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DAS BLÄTTCHEN/953: Ende!?


Das Blättchen - Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
Nr. 7/2009 - 30. März 2009

Ende!?

Von Rolf Hecker


Vielleicht haben Sie es auch schon gehört: "Der Kapitalismus ist am Ende." Na gut, was dann? Wenn Sie beim Orthopäden sitzen und sagen "mein Knie ist am Ende", meint dieser nur lapidar, kein Problem, der Mensch ist eh nicht zum aufrechten Gang bestimmt. Falls Sie jünger sind, wird er Ihnen empfehlen, Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren.

Bleibt dem Kapitalismus auch nichts anderes übrig, wenn ihm täglich bescheinigt wird, er sei am Ende - na gut, er ist erst rund zweihundert Jahre alt, das ist menschheitsgeschichtlich kein Alter -, aber es geht ihm jetzt mal wieder physisch schlecht.

Er muß sich also besser ernähren, das heißt, frisches Kapital muß her, am besten vom Steuerzahler. "Capitalism is dead!", das ist noch viel schlimmer, also schon Tod. Dann gilt "Marx is back!" "Ätsch! Und Marx hatte doch Recht." Marx wurde schon auf der Wall Street in NY gesehen! Wahrscheinlich mit frisch gedrucktem "Kapital".

"Als die ersten Nachrichten von der amerikanischen Krise die Küsten Englands erreichten, stellten die englischen Ökonomen eine Theorie auf, die zwar keinen Anspruch auf Genialität, aber doch wenigsten Originalität erheben darf: Man sagte, der englische Handel sei gesund, aber - o weh! - seine Kunden und vor allem die Yankees wären ungesund. Der gesunde Zustand eines Handels, dessen Gesundheit nur auf einer Seite existiert - das ist ein Gedanke, der eines britischen Ökonomen würdig ist." Geschrieben vom Londoner Korrespondenten namens Marx am 6. November 1857, veröffentlicht in der New York Daily Tribune am 21. des Monats.

Der "Kapitalismus ist gescheitert" oder "Die Pleite des Kapitalismus ist da." Das ist jedoch nicht so wie eine Pleite bei gewöhnlichen Menschen. Wenn uns die Bank mitteilt, daß wir pleite sind, gibt es keinen Dispo mehr, und es bleibt nur, private Insolvenz anzumelden. Der Kapitalismus ist aber anders, er kann mit "Staatshilfe" leben. Für ihn gibt es eine feine Rettungsmaßnahme: "Verstaatlichung"! Verstaatlichung - welch Klang in unseren Ohren, es wird schon vom "VEB" geredet. Wie sagte Genosse Lenin? Der Staat müsse die Schlüsselpositionen der "Daseinsfürsorge", wie es heute heißt, besetzen: Banken, Elektrizitätswerke, Eisenbahnen und Wasserwerke.

Die hatte der Staat im Kapitalismus nun gerade verkauft, also für den doppelten Preis wieder zurückkaufen und den Staatssozialismus einführen? Okay, gute Idee, legen wir noch ein paar Milliarden drauf - Staatsverschuldung? Kein Problem. Marx in der New York Daily Tribune am 22. Dezember 1857: "Die Garantie des Disconto-Vereins [in Hamburg] selbst bedurfte, wie sich herausstellte, seinerseits einer neuen Garantie; überdies wurden die Vorschüsse des Staates, die in ihrer Höhe und auch in den Warengattungen, auf die sie gewährt wurden, begrenzt waren, eben gerade infolge der Bedingungen, unter denen sie gegeben wurden, relativ nutzlos, und zwar in dem Maße, wie die Preise fielen. Um die Preise zu halten, und so die eigentliche Ursache des Unheils abzuwehren, mußte der Staat die Preise zahlen, die vor dem Ausbruch der Handelspanik galten, und Wechsel diskontieren, die nichts anderes mehr repräsentieren als ausländische Bankrotte. Mit anderen Worten, das Vermögen der gesamten Gesellschaft, welche die Regierung vertritt, hätte die Verluste der privaten Kapitalisten zu vergüten. Diese Art Kommunismus, wo die Gegenseitigkeit völlig einseitig ist, erscheint den europäischen Kapitalisten ziemlich anziehend."

Also dann, wenn es denn so ist, sollten wir uns nicht so zickig anstellen: Raus mit dem Kapital!


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Quelle:
Das Blättchen, Nr. 7, 12. Jg., 30. März 2009, S. 8-9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2009