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AUFBAU/343: 20 Jahre Revolutionärer Aufbau - 20 Jahre Bruch und Kontinuität


aufbau Nr. 71, januar 2013
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

20 Jahre Revolutionärer Aufbau - 20 Jahre Bruch und Kontinuität



JUBILÄUM Am 17.11 feierte der Revolutionäre Aufbau Schweiz sein 20jähriges Bestehen. Dazu drucken wir ein Interview mit drei GenossenInnen über Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Revolutionären Aufbaus.


(gpw)
Frage: Wie war die politische Situation als ihr den Revolutionären Aufbau 1992 gegründet habt?

P: Die revolutionäre Linke war nach dem Aufschwung in den 70er und dem Aufflackern von Widerstandsbewegungen an verschiedenen Widerspruchslinien in den 80er Jahren an Grenzen gestossen. In den durchaus vorhandenen Klassenkämpfen reduzierten sich Interventionen auf reines "Widerstand leisten". Eine umfassende revolutionäre Perspektive war höchstens noch in allgemeinster Form vorhanden. Dementsprechend die organisatorische Fragmentierung, die fehlende politische Kontinuität und die strategischen Defizite. Ein Aufbau der revolutionäreren Kräfte war notwendig, sollten sie gesamtgesellschaftlich je wieder einmal eine Rolle spielen.

A: Diese historische Entwicklung beschränkte sich nicht nur auf die Schweiz. Den lokalen Situationen entsprechend, entwickelte sie sich wohl ungleichzeitig und mit anderen Schwerpunkten, aber alle in eine ähnliche Richtung: in die politische Defensive. Für uns stand irgendwann fest, dass wer die Zukunft erobern will, die Geschichte kennen muss. Und so machten wir uns auf den Weg, die historischen Anknüpfungspunkte der revolutionären Spur in der kommunistischen Bewegung, z.B. der KPD in Deutschland oder der KPS in der Schweiz (1919-21), im revolutionären Antiimperialismus Asiens, Lateinamerikas oder Afrikas und vor allem aber in den bewaffneten Bewegungen Europas zu suchen. Wo wurde die Machtfrage konkret mit der Politik verbunden, die der revolutionären Perspektive neue Formen und Möglichkeiten eröffneten? [Die Machtfrage ist nicht mit der Machtergreifung gleichzusetzen, Anm. d. R.] Die Anknüpfungspunkte begleiten den Aufbauprozess bis heute: es geht um den, revolutionären Prozess, seine Gestaltung und Entwicklung - damals, heute und morgen, konkret!

Frage: Welche Rolle spielt der Zusammenbruch des Revisionismus (Staatssozialismus) in Osteuropa?

P: Für den Aufbauprozess im Konkreten spielte der Zusammenbruch des Revisionismus keine bedeutende Rolle. Dieser war ja nur der Endpunkt jahrzehntelanger Entwicklungen, die wir schon immer kritisierten. Wir hatten klare Positionen bezogen: Ablehnung der friedlichen Koexistenz mit dem Imperialismus, gegen die Restauration des Kapitalismus und beispielsweise für die Kulturrevolution und für den bewaffneten Kampf gegen den Imperialismus - auch in Westeuropa. Der Zusammenbruch hatte allerdings einen grossen Einfluss auf die objektiven Rahmenbedingungen, in denen wir uns mit unserem Prozess bewegen mussten. Die Herrschenden kamen gestärkt aus dieser Auseinandersetzung hervor. Die Auflösung des sozialistischen Ostblocks wurde auch von grossen Teilen der Linken mit dem Ende des Kommunismus gleich gesetzt. Fundamentale politische Grundsätze kamen ins Wanken, was unsere Arbeit erschwerte.

Frage: Wie ordnet ihr euch historisch ein? In welcher Tradition steht der Aufbau?

P: In einem Satz: In der Tradition des revolutionären, kämpfenden Proletariats und der kommunistischen Bewegung im Allgemeinen; mit all ihren Errungenschaften, aber auch Brüchen und Fehlern. Die Frage ist: was müssen KommunistInnen im revolutionären Kampf beachten? Wir gingen von unseren aktuellen Fragestellungen aus und lernten aus den gemachten Erfahrungen, auch in schwächeren Phasen des revolutionären Prozesses die Machtfrage und damit die Zerschlagung der bürgerlichen Herrschaft ins Zentrum unserer Überlegungen und Handlungen zu stellen.

Frage: Könnt ihr die Grundidee und Annahmen des Aufbaus kurz darstellen? Haben die sich in den vergangenen 20 Jahren geändert? Wenn ja, in wie fern?

P: Die 'Grundidee' ist 'einfach'. Sie ist täglich in den vorzufindenden gesellschaftlichen Bedingungen enthalten und übrigens so alt wie die kommunistische Bewegung selbst. Auch nach 1989 hat sich am absolut destruktiven Charakter des Kapitalismus, und der damit einhergehenden notwendigen Überwindung dessen, nichts geändert. Dies kann unserer Meinung nach nur mit revolutionären Mitteln bewerkstelligt werden. Dies wiederum setzt den Aufbau revolutionärer Kräfte im umfassenden Sinne voraus: ideologisch, politisch und organisatorisch.

Frage: Welches waren die wichtigsten Etappen?

