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AUFBAU/254: Frauenkampf - Männer oder keine, entscheiden wir alleine!


aufbau Nr. 60, März/April 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

FRAUENKAMPF
Männer oder keine, entscheiden wir alleine!


8. MÄRZ - Jedes Jahr stellt sich die Frage von Neuem: die Männerbeteiligung an der Demonstration zum Internationalen Frauenkampftag, die in Zürich seit Jahrzehnten eine Frauendemonstration ist.


(fk) Folgendes ist ein fiktives Gespräch mit Meinungen und Überlegungen, welche wir durch Kurzinterviews mit Männern und Frauen aus verschiedenen politischen Zusammenhängen und Lektüren gesammelt haben.

Rosa, Clara und Alexandra treffen sich nach einer gemeinsamen Vorbereitungsaktion zum 8. März in einer Bar. Rosa erzählt genervt, dass sie beim Flugblatt verteilen wieder einmal auf Ablehnung stiess. Eine junge Frau sagte ihr, sie gehe nur an die Demo, wenn ihr Freund sie begleiten dürfe. Es entwickelt sich folgendes Gespräch:

ROSA: Die Frauendemo war wichtig für die Frauenbewegung, sie ist eine Errungenschaft der früheren Kämpfe, ein erkämpfter Frauenraum. Die Demo entstand aus der Notwendigkeit, sich als Frau die Fähigkeit anzueignen, selbstbestimmt und unabhängig für die eigenen Forderungen einzustehen. Heute ist die Situation eine Andere. Geschlechterrollen haben sich verändert und gewisse Forderungen der Frauenbewegungen wurden erfüllt. Wir können uns also fragen, ob es immer noch richtig ist, die Frauendemo in dieser Form beizubehalten.

CLARA: Ja, es hat sich vieles verändert und verbessert. Aber das Grundlegende, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, hat sich nicht verändert. Die Frauen machen immer noch die schlecht bezahlten Arbeiten, sie haben immer noch alleine die Verantwortung im Haushalt und sie erleben den alltäglichen Sexismus. Ich glaube, wir müssen weiterhin den Frauenkampf in die eigenen Hände nehmen. Die Männer sind den Frauen gegenüber privilegiert, sie können den Kampf so nicht führen wie wir, das müssen wir selbst machen.

ALEXANDRA: Ich denke, die Demo wäre eine Möglichkeit, wo sich Männer solidarisch zeigen könnten. Es gibt solidarische Männer, die sich ernsthaft für den Frauenkampf interessieren.

CLARA: Warum sollen Männer ausgerechnet an diesem Tag mitmachen. Es gibt so viele Gelegenheiten, sich zu solidarisieren. Sie können sich an der ganzen Kampagne beteiligen, sie können Solidaritätsaktionen machen und sie können sich 364 Tage im Jahr im Alltag solidarisch zeigen.

ROSA: Eine Demo ist jedoch oft die erste Möglichkeit, in Kontakt zu kommen mit dem Thema des Frauenkampfes. Die Demo könnte also auch ein Ort der Politisierung für Männer sein.

ALEXANDRA: Ein Problem ist, dass wir offenbar nach aussen nicht vermitteln können, warum dieser Tag nur für Frauen sein soll und aus welchen Gründen wir diesen Tag in Anspruch nehmen. Oft höre ich Leute - auch aus der linken Szene - die ein völliges Unverständnis dieser Frauendemo gegenüber haben.

CLARA: Das ist ein allgemeines Problem. Es ist schwierig, differenzierte Dinge verständlich zu vermitteln, insbesondere wenn auf beiden Seiten überzeugende Argumente vorhanden sind. Um zu verstehen, warum wir in dieser Form und mit diesen Inhalten auf der Strasse sind, bedarf es einer Auseinandersetzung.

ROSA: Ich befürchte trotz Männerbeteiligung an diesem Tag kein grösseres Bewusstsein zur Frauenfrage. Es ist wie ein Alibi, eine einfache Art Solidarität zu zeigen.

