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GEFANGENEN INFO/083: Ausgabe 346, April 2009


Gefangenen Info

Hervorgegangen aus dem Angehörigen Info. Das Angehörigen Info entstand im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989.

Nr. 346, April 2009


Inhaltsverzeichnis

- Vorwort

Schwerpunkt:
Haben die Aussagen der Gefangenen aus der RAF heute noch Gültigkeit? / 18. März 2009

Haben Aussagen der Gefangenen aus der RAF heute noch Gültigkeit?
Paolo Neri Ausstellungen in der BRD
Aktionen zum 18. März 2009

Inland
Christian Klar - Knastzeit und drakonische Haftbedingungen
Mustafa Atalay - "Schlimmer als die Situation der RAF-Gefangenen in der 70er und 80er Jahren"
mg-Prozess - BKA-Zeuge lügt - Bundeskriminalamt manipuliert Akten

International
Den Gefangenen eine Stimme geben - Interview zum PC p-m Prozess in Mailand
Knäste in Italien - Interview mit einem ehemaligen politischen Gefangenen
"Ich werde immer eine Tupamara bleiben" - Zum Tod von Yessie Macchi
Entscheidung über Freilassung Abdallahs fällt am 05. Mai 2009
Ahmad Sa'adat ins Asqelan Gefängnis verlegt
Grup Yorum Gitarrist Cengiz verhaftet
Zweiter Xiros gegen Griechenland
Repression im Rahmen der Proteste gegen den NATO Gipfel in Straßburg
"Es ist ein Pakt von Mördern!" Brief von Cengiz Oban

Gefangene
Solidarität muss praktisch werden - Warum es so wichtig ist, Gefangenen zu schreiben
Schreibt unseren Gefangenen

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Liebe Leserinnen und Leser,

vorweg möchten wir uns für die Unterstützung des Gefangenen Infos bedanken, denn es sind wieder Spendengelder reingekommen, auf die wir leider weiterhin angewiesen sind. Wir bedanken uns bei den Genossinnen und Genossen in Berlin, Bremen und Hamburg, die uns die Einnahmen diverser Aktivitäten haben zukommen lassen und bei allen anderen, die uns bei der Verbreitung der Zeitung unterstützen. Auch einen herzlichen Dank an den kommunistischen Künstler Paolo Neri, der ebenfalls Geld an unsere Zeitung und an die politischen Gefangenen gespendet hat und zu dessen Ausstellungen in der BRD wir mehrere Fotos seiner Mosaiken und einen Bericht zu den Ausstellungen untergebracht haben (siehe 'Paolo Neri - Ausstellungen in der BRD'). Da es noch eine Weile dauern wird, bis das Gefangenen Info sich auf der finanziellen Ebene vollständig selbst tragen kann, werden wir auch in Zukunft auf solidarische Spenden angewiesen sein. Um jedoch unsere Unkosten abdecken zu können mussten wir leider den Preis der Zeitung auf 2 Euro erhöhen. Der Preis für Abonnements bleibt unverändert.

Da das Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen dieses Zeitungsprojekt als einen wichtigen Bestandteil der Solidaritätsarbeit versteht und versucht, auch andere wichtige Felder dieses Arbeitsgebiets abzudecken, ist die kontinuierliche Reflektion, Auseinandersetzung und Weiterentwicklung von enormer Bedeutung. Aus diesem Grund befasst sich der Schwerpunktbeitrag dieser Ausgabe mit aktuellen Problemen der Solidaritätsarbeit und nimmt dabei Passagen aus den Hungerstreikerklärungen der Gefangenen aus der RAF als Ausgangspunkt.

Ein weiterer Schwerpunkt sind die gelaufenen Aktionen und Aktivitäten zum 18. März - dem Tag der politischen Gefangenen. In unserem Fokus steht dabei hauptsächlich die Demonstration und die internationale Konferenz in Berlin am 21. März 2009, die wir mit einem Bericht dokumentieren.

In der ruhigen Gewissheit, dass sie in unserem Kampf und in unseren Herzen fortlebt, haben wir in dieser Ausgabe einen Beitrag für Yessie Macchi untergebracht. Yessie, die 1993 Irmgard Möller im Knast besuchte und in Uruguay eine Kampagne für ihre Freilassung anstieß, verstarb am 03. Februar diesen Jahres. Außerdem veröffentlichen wir in dieser Ausgabe einen Brief des in Bochum eingesperrten Cengiz Oban, der sich darin zur NATO äußert und dessen Haftprüfung am 19. März 2009 negativ verlief. Dieser wartet neben Nurhan Erdem und Ahmet Istanbullu, die ebenfalls am 05. November 2008 verhaftet wurden, auf den Prozessbeginn.

Während in der BRD die politischen Prozesse gegen Axel, Oliver und Florian in Berlin, Faruk Ereren in Düsseldorf und Mustafa Atalay, Ahmet Düzgün Yüksel, Devrim Güler, Hasan Subasi und Ilhan Demirtas in Stuttgart-Stammheim durch die Klassenjustiz fortgesetzt werden und kein Ende abzusehen ist, nähert sich der PC p-m Prozess in Mailand dem Ende. Diesbezüglich findet Ihr ein aktuelles Interview mit einer Aktivistin der Roten Hilfe International (siehe 'International - Den Gefangenen eine Stimme geben'). Wir begrüßen die Initiative, eine internationale Prozessdelegation nach Mailand zu entsenden und die politischen Gefangenen dort durch aktive Teilnahme zu unterstützen.

Abschließend möchten wir auf unseren Beitrag 'Solidarität muss praktisch werden!' verweisen und alle Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunde dazu anregen, unsere Gefangenen im Knastalltag nicht alleine zu lassen. Dafür haben wir auch unter 'Schreibt unseren Gefangenen' eine aktualisierte Gefangenenliste platziert, die Euch die Sucherei nach Adressen ersparen soll. Auch sind weitere Gefangenenadressen aus dem europäischen Raum themenbezogen auf verschiedenen Seiten dieser Zeitung zu finden.

Solidarität muss praktisch werden!

Die Redaktion


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Haben Aussagen der Gefangenen aus der RAF heute noch Gültigkeit?

Um was zu unserer Perspektive zu sagen, müssen wir als erstes die objektiven und subjektiven Blockaden benennen, die den emanzipativen Prozess des Voranschreitens behindern.

Ein Lösungsansatz wäre, sich nicht nur an dem RAF-Logo mit der Knarre und den Aktionen zu ergötzen, sondern auch Texte der Gefangenen zu lesen. Was haben z.B. die Hungerstreikerklärungen aus den Jahren 1981 und 1984 für uns heute noch an Aussagekraft, d.h. sind sie für unsere heutigen Auseinandersetzungen noch hilfreich?

Ein kleiner historischer Einschub am Anfang: Die Gefangenen führten 10 kollektive Hungerstreiks, um die rigide Isolation zu überwinden. Die Isolationsfolter wird auch weiße Folter genannt, weil sie keine sichtbaren physischen Spuren am Körper hinterlässt. Sie dient der sensorischen Deprivation und sozialen Isolation, die auf das Aushungern der Seh-, Hör-, Riech-, Geschmacks- und Tastorgane zielt und dadurch zu lebensgefährlichen Zuständen führen kann. Selbst die UNO hat die Isolationshaft als Folter geächtet. Folgen sind z.B. Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit, Schlafstörungen, chronischer Schnupfen, Gedächtnisverlust... Diese Sonderhaftbedingungen gehen an keinem der Gefangenen spurlos vorbei. Dazu kommen die Langzeitfolgen.

Erforscht wurde die Isolation in Hamburg am Universitätskrankenhaus Eppendorf. Dienten diese Haftbedingungen anfangs zur Aussageerpressung, zielten sie später auf die Vernichtung der Gefangenen. Insgesamt neun politische Gefangene überlebten den Knast nicht.

Wir sind zur Zeit mit einer stark zunehmenden Repression konfrontiert. Bewusstseinsmäßig scheint uns zwar klar zu sein, dass Unterdrückung uns abhalten und abschrecken soll, da die Herrschenden für ihre Kriege nach Außen im Innern Friedhofsruhe benötigen. Die Widerstandsbekämpfung im Innern wird also immer weiter ausgebaut und verschärft, um die deutschen Kriegseinsätze - es sind rund 9000 Bundeswehrsoldaten derzeit auf dem Balkan, in Afrika, im Nahen Osten und in Zentralasien im Einsatz - abzusichern.

Nach dieser Analyse müsste unser Umgang mit der Repression ein offensiver sein. Dem ist aber leider häufig nicht so!

Genossinnen und Genossen meiden Prozesse, da sie Angst vor der Erfassung haben. Oder lehnen Kontakt mit verhafteten GefährtInnen wegen der Erfassung ab, d.h. schreiben und besuchen sie nicht und lassen sie damit alleine.

Schauen wir uns diese Beispiele mal genauer an: Was ist für die Weggesperrten in solchen Situationen wichtig? Unsere Solidarität! Die Frage für uns ist doch die: Wie können wir unsere Verbundenheit mit den Eingekerkerten zeigen? Wie können wir diese Situation für uns alle umdrehen, um unsere Vorstellungen durchzusetzen? Wichtig ist, uns nicht von den Repressionsorganen abschrecken und bestimmen zu lassen, sondern von unserem Bedürfnis nach Solidarität auszugehen.

"Wenn die militante Linke sich aneignet, was der Imperialismus in seinen Niederlagen immer wieder erfahren musste: dass seine Macht dort endet, wo seine Gewalt nicht mehr abschreckt, hat sie das ganze Geheimnis seiner scheinbaren Unbesiegbarkeit aufgelöst." (Aus der Hungerstreikerklärung von 1981)

Bei dem Prozess gegen Thomas K., der kürzlich in Stuttgart endete, verzichtete er auf eine politische Verteidigung des Projektes RZ (Revolutionäre Zellen). Er meinte sinngemäß, der Gerichtssaal sei der falsche Ort. Diese Einschätzung finden wir falsch. Zum einen konnte so die herrschende Meinung ohne Widerstand leichter ihren Dreck über eine linke Organisation ablassen und zum anderen wollten viele jüngere GenossInnen etwas Authentisches über die RZ wissen.

"Der Kampf hört auch im Gefängnis nicht auf, die Ziele ändern sich nicht, nur die Mittel und das Terrain, auf dem die Auseinandersetzung (...) weiter ausgetragen werden (...)" (Ebenda)

Eine unpolitische Verteidigung praktizieren auch andere Menschen und Thomas war nicht inhaftiert, aber wir bestehen auf unserer Kritik, dass er die Auseinandersetzung dort nicht geführt hat und damit den politischen Raum nicht genutzt hat.

In der schon mehrmals zitierten Hungerstreikerklärung von 1981 wurde festgestellt, dass "im letzten Nato-Brief die Regierungen offen daran erinnern, dass auf Forderungen nach politischen Status und internationalen Untersuchungen der Folterungen an militanten Gefangenen nicht einzugehen ist und die übrigen Direktiven der Kriminalisierungsstrategie revolutionären Widerstandes einzuhalten ist."

Aktuell kommt es zum sechzigjährigen Jubiläum der Nato zu zahlreichen Protesten. Es gibt hier schon zahlreiche Gefangene, die wegen anti-militaristischen Aktivitäten verhaftet bzw. verurteilt worden sind:

Sei es Natalja, die 2007 anlässlich einer Demonstration gegen die Nato-"Sicherheitskonferenz" in München weggesperrt wurde. Oder Axel, Florian und Oliver, denen in einem Paragraph 129-Verfahren vorgeworfen wird Bundeswehrfahrzeuge in Brand gesteckt zu haben. Der Entpolitisierungsstrategie der Herrschenden entgegnen sie in ihrer Prozesserklärung: "Hier sitzen die falschen Leute auf der Anklagebank und sollen als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 verurteilt werden. Auf die Anklagebank gehören Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. (...)" Mustafa Atalay, einer der fünf türkischen inhaftierten Linken, die wegen Paragraph 129b in Stuttgart-Stammheim verurteilt werden sollen, wurde in der Türkei über 15 Jahre weggesperrt, schwer gefoltert und auf Verlangen des Natopartners Türkei im November 2006 in der BRD wieder verhaftet. Angemessene ärztliche Behandlung in Freiheit wurde ihm von den zuständigen Stellen trotz Lebensgefahr verwehrt. Stattdessen wird er weiter in verschärfter Einzelhaft gehalten. Mustafa erklärte: "Die Isolation ist die größte Schlechtigkeit, die ein Mensch einem anderen Menschen antun kann und sie war für mich die größte Folter".

Ein Wort noch zu der scheinbar krakenhaften staatlichen Erfassung durch die diversen Dienste des Staates. Trotz der scheinbar totalen Überwachung und Erfassung wegen Kontakten zu Gefangenen hat das nicht alle Linken von ihrem Kampf nach Befreiung abgeschreckt: Sie haben z.B. weiterhin Öffentlichkeit zu den Knästen hergestellt und damit die Situation drinnen verbessert. Einige haben sich mit Illegalen getroffen oder sich später selbst der RAF angeschlossen.

Heute ist es oft so, dass bei Vorträgen, in Flugblättern und sonstigen Erklärungen fast immer nur die Analyse des Staates, der Konzerne etc. im Mittelpunkt steht und nicht, was unsere Ziele sind. Das wurde auch jüngst in der Interim 686 bedauert, denn früher gab es in den Papieren für die Linken auch "Anregungen und Impulse".

Damals war es für uns wichtig, uns gegen die zunehmende Vereinzelung und Isolation durch das System zu wehren, indem wir versuchten, kollektive Strukturen für uns zu erkämpfen.

"Wo Herrschaft durch Trennung, Differenzierung, Vernichtung einzelner, um alle zu treffen, und den ganzen Prozess zu lähmen, funktioniert, ist Solidarität eine Waffe. Es ist die erste starke subjektive politische Erfahrung für jeden, der hier zu kämpfen anfängt, der Kern revolutionärer Moral (...)." (Hungerstreikerklärung aus dem Jahre 1984)

Gegen die zunehmende Vereinsamung anzugehen ist heute aktueller denn je, da alle Menschen davon betroffen sind, natürlich auch die radikale Linke. Neue Technologien wie über 30 TV-Programme und Internet verstärken diesen Isolationsprozess zunehmend. Das Problem sind dabei nicht diese neuen Medien, sondern dass sie überwiegend nur vereinzelt genutzt bzw. konsumiert werden.

Auch die Existenzsicherung durch Ausbildung und Arbeit wird immer schwieriger. Sie wird immer mehr individualisiert und atomisiert durch die herrschende Klasse. Dieser Prozess der Vereinzelung und der Allmacht des Systems beeinflusst auch negativ unsere politische Praxis: Wir werden immer routinierter, eingefahrener, abstrakter, verlieren den Glauben, dass wir was erreichen und siegen können! Wir schrecken folglich eher Außenstehende ab und verlieren damit die gesellschaftliche Anziehungskraft, statt unsere fremdbestimmte Situation zum Ausgangspunkt unseres Agierens zu machen.

"Auch in unserer Lage ist das aus der gesamten Situation, die gleiche Entscheidung, vor der alle Teile der revolutionären Linken stehen. Aus einem festgefahrenen Kräfteverhältnis die Defensive durchbrechen, die Suche, die Anläufe, den Willen in Kampf verwandeln (...). Für uns heißt das, von der Tatsache der Isolation auszugehen und auf die eigene Kraft zu vertrauen." (Ebenda)

Es könnte jetzt eingewendet werden: Wir haben doch viel angepackt wie z.B. Veranstaltungen, Demos z.B. gegen die G8 in Heiligendamm.

