selbstlosen Solidarität an alle revolutionären Kräfte verstanden werden sollte.

Wenn man sich heute die innerlinken Beziehungen in der Türkei anschaut, könnte man leich in Melancholie und Nostalgie verfallen, zumal seit geraumer Zeit ein Verständnis in linke Bewegungen Einzug erhalten hat, das anscheinend auch vor Gehässigkeit und Verleumdungen gegen revolutionäre Bewegungen nicht Halt macht. Verleumdungen, die gelinde ausgedrückt, denen des Feindes in nichts nachstehen. Mit der Zeit hat sich dieses Verständnis des klein-bürgerlichen Konkurrenzdenkens innerhalb mancher linken Organisationen zu einer "unverzichtbaren Kultur" etabliert, die einige von ihnen, beispielsweise 12 Jahre nach Kizildere dazu veranlaßt hat, den gemeinsamen Todesfastenwiderstand (1984) der revolutionären Gefangenen aus der "Devrimci Sol" und der "TIKB" gegen den Angriff des Faschismus auf ihre politische Identität und die Entmenschlichungspolitik in den Kerkern der Militärjunta als klein-bürgerliches Abenteurertum und populistisches Gehabe zu diffamieren, während man selber vor dem einfachsten Schließer die Hacken zusammengeschlagen und die Einheitskleidung des Gefängnissystems angezogen hat. Durch den Sieg des Todesfastenwiderstands, bei dem die Genossen Apo, Haydar und Hasan von der Devrimci Sol und Genosse Fatih von der TIKB gefallen sind, wurden auch unsere Freunde, die währenddessen eifrig an ihren Keksen geknabbert haben, vom Hackenzusammenschlagen und der Einheitskleidung befreit.

Rückblickend läßt sich ohne Bedenken sagen, daß sich letztendlich die revolutionäre Kultur durchgesetzt und im Bewußtsein der fortschrittlichen Kräfte verankert hat, während sich unsere immens proletarischen Freunde noch immer dazu verschrieben fühlen, über die revolutionäre Bewegung in Feindesmanier herzuziehen. Die Bandbreite zieht sich von der Diffamierung als klein-bürgerliche Abenteurer bis hin zu Kemalismusbeschuldigungen, um sich so ein Schulterklopfen seitens der Freiheitsbewegung erhoffen zu dürfen. Hier kann allenfalls von Anbiederung gesprochen werden, denn Solidarität mit dem kurdischen Volk bedarf etwas mehr, als andere als sozial-chauvinistisch zu bezeichnen und ein paar gutmütige FreundInnen zu PRzwecken auf Veranstaltungen des kurdischen Volkes zu schicken, damit sie eifrig die mitgebrachten Fahnen schwenken mögen. Wie Solidarität mit dem kurdischen Volk zu erfolgen hat wurde des öfteren von Revolutionären unter anderem in der Provinz Dersim vorgemacht, auch dort wurde die rote Hammer- und Sichel-Fahne geschwenkt, aber nicht nur ...
Liebe Rosa, lieber Cayan; ich habe die Problematik der innerlinken Beziehungen aufgegriffen, da sie angesichts (oder trotz) des 38. Jahrestages von Kizildere als zu beseitigende Barriere weiterhin besteht. Kräfte, die sich beharrlich gegen den Aufruf von Cayan und den 9 Genossen stellen, können ihren Plaz in den revolutionären Reihen nicht auf ewig aufrecht erhalten. Die Geschichte der internationalen revolutionären Bewegungen ist voll mit solchen Beispielen, auch die in der Türkei...

Eigentlich wollte ich mich auch zu anderen Themen auslassen, aber ich denke für heute reicht's erst einmal. Ich umarme euch ganz herzlich... Devrim

Schreibt den Gefangenen!

