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REZENSION/637: Michael Klare - The Race For What's Left (Ressourcenpolitik) (SB)


Michael Klare


The Race for What's Left

The Global Scramble for the World's Last Resources




In letzter Zeit dürfte jedem aufgefallen sein, daß immer mehr Nachrichten einen energiepolitischen Hintergrund haben. Zu den prominentesten Beispielen dieses Phänomens gehören der globale Klimawandel, die Energiewende in Deutschland, die Ukraine-Krise samt Dauerstreit um Gasexporte von Rußland an die Europäische Union und der Konflikt zwischen China und Japan um einige Felsen im Ostchinesischen Meer, um die herum größere Öl- und Gasvorkommen vermutet werden. Selbst die vor wenigen Tagen bekanntgegebene Entscheidung der USA und Kubas, nach mehr als 50 Jahren Konfrontation wieder diplomatische Beziehungen zueinander aufzunehmen, hat einen energiepolitischen Aspekt: geologischen Schätzungen zufolge liegen vor der Nordwestküste Kubas mindestens 4,6 Milliarden Barrel Rohöl, zu deren Förderung moderne Bohrtechnologie Made in the USA mehr als nützlich wäre.

Aufgrund des zunehmenden Raubbaus der Menschheit an der Natur droht sich in den kommenden Jahren der ewige Kampf um Ressourcen erheblich zu verschärfen. Davor warnt Michael Klare eindringlich in seinem neuesten Buch "The Race for What's Left". Der Professor für Friedens-und Weltsicherheitsstudien am Hampshire College in Massachusetts und Verteidigungskorrespondent der linken US-Zeitschrift The Nation schreibt seit Jahren über die Ressourcenproblematik und zeichnet ihren Einfluß auf so unterschiedliche Konflikte wie den angloamerikanischen Einmarsch 2003 in den Irak, den seit fast vier Jahren anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien und den mit Hilfe der NATO herbeigeführten Sturz Muammar Gaddhafis durch die islamistische Opposition in Libyen 2011 nach. Damals hieß es aus amerikanischen Sicherheitskreisen als Erklärung, warum Gaddhafi trotz der Aussöhnung Tripolis' mit dem Westen doch noch entmachtet werden mußte, der libysche Revolutionsführer hätte einen Kurs des "Ressourcennationalismus" verfolgt, will heißen, aus NATO-Sicht von ausländischen Interessenten einen zu hohen Preis für deren Beteiligung an der Ausbeutung der libyschen Öl- und Gasreichtümer verlangt.

In der vorliegenden Lektüre zeigt Klare auf, wie das Überschreiten des Zenits der Ausbeutung der vergleichsweise leicht zu fördernden und zu raffinierenden Ölreserven - im Industriejargon "Peak Oil" genannt - die transnationalen Energieunternehmen dazu veranlaßt hat, Öl- und Gasvorkommen zu erkunden, deren Erschließung große Risiken für Mensch und Umwelt mit sich bringt. Dazu gehört Öl- und Gasgewinnung in küstenfernen Gewässern - siehe die verheerende Katastrophe um die Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko -, in den Polarregionen, aus Schiefer - Stichwort Fracking - sowie aus Teersand in Kanada und Venezuela. Auch wenn die aktuellen Tiefstpreise für Rohöl an den internationalen Börsen den Fracking-Boom in den USA in Frage stellen, bereits zu ersten Entlassungen in der britischen Nordsee-Ölindustrie geführt und sogar einen Kurssturz des russischen Rubels ausgelöst haben, werden Großkonzerne wie BP, Shell, Exxon und Gasprom, deren Geschäftsmodell den Verkauf fossiler Brennstoffe vorsieht, ihre gefährlichen Aktivitäten über kurz oder lang wieder vorantreiben.

Im Fokus von Klares "Kampf um die letzten Ressourcen der Welt" stehen nicht nur Öl und Gas, sondern auch herkömmliche Mineralien, Edelmetalle, Seltene Erden und fruchtbares Ackerland. Letzteres wird zu einem immer wertvolleren Gut, je mehr es infolge des Klimawandels zu Überflutungen, die Nährstoffe aus dem Boden auswaschen, sowie Versteppung und Verkarstung kommt. Klare beschreibt, wie die arabischen Staaten am Persischen Golf in Ostafrika im großen Stil Ackerflächen aufkaufen, um Lebensmittel für die eigene Bevölkerung anzubauen, während sich die USA und die Volksrepublik China einen regelrechten Kampf um Einfluß auf dem Schwarzen Kontinent liefern. Ausführlich behandelt Klare auch die Versuche verschiedener Großkonzerne und Regierungen, sich in den diversen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas den Zugang zu wertvollen Rohstoffen wie Eisenerz, Kupfer, Uran und Koltan zu sichern.

Klare warnt vor schweren Umweltschäden infolge der Forcierung von Bergbau, Öl- und Gasgewinnung sowie des Abbaus von Mineralien und Seltenen Erden. Weil solche Projekte zunehmend in unerschlossenen Gebieten etwa in Indien, Zentralasien und im Amazonasgebiet angesiedelt werden, sieht er das Überleben der letzten Naturvölker in akuter Gefahr. Er plädiert deshalb für eine "vollständige Transformation der Industriegesellschaft" (S. 234) einschließlich verstärkter Investitionen im Bereich der modernen Verwertungstechnologien und der regenerativen Energien. Nur auf diesem Wege sieht er eine Chance, den Ausstoß an klimaschädlichen Gasen zu reduzieren und die militärischen Konflikte, die sich zwangsläufig aus dem Ringen um endliche Rohstoffe ergeben, zu vermeiden. Leider lassen die wenig zufriedenstellenden Vereinbarungen des letzten Klimagipfels vor zwei Wochen in der peruanischen Hauptstadt Lima auf der politischen und wirtschaftlichen Führungsebene wenig bis gar keine Bereitschaft zu der Art von Wandel, die Klare vorschwebt, erkennen.



Siehe hierzu:

www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT:

BERICHT/186: NYC Climate Convergence - Umwelt- und Sozialfragen eine Fracht ... (SB)
INTERVIEW/245: NYC Climate Convergence - Ressourcenclash ...    Michael Klare im Gespräch (SB)

Michael Klare
The Race for What's Left
The Global Scramble for the World's Last Resources
Picador, New York, 2013
306 Seiten
ISBN: 978-1-250-02397-1


23. Dezember 2014


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