Doch ist danach bei vielen eine Leere entstanden, was sich auch so äußert, dass viele Initiativen seit dem Sommer 2007 ihre Homepage nicht mehr erneuert haben oder von einem "Event" zum anderen springen. Und dadurch entstehen statt Stärke viel Stress und Leere.

"Kollektivität bestimmt sich übers Ziel: Zum Angriff kommen nicht zu einem einzigen, sondern als dauernder, gemeinsamer Prozess der politischen Bestimmung und Aktion. Sie existiert nur im Kampf, und nur gegen Herrschaft und Unterdrückung ist sie zu entwickeln." (Ebenda)

Auch wurde anfangs schon festgestellt, dass heute unsere Texte nur jenes beinhalten, wogegen wir sind und was wir alles abschaffen wollen. Es ist zwar wichtig, dieses immer wieder zu benennen, aber es fehlt was Wesentliches: Was wir wollen und wofür wir stehen. Das ist durchaus schwierig, aber auch notwendig, sich diese Begrifflichkeit anzueignen;

"Sie ist (die Kollektivität) nicht bloße Negation all dessen, was Staat und Kapital sind, sondern die gesellschaftliche Organisierung freier Menschen, wie sie hier und jetzt - überall wo gekämpft wird - schon möglich ist." (Ebenda)

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen


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Paolo Neri - Ausstellungen in der BRD
Zur Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung von Paolo Neri in Stuttgart

Am 11. März fand in Stuttgart zur Eröffnung der Ausstellung von Paolo Neri eine Veranstaltung unter dem Motto "Stammheim gestern und heute" statt. Mit den Mosaiken von Paolo Neri, Peter O. Chotjewitz (dem ehemaligen Anwalt von Andreas Baader), einer Vertreterin des Komitees gegen die Paragraphen 129 und natürlich Paolo selbst wurde mit der Veranstaltung versucht die Parallelen und Verbindungslinien zwischen dem in Stuttgart-Stammheim stattfindenden Prozess gegen die RAF, bei dem der Paragraph 129a und mit ihm Sonderhaftbedingungen durchgesetzt wurden, und dem aktuell laufenden Prozess gegen die fünf türkischen Linken, mit dem die Etablierung des Paragraphen 129b angestrebt wird, zu ziehen. Darüber hinaus gab es natürlich die Möglichkeit Paolo über seine Bilder zu befragen und mit ihm zu diskutieren.

Trotz der eher schlecht besuchten Veranstaltung und Ausstellung wurden einige interessante Gespräche und Diskussionen geführt.


Zur Ausstellung von Paolo Neri in Hamburg und Bremen

Paolo Neri, ein italienischer Künstler und ehemaliger Gefangener, zeigte seine Mosaiken aus Marmor, die 8 Gefangene aus bewaffneten Gruppen darstellen, die den Knast in der BRD nicht überlebt haben: Von Sigurd Debus und den Gefangenen aus der RAF, Holger Meins, Siegfried Hausner, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe. Andreas Baader, Grudun Ensslin, Ingrid Schubert. Eine weitere Gefangene, Katharina Hammerschmidt, die den Knast nicht überlebte, fehlte.

"Knast und Justiz" aus Hamburg führte ein umfangreiches Radiointerview mit Paolo, die "TAZ-HH" hatte die Ausstellung angekündigt, weiterhin gab es in der "jungen Welt" und im "Neuen Deutschland" und selbst im konservativen "Weserkurier" aus Bremen längere Artikel dazu.

Wenn die junge Welt schreibt, "Meinhof, Raspe, Baader, Ensslin und Schubert kamen unter bislang ungeklärten Umständen ums Leben" ist das ein Kontrapunkt zu dieser medialen Desinformation und Hetze wie der z.B. im Film "Baader Meinhof Komplex" zum Ausdruck kam.

Türkische Kinder fragten uns, warum steht in den Mosaiken "Ulrike lebt", wenn sie doch wie die anderen 7 Gefangenen tot ist. Darauf haben wir geantwortet, wenn dein Opa tot ist, bleibt er doch in deiner Erinnerung lebendig. Das verstanden die Kids und ihre Augen leuchteten.

Es waren auch mehrere ehemalige Gefangene, auch aus der RAF, da. Insgesamt waren bestimmt über 50 Jahre Knast "versammelt". Auch konnten viele Kontakte mit BesucherInnen geknüpft werden.

Neben den Hintergründen der Todesumstände der 8 politischen Gefangenen, die den Knast in der BRD nicht überlebt haben, wurde auch versucht, dass sie mit ihren Gedanken und Überlegungen lebendig bleiben. "Zurückzublicken, um die Zukunft neu zu gestalten" war das Motto der Ausstellungen. Dazu drucken wir den Beitrag "Haben Aussagen der Gefangenen aus der RAF heute noch Gültigkeit" ab.

Wir denken, dass es uns gelungen ist, auch wenn alle Veranstaltungen nicht gut besucht waren. Das lag vor allem an vielen Linken, die die damalige Zeit verdrängt und sich angepasst haben und deshalb fernblieben. Den jüngeren Menschen ist diese Zeit, auch wegen des passiven Verhaltens der Älteren, nicht mehr so präsent.

Um als Linke wieder ein starker Faktor zu werden, ist aber wichtig, diese Aufarbeitung der Geschichte zu führen, um die Zukunft neu zu gestalten.


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Widerstand - Repression - Solidarität

Am 21. März veranstaltete das "Bündnis 18. März - Tag des politischen Gefangenen" eine Demonstration und eine internationale Antirepressionskonferenz in Berlin.

Der Tag wurde mit einer Demonstration durch den Stadtteil Prenzlauer Berg eingeläutet. Die knapp 300 TeilnehmerInnen brachten trotz technischer Pannen, wie einem kaputten Lautsprecherwagen und fehlenden Megaphonen, ihre Forderung nach der "Freilassung aller politischen Gefangenen" auf die Straße. Es wurden Parolen wie "Sie wollen uns brechen mit ihrer Isohaft, doch die Sehnsucht nach Freiheit ist stärker als der Knast", "Wir sind alle 129a" und "Das Salz in der Suppe - militante Gruppe!" und natürlich "Freiheit für alle politischen Gefangenen" gerufen. Die Demo endete schließlich vor dem Haus der Demokratie, in dem im Anschluss eine Konferenz unter dem Motto "Widerstand, Repression, Solidarität" stattfand.

Der erste Teil der Konferenz begann mit einer einleitenden Rede über die Bedeutung des 18. März und einer Gedenkminute für jene, die im revolutionären Kampf das Leben verloren hatten. Anschließend wurde ein Überblick über die aktuell stattfindenden politischen Prozesse in Berlin gegen die Militante Gruppe mg, in Stuttgart-Stammheim gegen die Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front DHKP-C und in Italien gegen die Kommunistische Partei politischmilitärisch PC p-m gegeben. Ein Angeklagter des mg-Prozesses sprach über die Verschärfungen der Repression, die sich auch auf das soziale Umfeld der Betroffenen auswirken, sowie über die aktuellen Entwicklungen im Prozess. In dem Beitrag der Roten Hilfe vom Revolutionären Aufbau Schweiz wurde ein Überblick über die aktuelle repressive Situation in der Schweiz gegeben. Eine Vertreterin des Komitees gegen die Paragraphen 129 aus Stuttgart ging auf die in Stuttgart-Stammheim kriminalisierte Organisation (DHKP-C) ein und schilderte die aktuellen Entwicklungen im Prozess. In einer Videogrußbotschaft der Kommission für eine Rote Hilfe International wurde auf die politisch-organisatorischen Hintergründe der kriminalisierten PC p-m eingegangen und zu einer internationalen Prozessdelegation, die am 04. Mai 2009 in Mailand stattfindet (siehe International - Knäste in Italien), aufgerufen.

Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit Beiträgen zu Kolumbien, zur Situation von Mumia Abu Jamal und zur aktuellen Situation im Baskenland. Miguel Suarez, der für das Breite Bündnis für Kolumbien (Deutschland) sprach, referierte über den Terror mit dem linke Oppositionelle, Gewerkschafter, wie auch bewaffnet kämpfende Gruppen konfrontiert sind. Ein Vertreter des Mumia Bündnisses Berlin berichtete über die bisherige Soliarbeit und über die Dringlichkeit des Falles, da die Staatsanwaltschaft beantragte, die Aussetzung des Todesurteils für Mumia aus dem Jahr 2001 zu beenden und ihn ohne weitere juristische Prüfung hinrichten zu lassen. Es sei davon auszugehen, dass Mumia ohne größeren öffentlichen Druck das Jahr 2009 nicht überleben werde. Die Baskenland Soligruppe "Eha Lagunak" berichtete über die Situation im Baskenland vor dem Hintergrund der dort anstehenden Wahlen.

Im dritten und letzten Teil der Konferenz hatten Vertreter der jeweiligen Antirepressionsgruppen das Wort, um sich und ihre Arbeit und Erfahrungen zur Diskussion zu stellen. Mit Beiträgen des Komitees gegen die Paragraphen 129 aus Stuttgart, einer Grußbotschaft der Roten Hilfe, des Mumia Solibündnisses, der Roten Hilfe International und des Netzwerkes Freiheit für alle politischen Gefangenen wurden verschiedene Aspekte von Solidaritäts- und Antirepressionsarbeit angeschnitten und beleuchtet. In der Videobotschaft der Roten Hilfe International wurde auf den Zusammenhang von Repression mit der sich verschärfenden Krisenspirale des Kapitalismus eingegangen, die Notwendigkeit einer internationalistischen Antirepressionsarbeit und dem damit verbundenen Aufbau internationaler Klassensolidarität betont. Dieses Anliegen wurde von vielen TeilnehmerInnen geteilt und aufgegriffen.

In der anschließenden Diskussion wurde kontrovers über die Ausrichtung und Strukturierung des nächsten 18. März diskutiert und betont, dass Antirepressions- und Solidaritätsarbeit über den 18. März als Aktionstag hinausgehen und kontinuierlich stattfinden muss. Im Anschluss an die Konferenz wurden von TeilnehmerInnen und ReferentInnen Plakate signiert, um sie an die politischen Gefangenen zu schicken.

Die Konferenz, auf der wegen der Fülle an Inhalten die Diskussion zu kurz kam, machte mitunter deutlich, dass neben der Informationsvermittlung, die für effektive Soliarbeit notwendig ist, auch ein Rahmen für Austausch und Diskussion geschaffen werden muss. Allerdings ist es nicht selten der Fall, dass das notwendige Reagieren auf staatliche Repression und die alltäglichen Aktivitäten zumeist den Raum und die Zeit einnehmen, der für diesen Austausch und Diskussion wichtig wäre. Dabei kann nur eine gemeinsame Basis und damit eine gemeinsame Handlungsfähigkeit die Voraussetzungen für ein gemeinsames Voranschreiten gewährleisten.


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Inland

Wir veröffentlichen den zweiten Teil unseres Beitrages über Christian Klar

Knastzeit und drakonische Haftbedingungen - Einige Richtigstellungen zu Christian Klar

In der letzten Ausgabe des Gefangenen Infos hatten wir anlässlich der Freilassung Christian Klars einen Beitrag über seine Zeit als Illegaler bei der RAF (Rote Armee Fraktion) veröffentlicht. Mit dem zweiten Teil des Textes möchten wir auf die Zeit nach seiner Verhaftung - die Knastjahre - eingehen und somit der Leugnung der Haftbedingungen gegen die Gefangenen aus der RAF durch die Verantwortlichen entgegenwirken.


Die Knastzeit

Am 16. November 1982 wurde Christian Klar, fünf Tage nach den Festnahmen von Heidi Schulz und Brigitte Mohnhaupt, festgenommen. Die Verhaftung von gleich dreien aus der RAF, die die herrschende Meinung mit den Aktionen im Jahre 1977 identifizierte, wirkte sich zusätzlich auf die Haftbedingungen aus.

Christian Klar schrieb dazu: "Von da an bis Anfang 1984 befand ich mich in Totalisolation. Die ersten 3 Wochen in Hamburg-Holstenglacis, die nächsten 3 Wochen in Frankenthal, den Rest bis Anfang 1984 in Straubing. Die 'Absonderung' war vollständig. In dieser Zeit habe ich andere Gefangene höchstens mal auf Grund von 'Pannen' der Wachen gesehen und dann auch nur auf Distanz. Im Straubinger Knast wurde die Isolierung in einem extra zur Absonderung erbauten Trakt vollzogen, mit mir darin als einzigem Gefangenen. Anfang 1984 wurde ich dann nach Stammheim verlegt. Dort in dem 7. Stock in eine der beiden Isolierabteilungen. In Stammheim, also nach fast achtzehn Monaten, hatte ich zum ersten Mal seit meiner Verhaftung Kontakt zu anderen Gefangenen, als gemeinsamer Hofgang mit einer anderen Abteilung verfügt wurde. Das bedeutete theoretisch täglich eine Stunde Hofgang mit etwa 20 bis 30 Gefangenen in einem dafür vorgesehenen Dachkäfig. Das war hauptsächlich eine Showvorstellung. In Stammheim sind über 700 Gefangene inhaftiert.

Die Zusammensetzung einer kleinen Anzahl von Gefangenen lässt sich so gut manipulieren. Anderseits ist es einem, die restliche Tageszeit isolierten, Gefangenen kaum möglich, den Hintergrund von anderen Gefangenen kennenzulernen, wenn sie nach einer Stunde Hofgang wieder in einer anderen Abteilung verschwinden. In der Stammheimer Zeit wurde zweimal das Ranführen von Spitzeln an mich nachweisbar. Grundsätzlich wurde während des Hofgangs jedes zusammen Laufen und Sprechen von der Hofwache demonstrativ schriftlich notiert zur Registrierung, Bearbeitung und auch zur Abschreckung bestimmt. Mehrmals berichteten Gefangene mir, dass massiv versucht worden ist, sie über Gespräche auszuhorchen.

Die 7. Abteilung selbst ist immer nur ganz dünn belegt gewesen, mit den weiteren dort einsitzenden Gefangenen war kein Kontakt erlaubt.

Zeitweise gab es noch drei andere politische Gefangene auf dem gleichen Flügel, zu denen Rufkontakt durch die geschlossene Tür möglich war.

Die Besonderheit des Stammheimer Knastes ist der Zwangsstriptease, d.h. täglich mindestens 2 mal völliges Ausziehen und Körperkontrolle. Wenn aber z.B. der Besuch von Freunden, Anwaltsbesuch und ein Gang aufs Revier an einen Tag fielen, wurde das tatsächlich 8 mal an einem Tag durchgeführt. Als im Herbst 1985 mein Prozess zu Ende ging, blieb ich trotzdem weiter in Stammheim, obwohl der Knast nur ein Untersuchungsgefängnis ist. Er ist aber einer der wenigen Knäste, in denen Isolierung total realisierbar ist.

Im November 1989, als ein Ergebnis des 10. kollektiven Hungerstreiks, wurde ich nach Bruchsal verlegt. Dort habe ich seit meiner Festnahme 1982 zum ersten Mal direkten Kontakt zu zwei weiteren politischen Gefangenen, d.h. wir haben gemeinsam Hofgang, Sport und Kinobesuche.