Devrim Güler, JVA Stuttgart Stammheim, Asperger Str. 60, 70439 Stuttgart


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Ahmet Düzgün Yüksel:
Brief vom 07. April 2010 und vom 08. Juni 2010

Hallo Rosa und Cayan Hallo FreundInnen (Richard)

Eure Post anlässlich des 18. März hat mich erreicht. Ich bedanke mich. Zudem war eure Solidaritätsaktion am 18. März vor dem Knast sehr sinnvoll.
Es hat uns Kraft gegeben und unsere Moral gestärkt. Ich bedanke mich für eure Solidarität. Ich verstehe, dass ihr nicht zu den Verhandlungen kommt. Ist nicht weiter schlimm. Der Prozess hat sich so sehr hinausgezogen, dass es nicht mehr normal ist.
Ihr habt recht. Kümmert euch um eure Arbeit.
Kein Problem.
Ich würde mich allerdings freuen, wenn ihr euch an den Verhandlungstagen beteiligen würdet, in denen wir unsere letzten Verteidigungsreden halten werden.
Wir haben gegen die Festnahmen Widerspruch eingelegt. Es ist zur BGH gegangen und wird wohl in zwei Monaten feststehen. Und danach wird wohl auch der Prozess zu ende gehen.
Uns geht es gut. In Liebe und mit Grüßen

A. Düzgün

PS: Während eurer Aktion vor dem Knast habe ich euch mit Parolen geantwortet, konntet ihr das hören?
Meine Zelle hat einen Blick zum Hof. Ich bin im 3. Stockwerk. Im Hof gibt es einen Baum. Dieser Baum steht mir genau gegenüber.
Devrims Zelle ist auf der Innenseite und er kann normalerweise nichts hören.


Lieber,

(...) Es gibt hier was Neues: Am 15. Juni ist die Beweisaufnahme in unserem Prozess abgeschlossen. Dann plädiert am 22. Juni die Bundesanwaltschaft.
Unsere Verteidigung kommt danach und haben wir das "letzte Wort". Deshalb bin ich jetzt mit meinem Antrag, Schlusswort arg beschäftigt und das das heißt, spätestens im Juli ist der Prozess zu Ende.
Also ich möchte gerne, dass alle solidarische Menschen kommen, wenn ich meine letzten Worte verkünde.
Liebe Grüsse an alle Genossinnen und Genossen aus Stammheim.

Lebt wohl A. Düzgün Yüskel


Redaktionelle Anmerkungen:
Die aktuelle Adresse von Cengiz Oban lautet: Cengiz Oban JVA Düsseldorf, Ulmenstr. 95, 40476 Düsseldorf

Werner Braeuner schrieb in einem Brief, dass wir einige Symbole, wie das große "A" in dem Wort "Bastille" (GI Nr. 353, Seite 17), welches das rote "A" im Logo der Arbeitsagenturen sein müsse, durch gängige Buchstaben ersetzt hätten. Das ist richtig und geschieht bei der Digitalisierung der Texte im Generellen.


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Gefangene

Solidaritätserklärungen an das Gefangenen Info

Anlässlich des Prozesses gegen das Gefangenen Info möchten wir uns für die entgegengebrachte Solidarität bedanken und drucken an dieser Stelle die Erklärungen ab:

Ich fordere Freispruch für das "Gefangenen Info"!

Weiterhin rufe ich zu Solidarität mit dem "Gefangenen Info" und dem verurteilten Redakteur Wolfgang Lettow auf!
Ich wünsche Dir und Euch weiter Kraft für die Solidaritätsarbeit.
Lasst Euch RedakteurInnen durch drohende Verurteilungen nicht abschrecken und mundtot machen, was sie ja bezwecken !

Lebt wohl und liebe Grüsse aus Stammheim
A.Düzgün Yüskel, 6.5.2010

P.S.: Da A. Düzgün Yüskel der deutschen Sprache nicht vollkommen mächtig ist, wurden seine Zeilen redaktionell überarbeitet.


Faruk Ereren am 16.5. zum Urteil gegen das Gefangenen Info

Lieber Wolfgang!

