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REZENSION/238: Jeffrey M. Smith - Trojanische Saaten (Gen-Nahrung) (SB)


Jeffrey M. Smith


Trojanische Saaten

GenManipulierte Nahrung - GenManipulierter Mensch



Tomaten, die von Ratten verschmäht werden, Mais, an dem Hühner krepieren, Soja, die von Wildtieren links liegen gelassen wird - das Gemeinsame dieser drei Beispiele besteht darin, daß es sich jeweils um gentechnisch manipulierte Pflanzen handelt, die auf solche Weise auffällig wurden. Sie enthalten nicht nur artfremde pflanzliche, sondern auch tierische Bestandteile, die zuvor Mikroorganismen entnommen wurden.

Der ausgebildete Betriebswirt und engagierte Gentechnikgegner Jeffrey M. Smith schildert in dem Buch "Trojanische Saaten. GenManipulierte Nahrung - GenManipulierter Mensch", wie diese Vorfälle und viele mehr seitens der Industrie, Wissenschaft und Politik in einer an Durchtriebenheit grenzenden Kumpanei als ungefährlich und unbedeutend für menschliche Belange verharmlost werden, nur um die Gentechsaat und -nahrung weltweit auf breiter Front durchzusetzen. Des weiteren widmet sich Smith sehr detailliert dem Hormonskandal in Nordamerika und schildert, wie die US-amerikanischen und kanadischen Behörden das gentechnisch veränderte Wachstumshormon rbGH für Rinder zugelassen haben, obgleich zuvor keine relevanten Sicherheitsprüfungen der nachweislich krebsauslösenden Substanz durchgeführt wurden.

Wer bislang gedacht hat, Umwelt- und Verbraucherschutzgruppen übertrieben maßlos mit ihren andauernden Warnungen vor genmanipulierter Nahrung, der dürfte nach der Lektüre dieses Feuerwerks an haarsträubenden Fallbeispielen und somit Argumenten gegen die Gentechnik feststellen, daß die gesundheitlichen Risiken der Hybridisierung von Nutzpflanzen sogar noch viel, viel größer sind als allgemein bekannt. Und Smith belegt, daß die spärliche Verbreitung jener Forschungsergebnisse, die für die Gentechniklobbyisten ungünstig ausfallen, dem immensen Einfluß der Unternehmen im allgemeinen und des weltweit führenden Agrokonzerns Monsanto im besonderen auf die US-Regierung, die Medien und den vermeintlich unabhängigen Wissenschaftsbetrieb nicht nur in den USA geschuldet ist.

Es fällt auf, daß es häufig medizinische Fachjournale ("The Lancet", "Journal of the British Medical Association", etc.) sind, in denen vor den Gefahren der Genmanipulation gewarnt wird - als ob sich Mediziner am ehesten eine Vorstellung davon machen können, welchen folgenschweren Veränderungen der menschliche Organismus womöglich durch den Verzehr von Gentechnahrung ausgesetzt wird. In dieser Hinsicht wagt selbst Smith, der ansonsten jede seiner Behauptungen mit Fakten belegt, eine Spekulation und macht darauf aufmerksam, daß ungefähr seit der Einführung der Genfood in Amerika in den neunziger Jahren die Fälle von ernährungsbedingten Krankheiten zugenommen haben, daß die Rate von starkem Übergewicht in der Bevölkerung rapide in die Höhe schnellte und daß es ebenfalls zu mehr Krebs- und Diabetes- Erkrankungen gekommen ist. Smith wirft die Frage auf, ob es einen Zusammenhang zwischen diesen Phänomenen und der Verbreitung der Gentechnahrung gebe, und resümiert, daß man das nicht wissen könne, da es noch niemand untersucht habe.

Wenn im folgenden vorzugsweise Begriffe wie "Hybridisierung" und "Hybridpflanzen" anstelle der üblichen "Gentechnik" und "Gentechpflanze" verwendet werden, dann soll damit dem allgemeinen Irrglauben entgegengetreten werden, als wüßten die beteiligten Forscher, was sie tun, wenn sie Saatgut manipulieren. Der Glaube, es gebe so etwas wie informationstragende Einheiten - Gene genannt -, die aus einem pflanzlichen oder tierischen Genom herausgeschnitten werden, damit sie in einem neuen biologischen Zusammenhang ihre Information an die Hybridpflanze weitergeben, ist ein weit verbreiteter Irrtum, über den auch Smith in seiner typisch lockeren, aber sehr wohl präzisen Art aufklärt:

Wir haben bisher immer davon gesprochen, dass Fremdgene in die DNA des Wirtsorganismus 'eingesetzt' werden. Doch das ist mehr als wohlwollend ausgedrückt. Eine übliche Methode zum 'Einsetzen' von Genen besteht darin, sie mit einer 22-Kaliber- Gen-Flinte in die DNA zu jagen. Erst überziehen die Wissenschaftler Tausende winziger Gold- oder Wolframteilchen mit dem fremden Gen. Anschließend zielen sie damit auf ein Gefäß, in dem sich Tausende ahnungsloser Zellen befinden. Und dann feuern sie die Ladung ab und hoffen, dass wenigsten einige der fremden Gene hier oder da ihren Platz in der DNA der Wirtszellen finden. (S. 84)

Mit anderen Worten, die Forscher sind unfähig, einzelne Gene herauszupicken und sie wie ein Bauklötzchen an einem anderen Platz wieder einzubauen, wo sie dann eine vorher eindeutig definierte Funktion erfüllen. Konsequenterweise dürfte man nicht einmal mehr von Genen sprechen, da sie den falschen Eindruck von Präzision nur befördern.

So ist den Beschreibungen Smiths zu entnehmen, daß die "Erbsubstanz" DNA von den Forschern offenbar gar nicht als Entscheidungsträger für die Weitergabe einer Information angesehen wird, sondern vielmehr die RNA, die demnach bestimmte Kopien der DNA anfertigt. Aber eigentlich geben auch nicht die RNA-Abschnitte, sondern Enzyme die bestimmenden Impulse für die vermutete Informationsübermittlung, da sie die RNA zerlegen und anders wieder zusammensetzen, so daß aus der ursprünglichen "Botschaft" der DNA etwas Neues entsteht. Aber auch die Enzyme entscheiden nicht selbst, an welcher Stelle sie die RNA spleißen sollen, um eine bestimmte Sequenz - und nur diese - zu erhalten, sondern bekommen ihre "Anweisungen" von einer anderen "Instanz", und so weiter und so fort. Die Ursachenkette läßt sich beliebig fortsetzen - ein Sinnbild für die Beliebigkeit der Ergebnisse, die in den Forschungslaboren der Gentechniker produziert werden.

So grundsätzlich treibt Smith seine Kritik am Wissenschaftsbetrieb allerdings nicht, wenngleich er die Vorstellung "ein Gen = eine Information" als längst überholt beschreibt. Zudem entmystifiziert er das Verfahren des "Gentransfers" und erklärt, daß das Beschießen der Samen mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Stundenkilometern zu "gewissen strukturellen 'Konsequenzen'" führe. Die arteigene DNA könne auf eine Weise geschädigt werden, "die der Gentechniker nicht zu erkennen" vermöge (S. 84). Die Ergebnisse des Gentransfers seien "völlig unvorhersehbar", zitiert Smith einen renommierten britischen Molekularbiologen.

Mit einfachen Worten erklärt der Autor Fachausdrücke wie RNA, Enzyme, Promotoren, Aminosäuresequenzen, Genexpression, Antibiotikaresistenz-Gen (ARM-Gen), etc. Wenn man einen genaueren Blick auf die von Smith korrekt wiedergegebenen Konzepte und Modelle aus der Genetik wirft, kommt man nicht um die Erkenntnis herum, daß diese Theorie so widerspruchsfrei wohl nicht sein kann, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Aufgrund der Fehleinschätzungen entstehen vielfältige Risiken derartiger Eingriffe in das sogenannte Genom. Beispielsweise hatten Gentechniker aufgrund ihrer Manipulation ein hochwirksames Toxin in einer zu verändernden Pflanze freigesetzt. Ein Toxin, das sie keineswegs selbst eingebracht hatten, sondern das bereits vorhanden war, aber bis dahin von einer anderen Substanz in Schach gehalten wurde. Aufgrund des Zufallsbeschusses des Samens durch die Forscher wurde der Schutz weggerissen, und das Gift entfaltete seine Wirkung.