Das generell Neue am Bruchsaler Knast ist, dass ganz allgemein der Kontakt zwischen den Gefangenen von der Knastleitung viel weniger steuerbar ist. Durch einige Sondermaßnahmen bleibt für mich der Kontakt zwar eingeschränkt ('Sicherheitsbalken', Sonderhof wegen Verweigerung der Zwangsarbeit, mehr Einschluss als allgemein, kein Umschluss, Verbot des Flügelwechsels, Verbot der Teilnahme am jährlichen Sportfest und an allen Veranstaltungen, die nach Meinung des Knasts nicht vollständig überwachbar sind. Abschreckungsmaßnahmen gegen andere Gefangene, 'sich nicht mit den Terroristen einzulassen u.a.'), aber bei Inkaufnahme der anschließenden Disziplinarstrafe sind auch zumindest sporadische Kontakte quer durch den Knast möglich.

Die verschiedene Knäste übergreifend betreffende Punkte:

Während der Stammheimer Zeit alle 4 bis 6 Wochen Wechsel der Zelle innerhalb des Traktes. Das wurde auch in Bruchsal übernommen, zuerst in größeren zeitlichen Abständen, später dann kaum noch.
Zellenfilzen regelmäßig
Die Postzensur in extremem Ausmaß. Die ersten Jahre wurde bis zur Hälfte aller Postsendungen angehalten; bis zu sechswöchige Verzögerungen der durchgelassenen Post, ab Ende der achtziger Jahre das erste Mal etwas zurückhaltender und seit einem Jahr etwa sind zumindest die geschriebenen Briefe kaum noch behindert. Allerdings kehrt massive Behinderung immer mal wieder zurück, (...)
Ein anderer Teil der Post ist trotz allem bis heute stark behindert durch "technisch" gestaltete Restriktionen, die politische Druckschriften betreffen, aber auch kulturelle Bedürfnisse oder persönliche Geschenke betreffen können. Insgesamt würde sich jemandem in Freiheit das Ausmaß, die soziale Brutalität und Widerwärtigkeit der Zensur, sicher erst erschließen, wenn mal die "gesammelten Anhalteverfügungen" aus soundsoviel Knastjahren inhaltlich angesehen würden.
Zusätzlich zur Zensur gibt es noch die kontinuierliche Auswertung jedes Briefes durch die extralegale Institution der 'Häftlingsüberwachung' beim Landeskriminalamt (LKA), Bundeskriminalamt (BKA) und Geheimdienst
gegenwärtig zusätzlich zentralisiert in der Koordinationsgruppe Terrorismus (KGT).
Die Besuchsbedingungen unverändert vom ersten Tag der Gefangenschaft bis heute: 90 bis 120 Minuten Besuch monatlich (zu besonderen Anlässen mal eine Stunde zusätzlich), jeder Besuch überwacht durch mindestens einen protokollierenden LKA-Polizisten und einen Schließer, Familienangehörige ohne, alle anderen Besucher mit Trennscheibe. Die einzige Veränderung ist, dass in den ersten Jahren noch Eingriffe in Gesprächsthemen, Besuchsabbrüche oder Ausschlüsse von Besuchern häufig waren, zur Zeit nur selten. Anwaltsbesuche auch hinter Trennscheibe, jede Post zwischen Gefangenem und Anwalt wird von einem Amtsrichter mitgelesen, sogar häufig zensiert, nicht genehme Schriftstücke zurückgehalten."

Diesen Bericht verfasste Christian Anfang 1993 in der Broschüre "Zeit ist keine unerschöpfliche Ressource". 1995 musste er noch einmal in den Hungerstreik treten, um seine Bedingungen zu verbessern.


Die Haftbedingungen

Die Isolationsfolter wie oben von Christian beschrieben, wird auch weiße Folter genannt, weil sie keine sichtbaren physischen Spuren am Körper hinterlässt. Sie dient der sensorischen Deprivation und sozialen Isolation, die auf das Aushungern der Seh-, Hör-, Riech-, Geschmacks- und Tastorgane zielt und dadurch zu lebensgefährlichen Zuständen führen kann. Selbst die UNO hat die Isolationshaft als Folter geächtet. Folgen sind z.B. Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit, Tinnitus, Schlafstörungen, chronischer Schnupfen, Gedächtnisverlust...

Diese Sonderhaftbedingungen gehen an keinem der Gefangenen spurlos vorbei. Dazu kommen Langzeitfolgen.

Erforscht wurden sie in Hamburg am Universitätskrankenhaus Eppendorf. Dienten diese Haftbedingungen anfangs zur Aussageerpressung, zielten sie später auf die Vernichtung der Gefangenen. Die Gefangenen aus der RAF wehrten sich in 10 kollektiven Hungerstreiks. Insgesamt 9 politische Gefangene überlebten den Knast nicht.

Christian Klar war zwar von den RAF-Gefangenen mit 26 Jahren am längsten ohne Unterbrechung inhaftiert, wie die Rote Hilfe (RH) in ihrer Presserklärung zur Freilassung zu ihm richtig feststellte, aber Brigitte Mohnhaupt war neben den 24 Jahren auch schon in den siebziger Jahren über 4 Jahre eingeknastet. Weggeschlossen war sie also seit insgesamt über 28 Jahren.

Eine Gefangene aus der RAF, Birgit Hogefeld, ist seit 1993 weiter inhaftiert.


Linke Geschichte muss immer authentisch vermittelt werden

Es ist uns wichtig, dass linke Geschichte authentisch vermittelt wird, um sie so zu begreifen und die anstehenden Probleme zu bewältigen. Deshalb dieser Artikel. Es gab in den letzten Jahren immer wichtige und gutgefasste Artikel und Ansätze, die Geschichte des bewaffneten Kampfes in der BRD zu dokumentieren, aber das Buch "ROTE ARMEE FRAKTION Texte und Materialien zur Geschichte der RAF" des Berliner ID-Verlag aus dem Jahre 1997 tut das nicht. Dort werden Erklärungen von Gefangenen oder der Guerilla umgeschrieben. Der Verlag hat sich aufgrund dieser Fälschungen gespalten. Authentisches Material zur Geschichte der Guerilla und den Gefangenen gibt es für Interessierte unter: www.labourhistory.net/raf. Auch die falsche Übernahme von Begriffen der Mainstreammedien hilft niemandem weiter. Wir hätten es zum Beispiel in der schon erwähnten Erklärung der RH zu Christian besser gefunden, wenn sie statt "Morde an Buback, Ponto und Schleyer" lieber "Tötung" geschrieben hätten.

"Es muss immer wieder betont werden: Schließlich ist die Welt geschichtlich reif dafür, dass die zukünftigen Neugeborenen in ein Leben treten können, das die volle Förderung aller ihrer menschlichen Potentiale bereithalten kann und die Gespenster der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung vertrieben sind."
Christian Klar, 2007, in einem Grußwort an die TeilnehmerInnen der Rosa Luxemburg-Konferenz.

Die wütende Reaktion der herrschenden Klasse darauf zeigt nur, dass sie befürchtet, dass sich alte mit neuen Kämpfen verbinden, mit dem Ziel, eine freie Gesellschaft jenseits von Ausbeutung, Unterdrückung und Kriege zu schaffen.

Das ist eine Aufgabe, die für uns alle ansteht. Worauf warten wir noch!?!


Ergänzungen:

Aus technischen Gründen fehlten im ersten Teil dieses Textes, das in der 345. Ausgabe des Gefangenen Infos abgedruckt war, einige wichtige Passagen aus der Originalfassung, die wir hier ausführen möchten;

1. Bezüglich des 4. Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF, der im März 1977 begann und mit den Forderungen nach Abschaffung der Isolation und der entsprechenden Trakte, und aus der Erfahrung um Ulrikes Tod, nach Zusammenlegung zu Gruppen von mindestens 15 GenossInnen geführt wurde, heißt die Ergänzung, dass "auch weiterhin draußen offensiv vorgegangen wurde, während der Kampf in den Knästen an Stärke gewann".

2. Bezüglich des 26-tägigen Hungerstreiks, der nach der misslungenen Entführung und Erschießung Jürgen Pontos am 30.07.1977 und der damit verbundenen Verschärfung der Haftbedingungen begonnen wurde, fehlen die Zitate aus der Erklärung: "... haben wir von einem Mitglied von Amnesty International erfahren, dass der Vermittlungsversuch, ... , um humane, d.h. Haftbedingungen, die den Forderungen der Ärzte entsprechen, abgebrochen wurde, ... und in den Behörden ... die Linie durchgesetzt wurde, ... ein Exempel zu statuieren. Das entspricht den Ankündigung (Generalbundesanwalt) Rebmanns. Die Gefangenen haben daraufhin - um das Mordkalkül nicht zu erleichtern - am 26. Tag ihren Streik unterbrochen..."

3. Bezüglich Irmgard Möller als einzige Überlebende des 18.10.1977 fehlt die Ergänzung, dass "sie weiterhin behauptete die Gefangenen hätten sich nicht selbst umgebracht und es wurde deshalb zeitweise gegen sie ermittelt".


Redaktion


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Kurzmeldungen:

Berlin:
Die Entscheidung über die Freilassung des Antifaschisten Christian S. auf Bewährung hätte am 11. März 2009 verhandelt werden müssen. Christian S. wurde wegen seinem aktiven Eintreten gegen Nazis zu 46 Monaten Haft verurteilt, von denen er bereits 39 Monate eingesperrt war. Der Richter sah sich außer Stande sofort eine Entscheidung zu treffen und vertagte die Entscheidung. Da es über 3 Wochen später immer noch keine Entscheidung gibt, kann dieses Vorgehen nur als Verfahrensverschleppung gewertet werden. Durch dieses Verzögern wird auch der Rechtsweg zum Kammergericht als Beschwerdeinstanz versperrt.

Berlin:
Seit dem 23. Februar 2009 befinden sich zehn kurdische Flüchtlinge vor dem Bundesinnenministerium in einem unbefristeten Hungerstreik gegen ihre drohenden Abschiebungen nach Syrien. Für sie ist die Aktion das letzte Mittel, um gegen das im Januar zwischen Deutschland und Syrien geschlossene Rückübernahmeabkommen zu protestieren. Am 16. Tag des Hungerstreiks musste erneut ein Flüchtling ins Krankenhaus gebracht werden. Er ist der siebte Hungerstreikende, der aufgrund massiver gesundheitlicher Probleme medizinisch versorgt werden muss.

Stuttgart:
Der Haftentlassungsantrag der Verteidigung Mustafa Atalays im Paragraph 129b Prozess in Stuttgart-Stammheim wurde vom Senat abgelehnt. Somit befindet sich der schwer herzkranke Mustafa Atalay seit November 2006 ununterbrochen unter Isolationshaftbedingungen in Einzelhaft. Den Isolationsbedingungen sind neben Mustafa Atalay auch die Angeklagten Ahmet Düzgün Yüksel, Devrim Güler und Hasan Subasi ausgesetzt. Allein bei Ilhan Demirtas wurden bisher aus gesundheitlichen Gründen die Haftbedingungen dahingehend erleichtert, dass er sich nicht mehr in Einzelhaft befindet.

Berlin/Karlsruhe:
Sowohl in Berlin als auch im Raum Karlsruhe gab es vermehrt auftretende Anquatschversuche des Verfassungsschutzes. Alleine am 24. März 2009 kam es im Raum Karlsruhe zu zwei Versuchen des Verfassungsschutzes an Informationen zu kommen. In allen Fällen wurde das Gespräch abgebrochen. Lasst euch nicht locken oder einschüchtern.


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Inland

"Schlimmer als die Situation der RAF-Gefangenen in der 70er und 80er Jahren"

Peter O. Chotjewitz besuchte Musafa Atalay in der JVA Stuttgart-Stammheim

Von Carsten Ondreka

Peter O. Chotjewitz, mittlerweile selbst 75 Jahre alt und Autor mehrerer Bücher über die Zeit der Terrorhysterie der 70er Jahre, hat in der JVA Stuttgart-Stammheim den türkischen Gefangenen Mustafa Atalay besucht. Mustafa wird, genauso wie den Gefangenen Ahmet D., Ilhan D., Devrim G. und Hasan S. die mutmaßliche Mitgliedschaft einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Paragraph 129b) vorgeworfen. Konkret sollen sie Geld für die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) gesammelt und einen Waffentransport organisiert haben. Das Ganze ist ein Präzedenzverfahren, in dem es darum geht, mutmaßliche Unterstützer der DHKP-C verfolgen zu können. Daß dies auch Sympathisanten anderer ausländischer Oppositionsbewegungen blühen kann ist absehbar. Der Paragraph 129b richtet sich deutlich gegen jede internationale Solidarität, die den jeweils Herrschenden mißfällt. Welchen Mitteln sich der deutsche Rechtsstaat dabei bedient ist erschreckend. Als Hauptbelastungszeuge fungiert der Doppelagent Hüseyin Hiram, der für den Verfassungsschutz des Landes Rheinland-Pfalz, sowie für den türkischen Geheimdienst arbeitete und scheinbar dazu benutzt wird, den türkischen Staatsterror an die deutsche Justiz weiter zu delegieren. An diesem wird von Gerichtsseite aus festgehalten, obwohl ihm von einem Gerichtsgutachter massive psychische Beeinträchtigungen attestiert wurden.

Peter O. Chotjewitz beschreibt Mustafa Atalay als sympathischen und gebildeten Menschen. Er lernte ihn während der Besuchszeit als Journalisten und Kollegen kennen, der Gedichte verfasst und der vor hat, in der nächsten Zeit einen Roman zu schreiben. Einen Menschen, der, trotz in der Türkei erlittener Verfolgung, 15 jähriger Haft und schwerer Folter, offen über sich und seine Situation im Gefängnis spricht. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hat bei ihm ein posttraumatisches Belastungssyndrom nachgewiesen. Als Nachwirkung der zuvor in der Türkei erlebten Folterungen ist er außerdem schwer herzkrank und, laut Aussage seines Anwalts, nicht verhandlungsfähig.

Das Gericht ist in diesem Punkt anderer Meinung. So wird seine gerichtlich beschiedene Verhandlungsfähigkeit weiter nur durch Medikamente sichergestellt. Für deren Einnahme werden regelmäßig die Gerichtverhandlungen unterbrochen. Mustafa Atalay wurde 2006 drei Wochen nach einer schweren Herzoperation aus einer deutschen Rehabilitationsklinik verschleppt und müsste eigentlich dringend wegen seiner defekten Herzkranzgefäße behandelt werden. Vor der Festnahme erlitt er einen Infarkt , worauf ihm drei Bypässe gelegt wurden. Während der Haftzeit waren bei ihm noch weitere medizinische Eingriffe erforderlich.

