Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → SACHBUCH

REZENSION/064: Ken Whyld - Schach lernen (Schach) (SB)


Ken Whyld


Schach lernen



Schachbücher können entsetzlich kalt und unnahbar sein, wie jeder Anfänger aus eigener Erfahrung nur allzu leidvoll weiß. Dieses Unbehagen verfliegt jedoch, wenn man das Buch des englischen Schach- autors Ken Whyld aufschlägt. Statt, wie erwartet, in einen schwarzen Sumpf hineingezogen zu werden aus Worten, Symbolen und unentwirrbaren Zeichen, betritt der Leser plötzlich eine warme und anschauungsreiche Welt. Seinem Wunsch, in seiner Unkenntnis der Regeln und Spielgesetze ernst- genommen zu werden, wird Raum gegeben, und so ist er gerne bereit, nochmals die Schulbank zu drücken, denn aus den Buchseiten spricht kein weltfremder Professor zu ihm, sondern jemand aus seiner Nachbarschaft, ein Freund und Wegbereiter.

Der englische Originaltitel "Learn Chess in a Weekend" klingt für unsere mit Verheißungen so oft schon trackierten Ohren zunächst einmal illuso- risch und nicht faßbar wie die heiße Luft einer Fata Morgana, doch ist es dem seltenen Geschick des Autors tatsächlich gelungen, in rasch nach- vollziehbaren Lektionen das Versprechen aus der Sphäre der Unverbindlichkeit herauszureißen.

Der Zauberschlüssel zu diesem Erfolg, zu
dieser leicht begehbaren Architektur heißt:
treffsichere Verbindung zwischen Text und Bild.

Man sieht die Welt mit Augen, das Gehirn ist
physiologisch immer nachgeschaltet. Und so
verarbeitet der Verstand die Eindrücke am besten,
die schonend eingehen, um keine Spanne zu hoch
sind und nicht fremd wie Kauderwelsch daherkommen.
Diese Reihenfolge ist zugleich die wichtigste und
solideste Brücke zur dauerhaften Entwicklungs-
fähigkeit und Autodidaktik.

Bücher für Anfänger müssen daher einfühlsam sein, sie dürfen nicht erschrecken, und sie sollten mit so weicher Feder geschrieben sein, daß das lernende und betrachtende Auge sich am Inhalt nicht wundstößt. Illustrationen, gezielt einge- setzt, sind solche Weichmacher, gerade an den harten Kanten des Lernstoffs.

Das Operieren mit Farben, kennzeichnende
Pfeile und kurze Erläuterungen sind hier zu einem
feinen Leitseil verwoben. Man wird nicht gezogen,
wohl aber nachweislich geführt.

Zuviel Text und Mathematik töten jedes erwachende Interesse durch Aufdringlichkeit. Ken Whyld fand jedoch einen charmanten Mittelweg, indem er mit Bedacht den Schwerpunkt seiner Lektionen auf anregende Hinweise legte und damit die erstickende Enge starrer Prinzipien umging. Berührungsängste mit dem neuen Stoff läßt er gar nicht erst aufkommen.

Angriffs- und Verteidigungsmotiven - wie Fesselung, Abzugsschach, Blockade, Opfer, Matt, Patt und Remis - wurde der furchteinflößende Panzer des Geheimnisses auf eine so gründliche Weise genommen, daß all diese unverzichtbaren Elemente jeder Schachpartie, auf ein handhabbares Maß reduziert, auch für einen Anfänger kein fremdes Universum mehr darstellen.

Daher nimmt sich auch die reine Eröffnungs- lehre im Vergleich zum Abschnitt über die Schach- regeln eher klein und bescheiden aus, und doch ist es gerade diese Abwägung, die den Pfeil mitten ins Schwarze schwirren läßt.

So ist dies Buch sonderlich dafür geeignet,
Neugier zu wecken. Mehr will es nicht. Es will
Stufe sein zu einem weiteren Nachfassen. Mehr
sollte auch das Anliegen einer Anfängerfibel, um
es einmal klassisch zu sagen, nie sein.

Grundwissen, nicht Fachlatein zu vermitteln, das war Geburtswehe und Mühe dieses Buches. Für Kinder und Jugendliche eine helfende Hand, die auch ein Erwachsener nicht von sich weisen wird.


Ken Whyld
Schach lernen
Delius Klasing Verlag, 1998