Abgesehen von der Fülle an ähnlichen, für die beteiligten Wissenschaftler höchst irritierenden Forschungsergebnissen nennt Smith eine Reihe von Fällen, bei denen Menschen gentechnisch manipulierte Lebensmittel gegessen hatten und schwer erkrankten (Krämpfe, unkoordinierte Motorik, anaphylaktische Schocks, Hautausschläge, Schäden der inneren Organe, Atemnot, etc.) und berichtet über überraschende Erfahrungen von Landwirten, die Hybridsaat an ihre Tiere oder an Wild verfüttert hatten. Beispielsweise habe ein Bauer aus Iowa den Futtertrog für seine Kühe auf der einen Seite mit konventionellem Mais und auf der anderen mit Hybridmais gefüllt, berichtet Smith. Normalerweise verteile sich dessen Herde auf die gesamte Breite des Trogs und fresse ihn bis auf den letzten Rest leer. Diesmal jedoch drängten sich alle Tiere vor dem konventionellen Mais zusammen, fraßen ihn restlos auf, aber rührten den anderen nicht an.

Dieses Beispiel kann sicherlich weder als wissenschaftlicher Beweis für die Gefährlichkeit von Hybridmais dienen noch für die hohe Sensibilität von Tieren, denn die meisten Rindviecher fressen den Gentechmais, aber dieser Fall und gut ein halbes Dutzend weiterer unterstützen eindrucksvoll die Forderung Smiths, daß die gentechnisch manipulierte Saat unbedingt wissenschaftlich näher untersucht werden müsse.

Die Vorwürfe des Autors richten sich vor allem gegen die US- Behörde FDA (Federal Department of Agriculture), die keine eigenen Gutachten zu den Genehmigungsanträgen der Biotechindustrie durchgeführt, unkritisch die Forschungsergebnisse der Antragsteller übernommen und negative Resultate unter den Tisch gekehrt habe. Außerdem seien jene Wissenschaftler, die vor der Einführung gentechnisch manipulierter Nahrung warnten, regelmäßig mundtot gemacht worden, schreibt Smith und führt mehrere Beispiele der Bestechung von Forschern und des Diebstahls kritischer Untersuchungsberichte an; selbst Morddrohungen und Erpressung gehören offenbar zum Repertoire der Gentechnikbefürworter.

Darüber hinaus legt der Autor dar, daß es zwischen FDA, Industrie und US-Regierung zu einer engen personellen Verflechtung gekommen ist. Verkürzt gesagt: Monsanto-Mitarbeiter wechseln in die Behörde und genehmigen ihre eigenen Produkte. Oder sie sitzen in der Regierung und preisen Gentechnik als Wohltat für die hungernde Menschheit - siehe Ann Veneman, US- Landwirtschaftsministerin unter George W. Bush und ehemaliges Monsanto-Vorstandsmitglied.

Abgesehen von Smiths Ausführungen zur genmanipulierten Nahrung enthält das vorliegende Buch einige Beiträge aus der Feder der Übersetzerin Gisela Kretzschmar, die besonders die deutschen, bzw. europäischen Aspekte der Verbreitung von genmanipulierter Nahrung beleuchtet, des weiteren ein Nachwort von Christine von Weizsäcker, das wenig Erhellendes zum Thema beiträgt, sowie ein Kapitel der Organisation Greenpeace über "Essen ohne Gentechnik. Verbrauchertipps von EinkaufsNetz", das allen Interessierten einen Einkaufsleitfaden bietet soll, aber selbstverständlich laufend aktualisiert und ergänzt werden müßte.

In "Trojanische Saaten" (im Original: Seeds of Deception) hat Smith kaum eine Negativschlagzeile zur Grünen Gentechnik sowie zum rbGH-Hormonskandal der letzten zehn, fünfzehn Jahre ausgelassen. Dadurch ist eine Sammlung entstanden, die deutlich macht, daß hier letztlich die Qualität der Nahrung der Mehrheit der Menschen auf dem Spiel steht. Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, daß nicht nur Biotechkonzerne ein reges Interesse an der Verbreitung ihres an Lizenzen gebundenen Saatguts haben, sondern daß auch die US-Regierung den globalstrategischen Nutzen, den ihr die Grüne Gentechnik bietet, zu schätzen weiß. Denn wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert den Menschen; und mit Hilfe enormer Agrarsubventionen ist es sowohl den USA als auch den EU-Staaten gelungen, die heimischen Landwirtschaften so zu fördern, daß sie von der Nahrungsmittelproduktion anderer Länder weitgehend unabhängig wurden. Darüber hinaus wird der globale Anbau von Nahrungsmitteln sowie deren Verteilung mit Hilfe der großen Agrokonzerne allmählich der eigenen Kontrolle unterworfen.