Ich protestiere gegen die Verurteilung durch das Amtsgericht Berlin gegen dich und die Redaktion.
Gehört habe ich, dass es seit 1989 30 Ermittlungsverfahren gegen das Info gab. Dieses Urteil betrachte ich als Zensur eurer Arbeit.
Ihr habt regelmäßig über die Verfahren gegen türkische RevolutionärInnen in Europa und Anatolien berichtet.
Wir müssen eure Verurteilung im Zusammenhang mit dieser EU-Kriminalisierung begreifen.
Anlaß eurer "Bestrafung" war ja bekanntlich ein Prozeßbericht zu "meinem" Verfahren. Ist das die "europäische Demokratie"?
Es gibt keine anderen Weg, als gegen diese reaktionäre Entwicklung Widerstand leisten, Bruder!


Erklärung für den Aufbau der Roten Hilfe Italiens zum Urteil gegen das Gefangenen Info

Wir erfahren mit Empörung die Verurteilung zu einer Geldstrafe gegen das "Gefangenen Info" (GI) die gegen den presserechtlich Verantwortlichen, Wolfgang Lettow, vor dem Berliner Amtsgericht ausgesprochen wurde.
Nach unserem Verständnis ist diese Verurteilung ein staatlicher Angriff, um dem Solidaritätsnetz und der von ihm entwickelten Arbeit zur Stütze der politischen revolutionären Gefangenen, des von ihnen in den imperialistischen Gefängnissen geführten Kampfes und die konsequente Verfolgung ihres politischen Weges mit dem Widerstand gegen die schwereren Haftbedingungen (Folter durch Isolation, Sonderabteilungen, "Tote Trakte", usw.) einen Schlag zu versetzen.
In Italien passiert es ebenfalls, dass der Staat mit Unterdrückungsmaßregeln gegen die kommunistischen und anarchistischen GenossInnen vorgeht, welche solidarisch mit denjenigen sind, die in Gefängnissen Widerstand gegen dieses Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem leisten. Diese Menschen werden ebenfalls kriminalisiert.
Wir sind der Meinung, dass sich das Solidaritätsnetz als eine Tätigkeit zum Austausch zwischen den politischen revolutionären Gefangenen und den GenossInnen draußen, sowie der punktuelle gegenseitige Austausch von Meldungen über die Unterdrückungstaten und Aktionen realisieren kann.
Schließlich drücken wir unsere klassen- und internationalistische Solidarität mit dem GI und Wolfgang Lettow aus und wir geben unsere ganze Unterstützung mit jeder angemessenen Antwort gegen diese Unterdrückung.