CLARA: Wenn die Männer teilnehmen wollen an der Demo, ist dies erstmal gut und richtig, weil sie sich solidarisch zeigen. Aber als zweiten Schritt, in der tieferen Auseinandersetzung, wäre es solidarischer und bewusster, eine Frauendemonstration zu respektieren.

ALEXANDRA: Aber es sind oft Frauen selbst, die nicht einsehen, warum eine Frauendemo nötig ist. Die jungen Frauen von heute sehen sich als gleichberechtigt, sie nehmen nicht wahr, dass es eine Frauenunterdrückung gibt und sehen unsere Demo als Auftritt der "Kampflesben". Wir müssen uns auch taktische Überlegungen machen, nämlich wie wir die Menschen in ihrem Alltag abholen können. Diese Problematik müssen wir analysieren, warum Feminismus und Frauenkampf als verstaubte Begriffe von alten, verbitterten "Weibern" gelten.

ROSA: Vielleicht sollten wir einfach mal mit Zahlen belegen, wo und wie die Frau diskriminiert wird und dass es deshalb immer noch notwendig ist, die Frauendemo zu machen. Mir fallen tausend Beispiele ein, wo die Fakten eine klare Sprache sprechen: Frauenlöhne, Doppelbelastung, wenig Frauen in Politik und Wirtschaft, Gewalt an Frauen, Schönheitswahn, Arbeit in schlecht bezahlten Bereichen, kein Selbstvertrauen, etc.

ALEXANDRA: Das sind aber keine Argumente, warum die Demo nur für Frauen sein soll. Wir könnten sagen: kommt Männer, wir brauchen euch, damit ihr mit uns gegen die Frauendiskriminierung kämpft.

ROSA: Ich finde, den berühmten Satz von Marx, "Die Befreiung der Arbeiter kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein", können wir durchaus auch auf die Frauenbefreiung übertragen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich Frauen auch unter sich organisieren, selbst die Dinge in die Hand nehmen und die Verantwortung nicht abgeben.

CLARA: Und weil im Alltag die Männersolidarität fehlt, weil viele Männer ihre Rolle nicht grundsätzlich in Frage stellen, weil es zwischen Frau und Mann dieses Gefälle gibt, deshalb ist die Frauendemo noch nicht gemischt. Es ist der Spiegel der gesellschaftlichen Realität. Die Frauendemo widerspiegelt die reale Spaltung und Entfremdung zwischen Frau und Mann. Dies wollen wir zwar verändern, sind jedoch erst auf dem Weg dazu.

ROSA: Genau, das ist ein Paradox des Frauenkampfes. Eigentlich streben wir die Gleichheit zwischen den Geschlechtern an, eigentlich möchten wir die Wege zusammen gehen. Und genau darum müssen wir immer wieder darauf hinweisen, dass in unserer Gesellschaft Frau und Mann eben nicht die gleichen Rollen haben, dass das Geschlechterverhältnis geprägt ist von Machtstrukturen und Unterdrückung.

ALEXANDRA: Oft ist es nicht einfach, dieses Thema anzuschneiden, es wird sehr schnell moralisch und emotional. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in dieses "Opfer-Täter-Schema" reinrutschen.

ROSA: Das stimmt, aber es ist eben emotional, weil das Geschlechterverhältnis uns ganz persönlich und unsere Beziehungen unter Genossinnen und Genossen tangiert und beeinflusst, Wenn wir über geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sprechen, dann sind wir alle unmittelbar davon betroffen und es ist viel schwieriger, eine sachliche Distanz zu wahren, als beispielsweise bei einer Diskussion über die Imperialismustheorie von Lenin.

ALEXANDRA: Wichtig ist, dass wir nicht anklagen. Beide Seiten - auch die Frauen - müssen sich bemühen, traditionelle Rollen zu brechen und neue Verhältnisse zu schaffen. Das ist manchmal hart, denn die individuelle Auseinandersetzung mit der Geschlechterfrage zeigt, wie sehr wir unsere Rollen verinnerlicht haben.