An dieser Stelle bleibt Smith in seiner Einschätzung der politischen Absichten der US-Administration zu moderat. Seine Thesen, daß die Regierung von Monsanto und Co. mittels Wahlkampfspenden beeinflußt werde, damit sie gesundheitsgefährdende Nahrung ohne die gebotenen Sicherheitsprüfungen zuläßt, oder daß Regierung und Industrie personell eng verflochten seien, sind zwar nicht falsch, aber greifen zu kurz. Der Autor überschätzt die Macht der Konzerne und unterschätzt die Verfügungsgewalt der Regierung.

Dabei hat Smith selbst einige wichtige Hinweise geliefert, warum übergreifende politische Interessen hinter der Verbreitung von Hybridpflanzen stecken könnten. So hatte Monsanto 1999 die Beraterfirma Arthur Anderson Consulting Group angeheuert, und diese hat die leitenden Wissenschaftler des Unternehmens gebeten, sich Gedanken über die Ziele zu machen, die der Konzern in 15 oder 20 Jahren erreicht haben sollte. Daraufhin hätten die Berater das Ergebnis - das gesamte kommerzielle Saatgut solle gentechnisch verändert und patentiert sein - zur Grundlage ihres Entwurfs gemacht und von da aus rückwärts gewandt einen Stufenplan zur Erreichung dieses Ziels ausgearbeitet, inklusive Monsantos gezielte Einflußnahme auf die Regierung (S. 14).

Was aber, so hätte Smith sich fragen können, wenn sich der Monsanto-Konzern beispielsweise gewünscht hätte, daß der Mensch der Zukunft von seinen biologischen Bedingungen her gar nichts anderes mehr verdauen könnte als Hybridnahrung? Dadurch würden Menschen existentiell von den Produzenten der Spezialnahrung abhängig - in der Logik des größtmöglichen Absatzes und des dadurch erzielten Kontrollgewinns wäre dies die konsequente Steigerung zum Wunsch nach einer generellen Verbreitung von Genfood. Das wäre sicherlich nicht nur ein erstrebenswertes Ziel der Biotechindustrie, sondern auch der Regierung, deren Einfluß damit weltweit ungeheuerlich stiege. Schließlich hat erst kürzlich der stellvertretende US-Außenamtssprecher Adam Ereli erklärt, Nahrungsmittelhilfe sei ein "wichtiger Bestandteil unserer Außenpolitik" (US State Department, Daily Press Briefing, 27.12.2004).

Die totale Abhängigkeit der Menschen von der Hybridnahrung wäre möglicherweise mit einer gezielten, dauerhaften Veränderung der menschlichen Darmflora durch das Einschleusen bestimmter Bakterien zu erreichen, so daß die Befallenen fortan ausschließlich Gentechnahrung verdauen können, während demgegenüber konventionell angebaute Produkte keinen Nährwert mehr besäßen oder die Konsumenten geradezu krank machten.

Diese Spekulation als sinistre Verschwörungstheorie zu verwerfen wäre zu einfach, denn wie Smith ja selbst auf mehreren hundert Seiten belegt, kennen die Befürworter der Gentechnik keinerlei Skrupel und gehen sprichwörtlich über Leichen, um ihre Methode der Nahrungsmittelproduktion auf der ganzen Welt durchzusetzen und damit Kontrollzuwachs zu erlangen. Ethik und Moral standen niemals antagonistisch zu Herrschaftsinteressen, sondern sind Ausdruck ihrer Bestandssicherung. Und technisch gesehen wird durchaus an Verfahren geforscht, die das Ziel haben, die Darmflora gezielt zu verändern - zumindest bei Kühen. Außerdem ist tatsächlich einmal eingetreten, was sich kein Wissenschaftler vorstellen konnte oder wollte, nämlich daß die Darmflora eines Menschen nach dem Verzehr von Gentechnahrung genetisch verändert war (S. 383).

Solch eine Manipulation, im gesamten Verbreitungsgebiet der Grünen Gentechnik gezielt eingesetzt, könnte nahezu die komplette Weltbevölkerung in die Abhängigkeit der Biotechkonzerne und der hinter ihnen stehenden und von ihrer Arbeit profitierenden Administration bringen. Selbst für bevölkerungspolitische Manipulationen der übelsten Art öffneten sich auf diesem Wege Tür und Tor. Insofern ist der Titel des Buchs, "Trojanische Saaten", überaus treffend, wenngleich es um mehr gehen könnte als nur um unmäßige Konzernprofite.


Jeffrey M. Smith
Trojanische Saaten
GenManipulierte Nahrung - GenManipulierter Mensch
Aus dem Englischen von Gisela Kretzschmar
Riemann Verlag, München 2004
416 Seiten
ISBN 3-570-50060-8