P: Die vergangenen Etappen waren immer fliessend, der Übergang in die Nächste nicht genau abgrenzbar. Der Aufbauprozess begann mit der Auseinandersetzung über Methoden. Entsprechend den objektiven Verhältnissen mussten wir sozusagen bei null beginnen. Wie erreichen wir Einheit? Wie gehen wir mit Unterschieden und Widersprüchen um? Wie lässt sich der revolutionärere Prozess vorwärtsbewegen, wie ist er strukturiert usw.? Es brauchte kollektive und einheitliche Instrumente, so etwas wie eine gemeinsame Sprache, spezielle Methoden eben, um den Aufbauprozess anzugehen. Ohne diese Sprache wäre das Projekt Aufbau, wie so viele Organisationen, über kurze oder lange Zeit zerbrochen. Diese Fragen und die damit verbundene Einheitsfindung war eine zentrale Etappe. Es schloss sich eine Etappe an, in der organisatorische Fragen ins Zentrum rückten. Dazu kam als Voraussetzung jedes revolutionären Prozesses, die wissenschaftlich-theoretische Arbeit und die konkrete Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen und Verhältnisse. Die Auseinandersetzung von strategischen Überlegungen und Zielen, also die Bestimmung über den konkreten Weg, der beschritten werden soll, war ein weiterer wichtiger Schritt nach vorne.

Da eine revolutionäre und kommunistische Perspektive der Klassenkämpfe heranreifen muss, diese momentan in der Schweiz jedoch kaum sichtbar ist, charakterisiert sich der Verlauf des aktuellen revolutionären Prozesses durch die Fähigkeit zur Reproduktion der revolutionären Kräfte. Dieses Moment bestimmt auch die Aufgaben in der Etappe des Aufbauprozesses in der wir uns heute befinden.

A: Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass wir historisch vor vielen offenen Fragen stehen, die nicht nur uns, sondern die revolutionäre Bewegung weltweit betreffen, welcher ideologischer Ausrichtung auch immer. Es geht jetzt darum, nicht nur die historische Etappe korrekt zu erfassen, um die daraus entstehenden historischen Aufgaben zu erkennen, sondern diese, damals wie heute, mit den bereits erwähnten Anknüpfungspunkten richtig in Verbindung zu bringen. Also auch in einem konkreten Prozess das objektiv Notwendige mit dem subjektiv Möglichen zu verbinden. Wir dürfen uns nicht scheuen, uns auf Widerspruchsfronten raus zu wagen, auf deren Fragen und Probleme wir nicht immer Antworten oder Lösungen haben, wo Fehler auch Teil eines Aufbauprozesses sind, wo auch experimentiert und erkämpft wird.

Frage: Oft wird dem Aufbau vorgeworfen, in alten Denkmustern befangen zu sein (z.B. Begriff des Proletariats). Wie seht ihr das?

K: Für mich waren diese Fragen sehr wichtig. Die klare Positionierung und die politischen Kategorien, die dadurch gebildet werden konnten, waren einer der Gründe für meine Organisierung im Aufbau. Wir setzen uns mit diesen Begriffen auch auseinander und theoretisieren sie in Verbindung mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen. Dies kann in verschiedenen Aufbautexten nachgelesen werden.

A: Wir kennen diese Kommentare, sie sind nicht neu und haben uns über viele Jahre begleitet. Die 20 Jahre Initiative zeigt wohl am besten auf, dass sie nicht der Realität entsprechen, sonst könnten wir nicht mit all den jungen GenossInnen zusammen diese Initiative, die in erster Linie von ihnen gewollt wurde, auf die Beine stellen! Wir haben uns immer die Frage gestellt, was denn revolutionäre Kontinuität bedeutet und wie ein kontinuierlicher Aufbau von Gegenmacht aussehen sollte. Was bleibt an den bereits erwähnten zentralen Eckpfeilern kommunistischer Politik (nebst Studium marxistischer Wissenschaft, Aneignung ihrer Instrumente und abgeleitet die Entwicklung einer authentischen Methode, Organisierungsmodell usw.)? Wie finden diese ihren realen Platz in der aktuellen Dynamik der Klassenkämpfe, im Kampf um einen revolutionären Prozess?

Frage: Mit der Frage des 'woher' ist die Frage nach dem 'wohin' verknüpft. Was sind die nächsten Schritte des Aufbauprozesses? Wie sieht die Perspektive aus?

P: An der Perspektive an sich hat sich nichts geändert. Es geht darum, die revolutionären Kräfte zu stärken und proletarische Gegenmacht aufzubauen. Ein Blick in die aktuellen Vorgänge in der Welt genügt, um genügend Argumente dafür zu haben: Sozialabbau, Verarmung, Zerstörung der Umwelt, Kriege, reaktionäre Mobilisierungen soweit das Auge reicht. Es ist klar, wir stehen erst am Anfang unseres Kampfes.

Frage: Du hast dich erst später im Aufbau organisiert. Warum? Wie ist es in eine grosse bestehende Organisation einzutreten? Wie sah der Integrationsprozess aus?

K: Vor dem Aufbau organisierte ich mich in der SP und später in der Juso, in dieser Reihenfolge, da es die Juso zu Anfang nicht gab. Nach einem kurzen Abstecher in die PdA, organisierte ich mich im Aufbau. Der Grund aus heutiger Sicht war der, dass ich eine Organisation suchte, die eine Bruchposition zum Kapitalismus einnahm und eine revolutionäre Perspektive formulierte. Damals konnte ich das jedoch noch nicht so artikulieren. Der Integrationsprozess war 1993 noch nicht voll entwickelt. Ich organisierte mich nach einigen Diskussionen in einer Arbeitsgruppe und wurde durch Teilnahme an der Praxis und durch Schulungen eingebunden. Erst mit den Jahren entwickelten wir die Strukturen und entsprechende Instrumente, mit denen GenossInnen Schritt für Schritt integriert werden und sich authentisch entwickeln können, ohne die Gesamtorganisation zu blockieren.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 71, januar 2013, Seite 12
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2013