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AUFBAU/245: Die europaweiten Studentenproteste sind in der Schweiz angekommen


aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Wessen Uni? Unsere Uni!

BILDUNGSKAMPF - Die europaweiten StudentInnenproteste sind in der Schweiz angekommen. Ein Bericht aus der Aula in Basel.


(rabs) Mittwoch (11.11.) morgens, 10 Uhr: StudentInnen der Universität Basel besetzen die Aula im Kollegienhaus, den grössten Raum, den die Universität zur Verfügung hat. Stühle werden aus dem Weg geräumt, Plakate und Transparente an die Wände und den Eingang gehängt, im mit Sprays geschmückten Hinterhof wird ein Soundsystem aufgebaut. Was viele im Vorfeld nicht für möglich hielten, ist Realität geworden: Die studentische Protestbewegung ist in der Schweiz angekommen.

Angefangen hat das Ganze mit der Besetzung des Audimax in Wien. Der Protest gegen die Entwicklung im Bildungsbereich, in dem es immer mehr darum geht, die Menschen für den Arbeitsmarkt abzurichten, ist schnell auf andere Unis in Österreich übergeschwappt. Auch die StudentInnen in Deutschland führen in immer mehr Städten Besetzungen durch. So geht in diesen Tagen immer wieder jemand mit dem Megafon durch die Eingangshalle, um zu verkünden, welche Uni sich gerade den Protesten angeschlossen hat. Inzwischen sind es etwa 40 Universitäten, in denen Räumlichkeiten besetzt gehalten werden. Am Dienstag 19.11., dem International Students Day reihten sich mit den Besetzungen in Bern und Zürich zwei weitere Universitäten in die Proteste ein.


Alltag in der besetzten Aula

In der vergangenen Woche wurde in und um die Aula viel gearbeitet und aufgebaut. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden konkrete Forderungen erarbeitet, die sich neben den die StudentInnen betreffenden wie Entschulung der Unis und Abschaffung der Studiengebühren auch mit dem Putzpersonal solidarisieren. Zur Verbindung dieser Anliegen entstand ein Text, der klar benennt, dass dieser Kampf an der Uni Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Missstandes ist und Bildung nach unseren Interessen nur jenseits des kapitalistischen Systems möglich sein wird (siehe www.schattenblick.de -> Infopool -> Medien -> Alternativ-Presse -> AUFBAU/243: Über Bologna und die Privatisierung der Bildung). Im Hof kochte jeden Tag eine Gruppe für AktivistInnen und sonstige Studierende. Am Abend gab es Konzerte und DJs. Geschlafen wurde in der Aula oder im separaten Medienraum, für den wir die Garderobe besetzt hielten. Die Stimmung war trotz auftretender Müdigkeit und Demotivierung immer wieder von Euphorie und Zuversicht geprägt. Das Bewusstsein über das Erreichte in diesen Tagen, der Bewegungscharakter dieses Protestes und die vielen Leute, die rund um die Uhr zusammen kämpfen, hat eine belastbare Basis für weitere Kämpfe an der Uni und in der Gesellschaft geschaffen.


Repressionsdrohungen

Je länger die StudentInnen sich in der Aula aufhielten, desto stärker wurde der Druck von Medien und Universitätsleitung. Neben der täglich von verschiedenen Zeitungen angekündigten Räumungsandrohungen durch die Polizei, wurde ihnen der Zutritt zur Technik verwehrt. Das hiess konkret, dass sie weder Heizungen regulieren, noch das Licht ablöschen oder Beamer und Soundinstallation in der Aula benutzen konnten. Auch der Internetanschluss wurde gekappt. Demgegenüber blieb der Rektor die von ihm an einer Vollversammlung zugesicherte schriftliche Auseinandersetzung mit den studentischen Forderungen bis zum Ende der Besetzung schuldig. Seinen Anbiederungsversuch, der soweit ging, die StudentInnen mit Kolleginnen und Kollegen anzusprechen, zerstörte er damit selbst.


Das Ende vom Anfang

Nach einer Woche Besetzung verliessen die AktivistInnen die Aula. Unter dem ständigen Druck durch anfallende Arbeiten, die Medien und die Universitätsleitung, konnte inhaltliche Arbeit nur beschränkt geleistet werden. Eine dringend notwendige Strategie, die über den nächsten Tag hinausging, konnte unter diesen Bedingungen nicht gefunden werden. Neben dem selbstverwalteten StudentInnencafé, dass weiterhin besetzt gehalten wird, benötigt die Bewegung einen Raum, um weiterhin Plena abzuhalten und in Arbeitsgruppen weiter zu arbeiten. Bei jeglichen Angriffen behalten sich die AktivistInnen vor, erneut Räume zu besetzen oder sonstige Aktionen durchzuführen. Mit ein bisschen mehr Ruhe geht es in dieser Phase vor allem um den Aufbau von Strukturen. So werden die StudentInnen bei kommenden Protesten den Kampf mit einer organisierten und untereinander vertrauensvollen Basis führen können und somit auch schlagkräftiger sein.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 59, Dezember/Januar 2010, Seite 11
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Bern, Postfach 87, 3174 Thörishaus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2010