Peter O. Chotjewitz bezeichnet die Haftbedingungen, denen Mustafa ausgesetzt ist, als schikanös und schlimmer als die Situation der RAF-Gefangenen in den 70er und 80er Jahren. Die türkischen Gefangenen haben keinen Umschluss und müssen 23 Stunden allein in der Zelle, oder wie Mustafa Atalay in der Krankenstation, verbringen. Sie können also keine Verteidigungslinie bestimmen und drohen seelisch und intellektuell zu verkümmern. Die Post bekommen sie erst mit starken Verzögerungen ausgehändigt. Politische Zeitschriften bekommen sie gar nicht. Mustafa Atalay sagte dazu in seiner ersten Prozesserklärung: "Die Isolation ist die größte Schlechtigkeit, die ein Mensch einem anderen Menschen antun kann und sie war für mich die größte Folter"

Ähnlich skandalös sind die Besuchsbedingungen. Das Gespräch wird vom BKA überwacht. Über den Prozeß darf Mustafa mit Besuchern überhaupt nicht sprechen. Dazu war zwischen ihnen eine Trennscheibe, die Körperkontakte unmöglich macht. Trotzdem musste sich Peter O. Chotjewitz wie andere Besucher peinlichen Leibesvisitationen unterziehen. Andere Freunde aus Antirepressionszusammenhängen sind mit willkürlich ausgesprochenen Besuchsverboten vom direkten Kontakt abgeschnitten. Peter O. Chotjewitz sah seinen Besuch als Akt der praktischen Solidarität. Eine Solidarität, die sich im Falle Mustafas und der anderen Gefangenen im Stammheimer Prozess erst langsam entwickelt hat. Die Rote Hilfe e.V. versucht zusammen mit dem "Komitee gegen die Paragraphen 129" und dem "Netzwerk für die Freiheit der politischen Gefangenen" indes schon längere Zeit Solidarität mit den türkischen Genossen zu organisieren. In der "Sonderausgabe zum 18. März" als Tag der politischen Gefangenen wird deutlich auf Mustafas Situation als einer lebensbedrohlichen hingewiesen. Auch zum 18. März selbst gab und gibt es am Wochenende Veranstaltungen, die auf den Stammheimer Paragraph 129b-Prozeß hinwiesen. Peter Chotjewitz fordert die Linkspartei, Menschenrechtsgruppen, SPD und Grüne auf, den Fall aufzugreifen: "Die bürgerliche Öffentlichkeit schweigt, obwohl ihr Rechtsstaat unmittelbar betroffen ist - genauer gesagt: wieder einmal versagt".

Peter O. Chotjewitz hat 2007 hat mit dem Roman "Mein Freund Klaus", den Rechtsanwalt und Verteidiger mehrerer RAF-Gefangenen Klaus Croissant, ein literarisches Denkmal gesetzt. Zur damaligen Zeit war auch Peter Chotjewitz kurze Zeit Rechtsanwalt. Er verteidigte Andreas Baader und Peter Paul Zahl. Darüber schrieb er 1977 das Buch "Die Herren des Morgengrauens".

Für weiterführende Infos:
www.no129.info


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Pressemitteilung der Verteidigung im "mg"-Verfahren

Rechtsanwälte Franke, Herzog, Hoffmann, Lindemann, Schrage und Rechtsanwältin Weyers für die Verteidigung, Kontakt: Rechtsanwalt Alexander Hoffmann 0171-3284816

BKA-Zeuge lügt - Bundeskriminalamt manipuliert Akten

Am heutigen Tag wurde die Vernehmung des BKA-Zeugen Oliver Damm vor dem Kammergericht fortgesetzt. Auf ausdrückliche Fragen der Verteidigung nach der Urheberschaft eines veröffentlichten Diskussionsbeitrages zu militanten Aktionen, erklärte der Zeuge Damm nicht zu wissen, wer den Text verfasst hat, obwohl der Text von Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes stammt. Erst nachdem ihm sein eigener Vermerk, der dem Gericht allerdings nicht vorliegt und aus dem sich die Urheberschaft des BKA ergibt, vorgelegt wurde, gab er zu, dass dieser Text vom BKA stammt und dass es daneben noch einen weiteren Beitrag des BKA in der so genannten Militanzdebatte(*) gab.

Seit dem 25.09.2008 wird unseren Mandanten vom 1. Senat des Kammergerichts der Prozess wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemacht, mittlerweile also seit einem halben Jahr. Bereits vor Beginn der Hauptverhandlung hat die Verteidigung gerügt, dass die Akten unvollständig sind und die Bundesanwaltschaft (BAW) sowohl der Verteidigung als auch dem Gericht eine Vielzahl von Akten vorenthält.

Unter anderem wurden fehlende Sachstandsberichte vom Ermittlungsführer KHK Damm vom BKA bemängelt. Diese waren nach Aktenvermerken nicht zu den Akten gelangt, weil sie angeblich "zu umfangreich" seien. Am 19.02.2009 vor der vom Gericht geplanten Vernehmung des Zeugen Damm beantragte die Verteidigung erneut Einsicht in diese Sachstandsberichte. Diese wurden kurze Zeit später der Verteidigung zur Verfügung gestellt.

Diese Aktenbestandteile wurden vor der Übergabe an die Verteidigung offensichtlich vom BKA nur unzureichend kontrolliert.

Denn aus dem BKA-Sachstandsbericht vom 07.06.2006 ergibt sich nun, dass das BKA im Rahmen der sog. "Militanzdebatte"(*) unter ausgedachtem Namen selbst heimlich daran teilgenommen hat. Es findet sich im Anhang 4, wo jeder Beitrag der Militanzdebatte aufgeführt ist, hinsichtlich eines Textes aus der Interim 611 vom 10.02.2005, der unter dem Namen "Die zwei aus der Muppetshow" veröffentlicht wurde, folgender Hinweis:

"Nur für die Handakte: Der Text wurde vom BKA verfasst und an die Interim versandt, um eine Reaktion bei der "militante gruppe (mg)" zu provozieren und gleichzeitig auf die Homepage des BKA (Homepageüberwachung) hinzuweisen."

Dieser Anhang 4 findet sich bis auf obigen Satz identisch in jedem anderen Sachstandsbericht. Die anderen Berichte sind also offensichtlich gesäubert worden oder es wurden von vornherein verschiedene Versionen produziert. Der BKA-Zeuge Damm hat in seiner bisherigen Vernehmung vor dem Gericht diesen Text als einen allgemeinen Beitrag bezeichnet und kommentiert. Er hat entgegen seiner Wahrheitspflicht bewusst verschwiegen, dass das BKA dieses Schreiben selbst verfasst hat.

Die sog. Homepageüberwachung wurde mittlerweile vom Bundesinnenministerium als illegal eingestuft und das BKA angewiesen, diese Methode nicht mehr anzuwenden (vgl. Der SPIEGEL von dieser Woche). Das BKA manipuliert die Akten und enthält sowohl dem Gericht als auch der Verteidigung Entscheidendes vor. Beim BKA und eventuell bei der BAW werden parallele Geheimakten ("Handakte") geführt, welche offensichtlich brisant sind. Spätestens jetzt kann der Prozess gegen unsere Mandanten nicht mehr als faires Verfahren bezeichnet werden. Als Konsequenz muss er eingestellt werden. (...)


Anmerkung:

(*) Im Rahmen der Militanzdebatte wurde über Sinn und Unsinn von militanten Aktionen, der Taktik und Strategie des Einsatzes von Militanz etc. per schriftlichen Beiträgen diskutiert. Die Beiträge wurden in der Regel in der Szene-Zeitschrift Interim veröffentlicht, welche alle 14 Tage erscheint.


Für weiterführende Infos:
www.einstellung.so36.net


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Kurzmeldungen:

Gera/Thüringen:
Am 05. März 2009 wurde vom Verwaltungsgericht Gera die Klage des Flüchtlings Aboubakar Wan aus Sierra Leone abgelehnt. Obwohl Wan an Diabetes erkrankt ist und sich Insulin spritzen muss, ist er akut von der Abschiebung bedroht, da seine medizinische Versorgung in Sierra Leone angeblich gewährleistet sei. Nach der Ermordung seiner Eltern war Wan 1998 vor dem bis 2002 in Sierra Leone tobenden Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen und lebte seither als "Geduldeter" in Thüringen. Die Verteidigung will vor dem Oberverwaltungsgericht Weimar Rechtsmittel einlegen, dazu muss die Berufung aber zugelassen werden und das ist bislang nicht sicher.

Frankfurt/Main:
Im Revisionsverfahren des kurdischen Politikers Muzaffer Ayata wegen "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" hat das OLG Frankfurt/Main am 09. März 2009 das Urteil bestätigt, aber das Strafmaß um vier Monate reduziert auf eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monate. Die Verteidigung hat erneut Revision eingelegt. Die U-Haft von Ayata bleibt bestehen, u. a. mit der Begründung, dass beim Angeklagten eine "Distanzierung von den Zielen und Vorgehensweisen der PKK bislang nicht zu erkennen" sei. Über die im Dezember 2007 von der Türkei beantragte Auslieferung von Ayata ist bis heute noch nicht entschieden.

Bruchsal:
Vor bald einem Jahr wurde im Gefangenen Info über die Verfahren zur "vorzeitigen" Freilassung Thomas Meyer Falks aus der Haft berichtet. Thomas schätzt es so ein, dass er in nächster Zeit nicht rauskommen wird, weil er sich nicht allen Zwängen des Gerichts unterwerfen will. "Das Ziel ist immer die Freiheit - aber entscheidend ist der Weg dahin", Thomas. www.freedom-for-thomas.de

Berlin:
Der Bundesrat hat auf seiner Sitzung am 06. März 2009 beschlossen, dass Telefongesellschaften, die im Zuge der Strafverfolgung für verdeckte Ermittlungen herangezogen worden sind, entschädigt werden. Die Entschädigung liegt zwischen 75 und 1.525 Euro pro angefangenem Monat der Überwachung.


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International

Den Gefangenen eine Stimme geben

Interview mit einer Aktivistin der Roten Hilfe International zum PC p-m Prozeß in Mailand

Vor über einem Jahr begann in Mailand der Prozess gegen 17 GenossInnen, die im Februar 2007 während einer groß angelegten Razzia namens "Tramonto", die sich gegen die Konstituierung der PC p-m (politisch-militärisch kommunistische Partei) richtete, festgenommen wurden. Sieben der GenossInnen befinden sich immer noch in Gefangenschaft, andere stehen unter Hausarrest. Am 6. Oktober 2008 wurde der Prozess nach einer Sommerpause fortgesetzt. Sie sollen, laut Plädoyer der Staatsanwaltschaft zu mehr als 191 Jahren Haft verurteilt werden. Vorgeworfen wird den Angeklagten der Aufbau der PC p-m, die Herausgabe der verbotenen Zeitschrift "Aurora" (Sonnenaufgang), sowie in diesem Zusammenhang auch die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung sowie damit zusammenhängende Delikte. Im Zusammenhang mit den Durchsuchungen am 12. Februar 2007 in Italien war aufgrund eines Rechtshilfeersuchens durch den italienischen Staat auch eine Aktivistin der Rote Hilfe International in der Schweiz betroffen (www.rhi-sri.org). Auch gegen sie wird nach wie vor ermittelt. Dass Europa hinsichtlich der Repression keine Grenzen kennt, zeigt auch der Repressionsschlag gegen die RHI durch die belgische Justiz Anfang Juni letzten Jahres: 4 GenossInnen wurden festgenommen. Zurückzuführen sind die Festnahmen auf eine 1 ½ - jährige Überwachung, die aufgrund von Informationen der italienischen Polizei nach den Festnahmen der GenossInnen in Italien begann. Obwohl die Überwachung keine konkreten Hinweise lieferten, schlug die belgische Justiz zu. Doch auch die Hausdurchsuchungen waren eine totale Schlappe. Mittlerweile sind alle wieder in Freiheit, der Vorwurf der "Beteiligung an einer terroristischen Aktivität" bleibt bestehen und die Ermittlungen gehen weiter. (Quelle: RHI, Berliner Bündnis "18. März - Tag des politischen Gefangenen")

Die Rote Hilfe International schickt regelmäßig Beobachterdelegationen nach Mailand um Öffentlichkeit zu schaffen und Solidarität mit den Angeklagten zu organisieren. Ein Interview mit einem Mitglied der Kommission für die RHI in Zürich.


1. Kannst du sagen was den Angeklagten im Prozeß vorgeworfen wird und was politisch hinter der Anklage steht?

Die Staatsanwaltschaft betonte schon in der Anklageschrift, dass es dem Staat durch die Festnahmen gelungen ist, den Aufbau einer verfassungswidrigen subversiven politisch-militärischen Partei in Italien zu verhindern, bevor diese in Aktion treten konnte. Sie hätten viele Arbeiter und Jugendliche um sich geschart, sich klandestin verhalten, eine Zeitung rausgegeben und Waffen beschafft. De facto aber konnte ihnen, außer dem Versuch, einen Bankautomaten zu knacken und illegalem Waffenbesitz nichts konkretes nachgewiesen werden. Im übrigen stammt eine der gefundenen Waffen aus einem alten Bestand der kommunistischen Partisanen, die von diesen an die damals neu gegründeten Brigate Rosse weitergeleitet wurde und zuletzt eben bei den GenossInnen der PC p-m gelandet ist. Schöner kann ein politisch roter Faden durch die Geschichte revolutionärer Kämpfe nicht nachvollziehbar gemacht werden!

2. Aus welchen politischen Prozessen und Entwicklungen kommen die Angeklagten. Was sagen sie zu den Absichten und dem Wesen ihrer Organisierung?

Die Angeklagten kommen, zum einen aus der langen politischen Geschichte der Brigate Rosse und ihrer Aufteilung 1984 in zwei divergierende Positionen. Damals gab es einen strategischen Rückzug und eine interne Debatte über Rolle und Funktion des bewaffneten Kampfes für den Kommunismus. Die 2. Position vertrat die Auffassung, dass es gelte, eine Massenlinie zu entwickeln, um die Nähe zur Dynamik der Klassenkämpfe nicht zu verlieren, sondern eben auch Ausdruck des fortgeschrittensten Teils der revolutionären und der ArbeiterInnen-Bewegung sein zu können. Eine Einheit zwischen dem Politischen und dem Militärischen müsse in einer klandestin kämpfenden Partei entwickelt und aufgebaut werden. Zahlreiche politische Debatten entwickelten sich u.a. zur heutigen PC p-m, deren Kern in dieser Position zu finden ist. Es sind aber auch Genossen aus anderen bewaffneten kommunistischen Erfahrungen dabei. Darüber hinaus sind auch in den Fabriken tätige Arbeiter und junge Studenten, sowie Leute aus der Bewegung der politischen sozialen Zentren (Centro Sociali) mit in diesem Aufbauprozess involviert. Vier der Gefangenen haben sich bei der Verhaftung als PC p-m deklariert, die anderen unterzeichnen ihre Texte mit "kommunistische militante Gefangene". Die PC p-m Genossen haben seit ihrer Verhaftung auch mit Hungerstreiks um ihre kollektive Einheit als politische Gefangene gekämpft. Die Einheit unter allen Gefangenen kommt in gemeinsamen Erklärungen zum Ausdruck. Selbstverständlich auch im einheitlichen Führen des politischen Prozesses in Mailand. Unter www.rhi-sri.org sind praktisch alle diese Dokumente abrufbar. Die Rote Hilfe International hat auch eine Broschüre mit ihren Texten veröffentlicht, man kann diese unter dem Postfach 1121, CH-8026 Zürich bestellen.