Seid gegrüßt von den GenossInnen für den Aufbau der Roten Hilfe in Italien

mit geballten Fäusten


H. Bix vom Autonomen Knastprojekt (AKP) Köln
Abgedruckt im "Mauerfall" Gefangenen No. Rundbrief 26 - März/April 2010:

Wortwörtlich, so ähnlich oder überhaupt nicht?
... jedenfalls einfach zynisch

Was hat er ganz genau gesagt, der Richter, als er die später sogar von der Justiz als rechtswidrig definierte Beugehaft anordnete? Wir wissen es nicht, denn wir waren nicht bei dem damaligen Prozess. Doch immerhin gibt es neben den "üblichen Verdächtigen" (Rote Hilfe u.ä.) auch solche, die von ihrem Status her normalerweise als "ehrenwerte Bürger" bezeichnet werden, die alle bezeugen, eine "zynische" Aussage gehört zu haben. Und war nicht schon das alleinige Handeln des Richters zynisch?
Ein Prozess ist ja öffentlich. Was in den Knästen gegenüber Gefangenen gesagt und mit ihnen gemacht wird, ist es viel weniger. Gefangene können sich demnach noch weniger gegen Entwürdigung und Menschenrecht verletzende Übergriffe wehren als in Prozessen Angeklagte. Dass aber die "Krähen" auf allen Ästen des Justiz-Baums sich möglichst nicht gegenseitig die Augen auskratzen, ist nicht nur sprichwörtlich, sondern bittere Erfahrung all derjenigen, die sich gegen solche zu verteidigen versuchen. Und es ist die Erfahrung derjenigen, die Öffentlichkeit gegen "Justiz"-Verfahrensweisen schaffen - (egal ob gegen Rechtsprechung oder "Vollzug") -, dass "Justiz" sie verfolgt.
Strafrechtlich werden immer einzelne rausgegriffen, aber viele sind gemeint. Ich fände es ganz "lustig", wenn drei oder vier von denjenigen, die die "zynischen Sätze" gehört haben, jetzt einfach sagen könnten: "Wenn die Justiz bei diesem empörenden Urteil bleibt, nehmen wir der Knast-Info-Redaktion die auferlegte Last ab und gehen für (jeweils 27, 26 oder 20) Tage in den Knast. Dann kann die Redaktion ohne Unterbrechung weiter die Zeitung produzieren. Und wir haben nachher noch mehr zu berichten." Wär doch schöner, als die Justizmaschine auch noch zu finanzieren! Oder? Naja, nur ein Gedankenspiel, denn man kann ja leider verurteilten Kumpeln keine Knasttage abnehmen. An so einer Solidarisierung teilzunehmen, könnte ich mir ansonsten auch für mich vorstellen, ohne an jenem Tag Prozessbeobachterin gewesen zu sein. Denn wir machen ebenfalls Öffentlichkeit gegen das, was sich "Justiz" nennt.
Selbstverständlich ist diese Verurteilung ein Skandal. Einer wie viele andere Skandale auch, bei denen übereinstimmende Aussagen gegen eine Figur der Justiz nicht berücksichtigt werden und "die Justiz" immer Recht hat. "Recht" ist ja deren Privatbesitz. Aber vielleicht könnten Richter bei der Berufungsverhandlung ja taktisch klüger sein, denn eine Verurteilung von "Gefangenen Info" ist halt sehr öffentlich. Und würde uns bestätigen hinsichtlich unserer Meinung vom "Krähenfilz". Immerhin steht Aussage gegen Aussage und nichts ist bewiesen, außer dass - s.o.- die Vorgehensweise des Richters zu Empörung Anlass gab. Was ja sogar - oh Wunder - von einer juristischen Instanz anerkannt ist hinsichtlich der verhängten Beugehaft.


Werner Braeuner zur Verurteilung des Infos vom 23.4.2010

Lieber...,


habe in der "Junge Welt" von gestern vom Urteil gegen das "Gefangenen Info" (GI) gelesen. Na ja, 800 Euro, das ist Geld. Mal schauen, wie das zusammenkommt und von wem. Das GI tritt den Herrschenden auf die Füße, und so ist das wohl als Schmerzensgeld zu betrachten. "Scharf-links" ist ja doch von derselben Anklage freigesprochen worden. Juristisch fragwürdig, solche Urteilsdivergenzen, finde ich. Der Ruf der Justiz - ist er etwa bereits derart ramponiert/ruiniert, dass sie sich ganz ungeniert gebärden mag? Willkür als Terrorinstrument und "Rechtsstaat", da paßt etwas nicht....


Solidarität mit dem "Gefangenen Info" und Wolfgang!
vom 2010-04-26

Die Versuche des Staates das "Gefangenen Info" (bzw. vor der Umbenennung "Angehörigen Info") mundtot zu machen, sind Legion; in dieser Reihe gehört auch der jetzige Strafprozess.
Ein Regime, das andere Staaten über die Bedeutung und Einhaltung der Menschenrechte mit den Mitteln des Krieges belehrt (aktuell die Besetzung Afghanistans), sollte sich zuvörderst um grundlegende Angelegenheiten im "eigenen" Lande kümmern.
Aber Aussagen aus Staaten, in denen erwiesenermaßen gefoltert wird (namentlich Türkei), werden wie selbstverständlich in hiesigen Strafprozessen zur Belastung von Anklagten verwandt. Zeugen, die zuvor schwer (in der Türkei) gefoltert wurden, werden, so sie nicht im Sinne des Gerichts und der Bundesanwaltschaft die die ihnen zugedachte Rolle erfüllen, kurzerhand in Beugehaft gesteckt; und wer darüber berichtet, so wie das "Gefangenen Info", muss damit rechnen, strafrechtlich belangt zu werden, wenn ein Artikel aus Sicht des Gerichts über welches berichtet wird, unzutreffende Aspekte enthält. Niemand hätte die sich nun schwer verleumdet fühlenden Richter gehindert, eine Gegendarstellung einzureichen, nein, hier wird die Keule der Strafjustiz und potentiell wirtschaftlichen Vernichtung von Redakteur bzw. "Gefangenen Info" geschwungen.
Die systematische Kriminalisierung unbequemer Journalisten ist immer wieder Thema in der Öffentlichkeit; da werden Redaktionen durchsucht (was im Fall "Cicero" selbst dem Bundesverfassungsgericht zuviel war), Journalisten für Übersetzungstätigkeiten vor Gericht gestellt oder eben - wie heute - für eine von Richtern als unwahr gehaltene Bemerkung in einem Artikel.
Gerade, weil das "Gefangenen Info" den Marginalisierten eine Stimme gibt, verdient es unserer aller Solidarität.

