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CORREOS/091: WWF im Dienst des globalisierten Agrobusiness


Correos des las Américas - Nr. 160, 21. Dezember 2009

WWF im Dienst des globalisierten Agrobusiness

Von Javiera Rulli


Seit mehreren Jahren kommen wir im Correos immer wieder auf die ungute Rolle des WWF in Südamerika zu sprechen. WWF-Mitglieder mit Correos-Abo haben darauf reagiert, bei uns und beim WWF. Nun, diese Organisation fördert Monokulturen und gentechnisierte Landwirtschaf, mit Sicherheit gegen den Willen der grössten Mehrheit ihrer Mitglieder. Es führt kein Weg daran vorbei, sich den Informationen, die uns die Autorin liefert, zu stellen.


(Genf, 6.12.09) Der World Wildlife Fund hat sich in ein Umweltsekretariat für die globale Produktion von Ccommodities verwandelt. Runde Tische für die Nachhaltige Produktion der übelsten Monokulturen der globalisierten Landwirtschaft werden vom WWF angeführt. Der «Runde Tisch für nachhaltiges Soja» (Roundtable for Responsible Soja, RTRS) in dem Unternehmen wie Monsanto, Bunge, Syngenta, Cargill und ADM teilnehmen, ist das umstrittenste Beispiel. Eine Grossoperation in Sachen Greenwash der sozialen und ökologischen Zerstörung, welche die Soja in Südamerika bewirkt: Abholzung und Vergiftung von Umwelt und Menschen. Zahlreiche Menschenrechtsverletzungen des Agrobusiness werden vom WWF ignoriert, um «Zonen Hochwertiger Naturerhaltung» zu bewahren. Der WWF hat sich unter die mächtigsten Lobbygruppen bei der WTO eingereiht, um die Privatisierung der letzten Wälder und die «grünen» Zertifizierungen zu promovieren. Die Rolle von RTRS und WWF beim Klimagipfel in Kopenhagen und der WTO in Genf ist katastrophal.

Anlässlich der vierten RTRS-Konferenz von Mai 2009 eröffnete sich bei der Abschlussveranstaltung eine neue Perspektive, als Mechanismen für die Kompensierung und Vermarktung von CO2 für das Sojabusiness zur Sprache kamen. Vorgestellt von Jason Clay, Leiter der Markt-Abteilung des WWF und Vizepräsident des WWF-USA. Clay, ein enthusiastischer Neoliberalisierer und Wirtschaftsglobalisierer, ist auch ein eifriger Verfechter der Agrotreibstoffe. Er präsentierte den CO2-Markt als die neue Chance für das Agrobusiness. Clay fördert für das zukünftige Klimaprotokoll den Einbezug von Soja in zwei mögliche Finanzierungsmechanismen: a) in die REDD-Mechanismen (englisches Kürzel für Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern), bei denen die Sojapflanzer entschädigt würden, wenn sie auf ihrem Grossgrundbesitz ein paar Waldflächen stehen lassen, und b) den Zugang zu CO2-Krediten für Praktiken, die unter «Naturschutz» laufen.


Wälder privatisieren, Indígenas vertreiben

Im Juni 2009 versicherte Jason Clay in einem RTRS-Kommuniqué: «Die Herausforderung besteht jetzt darin, Entschädigungsmechanismen für die Produzenten zu finden, um Wälder und Böden zu schützen, indem ihnen der Verkauf von CO2 zusammen mit ihrer Soja erlaubt wird. Dies wäre ein Win-win-Situation für alle: Wälder und Böden werden erhalten, die Produzenten haben eine zusätzliche Einnahmequelle, Detailhändler und Unternehmen können jetzt nachhaltige Soja kaufen, um ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Erste Studien deuten darauf hin, dass die Produzenten in Waldgebieten mit dem CO2-Handel mehr einnehmen als mit Soja. Dies verändert die Soja fundamental und macht sie zu einer neuen Commodity».