3. Du sagt, die Angeklagten führen den Prozess aktiv und politisch. Wie sieht das aus?

Sie mischen sich offensiv mittels Erklärungen ein: Politisch-programmatische oder auch solidarische wie zum Beispiel zum 18.3.08 in Berlin oder zum Hungerstreik türkischer Gefangener in den laufenden Prozess ein. Sie verhalten sich solidarisch mit streikenden Arbeitern, die vom Staat oder Kapital angegriffen werden. Sie rufen Parolen, lassen sich räumen, wenn einer von ihnen nicht zu Wort kommt. Erscheinen nicht zum Prozess, wenn ein Kronzeuge geladen wird. Ihre Anwälte haben viel Erfahrung in politischer Prozessführung und wurden aus diesem Grund ganz bewusst von den Angeklagten ausgewählt. Die Rechtsanwälte agieren ebenfalls politisch offensiv.

4. Wie ist die öffentliche Wahrnehmung des Prozesses in Italien. Gibt es eine kritische Öffentlichkeit?

Nach den Verhaftungen waren die bürgerlichen Medien über Monate mit etlichen Seiten gefüllt. Als dann die ersten politischen Texte der PC p-m auftauchten und diese natürlich sofort ins Internet gesetzt wurden, veröffentlichten bürgerliche Medien, wie die La Stampa (Turin), Repubblica oder Corriere della Sera die Texte ebenfalls. Es schreckte nicht ab, sondern wir konnten zusammen den Spieß umdrehen und die mediale Präsenz zur Verbreitung der politischen Ideen offensiv nutzen. Danach kam, was kommen musste: Der Staat realisierte, dass es gelungen war, aus dieser medialen Offensive, die hätte abschrecken sollen, eine Plattform zu schaffen, die eine breite und starke Solidaritätswelle mitausgelöst hatte. Daraufhin versuchte die Staatsanwaltschaft die Solidarität zu kriminalisieren.

5. Die RHI schreibt im Zusammenhang mit dem Prozeß unter anderem: "Es gibt einen internationalen Kontext der Solidarität und einen Angriff der Konterrevolution, der ebenfalls international geführt und noch nicht abgeschlossen wurde, weder in Belgien noch in der Schweiz ....". Was meint ihr damit genau?

Die internationale Solidarität ist sehr stark und hält auch nach der langen Prozessphase an. Viele Formen der Solidarität wurden in Deutschland, Belgien, Schweiz, Türkei, Spanien und Frankreich in Taten umgesetzt: Kundgebungen, Graffitis, Plakate, Besetzungen von italienischen Tourismusbüros bis zu Brandanschlägen. In der Schweiz fand zum gleichen Zeitpunkt wie in Italien, am 12.2.07 eine Hausdurchsuchung statt. Eine Genossin der RHI stand mit auf der Liste der Beschuldigten. Noch ist unklar, ob die schweizerische Bundesanwaltschaft ihre Drohung in die Praxis umsetzt, das Verfahren gegen sie eigenständig in der Schweiz zu führen. In Belgien fanden im selben Zusammenhang am 5.6.08 Hausdurchsuchungen statt und vier Mitglieder der Roten Hilfe Belgien verschwanden für einige Wochen im Knast. Internationale Rechtshilfeverfahren zwischen Italien, Belgien und der Schweiz sind noch nicht abgeschlossen. So war vor einem Monat die belgische Bundesanwältin mit einem Kollegen und zwei Polizeispezialisten in der Schweiz, um Material der Hausdurchsuchungen zu sichten und evtl. verwenden zu können.

6. Was ist euch bisher selbst an dem Prozess aufgefallen? Gibt es Schikanen von Seiten des Gerichts?

Es sind die üblichen Schikanen gegen politische Gefangene, denen der Staat eine gewisse Bedeutung zumisst. Sie sind in feinmaschigen Käfige gesperrt, deren Stäbe so eng zusammenstehen, dass die Menschen hinter ihnen kaum zu erkennen sind. Zeugen der Anklage sagen hinter Stellwänden und vermummt aus. Außerdem sind zum Teil Kontaktsperren mit draußen (Postverbot) angeordnet worden. Es wird nicht zugelassen, wenn sie den Antrag auf das Verlesen einer Erklärungen stellen. Kaum gibt es Gerichtspausen, werden die Gefangenen in weit abgelegene Knäste im Süden des Landes (Siano bei Catanzaro) verfrachtet. Dies erschwert natürlich die Arbeit mit den Anwälten erheblich. Die Polizei ist im Gerichtsaal massiv präsent. Die Besucher werden gefilzt und ihre Ausweise kontrolliert. Das Übliche eben. Das hält aber weder Delegationen aus dem Ausland, Menschen aus Fabriken, Sozialen Zentren oder der Uni davon ab, den Prozess möglichst gut mitzubekommen und ihre Solidarität damit auch zum Ausdruck zu bringen.

7. Ihr plant eine internationale Delegation zum Prozess zu mobilisieren. Was wollt ihr damit erreichen?

Wir haben schon vier internationale Delegationen nach Mailand schicken können. In der Schweiz haben sich auch junge Leute, die nicht organisiert sind angeschlossen. Ihr Ziel war es zu zeigen, dass sie sich nicht abschrecken lassen wollen und dass sie den Kampf um eine revolutionäre Perspektive wichtig finden. Aus Spanien, Frankreich und Belgien kamen ebenfalls Angehörige der Roten Hilfe Strukturen die gemeinsam am Aufbau einer Roten Hilfe International interessiert sind. Die nächste Delegation wird zum Ende des Prozesses (04. Mai 2009) nach Italien fahren.

8. Welche Möglichkeiten seht ihr die Gefangenen zu unterstützen. Gibt es über Delegationen hinaus andere Möglichkeiten internationaler Solidarität?

Wichtig scheint uns, den Gefangenen eine Stimme zu geben, damit sie ihr politisches Projekt, die PC p-m, dem Widerstand in den diversen sozialen und politischen Bewegungen und in die internationalen Debatten vermitteln können. In der aktuellen Krise des Kapitalismus leisten die revolutionären Gefangenen mit ihrer aktiven Auseinandersetzung einen wichtigen Beitrag, der für uns alle draußen, die nicht wollen, dass es so bleibt wie es ist, von großer Bedeutung ist. In diesem Sinne ist der Kampf um Identität auch ein Kampf gegen Resignation und für eine revolutionäre Perspektive.


Interview: Anderslautern-Red. 23.03.2009

Für weiterführende Infos:
www.rhi-sri.org


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Kurzmeldungen:

Belgien:
Seit dem 01. März 2009 befinden sich über 280 Sans Papiers in der Sporthalle der Brüsseler Universität ULB im Hungerstreik. Die Hungerstreikenden setzen ihren Widerstand trotz bewaffneter Bandenangriffe fort und bei mehreren AktivistInnen erreicht der gesundheitliche Zustand kritische Ausmaße. Mehrere der Hungerstreikenden haben am 03. April einen Durststreik begonnen. Mit der Aktion, die nur einen Teil des Protests der Sans Papiers Bewegung darstellt, fordern sie Aufenthaltspapiere und soziale Absicherung.

Marokko:
Drei saharauische politische Gefangene befinden sich seit dem 13. Februar 2009 im marokkanischen Gefängnis von Marrakesch in einem unbefristeten Hungerstreik. Sie protestieren damit gegen ihre illegale Inhaftierung und die Haftbedingungen und fordern, als politische Gefangenen anerkannt zu werden. Die drei Gefangenen wurden im Rahmen ihres Engagements für Selbstbestimmung des sahaurischen Volkes verhaftet und gefoltert und sind mittlerweile aufgrund ihres ernsten Zustandes ins Gefaängniskrankenhaus überstellt worden.

Griechenland:
Aufgrund der Zunahme von Aktionen revolutionärer Organisation - wie z.B. der Bombenanschlag der Organisation "Revolutionärer Kampf" gegen die US-amerikanische Citibank vom 09. März 2009 - trafen Anfang April britische Offiziere von Scotland Yard in Athen ein, um die Zusammenarbeit in Puncto "Terrorismusbekämpfung" zu verbessern. Die Zusammenarbeit umfasste seit 2000 u.a. die Bekämpfung der Organisation "17. November" und die Sicherheitsvorkehrungen zu den Olympischen Spielen 2004.

Kurdistan:
Bei mehreren Demonstrationen, die in den kurdischen Gebieten der Türkei anlässlich des Geburtstages von Abdullah Öcalan (Führer der kurdischen Arbeiterpartei PKK) stattfanden, wurden in der Ortschaft Amara zwei Jugendliche getötet. Die Angriffe der Polizeikräfte, die mit Tränengas und Räumungsfahrzeugen die Demonstranten attackierten, führten dazu, dass zwei junge kurdische Demonstranten tödlich verletzt wurden. Die Ermordung der beiden Jugendlichen führte in mehreren kurdischen Orten zu Protesten.


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International

Knäste in Italien

Die spezielle Situation der kommunistischen und anarchistischen Gefangenen in Italien
Ein Interview mit einem ehemaligen politischen Gefangenen

Frage: Wie viele Genossinnen und Genossen sind heute noch im Knast?

Antwort: Von den Tausenden (über 6.000) Aktivisten der italienischen Guerillaorganisationen der siebziger und achtziger Jahre, die verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, haben heute "nur noch" etwa Hundert mit dem Knast zu tun. Ein Teil davon hat seine Haftstrafe abgesessen oder verbüßt sie noch, ohne seine revolutionäre Identität aufzugeben, doch der größte Teil hat beschlossen, mit seiner revolutionären Aktivität abzuschließen. Über die Jahre hinweg gab es die verschiedensten Wege, mit der Vergangenheit zu brechen: von der offenen Kollaboration mit dem Staat bis hin zur Verhandlung kleiner Gruppen oder Einzelner mit dem Staat, in dessen Hände man auf verschiedene Weise seine Kapitulation gelegt hat.

Man muss unterscheiden zwischen denen, die noch volle 24 Stunden im Knast sind, und denen, die tagsüber hinausgehen können, aber nur um zu arbeiten, und die jeden Abend wieder in den Knast zurückgehen müssen. Zur ersten Gruppe gehören "nur" ca. 50 Genossen, zur zweiten mehrere hundert Gefangene, von denen die meisten mit jeder Art von revolutionärer Aktivität oder auch mit jeder Art von Widerstand des Proletariats gebrochen haben. Zu dieser letzten Gruppe gehören alle Aktivisten der BR, mehrere Hundert zu langen Haftstrafen oder auch zu mehr als einmal lebenslänglich Verurteilten. Vielen dieser Gefangenen wurden die Haftstrafen verkürzt und sie haben nicht mehr viel mit dem Knast zu tun. Die anarchistischen und kommunistischen Genossen, die nicht mit dem lokalen und internationalen Kampf des Proletariats gebrochen haben, bleiben 24 Stunden im Knast, bis zum letzten Tag ihrer Haftstrafe, und wenn sie zu lebenslänglich verurteilt wurden, bleiben sie bis zu ihrem Tod im Gefängnis. Die zu lebenslänglich verurteilten Genossen, die noch an den Prinzipien der proletarischen Revolution festhalten, sind ca. 20, die fast alle zur BR-PCC gehören, unter ihnen auch die im Jahr 2003 Verhafteten.

Die Aktivisten der BR-PCC befinden sich in den Knästen von Biella, Sulmona, Latina (Frauenknast), Siano (Catanzaro) und Carinola (Caserta), einige in den "Abteilungen mit erhöhter Überwachungsstufe" (EIV) [eine Art Hochsicherheitsabteilung]. In diesen Abteilungen sind maximal 20 Gefangene, Gefangene, die entweder als unempfindlich gegen Resozialisierung oder als Terroristen betrachtet werden.

Frage: Unter welchen Bedingungen leben sie?

Antwort: Ihre Briefe, Bücher sowie Besuche werden unter fadenscheinigen Vorwänden erschwert und behindert, die Post unterliegt der Zensur. Für Besuche von Angehörigen stehen 6 Stunden pro Monat zur Verfügung, doch die weiten Entfernungen lassen oft gerade einmal 2 Stunden zu. Sie unterliegen hygienisch-sanitären Bedingungen, die ekelhaft und gefährlich sind. Sie müssen sich sogar Aspirin und Klopapier selbst kaufen, was bei allen Gefangenen in italienischen Knästen der Fall ist.

In den EIV-Abteilungen gibt es, mit Ausnahme einiger weniger Knäste, keinen Computer- und Spieleraum, sondern nur zwei Stunden Hofgang am Vormittag und zwei Stunden am Nachmittag oder Abend, aber nicht in allen Gefängnissen. Die Gefangenen können das Abendessen zusammen mit höchstens zwei anderen in einer Zelle zu sich nehmen. In den Zellen dürfen sie nur eine bestimmte Anzahl von Büchern haben (meistens 10), nur wenige Hefte für Anmerkungen, wenige und nur bestimmte Schreibstifte, und sonst nicht viel. Sie dürfen ein paar Kochtöpfe haben, um sich Nudeln zu kochen oder Eier zu braten, einen Camping-Gaskocher, etwas Unterwäsche, ein paar Jacken und wenige Schuhe. Sonst eigentlich nichts. Im Hof gibt es nichts außer einem verdreckten Loch und Beton, unten und an den Seiten. Über ihnen hängt ein Netz, das das Sonnenlicht teilweise abhält. Vier der im Jahr 2003 verhafteten Genossinnen und Genossen wurden nach nicht einmal zwei Jahren in die "Sektion 41 bis" [Hochsicherheitstrakt nach einem "Antiterrorismusgesetz" von 1975] von L'Aquila, Terni, Parma und Rebibbia (Frauenknast) verlegt, wo die alltäglichen Bedingungen noch schlimmer sind. Zum Beispiel dürfen nur drei bis vier Personen gleichzeitig Hofgang machen, man darf noch weniger Gegenstände wie Essen und Bücher in der Zelle haben. Es gibt nur zwei Stunden Hofgang. Besuche, auch vom Anwalt, finden hinter der Trennscheibe statt. Der Prozess findet per Videokonferenz statt, wo jede kollektive und auch individuelle Verteidigung schlicht unmöglich ist, einem a priori verweigert wird.


Aufruf zur 5. internationalen Prozessdelegation zum Prozess in Mailand am 3. /4. Mai 2009

Die Kommission für eine Rote Hilfe International ruft zur Bildung einer internationalen Prozessdelegation auf. Wir dokumentieren auszugsweise:

"Der lange und intensiv geführte politische Prozess in Mailand gegen die am 12.2.2007 im Zusammenhang mit der Konstituierung zur PC p-m (Kommunistische Partei politisch-militärisch) verhafteten GenossInnen geht dem Ende zu. Montag, dem 4. Mai wird der letzte Prozesstag sein. Die GenossInnen drinnen und draußen bereiten sich mit Treffen am Sonntag, dem 3.5. und Kundgebungen vor und im Gerichtssaal am 4.5. vor.

Die RHI ist Teil dieser Organisierung und lädt alle ein, sich daran zu beteiligen.

Der politisch offensiv geführte Prozess löste große Solidarität in Italien wie im Ausland aus. Die internationale Klassensolidarität wurde dadurch gestärkt und in der Praxis aufgezeigt, dass wir uns weder abschrecken noch spalten lassen. In diesem Kontext steht auch die Solidarität mit den belgischen GenossInnen nach dem Angriff der Repression gegen sie am 5.6.08.

Am Sonntag, dem 3.5. wird es ein Treffen mit GenossInnen, Angehörigen und FreundInnen aus Italien, der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien geben. (...)"

