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AUFBAU/216: Wohnungsnot - Betroffene beginnen sich zu wehren


aufbau Nr. 56, März/April 2009
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Wohnungsnot: Betroffene beginnen sich zu wehren

WOHNUNGSNOT - Es regt sich immer mehr Widerstand gegen die grassierende Wohnungsnot. Lösen kann das Problem nur die Vergesellschaftung des Wohnraums.


(agkk) In Zürich ist es zur Zeit beinah unmöglich eine Wohnung zu finden. In den traditionellen ArbeiterInnenquartieren machen sich Yuppies breit, während ProletarierInnen an den Stadtrand verdrängt werden. Schaut man sich als NormalverdienerIn die Wohnungsangebote an, weiss man oft nicht so genau, ob man lachen oder weinen soll über die Absurdität gewisser Wohnungsangebote. Für eine 3,5-Zimmerwohnung muss schnell einmal ein durchschnittlicher Monatslohn hingeblättert werden. Viele Häuser werden zur Zeit umgebaut und aufgewertet, darunter auch viele genossenschaftliche Wohnungen. Dies führt dazu, dass die Wohnungsnot nicht ein Problem ist, das sich auf Neuzuziehende beschränkt. Vielen langjährigen MieterInnen wird gekündigt, und sie laufen Gefahr mit der Wohnung auch ihr soziales Umfeld zu verlieren. Denn eine Wohnung im gleichen Quartier zu finden ist oft ein Ding der Unmöglichkeit.


Wohnungsnot und Widerstand

Das Zürcher Seefeldquartier hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht. War es früher einmal für sein Rotlichtmilieu bekannt, ist es heute eine der beliebtesten Wohngegenden. Dies machen sich Immobilienfirmen zu Nutze und kaufen Liegenschaften auf und bauen grosse luxuriöse Wohnungen für die entsprechende Klientel. Menschen, die seit Jahrzehnten dort wohnen, werden so vor die Türe gesetzt. Dies wollen sich viele BewohnerInnen des Seefelds nicht mehr länger bieten lassen. Der Quartierverein Riesbach hat eine Arbeitsgruppe Wohnen gegründet, die sich gegen den "(H)ausverkauf" wehrt. Am 15. Dezember organisierte diese einen Demonstrationszug durchs Quartier. Auffallend viele ältere Menschen nahmen teil und zogen mit Kerzen an den verschiedenen vom Luxusumbau betroffenen Liegenschaften vorbei.

Ebenfalls auf die Strasse gingen diesen Dezember MieterInnen eines Wohnblocks in Schwamendingen. Sie wehren sich entschlossen gegen ihren Rausschmiss. Die Besitzerin des Wohnblocks, eine Pensionskasse, hat allen MieterInnen per 1. März 2009 gekündigt. Unter ihnen sind viele RentnerInnen, die zum Teil schon über 50 Jahre in dem Block wohnen. Auch hier sollen teurere Wohnungen entstehen. Mit einer Kundgebung und der Überreichung von mehr als tausend Unterschriften an die Besitzerin kämpft die "Bewegig 28" - so nennen sich die betroffenen BewohnerInnen der Aprikosenstrasse 28 - dafür, dass sie in ihren Wohnungen bleiben dürfen.


Enteignen wir die Immobilienhaie!

Ob im Seefeld oder in Schwamendingen, es sind vor allem die ProletarierInnen, die unter der Wohnungsnot leiden. Der Ursprung des ganzen Übels liegt darin, dass der überwiegende Teil des Wohnraums Privateigentum einer kleinen Oberschicht ist. Diese kann entscheiden, wer wo wohnen darf. Und, wie die obigen Beispiele zeigen, ist es den Besitzenden durchaus recht, Menschen aus ihrem sozialen Umfeld zu reissen, wenn dabei ein höherer Profit herausschaut. Die Mieterschutzgesetze können diese Tatsache im besten Falle abschwächen. So kann eine Kündigung zwar angefochten werden, in den meisten Fällen schaut dann aber höchstens ein Aufschub dabei heraus.

Gelöst werden kann die Wohnungsfrage langfristig betrachtet nur in einer kommunistischen Gesellschaft, wo alle Mitglieder der Gesellschaft kollektiv EigentümerInnen der Häuser sind. Erst dann können Argumente, wie das Anrecht einer Person, in ihrem gewohnten Umfeld bleiben zu dürfen, in die Wohnungsvergabe einfliessen. Wahrscheinlich würde die Wohnungsnot sogar gänzlich vom Erdboden verschwinden, wie es Friedrich Engels bereits 1872 feststellte, als er über die in ihrem Ausmass noch viel schlimmere Wohnungsnot in den Städten zur Zeit der Industrialisierung schrieb: "Soviel aber ist sicher, dass schon jetzt in den grossen Städten hinreichend Wohngebäude vorhanden sind, um bei rationeller Benutzung derselben jeder wirklichen "Wohnungsnot" sofort abzuhelfen."(1) Bis wir die Luxus(zweit)wohnungen am Zürichberg zu Mehrfamilienhäusern umfunktionieren können, müssen wohl noch einige Kämpfe ausgetragen werden. Die Proteste im Seefeld und der entschlossene Kampf der "Bewegig 28" machen aber Mut und zeigen, dass viele nicht mehr länger nur die Faust im Sack machen wollen. Wo wir mit dem Enteignen anfangen könnten, dazu stehen freilich schon Ideen im Raum. Wie wäre es zum Beispiel mit den Wohnungen, die gerade beim Grandhotel Dolder gebaut werden und ca. 80.000 Franken im Monat kosten werden?


Anmerkung:

(1) Friedrich Engels, Zur Wohnungsfrage, MEW. Band 18,5. Berlin/DDR 1973, S. 226.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 56, März/April 2009, Seite 12
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2009