Ein neuer Bericht der Universität Utrecht enthüllt die Operation, um an CO2-Kredite gegen Soja zu gelangen, was von Clay selbst als Rettung der RTRS interpretiert wird. Er besagt, dass zurzeit bei Befolgung der RTRS-Kriterien keine grösseren Anreize für das Agrobusiness existieren. Die grossen Produzenten seien nur gegen eine beträchtliche ökonomische Belohnung bereit, ihre Praxis zu ändern. Dies sei so, weil die Soja für die Konsumenten und Märkte ein unsichtbares Produktionsmodell darstelle, für die Produzenten aber einen unbeschränkten Gewinn bringe. Der Runde Tisch drohe zu scheitern, da die Unternehmen sich nicht ernsthaft beteiligen. Das Sojabusiness wisse, dass es keine Medienkampagnen gebe, die seinen Markt ernsthaft beeinträchtigen könne. Deshalb sei APROSOJA, eine der grössten brasilianischen Vereinigungen von Sojaproduzenten, die ein Viertel der brasilianischen Ernte einbringt, kürzlich aus dem RTRS ausgetreten.

Konkret schlägt der WWF vor, dass der RTRS die Entwicklung von Mechanismen fördere, damit die Sojeros im Mass der Fläche ihres erhaltenes Waldes zum internationalen Markt von CO2-Krediten Zugang erlangen. Dann könnte Soja zusammen mit CO2-Krediten im Schnitt von $5-10 pro Tonne verkauft werden (id.) Den WWF scheint nicht zu berühren, dass sich die Soja ausdehnt. Seine Priorität besteht darin, sich eines als Zone Hochwertiger Naturerhaltung katalogisierten Restwaldbestandes zu bemächtigen oder Umwelttechniken bei den von den Sojagrossgrundbesitzern übrig gelassenen Waldresten anzuwenden. Damit könnte das Agrobusiness unter einem Ökodeckmantel von der Privatisierung der letzten Wälder profitieren und die Vertreibung von indigenen und Campesinacomunidades veranlassen. Im Norden könnten die Unternehmen weiterhin Soja einkaufen und gleichzeitig ihre Kontaminierungsquoten verringern. Der Erfolg des Gipfels in Kopenhagen könnte nach Jason Clay die grossen Produzenten zur Rückkehr an den Runden Tisch bewegen.


Freihandeln für Umweltschutz

Gleichzeitig betreibt das Agrobusiness unter dem Begriff «bewahrende Landwirtschaft» eine starke Lobby bei der FAO und vor dem United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC, Klimarahmenkonvention der UNO) ebenfalls mit dem Ziel, CO2-Gutschriften für seine Monokulturen einzuheimschen. Die Nachhaltigkeitskriterien des Runden Tisches könnten in diesem Fall die Basis für zukünftige Clean Development-Mechanismen (CDM) abgeben und/oder die Mitgliedorganisationen des RTSR könnten sogar als nationale Zertifizierungsinstanzen agieren.

Es gelang schon, das erste Methodologieprojekt für CDM anerkennen zu lassen, das mit Sojaproduktion zu tun hat. Es besteht darin, Bakterien, die Stickstoff binden, in Sojasaatgut einzuimpfen. Das Projekt wurde von Becker Underwood entwickelt, die schon eine Allianz für die Herstellung und die Kommerzialisierung solcher Bakterien mit Monsanto eingegangen ist.

Unter diesem «bewahrenden» Label werden auch Kredite für Direktsaat vorangetrieben (s. unten). Direktsaat ist ein fundamentaler Bestandteil des biotechnologischen Pakets der gentechnisch manipulierten Soja. Die Kombination von RR-Soja und Direktsaat ist ein Verkaufshit. Die mit dem Pflug bewerkstelligte mechanische Unkrautvernichtung wird durch die chemische mit Glysophat ersetzt. Richtig müsste man von direkter chemischer Saat sprechen. Die argentinische Vereinigung der Direktsaatproduzenten, AAPRESID, hat im Vorgriff auf die neue Politik schon ein Programm für potenzielle Zertifizierungen von CDM-Mechanismen lanciert.

Monsanto ihrerseits hat erreicht, dass das in den USA zur Abstimmung anstehende Klimagesetz den CO2-Handel für Landwirtschaft und Direktsaat beinhaltet. In der Lobby für die «bewahrende Landwirtschaft» treffen wir, dieses Mal in der Plattform zu Klimawechsel, Landwirtschaft und Handel der Organisationen ICTSD-IPC, wieder auf WWF und Jason Clay (s. unten). Seit 2008 vertritt Clay den WWF in der WTO-Lobby IPC, die von Cargill, Monsanto, Bunge und ADM dominiert wird. Die Plattform ICTSD-IPC veröffentlichte im Oktober eine Serie von Empfehlungen an die Gipfeltreffen der WTO in Genf und der Klimakonferenz in Kopenhagen. Ihr Bericht schlägt vor, die Doha-Runde abzuschliessen, die Produktion von Nahrungsmittel mit neuen Technologien zu verstärken und die «bewahrende Landwirtschaft» und die CO2-Vermarktungsmechanismen als Hauptmittel für die Anpassung an den Klimawechsel zu unterstützen.