Die Kommission ruft dazu auf, nach Mailand zu mobilisieren und Grußbotschaften zu verfassen. Adresse für Anmeldung und Grußbotschaften:
info@rhi-sri.org


Gefangene aus dem PC p-m Prozess

Alle Gefangenen im Gefängnis:

Casa Circondariale
Via Camporgnago 40
I - 20141 Milano-Opera

Alfredo Davanzo
Andrea Scantamburlo
Bruno Ghirardi
Bortolato Davide
Massimo Gaeta
Salvatore Scivoli
Vincenzo Sisi
Claudio Latino
Davide Bortolato
Massimiliano Toschi

Die übrigen der 17 Angeklagten sind unter Hausarrest. Die aktuelle Liste der Gefangenen und ihrer aktuellen Adressen findet ihr unter:
www.autprol.org


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"Ich werde immer eine Tupamara bleiben"

Die uruguayischen Tupamaros waren der Prototyp der Stadtguerilla, die Guevaras Fokustheorie unter urbanen Bedingungen erprobten.

Yessie Macchi wurde 1946 in Montevideo geboren. Sie bekommt Kontakt zur MLN (Nationale Befreiungsbewegung), der Stadtguerilla, die die sozialistische Revolution im krisengeschüttelten Uruguay verwirklichen will. Im Jahr 1966 schließt sie sich der Organisation an. Als eine der meistgesuchten Frauen Uruguays wird sie zwei Mal verhaftet und entkommt im Rahmen spektakulärer Massenfluchten beide Male aus dem Gefängnis.

Am 13.6.1972 gerät auch die Gruppe um Yessie Macchi in ein Feuergefecht mit der Polizei und wurde festgenommen.

Man schickt sie durch verschiedene Kasernen des Landes. Eine Woche vor dem Putsch der Militärs werden 1973 je neun Frauen und Männer zu Geiseln des Staates erklärt. Unter barbarischen Bedingungen hält man sie in winzigen Verliesen und foltert sie immer wieder.

1985 tritt eine neu gewählte Zivilregierung ihr Amt an. Für die letzten politischen Gefangenen - unter ihnen Yessie Macchi - öffnen sich endlich die Gefängnistore. Die ersten Tage und Wochen der Freiheit sind wie ein Rausch. "Dann kam die Zeit, die wir die Depression nach der Freilassung nennen." Die Wiedereingliederung in das Alltagsleben ist extrem schwer. Die eingefrorenen Gefühle müssen wieder aufgetaut werden. Auch später treten Retraumatisierungen auf. Es ist ein beständiger Kampf gegen die Selbstzerstörung.

Die Doppelbelastung der Frauen führt dazu, dass sie in ihrer politischen Präsenz zurückgedrängt werden. Hinzu kommt die erneute Konfrontation mit den vertikalistischen Strukturen der politischen Linken. Mit den Jahren geht Yessie Macchi immer stärker auf Distanz zur offiziellen Linie der MLN. Sie kritisierte die Umdeutung des bewaffneten Kampfes zu einer Art "bewaffneten Patriotismus", wie sie im Rahmen der Integration der Tupamaros in das parlamentarische System von führenden Ex-Guerilleros vorgenommen wird.

Ihr eigener Weg war die Rückbesinnung auf die sozialen Kämpfe, insbesondere die der Frauen. Sie arbeitete als Hörfunkjournalistin und war Mitbegründerin der linken Nachrichtenagentur COMCOSUR. In Deutschland wurde sie durch den Film "Und plötzlich sahen wir den Himmel" und das Buch "Aber wir haben immer auf das Leben gesetzt" bekannt.

1993 besuchte Yessie Macchi die RAF-Gefangene Irmgard Möller im Knast in Lübeck. Es war wie ein Blick in den Spiegel. Beide sind fast gleichaltrig und wurden im selben Jahr verhaftet. In einem außergewöhnlichen Radio-Beitrag berichtete sie in Uruguay von ihrem Besuch, den sie als "einzigartige Symbiose zweier Frauen, die 15.000 km voneinander entfernt leben", erfahren hat. Und sie spricht "zu sich, zu Irmgard" in dem Versuch, ihre eigenen Erfahrungen zu vermitteln: "Aber ich fühle mich verpflichtet, ihr zu sagen, sie solle die Freiheit nicht idealisieren. Und langsam, damit sie jedes meiner Worte versteht, erkläre ich ihr, wie schwierig es ist, sich an das Leben zu gewöhnen, alles neu zu lernen. Vom Zünden der Lichter, wenn es Nacht wird, der Gewöhnung an tiefgreifende Veränderungen unserer geliebten Mitgeschöpfe und unserer eigenen Genossen und Genossinnen. Die anfängliche Hast, alles zu sagen, was man jahrelang nicht gesagt hat, und alle Lücken zu schließen, die sich in jenen Jahren geöffnet haben. Und dann die so häufige Depression, bis man das Gleichgewicht wiedererlangt hat." Zurück in Uruguay organisierte Yessie Macchi eine Kampagne zur Freilassung von Irmgard Möller, der sich die gesamte Leitung der MPP, der Bündnisorganisation der Tupamaros, anschloss.

Yessie Macchi verkörpert die andere Geschichte der Tupamaros, die unabgegoltene, mit der kein Staat zu machen ist. Eine Rebellin.


Buch

"Aber wir haben immer auf das Leben gesetzt..."

Zwölf Frauen, ehemalige politische Gefangene aus Uruguay, erzählen von ihrer Politisierung und ihren Aktivitäten in den 1960er und frühen 1970er Jahren. Sie berichten über den Militärputsch in Uruguay 1973, über ihre Hafterfahrungen, ihre Freilassung nach der Wiedereinsetzung einer Zivilregierung im Jahr 1985 und ihr heutiges Leben.

Die interviewten Frauen sind: Edda Fabbri, Lucía Topolansky, Nélida Fontora, Gloria Echeveste, María Elia Topolansky, Raquel Dupont, Yessie Macchi, Ulma López, Ivonne Trías, Mirta Maceda, Angeles Michelena, Cristina Finn, Cecilia Duffau.
ISBN 3-922611-59-1 | 272 Seiten erschienen 1998 | 14.50 Euro


Weitere Literatur und Filme:
Ein längerer Artikel zu Yessie Macchi ist auf der Homepage
www.political-prisoners.net vom 04. März 2009 nachzulesen.

Der Film aus den siebziger Jahren "Der unsichtbare Aufstand" von Constantin Costa-Gravas schildert den Kampf der Tupamaros.


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Entscheidung über Freilassung Abdallâhs fällt am 05. Mai 2009

Der Sicherheitsausschuss hat den Antrag auf Freilassung des seit fast 25 Jahren inhaftierten libanesischen Revolutionärs Georges Ibrahim Abdallâh am 26. März 2009 beraten und die Entscheidung auf den 05. Mai 2009 vertagt. Die Klassenjustiz des französischen Staates macht den politischen Charakter des Falles an mehreren Punkten deutlich. Zum einen wurde die Frist von zwei Jahren und drei Monaten, die zwischen dem Einreichen des Antrags am 06. Februar 2007 und der gerichtlichen Entscheidung liegen muss, rigoros eingehalten. Zum anderen ist es die Sicherheitsverwahrung gegen die lebenslänglich Verurteilten. Hierbei kommt dem Interdisziplinarausschuss die Aufgabe zu, die Gefangenen auf ihre "Gefährlichkeit" hin zu beurteilen. Diese Beurteilung wird dem Gericht vorgelegt, welche diese dann berücksichtigen kann. Die "Gefährlichkeit" Abdallâhs wurde vom Ausschuss am 22. Januar 2009 "diagnostiziert". Die intakten politischen Überzeugungen Abdallâhs seien demnach der Grund dafür, dass seine "Gefährlichkeit" fortbestünde.

Der libanesische Revolutionär Abdallâh der FARL (Bewaffnete Revolutionäre Libanesische Fraktionen) wurde am 24. Oktober 1984 in Lyon verhaftet und zu lebenslanger Haft für die Tötung einer isralischen Geheimdienstverantwortlichen und eines US-Militärattachés verurteilt. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in französischen Gefängnissen in Haft. Während der Jahre seiner Haft hat Abdallâh in nichts von seinem solidarischen Kampf mit den Völkern, die gegen Imperialismus und Zionismus und für die Befreiung Palästinas kämpfen, abgeschworen. In seinem ersten Prozess wurde er wegen Waffen- und Sprengstoffbesitz zu vier Jahren verurteilt. 1987 forderte der Staatsanwalt zehn Jahre Haft für Abdallâh. Der französische Staat, der die Interessen der USA und Israels berücksichtigt, erachtete das als unzureichend und Abdallâh wurde vor einem Sondergericht zu lebenslänglich verurteilt.

Obwohl Abdallâh seit 1999 hätte freigelassen werden können, setzte sich seine Verfolgung unvermindert fort.


Schreibt Georges Ibrahim Abdallâh

Georges Ibrahim Abdallâh, 1680-A
MC de Lannemezan, Rue des Saligues
BP 166, 65307 Lannemezan, Frankreich


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International

Dringend:
Ahmad Sa'adat ins Asqelan Gefängnis verlegt. Er befindet sich in Isolationshaft!

Am 19. März 2009 wurde Ahmad Sa'adat plötzlich vom Hadarim Gefängnis ins Asqelan Gefängnis verlegt, wo er sich in Isolationshaft befindet.

Ahmad Sa'adat, einer von 11.000 palästinensischen Gefangenen wurde wiederholt der Isolationshaft und Strafmaßnahmen des israelischen Regimes ausgesetzt. Sa'adat wird wiederholt von Gefängnis zu Gefängnis verlegt und befindet sich häufig in Einzel- oder Isolationshaft.

Die palästinensische Anwältin Buthaina Duqmaq, Vorsitzende des Mandela-Instituts für palästinensische Gefangene, erklärte dass dies ein Teil israelischer Politik gegen die palästinensischen Gefangenen sei. Auf Sa'adat werde besonders abgezielt, weil er beides ist: ein palästinensischer Staatsführer und ein Führer unter den Gefangenen, dessen Anwesenheit innerhalb des Gefängnisses die Einheit und die Standhaftigkeit der Gefangenen stärkt.

Außerdem leidet Ahmad Sa'adat an Rückenverletzungen, die medizinische Aufsicht und Behandlung erfordern. Anstatt die nötige medizinische Behandlung zu gewährleisten, verwehren ihm die israelischen Gefängnisbeamten den Zugang zu Spezialisten und sorgen für medizinische Unterversorgung und schlechte Behandlung. Nun setzen sie ihn wieder der Isolation aus, wo er mit weitaus verschärfterer medizinischer Vernachlässigung und Verletzung seiner Rechte konfrontiert wird.

Die Kampagne für die Freiheit von Ahmad Sa'adat fordert das Ende seiner Isolation und ruft dazu auf, dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) und anderen Menschenrechtsorganisationen zu schreiben, damit diese ihren Verantwortlichkeiten nachkommen und schnell zu agieren, um die Israelis dazu aufzufordern, Ahmad Sa'adat und allen palästinensischen Gefangenen die erforderlichen medizinischen Behandlungen zu gewährleisten und die Isolation zu beenden. Mailen Sie an das IKRK, dessen humanitäre Aufgabe die Überwachung der Zustände von Gefangenen einschließt. Schreiben Sie an jerusalem.jer@icrc.org und informieren Sie über die dringende Situation von Ahmad Sa'adat!

Die Gefangenschaft von Sa'adat, der wegen seiner leistungsfähigen und politischen Führung des palästinensischen Volkes zu einer 30-jährigen Strafe verurteilt wurde, steht exemplarisch für Israels Versuche, das palästinensische Volk und ihre nationale Befreiungsbewegung durch massive Repression zu isolieren. Sie haben es nicht geschafft, den Willen des Volkes von Palästina durch Gefangenschaft, Blutbäder und Belagerung zu brechen und werden es nie schaffen, den Willen von Sa'adat, der palästinensischen Gefangenen und des palästinensischen Volkes zu brechen.

Freiheit für Ahmad Sa'adat und alle palästinensischen Gefangenen jetzt!

Die Kampagne für die Freiheit von Ahmad Sa'adat
www.freeahmadsaadat.org


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Grup Yorum Gitarrist Cengiz verhaftet

Muharrem Cengiz, Gitarrist der revolutionären anatolischen Musikband Grup Yorum, wurde am 25. März 2009 im Istanbuler Gazi-Viertel festgenommen. Nach seiner Festnahme wurde er in das Gaziosmanpasa Revier gebracht und am 26. März nach seiner Vorführung beim Haftrichter vor dem Gaziosmanpasa Gericht verhaftet. Cengiz, gegen den der Vorwurf wegen seiner Selbstverteidigung gegen die Polizisten "Widerstand gegen die Staatsgewalt" lautete, wurde dem Schwurgericht in Besiktas vorgeführt und anschließend ins Metris Gefängnis verlegt.

Cengiz war bereits 2004 in Folge der internationalen Repressionswelle gegen vermeintliche Einrichtungen und AktivistInnen der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) verhaftet und nach mehrmonatiger Haft wieder freigelassen worden.

Neben Cengiz befanden sich bis zu 64 der anfänglich 82 Gefangenen des Repressionsschlages, der neben der Türkei in Belgien, der BRD, Italien und den Niederlanden durchgeführt worden war, aufgrund von durch die Polizei gefälschte Datenträger in Haft. Nachdem nun das Verfahren diesbezüglich beendet und das Urteil durch das Revisionsgericht bestätigt worden ist, wurde Cengiz erneut verhaftet.

Seine Band veröffentlichte daraufhin eine Erklärung, in der sie betonte: "Während in der Türkei jene, die das Land plündern, das Land in ein Korruptionssumpf verwandeln, das Land den Imperialisten auf einem goldenen Tablett servieren und Folterer und Mörder frei herumlaufen, kennen wir den Grund dafür, weshalb Muharrem Cengiz von 15 bis 20 Polizisten angegriffen, geschlagen, festgenommen und gefoltert wurde. Jeder weiß es!

Die Werte, für die Grup Yorum und Muharrem Cengiz stehen, sind jene Werte, die diesem Ausbeutungs- und Foltersystem sein Ende bereiten werden. Davor fürchten sie sich. Die Razzien, Verbote, Verhaftungen, Folter, jahrzehntelangen Haftstrafen und Vertreibungen, die wir als Grup Yorum seit unserer Gründung 1985 erleben, finden nur statt, weil sie sich vor diesen Werten fürchten.

(...) Wir verurteilen die Folter, Festnahme und Freiheitsberaubung gegen unseren Freund und Bandmitglied Muharrem Cengiz. Wir fordern das Ende der Repression gegen unserer Gruppe. (...)"

Für weiterführende Infos:
www.grupyorum.net


Grup Yorum Basegmeden / CD

Zu bestellen bei:
Jump Up
www.jump-up.de
Art-Nr.: NOL-00749
Lieferzeit: 2 Wochen
Preis: 12 Euro

Grup Yorum veröffentlichte auf dem Musiklabel Kalan (www.kalan.com) Ende 2008 sein bisher letztes Album "Basegmeden" (Aufrechten Hauptes).

