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AUFBAU/577: Mobilmachung an der Strasse von Hormus


aufbau Nr. 98, Sep/Okt 2019
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Mobilmachung an der Strasse von Hormus


Das Säbelrasseln im Nahen Osten geht weiter. Als Kristallisationspunkt der Auseinandersetzung hat sich der viel befahrene Persische Golf erwiesen. Hier verdichten sich eine Vielzahl wirtschaftlicher wie militärischer Interessen auf engstem Raum.

(az) Im Juni stieg die Kriegsgefahr im Nahen Osten erneut. Erst wurden zwei Tankschiffe beschädigt, wofür die USA und Saudi Arabien den Iran verantwortlich machten. Am 20. Juni schoss der Iran eine amerikanische Drohne ab, worauf Trump am darauffolgenden Tag einen Luftangriff auf den Iran erst in letzter Minute absagte. Angegriffen wurde dann aber doch, und zwar via Sanktionen und Cyber-Attacken auf die iranischen Revolutionsgarden. Auch im Juli gingen die Auseinandersetzungen weiter. Erst stoppte der Iran einen britischen Tanker, danach antwortete Grossbritannien mit der Festsetzung eines iranischen Tankers. Seitdem diskutiert die Welt über einen neuen Militäreinsatz zum Schutz der Handelsschiffsfahrt.

Dass sich dieser Konflikt in der Strasse von Hormus abspielt, ist kein Zufall. An der schmalsten Stelle der Meeresenge liegt der Iran nur 55 Kilometer vom gegenüberliegenden Oman entfernt. Die vielbefahrene Seeroute ist zentraler Ort des Ölhandels. Der Persische Golf verbindet die führenden Ölproduzenten mit den Abnehmerstaaten. Sinkt die Transportkapazität durch die Kriegsgefahr, steigt der Ölpreis. Wer die Strasse von Hormus kontrolliert, hat entsprechende Macht auf die weltweite Wirtschaft. Entsprechend rigoros will man in den imperialistischen Zentren die freie Fahrt der Rohstoffe verteidigen.


Aktion und Reaktion

Die Ereignisse der vergangenen Monate sind das Ergebnis globaler Asymmetrien. Ungleiche Machtverhältnisse rufen bei den schwächeren Kräften in der Regel ein absehbares Verhalten hervor. Mit möglichst wenig Einsatz gilt es einen möglichst grossen Effekt zu erzielen. Mit diesem Prinzip konnte sich Nordkorea jahrzehntelang an den Verhandlungstisch drängen. Diesem Prinzip folgt auch der Iran, wenn er sich in Militäreinsätzen eines Schiffes bemächtigt. Wohl weiss das Land, dass es militärisch unterlegen ist. Allerdings bildet der Persische Golf die Schwachstelle etlicher Staaten, die auf Öl angewiesen sind. Die Intention des Irans ist einfach: Kann die Gefahr an der Strasse von Hormus erhöht werden, bildet dies einen Gegendruck zu den von den USA erlassenen Sanktionen infolge ihres einseitigen Ausstiegs aus dem Atomabkommen. Dies würde den Iran dank Unterstützung einiger europäischer Staaten zurück an den Verhandlungstisch bringen. Allerdings ist dies ein Spiel mit dem Feuer, denn die USA und einige europäische Staaten sind durchaus bereit, ihre Interessen militärisch durchzusetzen.


Die EU am Persischen Golf verteidigen

In den europäischen Ländern ist man gespalten, wie auf den iranischen Druck zu reagieren ist. Die einen fordern mehr diplomatische Interventionen, die anderen ein militärisches Eingreifen. Wichtiger allerdings als die Frage, was man tun muss, ist die Frage, welche Rolle die USA dabei spielen sollen. Grossbritannien forderte im Juli noch eine rein europäische Mission, hat sich nun aber besonnen und ist bereit unter militärischer Führung der USA zu funktionieren. Frankreich hingegen will als vereinte europäische Stimme handeln. Unter diesem Vorzeichen ist es auch zu verstehen, wieso Macron den iranischen Aussenminister an den G7-Gipfel in Biarritz einlud und nun versucht, ein Treffen zwischen Trump und dem, iranischen Präsidenten zu organisieren. Dies hat allerdings weniger mit einer von europäischen Medien attestierten Vernunft zu tun, denn mit Macrons persönlichem Interesse, sich als Vermittler zu inszenieren, als auch mit Frankreichs Interessen in der Region. Dieses besitzt einen militärischen Stützpunkt in Abu Dhabi und hofft auf mehr Einfluss auf die Vereinigten Arabischen Emirate, die im Gegensatz zu den USA kein Interesse am militärischen Konflikt haben und jüngst auf Abstand zu den USA gingen.

In Deutschland unterstützt man Frankreichs Vorgehen, ist allerdings innenpolitisch gespalten, ob es nicht doch einen militärischen Einsatz bräuchte. Während die CDU/CSU bereit für einen Einsatz wären, gibt sich die SPD skeptisch. Manche Dinge ändern sich aber nie. So kann sich gerade der Deutsche Grünen-Chef Robert Habeck einen europäischen Militäreinsatz durchaus vorstellen. "Deutschland muss in Verantwortung gehen" und dürfte die Initiative nicht den Amerikanern überlassen, liess er anfangs August verlauten. Dieser Einsatz hiesse dann wohlwollend "europäische Mission" und "eine klare Rechtsgrundlage" müsse gegeben sein. Ins gleiche Horn bläst auch die grüne Ko-Vorsitzende Annalena Baerbock, die Deutschland eine fehlende "Führungsverantwortung" in der EU vorwirft, und eine verbesserte "europäische Rüstungszusammenarbeit" fordert. Bei den Grünen ist man vorbereitet für die nächste Regierungsarbeit.


Verschärfter Kampf um Rohstoffe

2012 gründete sich in Deutschland die Rohstoffallianz. Der Zusammenschluss grösserer deutscher Industrieunternehmen, darunter Bayer und Thyssen Krupp, sorgte sich um die Rohstofflieferung und forderte ein stärkeres staatliches Engagement bei der Rohstoffsicherung. Vorbild für den damaligen Vorsitzenden Dierk Paskert war die militärische Politik der USA und Chinas, die beide die Rohstoffversorgung als zentrales geopolitisches Interesse erkannt haben. So liess er 2013 in einem Interview verlauten: "Die Präsenz des US-Militärs am Persischen Golf oder der massive Ausbau der chinesischen Seestreitkräfte dient eben auch dem Schutz dieser Interessen." Die offenen Worte der Industrie offenbaren zweierlei. Erstens benötigen der Kapitalismus und seine führenden Nationen einen freien Zugang zu Rohstoffen. Hierfür ist das Kapital bereit, auch kriegerische Auseinandersetzungen zu fördern. Zweitens täuscht die aktuelle Debatte um mögliche Militäreinsätze darüber hinweg, wie militarisiert die Gegend am Persischen Golf bereits ist. Die amerikanische Flotte kreuzt seit Jahrzehnten umher, genauso wie etliche Länder militärische Stützpunkte in den angrenzenden Ländern besitzen. Die weitere Aufrüstung erhöht einzig das Risiko, dass aus dem alten Säbelrasseln bald schon ernst werden könnte.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 98, September/Oktober 2019, Seite 3
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2019

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