Eine der Hauptbestrebungen dieses Berichts ist es, zu verhindern, dass internationale Abkommen zum Klimawechsel den Freihandel und die WTO-Prinzipien beeinträchtigen könnten. Es gehe um die Kohärenz von Klimaschutz und Freihandel. Handelsliberalisierung wird als ökologische Massnahme definiert: «.. würde den Fluss von Produkten aus Regionen, wo Nahrung mit niedrigen CO2-Emissionen hergestellt wird, in solche mit höheren Emissionen verbessern».

Man sollte die Macht des ICP nicht unterschätzen. Diese Organisation wurde angegriffen, weil sie die Klage vor der WTO gegen das Gentech-Moratorium in Europa erstattet hat. Sie war auch in die Verwässerung der Biodiversitätskonvention verwickelt, um sie WTO-kompatibel zu machen. Wir ersehen aus ihrer Homepage überrascht, dass der WWF finanzierendes Mitglied ist. Was erklärt, warum der WWF sich weder gegen Freihandel noch gegen Gentech wendet.


Gentechnisierte Nachhaltigkeit

Die Zustimmung des WWF zu Gentech wird von Mal zu Mal offenkundiger. Seit letztem August beteiligt er sich an der «Global Harvest Initiative» von Monsanto, DuPont und ADM. Dabei geht es um eine PR-Kampagne für Biotech. Mit dabei der WWF und Conservation International. Zur Kampagneneröffnung referierte Clay zum Thema «Nachhaltigkeit und die Kapazität, die Welt zu ernähren»

Letzten September ging der WWF eine Allianz mit dem Unternehmen Novozymes ein mit dem Namen «Biosolutions Initiative - Eliminating the first billion tonnes of CO2. Novozymes, ein führendes Unternehmen in Biotech, ist auf Bakterien und Enzyme spezialisiert, das die Entwicklung von Agrosprit der 2. Generation massiv pusht. Zuvor hatte der WWF Dänemark den auf Kalkulationen von Novozymes beruhenden Bericht «Industrial Biotechnology - more than green fuel in a dirty economy?» publiziert. Dieses Papier pusht vor allem die «weisse Biotechnologie», die Bioökonomie und das neue Konzept von Bioraffinerie (s. unten). Im Wesentlichen geht es dabei um die Verwendung von gentechnisch manipulierten Zellen und Enzymen für die Industrie und die Energieerzeugung. In einem ins Internet durchgesickertem Dokument geht es um die Kollaboration des WWF mit Novozymes am Klimagipfel. Es geht dabei um die Agenda von Europabio, der grössten Bio-Lobbygruppe in Europa Clay hat sich auch für die 2. Generation der Agrobrennstoffe wie das Cellulose-Ethanol ausgesprochen.

Die vierte RTRS-Konferenz bestätigte die Verträglichkeit von gentechnisch manipulierter Soja mit den Nachhaltigkeitskriterien. Auch bei den Pestiziden kam es zu keiner Verurteilung der Praxis: Besprayung im Abstand von nur 30 m zu einer Siedlung wurde als nachhaltig taxiert, bei Besprayung aus einem Flugzeug gelten 200 m! Auch punkto Abholzung war man nicht sehr restriktiv: verantwortliche Soja kann in bis Mai 2009 abgeholzten Gebieten wachsen. Selbst danach erschlossene Waldgegenden können dafür qualifizieren, wenn es sich nicht um Zonen Hochwertiger Naturerhaltung handelt(9).