Freispruch für Wolfgang!


Günter Finneisen zum Urteil gegen das "Gefangenen Info" vom 5.5.2010

"(...) thanks für deine zeilen wozu mir nur ein paar zeilen spontan einfielen. wo kanzler blackouts zur RECHTEN zeit haben, bischöfe prügeln großzügig verzeihen und richter nicht mehr wissen, was sie sagen, ist es gut, selbst wenn sie es im namen des volkes und zu ihrem wohl taten, dass es welche gibt, die sie daran erinnern. also mach weiter so! es kann nicht verkehrt sein, auch wenn wenige es behaupten gruß und power durch die mauer
finni


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Feuilleton

Broschüre des Revolutionären Aufbaus Schweiz zu Revolutionärer Kultur

Der Revolutionäre Aufbau Schweiz hat anlässlich des 1. Mai 2010 am 1. und 2. Mai in Zürich eine Ausstellung zu revolutionärer Kultur organisiert.

Ergänzend zu der Ausstellung hat der Revolutionäre Aufbau Schweiz jetzt eine 72-seitige Broschüre herausgegeben, in der Abbilder der Mosaike von Paolo Neri, die die im Knast gestorbenen Gefangene aus dem bewaffneten Widerstand darstellen, sowie eine Auswahl an Bildern von Manuel Pérez Martinez, "Arenas", dem Generalsekretär der PCE(r) (Kommunistische Partei Spaniens (Wiederaufbau)) und Sanchez Casas, einem Gefangenen der GRAPO (Gruppen des antifaschistischen Widerstandes des 1. Oktobers), abgedruckt sind. Paolo Neri war in den letzten beiden Jahren mit seinen Mosaiken auch in Deutschland und hat seine Mosaike in Stuttgart, Hamburg, Bremen und Berlin ausgestellt; Arenas ist 2000 in Paris verhaftet worden und hat im Knast begonnen zu zeichnen, sowie Gedichte zu schreiben. Im Gefangenen Info wurden bereits mehrere Bilder von ihm und von anderen spanischen Gefangenen abgedruckt. Begleitet werden die Bilder von theoretischen Beiträgen zu revolutionärer Kultur, Gedichten von Arenas und zahlreichen Hintergrund-Texten zu den Künstlern, ihrer politischen Tätigkeit und ihren Bildern.

Die Broschüre ist für 15 Franken (10 Euro) unter info@aufbau.org bestellbar.
Weitere Informationen unter: www.aufbau.org



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Thomas Meyer-Falk
Nachrichten aus dem Strafvollzug
ISBN: 978-3-941552-04-3
Preis: 9,90 Euro

Blumige Worte gehören nicht zu seinem Repertoire. Thomas Meyer-Falk sitzt seit 1996 im Gefängnis, davon mehr als 10 Jahre in Isolationshaft. Die eingeschränkte Kommunikation, die in vielerlei Hinsicht fehlenden Sinneseindrücke und die ständigen Auseinandersetzungen für den Erhalt kleinster individueller Freiheiten haben seinen Blick auf das Wesentliche geschärft. In seinen Essays und Gedichten beschreibt Thomas Meyer-Falk eine Welt, die erstaunliche Parallelen zu unserem eigenen Alltag aufzeigt.
Abseits von Schuld, Reue und Sühne bezieht dieses Buch klar Stellung zu aktuellen Entwicklungen in den Justizvollzugsanstalten. Im Zuge der Diskussion um eine Ausweitung der Sicherungsverwahrung sollte auch der Standpunkt der Inhaftierten Berücksichtigung finden. Thomas Meyer-Falk zeigt die Kehrseite der Medaille. Auch wenn es einigen Leuten nicht passt.