Die musikalische Bandbreite umfasst neben dem von Grup Yorum gewohnten Stil neue Einflüsse westlicher moderner Musik wie Rock oder Hip Hop ohne die eigene musikalische Qualität in den Hintergrund zu stellen. An die vorherigen über 20 Alben anknüpfend enthält auch Basegmeden durchweg eindeutige politische Aussagen. So werden z.B. Gefängniskämpfe, Entfremdung und Vereinzelung, der Widerstand der Armenviertel gegen Abriss und Vertreibung oder imperialistische Besatzungen und Kriege thematisiert.

Seit Ende des Konzertverbots im Jahr 2003 steht die Band auch in der Türkei wieder auf der Bühne. Folgend die Tourneedaten für Europa:

26.04.2009: Straßburg
09.05.2009: Wien
10.05.2009: Stuttgart
30.05.2009: Hannover
14.06.2009: London


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Zweiter Xiros gegen Griechenland

Von Heike Schrader, Athen

Nach seinem Bruder Savvas hat nun auch Christodoulos Xiros Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen seine Haftbedingungen eingereicht.

Der ebenfalls im Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der griechischen Stadtguerilla 17N Verurteilte kämpft in Straßburg für eine Unterbrechung seiner Gefängnisstrafe zur Wiederherstellung seiner Gesundheit. Christodoulos Xiros leidet an einer erst im Knast entwickelten Allergie, die ihn bereits ein Dutzend Mal mit Symptomen eines lebensgefährlichen Schocks ins Krankenhaus gebracht hat.

Bei Haftbeginn im Juli 2002 wurde Ch. Xiros den üblichen Gesundheitstests unterzogen. Ergebnis: der Gefangene erfreue sich bester Gesundheit. Im April 2004 waren erstmals Symptome einer Allergie, Hautrötungen und eitrige Ausschläge, aufgetreten. Seit damals und bis heute leidet der zu sechs mal lebenslangem Gefängnis Verurteilte in immer stärkerem Maße an der rätselhaften Allergie. Nur während der Dauer des Berufungsprozesses, vom Frühjahr 2006 bis Frühjahr 2007 traten keine Beschwerden auf. Und nur in diesen Monaten hatte Christodoulos Xiros, als Angeklagter, die Möglichkeit, den unterirdischen Zellentrakt der politischen Gefangenen täglich für etwa 7 Stunden zu verlassen.

Wenige Monate nach Abschluss des Berufungsverfahrens verschlimmerte sich die Lage des nun wieder 24 Stunden am Tag in Kleingruppenisolation Weggesperrten. Am 17. Oktober vergangenen Jahres wurde Ch. Xiros erstmalig mit einem allergischen Schock auf die Intensivstation des nächsten Krankenhauses eingeliefert. In den darauffolgenden 15 Monaten wiederholten sich die lebensgefährlichen Anfälle insgesamt 12 Mal, zuletzt musste er am 4. Januar dieses Jahres in aller Eile ins Krankenhaus gebracht werden.

Mündlich hätten ihm eine ganze Reihe Ärzte bestätigt, dass die Ursache der Allergie in der unterirdischen Zellenumgebung zu suchen sei, äußerte sich Christodoulos Xiros aus dem Gefängnis. In der Krankenakte wird aber nur festgehalten, die Ursache der Allergie sei bisher unbekannt. Mit Bezug auf diese "Unbekanntheit" lehnte die Gefängnisverwaltung einen im Sommer 2008 gestellten Antrag auf Verlegung in einen anderen und vor allem überirdischen Zellentrakt ab. Wenige Monate später lehnte der zuständige griechische Gerichtshof den Antrag des Kranken auf eine fünfmonatige Strafunterbrechung für eine fundierte Behandlung im Krankenhaus ebenfalls ab.

Stattdessen verordneten wechselnde Ärzte dem Gefangenen eine immer stärkere Medikation. Antihistamininka wurden von Kortison in immer höheren Dosen ergänzt, obwohl die Langzeiteinnahme von Kortison selbst mit nicht unerheblichen Gesundheitsrisiken verbunden ist. Weil sich auch dadurch keine Symptomunterdrückung erzielen ließ - eine Heilung wäre nur durch die Beseitigung der Ursache zu erreichen - werden dem Gefangenen seit drei Monaten sogar eigentlich für die Chemotherapie bei Krebskranken eingesetzte Blocker verabreicht.

Der EGMR kann Griechenland nicht anweisen, Xiros die Haftunterbrechung zu gewähren oder ihn gegebenenfalls in ein anderes Gefängnis zu verlegen. Eine Verurteilung Griechenlands für die Haftbedingungen des Gefangenen hätte jedoch zur Folge, dass einem daraufhin zu stellenden erneuten Antrag in Griechenland selbst stattgegeben würde. Ein erster "Erfolg" ist bereits jetzt zu vermelden. Seit Eingang des Schreibens vom EGMR, die Klage werde geprüft, hält die Gefängnisverwaltung plötzlich die Termine für die dem Kranken verordneten Untersuchungen ein.


Als Mitglieder der Revolutionären Organisation 17N Verurteilte

Im Sommer 2002 gelang der griechischen Polizei nach einem missglückten Sprengstoffanschlag der Revolutionären Organisation 17. November (17N) ein Schlag gegen die 17N, bei der 19 Personen verhaftet wurden. Die 17N führte von 1975 bis 2002 einen bewaffneten Kampf in Griechenland und verübte Anschläge auf verschiedene Agenten der amerikanischen und britischen Geheimdienste in Griechenland sowie auf Angehörige der griechischen Geheimdienste und Sondereinheiten, griechische Industrielle und Politiker.

Alle Gefangenen im Gefängnis:

DIKASTIKES FILAKES KORYDALLOU
181 22 ATHENS-PIRAEOS
Griechenland

Alexandros Giotopoulos
Christodoulos Xiros
Dimitris Koufodinas
Iraklis Kostaris
Kostas Karatsolis
Nikos Papanastasiou
Savvas Xiros
Sotiris Kondylis
Thomas Serifis
Vassilis Tzortzatos
Vassilis Xiros


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Kurzmeldungen:

Spanien:
Am 21. März 2009 ist Jose Ortin Martinez, der ein langjähriger antifaschistischer Militanter und ein Mitglied der PCE(r) (Kommunistische Partei Spaniens [wiederaufgebaut]) und deren bewaffneter Arm GRAPO (Antifaschistische Widerstandsgruppen des 1. Oktober) war, in Gefangenschaft gestorben. Trotz 25 jähriger Haft, Isolation und Folter denen er ausgesetzt war wurde sein Wille nicht gebrochen. Er war im Laufe seiner Gefangenschaft an 10 Hungerstreiks beteiligt.

Baskenland:
Auf Anordnung des Untersuchungsrichters Garzon hat die spanische Polizei am 31. März 2009 8 Jugendliche in Hernani und Urnieta verhaftet. Alle Verhafteten befinden sich in Incommunicado-Haft und wurden nach Madrid gebracht. Von allen wurden die Wohnungen durchsucht, ebenfalls durchsucht wurden drei Bars, die Herriko Taberna und ein besetztes Haus. Computer, Kleidungstücke, Aufkleber, Wimpel und Propagandamaterial gegen den Hochgeschwindigkeitszug TAV wurden beschlagnahmt. Hunderte protestierten in Hernani am Abend gegen die Verhaftungen.

Baskenland:
Die acht Aktivistinnen und Aktivisten der baskischen Unabhängigkeitsbewegung, die im Januar dieses Jahres auf Anordnung des Richters Baltasar Garzón des Sondergerichts "Audiencia Nacional" verhaftet worden waren und sich seitdem auf Anordnung eben dieses Richters in vorläufiger Haft befanden, sind wieder frei. Die 2. Kammer des Sondergerichts hob die angeordnete Haft gegen eine Kaution von 6000 ? auf.

USA:
Der Fall des ehemaligen Black Panthers und Journalisten Mumia Abu Jamal, der seit mittlerweile 27 Jahren im Todestrakt in Pennsylvania eingesperrt ist, hat am 06. April 2009 eine negative Entwicklung genommen. Die letzte juristische Chance auf ein neues Verfahren wurde am 06. April 2009 durch den US Supreme Court abgelehnt. Mit der Ablehnung des Verfahrens ist die Gefahr der geplanten Hinrichtung ein großes Stück näher gerückt. Über den Antrag der Staatsanwaltschaft, die Aussetzung des Todesurteils aus dem Jahr 2001 zu beenden wurde von demselben Gericht zumindestens öffentlich noch nicht entschieden.


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International

Ein Beitrag von Protestbeteiligten
Repression im Rahmen der Proteste gegen den NATO Gipfel in Straßburg

In diesem Jahr feierte die NATO, das Bündnis der westlichen Kriegstreiber, den 60. Jahrestag ihres Bestehens. Mit diesem Artikel wollen wir über die repressive Situation informieren, mit denen die DemonstrantInnen bei den Protesten gegen die Feierlichkeiten in Straßburg und Baden Baden, die am 3. und 4. April stattfanden, konfrontiert wurden.

Die DemonstrantInnen sahen sich sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite mit einem übermäßigen Polizeiaufgebot konfrontiert. 16.000 Einsatzkräfte auf deutscher und 15.000 Einsatzkräfte auf französischer Seite versuchten die Proteste mit zahlreichen Kontrollen in geregelte Bahnen zu lenken.


Repression im Vorfeld

Bereits präventiv versuchte die Polizei DemonstrantInnen aus dem Ausland aufzuhalten, indem sie willkürlich Ausreiseverbote aus Deutschland verhängte. Von Meldeauflagen, Ausreiseverboten bzw. Einreiseverboten waren mindestens 140 Personen betroffen. Zwar hatten weder das Einreiseverbot, welches von französischer Seite verhängt wurde, noch das Ausreiseverbot der Bundespolizei für die meisten Betroffenen nach eingelegtem Widerspruch rechtlichen Bestand, dennoch wurden durch diese Schikanen viele - kurzzeitig oder sogar komplett - davon abgehalten nach Frankreich zu kommen und sich an den Protesten zu beteiligen.


Repression bei den Protesten

Die DemonstrantInnen, die es durch die zahlreichen - teils bewaffneten - Kontrollen schafften, waren mit massiver Polizeipräsenz konfrontiert. Von Beginn an kreisten Hubschrauber über dem Camp und mehrmals wurde durch die Polizei versucht das Camp von verschiedenen Seiten anzugreifen. Damit verdeutlichte die Polizei ihre Machtposition und zeigte damit den DemonstrantInnen auf, dass die Proteste in Straßburg unerwünscht sind. In Straßburg selbst wurde der Bahnverkehr größtenteils stillgelegt, Straßen abgesperrt, der Bewegungsspielraum aller durch Kontrollen eingeschränkt und durch Militärs und demonstrativ bewaffneter Polizei die Stadt in den Ausnahmezustand versetzt.

Trotz dieses bedrohlichen Szenarios ließen sich die ProtestteilnehmerInnen nicht abschrecken und verliehen ihrem Protest auf vielfältigste Art und Weise Ausdruck. Mit kleineren Aktionen, Straßentheater, Blockaden und Demonstrationen, zum einen aus Solidarität mit dem verstorbenen Gipfelgegner aus London und zum anderen gegen die NATO selbst, trugen die DemonstrantInnen ihren Protest auf die Straße. Die Bevölkerung solidarisierte sich mit den GipfelgegnerInnen, verteilte Wasserflaschen, jubelte den vorbeiziehenden Protestzügen zu und schloss sich teilweise den Aktionen an. Vereinzelt kam es auch zu militanten Aktionen und Auseinandersetzungen mit der Polizei, die teils zielgerichtet, oft aber leider unkontrolliert und ziellos waren.

Die Polizei begegnete den Protesten mit Wasserwerfern und Gas- und Schockgranaten. Zahlreiche DemonstrantInnen wurden eingekesselt, knapp 50 Personen verletzt und zwischen 150 und 300 Personen im Laufe der Proteste festgenommen. Davon wurden 10 Personen in einem schikanösen Schnellgerichtsverfahren ohne Beweisaufnahme und -führung an einer Hundeleine dem Haftrichter vorgeführt und zu Strafen zwischen 3 und 6 Monaten - teils mit teils ohne Bewährung - verurteilt und Einreiseverbote nach Frankreich verhängt. Nach der Urteilsverkündung kam es zu Protesten im Gerichtssaal, der brutal von Polizisten geräumt wurde. Zwei Gefangene aus der BRD kündigten Hungerstreiks aus Protest gegen diese Maßnahmen an.


Charakter der Repression

Die massive Polizeipräsenz und die permanente Machtdemonstration des Repressionsapparates bezweckte die Einschüchterung und Resignation der DemonstrantInnen, die letztlich zur Demoralisierung der Teilnehmer führen sollte. Die Arroganz der Polizei ging so weit, dass sie es nicht mehr für nötig befanden, bereits eingekesselte DemoteilnehmerInnen festzunehmen und diese verletzt und orientierungslos im nahegelegenen Wald liegen ließ. Mehrere Aktionen der Polizei entpuppten sich im Nachhinein als reine Schikanen, die weder für Ermittlungszwecke noch für etwaige Strafverfolgung relevant waren. Die zur ständigen Reaktion gezwungenen DemonstrantInnen waren nicht in der Lage aus der Defensive auszubrechen. Zwar wurden den DemonstrantInnen vereinzelt scheinbare Möglichkeiten zur Offensive gegeben, die sich allerdings als von den Polizei kontrollierte "Spielchen" herausstellten. Der Protest gegen die NATO wurde zwar von Anfang an kontrolliert, aber konnte dennoch nicht verhindert werden.

Es gilt aus den gemachten Erfahrungen zu lernen und Schlüsse für folgende Proteste zu ziehen.

Unsere Solidarität gilt denjenigen, die aufgrund von ihrem Protest gegen die Kriegstreiber in den Knästen weggesperrt sind!

Repression kann uns nicht einschüchtern!


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Brief von Cengiz Oban über die NATO

"Es ist ein Pakt von Mördern!"

Lieber.... ,

ich habe deine Post vom 15. Februar am 2. März bekommen. Mir geht es ganz gut. Ich habe am 19. März eine Haftprüfung. Ich werde persönlich auch dort erscheinen. Sie ist in Karlsruhe. Ich werde deshalb einige Tage oder sogar bis zu 2 Wochen nicht in Bochum sein. Gefangenentransporte dauern in der Regel so lang. Den Artikel aus der jungen Welt habe ich erhalten. Ich warte auf die Ausgabe 345 vom Info. Ich nehme an, die ist noch nicht erschienen.

Zur NATO möchte ich folgendes sagen:

Die NATO ist die Umsetzung der herrschenden Politik mit Waffengewalt in die Praxis. Es schafft den Nährboden für die imperialistischen Länder die armen Länder unter ihre Herrschaft zu stellen, sie zu besetzen, neue Märkte zu erschaffen, diese Länder auszubeuten und sie zu plündern. Diese Macht wird für Kriegserklärungen ausgenutzt. Es dient auch zur Stabilisierung der Systeme der Mitgliedsstaaten und somit zum Kampf gegen den legitimen Widerstand der unterdrückten Völker und ihrer Organisationen. Es ist ein Pakt von Mördern, die weltweit für Millionen Toten verantwortlich sind. Dieses wird mit verschiedenster Demagogien und raffiniertester Kriegsführungspsychologie vertuscht. Die Kriege auf dem Balkan und gegen, Afghanistan und Irak sind Beispiele hierfür. Im gleichen Zug werden Feindbilder erstellt, die als Terroristen bezeichnet werden. Durch schwarze Listen und Antiterrorgesetze werden revolutionäre und nationale Befreiungsbewegungen verboten und kriminalisiert. Die gemeinsamen Feindbilder erfordern die Zusammenarbeit der NATO-Länder, wobei das Resultat Repression und Verhaftungen ist. In den Artikel aus der jungen Welt vom 10.2. werden verschiedene Geschehnisse in der Türkei aufgezählt, wofür die NATO mitverantwortlich ist und vieles auch unter ihrem Schutz und nach ihrem Verlangen stattgefunden hat.