WWF: Mitglieder desinformieren, Bewegungen sabotieren

Die RTRS-Kriterien entsprechen den Wünschen von herausragenden Mitgliedern des Runden Tisches wie Unilever, Monsanto, Syngenta. Cargill, Bunge, Carrefour, ADM, BP oder IFC (gehört zur Weltbank-Gruppe). Mit dabei sind auch die grossen Sojaproduzenten des Kontinents wie die Gruppe Grobo aus Argentinien, die Ländereien im ganzen Cono Sur besitzt; die Gruppe Maggi des Ex-Gouverneurs von Matto Grosso, des weltweiten grössten Sojaproduzenten und die von Monsanto geförderte argentinische AAPRESID. Auch Naturschutz-Verbände wie Nature Conservancy, Conservation International und südamerikanische Ableger des WWF und von Birdlife sind bei RTRS dabei. Umgekehrt trifft der Runde Tisch bei Umweltschutzgruppen und sozialen Organisationen vor allem des Südens von Beginn weg auf Ablehnung. Er wurde als Greenwash für die Ausweitung des Soja-Modells angegriffen.

Die erwähnten Informationen enthüllen den Handlungsrahmen des WWF. Die Organisation ist offiziell dem Prinzip der Vorsicht bei Gentech verpflichtet, obwohl ihre Praxis das genaue Gegenteil besagt.Sie promoviert heute Gentech. Dieses heuchlerische Vorgehen verwirrt die Öffentlichkeit und die lokalen Gruppen der Organisation in höchstem Mass. Der WWF arbeitet in Sachen Marketing und Sensibilisierungsstrategien für seine Mitglieder mit grösster Sorgfalt. Doch diese haben keine Ahnung von der internationalen Dimension und Unternehmerseite der Organisation. Sie verfügen auch nicht über die Mittel, das internationale politische Spiel der internationalen Division des WWF zu verfolgen und gegebenenfalls abzulehnen.

Die Allianzen des WWF mit der Industrie machen ihn zu einer neuen Lobbygruppe.

Es scheint, dass eine Rolle des WWF darin besteht, Kritiken und Vorschläge der sozialen Ökologiebewegungen und der sozialen und kritischen wissenschaftlichen Organisationen zu behindern. Der Panda-Bär endete als treuer Diener, der eine Umweltsymphonie anstimmt, damit das Modell der globalisierten Wirtschaft über einen angeblich nachhaltigen Ausweg verfüge. Es ist Zeit, die schmutzigen Geschäfte dieser Organisation zu entlarven. Es ist Zeit, dass der WWF auf verdiente Ablehnung stösst.


Die Autorin ist Mitglied des argentinischen Grupo de Reflexión Rural und hat zuletzt in Paraguay in einer bäuerischen Bewegung gearbeitet. Sie begleitet eine Delegation aus dem Cono Sur in Genf (WTO) und Kopenhagen (Klimagipfel).



Bioökonomie:
«Eine auf Biotechnologie beruhende Ökonomie, die erneuerbare Rohstoffe, insbesondere Biomasse und ihre Gene, für die Herstellung von Produkten und Energie zu möglichst geringen Umweltkosten benutzt und Arbeit und Einkommen erzeugt».

Bioraffinerie:
Ein Begriff analog zu petrochemischen Raffinerie, bei der in integrierten Prozessen verschiedene Produkte erlangt werden. Bioraffinerie impliziert eine Industrie, die mehrere Umwandlungsprozesse integriert, um Produkte von Transportbrennstoffen (Ethanol und Biodiesel) bis zu hochwertigen chemischen Produkten zu erzeugen.

Biotechnologie:
Hier Gentech bei in industriellen Fertigungsprozessen verwendeten Bakterien oder Enzymen. Direktsaat: Dabei wird auf das Pflügen und Umgraben verzichtet. Die Saat wird buchstäblich in den Boden gebohrt.

ICTSD:
International Center for Commerce und Sustainable Development

IPC:
International Food and Agricultural Trade Poliy Council. Das IPC wurde 1987 explizit gegründet, um die Freihandelsregeln für Landwirtschaftsgüter in der die WTO begründenden Uruguay-Runde durchzusetzen. Es verlangt die Eliminierung von Zollbarrieren im Trikont und ist neutral bezüglich Subventionen für das Agrobusiness in den USA. Es ist ein Instru ment der US-Multis Cargill, Bunge, ADM und Monsanto, deren Interessen in die von ihnen ausgearbeiteten WTO-Regeln eingegangen sind.


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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 160, 21. Dezember 2009, S. 32-34
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
Redaktion: Postfach, 8031 Zürich, Schweiz
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E-Mail: zas11@sunrise.ch

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2010