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In The Spirit Of Total Resistance
Leonard Peltier Soli Sampler

Im Jahre 1977 wurde Leonard Peltier, ein Mitglied des American Indian Movement und der Bürgerrechtsgruppe für amerikanische Ureinwohner, wegen der angeblichen Morde an zwei FBI-Agenten, verhaftet und eingesperrt. Seine Unterstützer bestehen darauf, dass er ein politischer Gefangener ist und dass das FBI Beweise gefälscht hat, um ihn - einen politischen Aktivisten - aus dem Verkehr zu ziehen. Seither sitzt Leonard Peltier im Gefängnis. Erst im August 2009 wurde sein Antrag auf Bewährung erneut abgelehnt und der nächstmögliche Termin für eine Anhörung ist für 2024 vorgesehen. Der derzeitig vorgesehene Haftentlassungstermin ist der 11. Oktober 2040 - dann wäre Leonard Peltier 96 Jahre alt. Die Informations- und Unterstützungsassoziation für indianische Amerikaner aus Frankreich hat zu Leonard Peltiers Unterstützung 2009 einen Soli Sampler veröffentlicht. Der Sampler ist liebevoll gelayoutet und im Booklet finden sich Informationen über seine Person, wie auch über die Hintergründe seiner Verhaftung, sowohl auf Englisch als auch auf französisch. Auf dem Sampler finden sich zahlreiche Bands: Blackfire, Fermin Muguruza, Oi Polloi, Ethnopaire, Hydra, Les Ramoneurs de Menhirs, La Phaze, T.R.I.B.E., Urban Attack, Cellule X, Tagada Jones, Trouz an Noz, Rosa Park, Loadead, Aztlan Underground, Kilnaboy, Mauresca Fracas Dub

Der Sampler ist momentan noch nicht in Deutschland erhältlich kann aber unter
www.activedistributionshop.org für 8 Pfund und www.folkloredelazonemondiale.fr
für 12 Euro bestellt werden.



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Knast und Justiz - Das Info gegen Rebellion

jeden Freitag
von 19 bis 20 Uhr auf Radio - FSK -
FM 93,0 MHz / 101,4 MHz (im Kabel)
livestream: www.fsk-hh.org/livestream

E-Mail: knastundjustiz@fsk-hh.org
Telefon: 040 - 432 500 46
Postbox: Redaktion K&J c/o Schwarzmarkt
Kleiner Schäferkamp 46
20357 Hamburg


radio flora - hannovers webradio

"Wieviel sind hintern Gittern, die wir
draußen brauchen!"
Politische Gefangene -
Sendung zu Repression und Widerstand

Freundeskreis Lokal-Radio e.V.
Zur Bettfederfabrik 3, 30451 Hannover
Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis
19 Uhr.

Zu empfangen per Livestream über:
www.radioflora.de


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IMPRESSUM

Gefangenen Info
Mai/Juni 2010, Nr. 355

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 entstand.

HerausgeberInnen:
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen

V.i.S.d.P.:
Wolfgang Lettow c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin

Nichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wider. Beiträge der Redaktion
sind entsprechend gekennzeichnet.

Redaktionsanschrift:
Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin
E-Mail Redaktion: redaktion@gefangenen.info
E-Mail Vertrieb: vertrieb@gefangenen.info
Internet: www.gefangenen.info

Bestellungen: Einzelpreis: 2 Euro. Ein Jahresabonnement kostet 29,90 Euro (Förderabo 33,20 Euro), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

Bankverbindung:
Johannes Santen, Ra
Treuhandkonto
Gefangenen Info
Konto-Nr.10382200
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Eigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist. "Zur-Habe-Nahme" ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzuschicken.


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Quelle:
Gefangenen Info Nr. 355, Mai/Juni 2010
Redaktionsanschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin
E-Mail: redaktion@gefangenen.info
Internet: www.gefangenen.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2010