Ergänzend dazu waren sogar die Gefangenenwiderstände in der Türkei ein sehr wichtiges Thema für die NATO. Der Nationale Sicherheitsrat (MGK - Zusammenschluss von Militär und Politik, Anm. der Red.) der Türkei verlangte von der Regierung, die Empfehlung der NATO zu folgen und den Gefängniswiderstand zu brechen. Somit ist die NATO auch für die Ermordung der Gefangenen von Buca, Ümraniye, Ulucanlar am 19. Dezember 2000 mitverantwortlich. Diese Beispiele sollten ausreichen, um sich gegen die NATO zu stellen.

"Die treuesten Freunde der Deutschen waren immer die Türken. Das türkische Militär wird oft zu Unrecht kritisiert. Kaum ein anderer Staat war so natotreu wie die Türkei ... Wir haben allen Grund, türkeifreundlich zu sein.", sind die Worte vom Bundeswehrgeneral a.D. Gerd Schmückle im Juli 2001. Die herrschende Klasse in Deutschland hat natürlich viele politische und wirtschaftliche Gründe, um ein Land wie die Türkei nicht zu verlieren und ihr einen Gefallen zu tun.

Ich betrachte unsere Verhaftungen als ein Teil dieser Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Deutschland. Ein Beleg hierfür sind die Akten aus der Türkei, die eine große Rolle in unserem Prozess spielen werden.

Lieber..., ich hoffe es reicht erstmal auf die Fragen.

Liebe Grüße
Cengiz Oban
Krümmede 3, 44791 Bochum


no129.info - Komitee gegen die Paragraphen 129

Freiheit für Mustafa, Ilhan, Devrim, Hasan und Ahmet!

Die Soliarbeit für die Betroffenen im Paragraph 129b Prozess in Stuttgart-Stammheim kostet viel Geld. Deshalb sind wir auf eure Unterstützung angewiesen.

Bitte spendet!

Auch kleine Spenden helfen uns weiter.

Spendenkonto

Tayad Komitee
Postbank Hamburg
Kto: 79966205
BLZ: 20010020
Stichwort: no129

Schluss mit der Kriminalisierung!


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Kurzmeldungen:

Frankreich:
Am Freitag den 06. März 2009 wurde Jean-Marc Rouillan, Gefangener aus Action Directe, ins Knastkrankenhaus Marseille Nord eingeliefert. Wie es heißt leide er an einer infektiösen Lungenerkrankung - ohne bisherige genauere Diagnose. Erst durch den Druck von GenossInnen vor Ort, die bereits um sein Leben fürchteten, als auch durch einen befreundeten Arzt, der Alarm schlug, konnte erreicht werden, dass Jean-Marc ins Krankenhaus kam.

Frankreich:
Am 25. Februar 2009 hat der Pariser Cour d'Appell in 1. Instanz entschieden, dass Sonja S. (76) und Christian G. (67) nach 30 Jahren an die Bundesrepublik ausgeliefert werden. Sonja und Christian wurden seit 1978 gesucht und haben seit 2000 "geduldet" in Paris gelebt. Den beiden wird vorgeworfen an Aktionen der RZ in den siebziger Jahren beteiligt gewesen zu sein. Kontakt zu den Rechtsanwälten Hartmann und Heiermann aus Köln: info@raehrenfeld.de

England:
Während der Proteste gegen den G20-Gipfel in London geriet der Zeitungsverkäufer Ian Tomlinson zufällig in einen Polizeikessel und starb an einem Herzinfarkt. Wie aus Zeugenaussagen, die bei der "Unabhängigen Kommission für Polizeibeschwerden" eingingen hervorgeht, wurde Ian von der Polizei mit Gewalt angegriffen. Die in den Medien verbreitete Version eines "tragischen Unfalls" wird immer unglaubwürdiger, nachdem jetzt immer mehr Bilder und Zeugenaussagen bezüglich der Polizeigewalt auftauchen.

Türkei:
Der Devrimci Sol Hauptprozess, welcher kurz nach dem Militärputsch 1982 gegen 1243 Personen eröffnet wurde, ist am 07. April 2009 in Istanbul / Üsküdar fortgesetzt worden. Für 171 Angeklagte des Prozesses wird weiterhin erschwerte lebenslange Haft gefordert und der Prozess wurde auf den 21. Juli 2009 vertagt. Bereits am 06. April 2009 fand im Rahmen dessen ein weiterer Repressionsschlag in Manisa statt, bei dem es laut Meldungen zu mehreren Razzien und Festnahmen aus dem vermeintlichen DHKP-C Umfeld kam. Die kommunistische DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) gilt als Nachfolgeorganisation der Devrimci Sol (Revolutionäre Linke).


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Gefangene

Solidarität muss praktisch werden!

Warum es so wichtig ist Gefangenen zu schreiben und sie in die tägliche Arbeit einzubeziehen.

Ein Diskussionsbeitrag - für eine Auseinandersetzung, bei der wir uns über die Beteiligung von Gefangenen freuen würden.

Antirepressionsarbeit hat viele Gesichter, ob es nun Informationsveranstaltungen, Demonstrationen oder andere Aktionen zum Thema Repression und Eingesperrte sind. Ein wichtiger Gesichtspunkt dieser Arbeit, der direkte Kontakt zu den Inhaftierten, kommt leider oft zu kurz. Doch gerade dieses Gebiet ist unheimlich wichtig, zum einen für die Weggesperrten zum anderen für uns, da der Knast ein weiterer Schauplatz des Klassenkampfes und der Auseinandersetzung mit den Herrschenden ist. Viele sind hinter Gittern wegen "Eigentumsdelikten", weil sie sich aufgrund ihrer Klassenlage und den damit verbundenen Lebensbedingungen "Nebenverdienstmöglichkeiten" schaffen mussten oder ohne deutschen Pass keinen Zugang zu legalen Einnahmequellen haben. Andere weil sie aktiv gegen das kapitalistische System kämpfen.

Wir können Antirepressionsarbeit nicht losgelöst von Gefangenen betreiben, denn das wäre nichts anderes als Stellvertreterpolitik. Wir müssen vielmehr mit den Eingekerkerten zusammenarbeiten und unsere Praxis auch nach ihren Bedürfnissen ausrichten. Es muss uns darum gehen, die Stimme der Eingesperrten nach draußen zu tragen und ihnen einen Raum zu schaffen, wo sie sich artikulieren können. Wir können zwar von draußen versuchen uns den Knastalltag vorzustellen und theoretisch wissen bestimmt viele wie so ein Tag dort aussieht. Was Gefängnis aber wirklich bedeutet wissen diejenigen, die tagtäglich damit konfrontiert sind und die die Bedeutung von direkter staatlicher Unterdrückung am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Von den Menschen, die man liebt, getrennt und immer mit der Übermacht des Apparats konfrontiert zu sein? Diese Fragen können nur die Betroffenen selbst beantworten.

Da der Staat versucht, die Gefangenen von den Kämpfen draußen zu trennen und sie zu isolieren, müssen wir dem entgegenwirken, indem wir Kontakt zu ihnen zu suchen und so Möglichkeiten zu regem Austausch schaffen.

Unsere Aufgabe ist es sowohl die Inhaftierten in ihrem tagtäglichen "Kleinkrieg" gegen die Repression zu unterstützen und ihn gemeinsam mit ihnen zu führen, als auch sie in unsere Auseinandersetzungen hier draußen einzubeziehen. So können wir unserem Ziel, dem Niederreißen der Mauern vorgreifen. Genau das wollen die Herrschenden verhindern.

Der Kampf hinter Gittern ist ein existenzieller. Er ist anders bestimmt als die Kämpfe draußen. Aber auch wir müssen uns alltäglich wehren. Sonst sind die Gefangenen nur Projektionsfläche für Kämpfe, die mensch selbst nicht führt.

Wir können von den Gefangenen lernen auch unter schwierigsten Bedingungen zu widerstehen. Das sollte für uns der Ansporn sein, unsere Auseinandersetzungen zu intensivieren. Aber auch die Weggekerkerten können durch uns mitbekommen, wie das Leben draußen weitergehen kann und im Moment Kämpfe geführt werden. Damit können die Trennungen zwischen draußen und drinnen tendenziell aufgehoben werden.

Wir können von den Gefangenen lernen auch unter schwierigsten Bedingungen zu widerstehen. Das sollte für uns der Ansporn sein, unsere Auseinandersetzungen zu intensivieren. Aber auch die Weggekerkerten können durch uns mitbekommen, wie das Leben draußen weitergehen kann und im Moment Kämpfe geführt werden. Damit können die Trennungen zwischen draußen und drinnen tendenziell aufgehoben werden.

Wir müssen aufhören die Gefangenen getrennt von unseren Strukturen draußen zu sehen, denn sie sind kämpfende Subjekte, die gerade im Knast mit der Repression der Herrschenden konfrontiert sind. Auf diesem Terrain sind die Widersprüche noch viel zugespitzter als draußen. Im Knast gibt es keine Rückzugsmöglichkeiten, denn es ist ein täglicher Kampf um die persönliche Integrität und politische Identität. Der Widerstand richtet sich gegen den Versuch Menschen und ihre Ideen zu brechen und ihnen eine kapitalistische Verwertungslogik aufzudrücken. Die Repressionsbehörden mögen unsere Genoss_innen hinter dicken Mauern wegsperren, es darf ihnen jedoch nicht gelingen uns zu trennen und die Gefangenen von der Bewegung zu isolieren.

Die Isolation zu durchbrechen ist für drinnen wie draußen wichtig, denn nur wenn die Menschen hinter Mauern auch Teil unserer Praxis sind, schaffen wir bessere Bedingungen, für weitere Kämpfe auf dem Weg zur einer befreiten Gesellschaft.

Hier noch zwei Zitate von Eingesperrten, die zeigen, wie wichtig die Solidarität ist:

"... Eure Briefe sind für mich sehr wichtig, weil ich dann meine Einsamkeit vergesse..."

"... Es tut sehr gut, wenn ich von Euch Briefe erhalte. Ich kann Dir dieses Gefühl mit Worten nicht beschreiben..."

Hier noch ein paar praktische Tipps:

Legt auf Veranstaltungen Postkarten und Adresslisten aus und fordert die Besucher innen auf, den Gefangenen zu schreiben
Schreibt Postkarten und Briefe, legt Briefmarken für die Inhaftierten dazu
Berichtet ihnen in Briefen von Infoveranstaltungen, die ihr macht
Schickt Grußadressen an die Weggesperrten
Macht das Schreiben "an die drinnen" zu einem Teil eurer Praxis
Thematisiert das Thema auf Veranstaltungen und Demos


Redaktion


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Schreibt unseren Gefangenen!

Gefangenenadressen in aktualisierter Form auf www.political-prisoners.net

A. Düzgün Yüksel
JVA Stuttgart Stammheim
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Ahmet Istanbullu
JVA Wupperal
Simonshöfchen 26
42327 Wuppertal
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Birgit Hogefeld
Obere Kreuzäckerstr. 4
60435 Frankfurt

Cengiz Oban
JVA Bochum
Krümmede 3
44791 Bochum
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Christian Sümmermann
Bnr: 441/08/5
JVA Plötzensee
Lehrter Str. 61
10557 Berlin
Infos: www.freechristian.de.vu

Devrim Güler
JVA Stuttgart Stammheim
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Faruk Ereren
JVA Düsseldorf
Ulmenstr.95
40476 Düsseldorf
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Gabriel Pombo da Silva
JVA Aachen
Krefelder Str. 251
52070 Aachen
Infos: www.escapeintorebellion.info

Hasan Subasi
JVA Stuttgart Stammheim
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Ilhan Demirtas
JVA Stuttgart Stammheim
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Ilhan Yelkuvan
JVA Fuhlsbüttel, Haus 2
Suhrenkamp 92
22335 Hamburg

Jose Fernandenz Delgado
JVA Rheinbach
Aachener Str. 47
53359 Rheinbach
Infos: www.escapeintorebellion.info

Lukas Winkler
JVA Ebrach
Marktplatz 1
96157 Erbach
Infos: www.hausbesetzerinnensoli.de.vu

Marco Camenisch
Postfach 3143
CH-8105 Regensdorf
Infos: www.rhi-sri.org

Mustafa Atalay
JVA Stuttgart Stammheim
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Natalja Liebich
JVA Aichach
Postfach 1380
86544 Aichach

Nurhan Erdem
JVA Köln
Rochusstraße 350
50827 Köln
Infos: www.no129.info
www.political-prisoners.net

Rainer Dittrich
JVA Lübeck
Marliring 41
23566 Lübeck
Infos: www.beepworld.de/
derroteracher/rainerdittrich.htm

Stephanie Träger
JVA München
Am Neudeck 10
81541 München
Infos: www.hausbesetzerinnensoli.de.vu

Sven Mauer
JVA München-Stadelheim
Stadelheimerstr. 12
81549 München
Infos: www.hausbesetzerinnensoli.de.vu

Thomas Meyer-Falk
JVA Bruchsal, Z. 3117
Schönbornstraße 32
76646 Bruchsal
Infos: www.freedom-for-thomas.de
www.freedomforthomas.wordpress.com

Werner Braeuner
JVA Sehnde
Schnedebruch 8
31319 Sehnde


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Nur gemeinsam sind wir stark

Die Interessenvertretung Inhaftierter (Iv.I.) hatte sich
maßgeblich an dem bundesweiten Hungerstreik von über 500
Gefangenen im Sommer letzten Jahres beteiligt. Nun hat die
(Iv.I.) eine eigene Homepage:
www.ivi-info.de

Postanschrift:
(Iv.I.)
Am Womberg 16
61276 Weilrod


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"Wieviel sind hintern Gittern, die wir draußen brauchen!"

Politische Gefangene - Sendung zu Repression und Widerstand

Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis 19 Uhr.
Radio Flora aus Hannover sendet nur noch per Internet,
weil die zuständigen Stellen seit dem 31. März 2009 die
UKW-Frequenz abgestellt haben. Zu empfangen per Livestream über:
www.radioflora.de


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IMPRESSUM

Gefangenen Info
April 2009, Nr. 346

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 entstand.

HerausgeberInnen:
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen

V.i.S.d.P.:
Wolfgang Lettow c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin

Redaktionsanschrift:
Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin
E-Mail: inforedaktion@political-prisoners.net
Internet: www.political-prisoners.net

Bestellungen: Einzelpreis: 1,50 Euro. Ein Jahresabonnement kostet 29,90 Euro (Förderabo 33,20 Euro), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung bzw. ein Formular für eine Einzugsvollmacht, die Sie uns bitte zurückschicken.

Eigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum des Absenders, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist. "Zur-Habe-Nahme" ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es dem Absender mit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzuschicken.


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Quelle:
Gefangenen Info Nr. 346, April 2009
Redaktionsanschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin
E-Mail: inforedaktion@political-prisoners.net
Internet: www.political-prisoners.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2009