CLARA: Ich finde auch, dass beide Geschlechter sich bemühen müssen, um mit der patriarchalen Scheisse aufzuräumen. Aber ich möchte trotzdem betonen, dass aufgrund der objektiven Position in der Gesellschaft vor allem die Frau ein reales Interesse am Frauenkampf hat, während der Mann in der heutigen männerdominierten Gesellschaft durchaus gewisse Privilegien hat. Es ist also nicht unsere Aufgabe den Männern zu sagen, "emanzipiere dich!". Nur durch einen starken Frauenkampf können wir unsere Interessen durchsetzen. Nur wenn der Mann gezwungen wird, wird er seine Privilegien loslassen. Wir müssen so stark werden, dass der Mann einfach nachziehen muss.

ALEXANDRA: Aber die Männer sind auch betroffen von gesellschaftlichen Zwängen, sie müssen auch gewisse Rollenbilder erfüllen, damit sie akzeptiert sind. Ich kann mir vorstellen, dass es auch nicht angenehm ist, immer unter Leistungsdruck zu stehen und den harten, starken, selbstbewussten Mann rauszuhängen.

ROSA: Dann müssen wir einfach eine Demo machen, bei der Frauen und Männer gemeinsam etwas angreifen, ohne dass die Männer ein Soli-Anhängsel für den Frauenkampf sind. Z.B. eine Demo gegen Geschlechternormen oder das bürgerliche Familienmodell. Eine solche Demo könnte an einem anderen Datum stattfinden. Eine Demo an der Männer ihre eigenen Transpis, ihre eigenen Forderungen mittragen. Ihre eigene Auseinandersetzung, ihre eigenen Gedanken zum Geschlechterverhältnis vermitteln. Männer verstehen oft nicht, dass es nicht nur ein solidarischer Kampf für Frauen ist, den sie da mitkämpfen wollen, sondern dass es auch für sie selbst eine Befreiung aus der Männerrolle ist.

CLARA: Wow, das wäre genial, dies bedingt aber, dass die Männer selber initiativ werden.

ROSA: Wir müssen die Auseinandersetzung vorantreiben, wir sind die Triebkraft. Wenn es uns nicht gelingt, die Männer für kleine Schritte im Frauenkampf zu motivieren, dann machen wir etwas falsch.

CLARA: Aber es ist doch nicht unsere Aufgabe den Männern zu sagen wie und was sie tun sollen. Entweder sie emanzipieren sich selber und erkennen die Vorteile, die es auch für sie gibt, oder sie werden gezwungen ihre Männerrolle abzulegen.

ROSA: Es ist wichtig, die verschiedenen Themen miteinander zu verbinden, wir führen den Frauenkampf ja immer als Teil im Klassenkampf. Unser Hauptangriff gilt immer noch dem Kapitalismus. Wir kämpfen sowohl gegen die private Aneignung der gesellschaftlichen Produktion, als auch für die Aufhebung des Widerspruchs zwischen privater Reproduktion und kollektiver Produktion als Grundlage für alles Weitere. Dies geht Hand in Hand.

ALEXANDRA: Genau! Perspektivisch wollen wir ja darauf hinaus, dass wir eben zusammen mit den Männern unsere klassenlose Gesellschaft gestalten, in welcher kein Geschlecht, keine Ethnie, andere ausgrenzt, unterdrückt und ausbeutet.

CLARA: An dieser Perspektive halten wir fest, auch wenn eine reine Frauendemo scheinbar etwas anderes ausdrückt. Aber eben nur scheinbar, denn die kollektive Eigeninitiative der Frauen für neue Geschlechterverhältnisse schafft überhaupt erst die Voraussetzungen, damit Frau und Mann sich auf Augenhöhe begegnen können.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 60, März/April 2010, S. 9
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Bern, Postfach 87, 3174 Thörishaus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2010